Ross Macdonald : Der blaue Hammer

Der blaue Hammer
Originalausgabe: The Blue Hammer Alfred A. Knopf, New York 1976 Der blaue Hammer Übersetzung: Peter Naujack Diogenes Verlag, Zürich 1978 Neuübersetzung: Karsten Singelmann Diogenes Verlag, Zürich 2013 ISBN: 978-3-257-30015-4, 425 Seiten, 14.90 € (D)
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Als dem Kupfermagnaten Jack Biemeyer und seiner Frau Ruth ein Gemälde gestohlen wird, das von dem seit 25 Jahren verschollenen Künstler Richard Chantry stammen soll, schalten sie den Privatdetektiv Lew Archer ein. Zuerst sieht es so aus, als ob Biemeyers Tochter und deren Freund etwas mit dem Diebstahl zu tun haben könnten, aber dann stößt Archer auf mehrere Mordfälle und ein komplexes Familiendrama, das vor mehr als 30 Jahren begann ...
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Kritik

Ross Macdonald lässt seinen Privatdetektiv Lew Archer einen komplexen Fall aufklären und porträtiert in "Der blaue Hammer" zugleich eine marode Gesellschaft. Aufgrund unerwarteter Wendungen bleibt die Spannung bis zum Schluss erhalten.
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Der Privatdetektiv Lew Archer aus Los Angeles wird 1975 nach Santa Teresa gerufen.

Das einzige Geräusch, das ich außer dem Brausen der Autobahn hören konnte, die ich etwas weiter unten verlassen hatte, war das Plop eines hin und her geschlagenen Tennisballes. Der Platz lag an einer Seite des Hauses, umgeben von einem hohen Drahtnetz. Ein korpulenter Mann in Shorts und mit einem Leinenhut auf dem Kopf spielte gegen eine behende blonde Frau. Etwas an der mühsam unterdrückten Heftigkeit ihres Spiels erinnerte mich an Gefangene auf dem Übungsplatz einer Haftanstalt.
Der Mann musste mehrere Punkte hintereinander abgeben und beschloss, meine Anwesenheit zur Kenntnis zu nehmen. Indem er der Frau und dem Spiel den Rücken kehrte, kam er zu mir an das Drahtnetz.
„Sind Sie Lew Archer?“
Ich bestätige es.
„Sie kommen zu spät zu unserer Verabredung.“
„Ich konnte Ihre Straße nicht so leicht finden.“
„Sie hätten irgendjemand in der Stadt fragen können. Jeder weiß, wo Jack Biemeyer wohnt. Sogar die ankommenden Flugzeuge benutzen mein Haus als Orientierungszeichen.“
(Übersetzung: Peter Naujack 1978)

Hier oben herrschte Stille, das einzige Geräusch, abgesehen vom leisen Hintergrundrauschen des Freeways, den ich soeben verlassen hatte, kam von einem hin und her geschlagenen Tennisball. Der Court neben dem Haus war von einem hohen Drahtzaun umgeben. Ein korpulenter Mann in kurzen Hosen und mit einem Leinenhut auf dem Kopf spielte gegen eine behende blonde Frau. Beide legten eine Verbissenheit an den Tag, die mich an Gefängnisinsassen auf einem Exerzierhof erinnerte.
Der Mann verlor mehrere Ballwechsel in Folge und beschloss daraufhin, meine Anwesenheit zur Kenntnis zu nehmen. Der Frau und dem Match den Rücken kehrend, trat er an den Zaun.
„Sind Sie Lew Archer?“
Der war ich.
„Sind sind reichlich spät dran.“
„Ich hatte Probleme, den Weg zu finden.“
„Sie hätten jeden Passanten fragen können. jeder weiß, wo Jack Biemeyer wohnt. Sogar die Flugzeuge benutzen beim Landeanflug mein Haus als Orientierungspunkt.“
(Neuübersetzung: Karsten Singelmann 2013)

Aus der Villa des aus Arizona stammenden Kupfermagnaten Jack Biemeyer ist ein Gemälde gestohlen worden, das dessen Ehefrau Ruth unlängst von dem Kunsthändler Paul Grimes erwarb. Es handelt sich um das stilisierte Porträt einer jungen Frau, angeblich gemalt von Richard Chantry, einem Künstler, der 1943 aus Arizona nach Santa Teresa gezogen war und am 4. Juli 1950 spurlos verschwand. Lew Archer erhält den Auftrag, das Bild zu suchen.

