Gabriele Wohmann : Sonntag bei den Kreisands

Sonntag bei den Kreisands

Gabriele Wohmann

Sonntag bei den Kreisands

Sonntag bei den Kreisands Erstveröffentlichung: Verlag Eremiten Presse 1970
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Die Kreisands – ein seit 18 Jahren verheiratetes Ehepaar – verbringen einen "gemütlichen" Sonntag mit ihrem kleinen Neffen, der die letzten vier Tage der Osterferien bei Onkel und Tante verbringen darf. Das ist eine gute Gelegenheit, den Gerätekeller aufräumen zu lassen; Kinder brauchen doch Verantwortung. Beinahe in jedem Satz wird perfid gelogen, aber das rechtfertigen die Kreisands vor sich mit dem heuchlerischen Vorwand, es mit anderen gut zu meinen.
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Kritik

Gabriele Wohmann erzählt nicht nur maliziös, sondern entwickelt aus der perfiden Heuchelei der Kreisands auch eine komische Szene nach der anderen: "Sonnag bei den Kreisands".
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Wieder einer dieser gemütlichen Sonntage bei den Kreisands.

Artur und Elisabeth Kreisand sind seit achtzehn Jahren verheiratet. Vor vier Jahren begann Artur plötzlich, seine Frau „Milli“ zu nennen, und als sie sich darüber beschwerte, meinte er:

Ob sie sich denn nicht mehr daran erinnere: in ihrer ersten Nacht habe er sie zum Spaß, Milli genannt. Also bitte. Frau Kreisand erinnerte sich zwar überhaupt nicht mehr daran, gab das aber nicht zu. Unangenehme Erinnerungen unterdrückte sie ohnehin, und dies war eine. Sie fand es aber reizend, dass Artur der zärtlichen Stimmung von damals, einigen für ihn gewiss schönen Momenten, so viele Jahre danach wieder Anhänglichkeit bewahren wollte.

Artur hält den Einfall für genial, denn jedesmal, wenn er „Milli“ sagt, kann er an Milli Bechstein denken, mit der er vor einiger Zeit eine Affäre hatte.

Seit einem Monat haben die Kreisands ein neues Auto, und Elisabeths Eltern freuen sich schon auf eine gemeinsame Küstenfahrt im Sommer, die Artur ihnen versprochen hat. Um den Plan zu vereiteln, telefonierte Elisabeth mit einer Bekannten in der Schweiz und fragte, ob sie deren Tessiner Häuschen für drei Wochen mieten könne. Die Bekannte soll noch einen Brief schicken, etwa in folgendem Tenor:

„Liebste Kreisands, ihr dürft nicht nein sagen zu unserm ganz himmlischen Vorschlag, für drei Wochen in ein Paradies auf Erden zu übersiedeln, in unser bezauberndes Zwei-Personen-Idyll […]“

Andernfalls hätte Artur ein schlechtes Gewissen. Aber ein Urlaub in der Schweiz ist besser also so eine Küstenfahrt, nicht nur schonender für das neue Auto, sondern auch ungefährlicher für Elisabeths Mutter.

Wie zum Beispiel würde das Herz ihrer Mutter mit seinen Schwierigkeiten bei der Sauerstoffzufuhr auf die Meeresluft reagieren, man sprach ja nicht umsonst von Reizklima.

An diesem Sonntag ist Bernhard, der kleine Sohn von Elisabeths Schwester Susanne, bei den Kreisands zu Besuch; er darf die letzten vier Tage der Osterferien bei Onkel und Tante verbringen.

Sie [Elisabeth] hatte […] mal gelesen, das Kind sehne sich nach Verantwortung, Beschäftigungstherapie hieß das Kapitel, an das Elisabeth sich […] erinnerte, sodass sie also Bernhard auftrug, den Gerätekeller sauber zu machen und aufzuräumen. Er ist ja so ein kleiner Ordner und Tüftler, Bernhard.

Nach getaner Arbeit darf Bernhard sich etwas wünschen, aber Elisabeth hält die Fernsehsendung, die er ansehen möchte, nicht für Kinder geeignet und schenkt ihm stattdessen eine Tafel Schokolade.

Es ist Abend. Die Kreisands sitzen gemütlich in ihrem schönen gepflegten Wohnzimmer. Was für ein angenehmer Sonntag. Der Wein, den sie genießen, schmeckt nicht nur gut, er stammt auch aus einer exquisiten Lage und wird ihnen wohl bekommen.

Er wurde dem Keller des Schwiegervaters entnommen. Artur selbst besitzt nicht die Mittel, sich einen guten Weinkeller anzulegen. Man kann nicht alles haben […] Dafür, dass sie beide so treu und anhänglich fast jede zweite Woche zu den alten Leutchen hinübergehen – beinah immer mittwochs, seit sie herausgefunden haben, dass es eigentlich immer mittwochs nichts Rechtes im Fernsehen gibt – für diese anderthalb bis zwei Stunden, Opfer an die Verwandtschaft, entschädigen sie sich mit der kleinen Extravaganz, Wein zu entwenden. Während Elisabeth bei ihren Eltern zu sitzen pflegt bis zum Abschied und Aufbruch, verlässt Artur des Zimmer etwas früher; über sein langes Ausbleiben wundert sich keiner. Wer Artur kennt, kennt auch seine Verdauungsbeschwerden. Abschließend betätigt Arthur die Wasserspülung im WC, hat aber nicht dort, sondern im Weinkeller Erfolg gehabt.

Die Kreisands sehen den Film, den eigentlich Bernhard sehen wollte, nicht bis zum Ende an.

Schlaf ist wichtiger. Zärtlichkeiten und dergleichen sind nicht mehr bei ihnen zu erwarten. Elisabeth hat nie sehr viel davon gehalten und fühlt sich jetzt so ziemlich außer Gefahr. Artur gegenüber hat sie sich aber all die Jahre nichts anmerken lassen, stoisch brachte sie ihre immer selteneren Opfer. Gut: auch das hat man überwunden. Auch für Artur gut, meint Elisabeth, so lang er so früh aufstehen muss.

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In der amüsanten Erzählung „Sonntag bei den Kreisands“ schildert Gabriele Wohmann einen Sonntag im Leben eines älteren Ehepaars. Beinahe in jedem Satz wird perfid gelogen, aber das rechtfertigen Artur und Elisabeth Kreisand vor sich mit dem heuchlerischen Vorwand, es mit anderen gut zu meinen. Gabriele Wohmann erzählt nicht nur maliziös, sondern entwickelt aus der Heuchelei auch eine komische Szene nach der anderen. Dabei wirkt dieser „Sonntag bei den Kreisands“ wie aus dem Leben gegriffen.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2006
Textauszüge: © Verlag Eremiten Presse

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