Régine Pernoud : Heloise und Abaelard
Inhaltsangabe
Kritik
Heloise und Abaelard (Doppelbiografie)
„Es lebte in Paris eine Jungfrau namens Heloise.“
Das könnte der Anfang zu einem Märchen sein: Es war einmal … Aber dies ist eine gelebte Geschichte, eine mit solcher Heftigkeit gelebte Geschichte, dass sie über die Jahrhunderte hinweg ihre erschütternde Macht bewahrt hat. (Seite 51)
Die Historikerin Régine Pernoud nutzt ihr profundes Wissen über das Mittelalter dazu, die berühmte Liebesgeschichte von Heloise und Abaelard souverän in den Kontext der Lebensumstände im 12. Jahrhundert einzubetten. An mehreren
Stellen unterbricht sie die chronologische Erzählung durch prägnante Exkurse zum Beispiel über das Verhältnis der Eltern zu Kindern im Allgemeinen und über den Umgang mit unehelichen Geburten im Besonderen. Außerdem erläutert sie die heftigen Auseinandersetzungen, die es in Kirchen- und Gelehrtenkreisen über Abaelards Schriften gab. Sie geht beispielsweise auf den Universalienstreit und die widersprüchlichen Auffassungen über die Trinität ein. An keiner Stelle wird das Buch „Heloise und Abaelard. Ein Frauenschicksal im Mittelalter“ spröde, denn Régine Pernouds Darstellung dreht sich immer wieder um die beiden Hauptpersonen. Dabei zeigt sie, welchen Einfluss Heloise auf den zwanzig Jahre älteren Philosophen hatte, obwohl sich die beiden nach dem abrupten Ende ihrer leidenschaftlichen Affäre kaum noch sahen und nur wenige Briefe wechselten.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)Was wäre Abaelard ohne Heloise gewesen? Der erste Intellektuelle? Denn den reinen Intellektuellen gibt es kaum zu seiner Zeit, da man im 12. Jahrhundert nicht an die „wertfreie“ Wissenschaft glaubt; man sorgt sich nur um das, was in irgendeiner Weise dazu geeignet ist, das Sein des Menschen zu verwandeln: und zwar sowohl in seinem praktischen Leben als auch – und dies vor allem –
in seinem inneren Leben. Als eine eher technische denn wissenschaftliche Zeit zielt sie auf die geistige Entwicklung ab; das intellektuelle Tun wird aufgefordert, dazu beizutragen; vergeblich würde man damals nach der Kunst um der Kunst oder der Wissenschaft um der Wissenschaft willen suchen. Im Übrigen erscheint uns heute die Bezeichnung „Intellektueller“ wieder recht wenig beneidenswert, und die des „Vaters der Scholastik“, die Abaelard ebenfalls verdient, hat gänzlich jedes Ansehen verloren. Wenn der Name Abaelard bis zu unserer Generation überliefert wurde, dann in der Tat deshalb, weil er der Held einer unvergleichlichen Liebesgeschichte war; hierin liegt für uns die ganze Bedeutung seines Lebens.
Man könnte auch sagen. Was die Größe Abaelards ausmacht, ist Heloise. (Seite 262f)
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2010
Textauszüge: © Kösel-Verlag
Heloise und Abaelard (Doppelbiografie)