Rasch findet der Detektiv heraus, dass Doris, die 20-jährige Tochter der Biemeyers, das Gemälde fortnahm und ihrem zwölf Jahre älteren Freund Fred Johnson brachte. Fred arbeitet als Dozent am Kunstmuseum in Santa Teresa und wohnt noch bei seinen Eltern Gerard („Jerry“) und Sarah Johnson. Von Lew Archer zur Rede gestellt, behauptet Fred, er habe nur herausfinden wollen, ob das Gemälde ein echter Chantry ist oder nicht. Wo es jetzt sei, wisse er nicht, denn man habe es ihm gestohlen.

Also muss Lew Archer weitersuchen.

Auf dem Weg zum Krankenhaus, in dem Sarah Johnson als Krankenschwester beschäftigt sein soll, bemerkt er Blutspuren. Sie führen ihn zu einem Mann, der im Gras liegt und röchelt. Als er sich über den Schwerverletzten beugt, hält dieser ihn offenbar für Chantry. Der Privatdetektiv sorgt dafür, dass er rasch in die Klinik gebracht wird, aber die Ärzte können nicht verhindern, dass der Mann stirbt. Es handelt sich um Paul Grimes. Jemand hat den bisexuellen und heroinsüchtigen Kunsthändler, der vor Jahrzehnten Richard Chantrys Lehrer und Freund gewesen war, erschlagen.

Fast zur gleichen Zeit wird die Leiche des Künstlers Jacob Whitmore bei Sycamore Point aus dem Meer geborgen. Da er Süßwasser in den Lungen hatte, muss auch er ermordet worden sein. Das Gemälde, nach dem Lew Archer sucht, stellt eine Verbindung zwischen den beiden Mordfällen dar, denn Paul Grimes hatte es vor zwei Monaten von Jacob Whitmore erworben.

Bei seinen Ermittlungen lernt Lew Archer die knapp 30-jährige Journalistin Betty Jo Siddon kennen, die für die Lokalzeitung in Santa Teresa schreibt. Die beiden verlieben sich und arbeiten zusammen. Außer einer zukunftsträchtigen Beziehung erhofft Betty sich eine interessante Geschichte, denn sie ist es leid, Reportagen über Abendgesellschaften zu verfassen.

Im Kunstmuseum stößt Ralph, ein Bekannter Bettys, auf einen Akt, für den offensichtlich die Frau Modell saß, die auch auf dem verschwundenen Porträt dargestellt ist. Weil der Akt vor mehr als zwanzig Jahren gemalt wurde, scheint es sich bei dem Porträt der jungen Frau um eine Gedächtnisstudie zu handeln. Lew Archer ruft den Aktmaler an: den inzwischen 75-jährigen Simon Lashman in Tucson/Arizona. Mildred Mead sei der Name des Modells gewesen, sagt Lashman; die Frau müsse inzwischen um die 70 sein.

Fred und Doris sind nicht mehr in Santa Teresa. Wurde Doris von Fred entführt, und hat er vielleicht auch das Gemälde bei sich? Lew Archer vermutet die beiden auf dem Weg nach Tucson und fliegt hin, auch um mit Mildred Mead zu sprechen und weitere Nachforschungen anzustellen, denn es ist auffallend, dass alle Beteiligten früher in Tucson gelebt hatten bzw. noch dort wohnen: Die Biemeyers ebenso wie die Chantrys, Mildred Mead und der Kunsthändler Paul Grimes.

Mildred Mead soll im Chantry Canyon in den Chiricahua Mountains wohnen, in einem Haus, das ursprünglich Richard Chantrys Vater Felix gehörte, dem Ingenieur, der die Kupfermine in der Nähe erschlossen hatte. Nach dem Tod von Felix Chantry im Jahr 1942 erwarb sein Nachfolger Jack Biemeyer das Haus und überschrieb es seiner Geliebten Mildred Mead. Der Privatdetektiv trifft Mildred Mead dort nicht mehr an, denn sie verkaufte es vor drei Monaten einer Sekte und zog nach Santa Teresa in ein Motel.

Vor dem Eingang des Anwesens sitzt Fred in seinem Wagen. Er wurde verprügelt, weil er nicht zulassen wollte, dass Doris sich der Sekte anschloss. Lew Archer holt das Mädchen zusammen mit Brotherton, dem Sheriff von Copper City, aus der „Gemeinschaft umfassender Liebe“.

Fred beteuert, Doris nicht entführt zu haben. Sie sei von sich aus mitgekommen, als er herfuhr, um nach Mildred Mead zu suchen. Er ist sich sicher, dass das Porträt von Richard Chantry gemalt wurde, allerdings erst kürzlich aus dem Gedächtnis und nicht vor mehr als 25 Jahren. Deshalb ist Fred überzeugt, dass der verschollene Künstler noch lebt, und mit Hilfe von Mildred Mead habe er ihn aufspüren wollen, sagt er.

Von Sheriff Brotherton, Simon Lashman und Paul Grimes‘ geschiedener Ehefrau Juanita erfährt Lew Archer, dass Mildred Mead einen unehelichen Sohn namens William hatte. Felix Chantry soll der Vater gewesen sein. William Mead war als Maler begabter als sein Halbbruder Richard Chantry. 1942 schwängerte er eine Frau und heiratete sie, obwohl er eine andere namens Francine liebte. Als er während des Krieges 1943 Heimaturlaub bekam, stellte er fest, dass Francine inzwischen die Ehefrau von Richard war. Der hatte ihm außerdem Entwürfe gestohlen und als eigene Arbeiten ausgegeben. Darüber kam es zum Streit. Dann wurde Williams Leiche in der Wüste gefunden. Raubvögel und anderes Getier hatten sein Gesicht zerfetzt, aber Mildred Mead identifizierte den Toten als ihren Sohn William. Unmittelbar danach zogen Richard und Francine Chantry nach Santa Teresa.

Lew Archer kehrt mit Doris Biemeyer und Fred Johnson im Privatjet der Kupferminen-Gesellschaft zurück nach Kalifornien, wo Fred bei der Ankunft verhaftet wird. Der Privatdetektiv drängt jedoch Ruth Biemeyer, dem einzigen Freund ihrer Tochter beizustehen, und der von ihr beauftragte Rechtsanwalt Roy Lackner bekommt Fred nach ein paar Tagen frei.

In dem Motel in Santa Teresa, in dem Lew Archer Mildred Mead vermutete, findet er sie nicht mehr vor: Sie zog vor einem Monat aus und erzählte etwas von einem Seniorenheim. Lew Archer bittet seine Freundin Betty, herumzutelefonieren und nach Mildred Mead zu fragen.

Mit einem Feldstecher beobachtet er Francine Chantry und ihren langjährigen Hausdiener Rico im Gewächshaus der Villa beim Zuschaufeln eines größeren Loches. Kurz danach wirft Rico etwas in den Kofferraum eines Autos und fährt los. Lew Archer folgt ihm und stellt ihn, als er einen Sack mit einem menschlichen Schädel und weiteren Knochen ins Meer werfen will. Nach der Festnahme durch Captain Mackendrick sagt Rico aus, es habe sich um die Leiche eines ihm unbekannten Mannes gehandelt, der vor 25 Jahren klingelte und nach Richard Chantry fragte. Der Fremde sei dann ein zweites Mal gekommen, diesmal mit einer Frau und einem Kind, und habe sich mit Richard Chantry zu einem Gespräch in dessen Arbeitszimmer zurückgezogen. Dann sei der Fremde tot am Boden gelegen, und Francine Chantry habe ihm, Rico, erklärt, der Besucher sei gestürzt, mit dem Kopf aufgeschlagen und gestorben. In ihrem Auftrag habe er die Leiche im Gewächshaus vergraben. Richard Chantry, der damals noch keine 30 war, sei noch am selben Tag verschwunden.

In der Nacht sucht Lew Archer Francine Chantry auf. Sie bestätigt die Aussage Ricos. Ausgegraben habe sie die Überreste der Leiche mit Rico, weil sie durch einen anonymen Erpresseranruf – vermutlich der Frau, die damals mit dem Kind dabei gewesen war – in Panik geraten sei.

Bevor Francine Chantry festgenommen werden kann, flieht sie aus der Stadt.

Von Paola Grimes, der Tochter des ermordeten Kunsthändlers, erfährt Lew Archer, dass Mildred Mead inzwischen im Seniorenheim „Magnolia Court“ wohnt. Der Privatdetektiv sucht die alte alkoholkranke Frau auf.

„Ich möchte annehmen, dass Biemeyer Ihnen das Haus im Namen oder Auftrag der Familie Chantry gekauft hat. Oder vielleicht hat die Familie es Ihnen über Biemeyer einfach geschenkt.“
„Welchen Grund sollten sie dafür gehabt haben?“
„Damit Sie über die Ermordung Ihres Sohnes William den Mund halten.“
„Williams Tod war öffentlich bekannt. Worüber sollte ich also den Mund halten?“
„Darüber, wer ihn umgebracht hat. Ich glaube, es war Richard Chantry. Unmittelbar nach dem Mord verließ er Arizona und ging nach Kalifornien, um nie wieder zurückzukehren. Das Verfahren gegen ihn wurde niedergeschlagen oder nie eröffnet. Wenn Sie irgendeinen Verdacht in dieser Richtung hatten, haben Sie ihn für sich behalten.“ (Übersetzung: Peter Naujack 1978)

„Ich möchte behaupten, dass Biemeyer Ihnen das Haus im Auftrag der Familie Chantry gekauft hat. Oder sie haben es Ihnen sogar geschenkt, mit ihm als Strohmann.“
„Aus welchem Grund hätten sie das tun sollen?“
„Als Gegenleistung, damit Sie über den Mord an Ihrem Sohn William schweigen.“
„Die Öffentlichkeit wusste über Williams Tod Bescheid. Worüber hätte ich da schweigen sollen?“
„Über den Mörder. Ich glaube, dass es Richard Chantry war. Er ist gleich nach dem Mord von Arizona nach Kalifornien gezogen und nie zurückgekehrt. Die Ermittlungen gegen ihn wurden eingestellt oder kamen gar nicht erst richtig in Gang. Falls Sie irgendeinen Verdacht hegten, haben sie ihn für sich behalten.“ (Neuübersetzung: Karsten Singelmann 2013)

Als Lew Archer erfährt, dass Betty kurz vor ihm bei Mildred Mead war, macht er sich Sorgen um seine neue Freundin, denn sie hat sich seit Stunden nicht mehr bei ihm gemeldet und er befürchtet, dass sie trotz der Gefahr eigene Nachforschungen durchführt.

Jacob Whitmores Freundin Jessie Gable erzählt ihm für 100 Dollar, dass Jacob Whitmore das Porträt, mit dem für den Privatdetektiv alles anfing, vor zwei Monaten von Sarah Johnson erworben habe. Fred Johnsons Mutter arbeitet als Krankenschwester, wurde allerdings kürzlich im Hospital von Santa Teresa entlassen, weil sie angeblich Narkotika gestohlen hatte, und macht seither Nachtschichten im Sanatorium „La Paloma“.

Der Privatdetektiv, der vermutet, dass Betty auf dieselbe Spur stieß, sucht die vermisste Journalistin bei den Johnsons. Er trifft auf Fred und Sarah Johnson. Betty wird offenbar von dem alkoholkranken Gerard Johnson auf dem Dachboden festgehalten.

„Wie hat er Miss Siddon hinaufgekriegt?“
Ihr schwerer Blick wich mir aus. „Das weiß ich nicht.“
„Haben Sie sie hochgebracht?“
„Nein. So was würde ich nicht tun.“
„Hast du aber“, sagte ihr Sohn.
„Und wenn schon. Sie hat ja drum gebeten. Sie wollte unbedingt mit ihm reden, und, na ja, er war eben dort oben. Ich kann nicht die Verantwortung für jede Reporterin übernehmen, die sich in mein Haus einschleicht.“

Als Lew Archer die Tür zum Dachboden öffnet, sitzt Gerard Johnson mit einer Pistole vor Betty, die er nackt auf einen Stuhl gefesselt und gemalt hat. Lew Archer überwältigt ihn, befreit Betty und findet auch das gesuchte Porträt. Kurz darauf trifft die Polizei ein und verhaftet den kranken Mann, der das Gemälde aus dem Zimmer seines Sohnes Fred geholt hatte. Fred vernahm zwar die Stimme einer Frau auf dem Dachboden, aber er dachte sich nicht viel dabei, denn sein Vater hatte früher häufiger Frauen hinaufgelockt und sie dazu gebracht, sich vor ihm auszuziehen.

Bei der gerichtsmedizinischen Untersuchung werden an den in Chantrys Gewächshaus ausgegrabenen Knochen Schrapnellverletzungen festgestellt. Der Mann war also im Krieg gewesen. Das bringt den Privatdetektiv auf die Spur eines Freundes von William Mead, der fünf Jahre lang im Skyhill Veterans‘ Hospital im Sun Valley bei Los Angeles gewesen war und vor 25 Jahren entlassen wurde: Gerard Johnson. Um den handelte es sich also vermutlich bei dem zu Tode gekommenen Besucher Richard Chantrys. Möglicherweise wusste er etwas über die Ermordung seines Freundes William Mead, versuchte den Künstler damit zu erpressen und wurde deshalb umgebracht. Gerard Johnson war jedoch weder verheiratet, noch hatte er ein Kind. Ließ er sich bei seinem zweiten Besuch von Williams Witwe und deren Sohn begleiten?

Lew Archer glaubt jetzt zu wissen, dass es sich bei Sarah Johnson in Wirklichkeit um William Meads Witwe handelt. Als Zeugin der Ermordung Gerard Johnsons hatte sie Richard Chantry in der Hand. Sie wusste, dass er auch ihren Mann erschlagen hatte. Aus irgendeinem Grund, vielleicht aus Rache, zwang sie ihn, von da an ihren Ehemann zu spielen. Als sie Jacob Whitmore eines der Bilder verkaufte, die er nach wie vor malte, löste sie unbeabsichtigt eine verhängnisvolle Abfolge von Ereignissen aus. Paul Grimes und Jacob Whitmore mussten sterben, weil sie durch das Gemälde merkten, dass Richard Chantry noch lebte und ihm auf die Spur kamen.

Fred schöpfte Verdacht, dass der von seiner Mutter beinahe wie ein Gefangener gehaltene Alkoholiker nicht sein Vater, sondern Richard Chantry war und wollte sich durch die Analyse des Gemäldes aus der Biemeyer-Villa Gewissheit verschaffen. Durch den Diebstahl kam Lew Archer ins Spiel.

Als Mildred Meads Bitte, Richard Chantry im Gefängnis besuchen zu dürfen, abgelehnt wird, versucht sie, sich von einem 30 Meter hohen Glockenturm zu stürzen, schafft es jedoch nicht, das Eisengitter der Aussichtsplattform zu überklettern und wird von Lew Archer, der sie zufällig sieht, der Staatsanwaltschaft übergeben. In ihrem Hüfthalter wird ein scharf geschliffenes Stilett entdeckt. Wollte sie Richard Chantry erstechen?

Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Bei einem der Gemälde Richard Chantrys handelt es sich um eine Pietà mit Mildred Mead als Maria und ihm selbst als Jesus.

Plötzlich begreift Lew Archer: Der Häftling ist tatsächlich Mildred Meads Sohn, aber es handelt sich nicht um Richard Archer alias Gerard Johnson, sondern um William Mead! Der Streit zwischen William Mead und seinem Halbbruder Richard Chantry wegen Francine und der gestohlenen Entwürfe endete nicht mit Williams, sondern mit Richards Tod. Mildred Mead identifizierte den Toten wider besseres Wissen als ihren Sohn und erhielt dafür das Haus im Chantry Canyon, und Francine, die ebenfalls alles wusste, lebte von 1943 bis 1950 mit William Mead zusammen, der sich als Richard Chantry ausgab, bevor er nach der Ermordung seines früheren Freundes Gerard Johnson dessen Identität annahm.

Zum Schluss stellt sich dann auch noch heraus, dass William nicht der uneheliche Sohn von Felix Chantry ist, sondern von dem damals 17-jährigen Jack Biemeier mit Mildred Mead gezeugt wurde.

„Ich war siebzehn, als William gezeugt wurde, achtzehn, als er geboren wurde. Es gab nicht viel, was ich für ihn tun konnte. Ich hatte kein Geld. Ich hab versucht, mich durchs College durchzuschlagen. Mildred hat Felix Chantry erzählt, es sei sein Kind, und er hat ihr geglaubt. Der Junge durfte seinen Namen tragen, und er hat ihr Unterhalt für ihn gezahlt, bis sie sich von ihm getrennt hat und zu Simon Lashman gezogen ist.
Für mich hat sie auch getan, was sie konnte. Mit ihrer Hilfe bekam ich ein Football-Stipendium, und nachdem ich meinen College-Abschluss hatte, sorgte sie dafür, dass Felix mir einen Job in der Schmelzhütte gab. Sie hat mich die Leiter hochgeschoben.“

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Mit dem Kriminalroman „Der blaue Hammer“ schloss Ross Macdonald eine erfolgreiche Buchreihe mit dem Protagonisten Lew Archer ab, einem Privatdetektiv und einsamen Wolf, der wie ein Nachfolger von Philip Marlowe (Raymond Chandler) und Sam Spade (Dashiell Hammett) wirkt.

„Der blaue Hammer“ spielt zwar 1975 in Kalifornien, aber der komplexe Fall, den Lew Archer aufzuklären hat, wurde durch Ereignisse in Arizona zu Beginn der Vierzigerjahre ausgelöst; die Handlung erstreckt sich also über einen Zeitraum von mehr als drei Jahrzehnten. Im Mittelpunkt steht ein vielschichtiges Familiendrama; Ross Macdonald porträtiert zugleich eine marode Gesellschaft und leuchtet in die Abgründe, die sich hinter großbürgerlichen Fassaden auftun. Obwohl der stringent entwickelte Fall auf Seite 368 gelöst zu sein scheint, bleibt die Spannung bis zur letzten Seite (417) hoch, denn Ross Macdonald streut Zweifel und überrascht die Leserinnen und Leser ganz zum Schluss ein weiteres Mal mit einer unerwarteten Wendung. Wie gut er es versteht, Figuren durch das zu charakterisieren, was sie tun und sagen, statt sie zu beschreiben, demonstriert das .

„Show, don’t tell. Zeigen, nicht reden! […]
Ein Meister dieser Kunst ist Ross Macdonald. Kaum ein Schriftsteller lässt seine Leser so beiläufig und gekonnt ins Innere seiner Figuren blicken. Raffiniert beschränkt Macdonald seine erzählerischen Kommentare auf ein Minimum […] (Donna Leon im Nachwort zur Neuausgabe 2013)

Die Kunst, mit knappem Strich atmosphärisch starke Bilder zu zeichnen, war ein Markenzeichen des neben Chandler und Hammett vielleicht bedeutendsten Vertreters der „hardboiled“-Schule. Wie seine Ehefrau, die Kriminalschriftstellerin Margaret Millar, neigte er zu psychologisch motivierten Plots, in denen familiäre Verstrickungen, frühe Traumata und Identitätskonflikte eine entscheidende Rolle spielen. […]
Bemerkenswert ist, wie es dem Autor gelingt, in die Mediokrität und den Materialismus dieser Gesellschaft etwas von der tragischen Wucht antiker Mythen einzuschleusen. Und wie er andererseits, gleich seinem Detektiv Lew Archer, bei aller Gnadenlosigkeit der Enthüllungen nie die Empathie mit den Figuren verliert, so erbärmlich und bösartig sie sich auch verhalten mögen.
(Kristina Maidt-Zinke: Ross Macdonalds Bogenschütze, Süddeutsche Zeitung, 17. September 2013)

Der Titel hat mit der eigentlichen Story nichts zu tun. Er bezieht sich auf eine Szene, bei der Lew Archer seiner Geliebten, der Journalistin Betty Jo Siddon, beim Einschlafen zusieht:

Nach einer Weile konnte ich den regelmäßigen blauen Puls an ihrer Schläfe erkennen, das Schlagen des lautlosen Hammers, der anzeigte, dass sie lebte. Ich hoffte, der blaue Hammer würde niemals aufhören zu schlagen.

Ross Macdonald (eigentlich: Kenneth Millar) wurde 1915 in Los Gatos, Kalifornien, geboren. Nachdem der Vater ihn und seine kranke Mutter früh verlassen hatte, waren die beiden auf die Unterstützung von Verwandten angewiesen. Erst das nach dem Tod des Vaters ausbezahlte Erbe ermöglichte es ihm, in Ontario zu studieren. Seine Dissertation schrieb er über den englischen Romantiker Samuel Taylor Coleridge. Während des Studiums hatte er Margaret Ellis Sturm kennen gelernt, die sich bald nach der Eheschließung mit ihm einen Namen als Kriminalautorin machte. Um unabhängig von Margaret Millar eine eigene Karriere als Schriftsteller zu machen, wählte Kenneth Millar das Pseudonym Ross Macdonald, als er 1944 seinen ersten Roman publizierte. Fünf Jahre später eröffnete er mit „Das wandernde Ziel“ eine durch den Privatdetektiv Lew Archer verknüpfte Buchreihe, die er 1976 mit „Der blaue Hammer“ abschloss. 1983 starb Ross Macdonald in Santa Barbara.

Im Diogenes Verlag erschienen folgende Titel von Ross Macdonald:

  • Geld kostet zuviel
  • Die Kehrseite des Dollars
  • Dornröschen war ein schönes Kind …
  • Unter Wasser stirbt man nicht
  • Die Küste der Barbaren
  • Der Fall Galton
  • Der Drahtzieher
  • Einer lügt immer
  • Sanftes Unheil
  • Blue City
  • Der blaue Hammer
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2006 / 2013
Textauszüge: © Diogenes Verlag

Alan Aldridge (Hg.) - The Beatles Song Book
Das Buch enthält die Originaltexte von rund 200 Beatles-Songs. 43 Künstler ließen sich davon zu 320 Gemälden, Comics, Grafiken, Fotos und Skulpturen inspirieren. Auf diese Weise sind eine Hommage an die Beatles und ein poppig-bunter, fantasievoller Bildband entstanden.
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