H. Dieter Neumann : Drakon. Tod unter Segeln

Drakon. Tod unter Segeln
Drakon. Tod unter Segeln Originalausgabe Piper Verlag, München 2020 ISBN: 978-3-492-50396-9, 288 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Als Malte Janssen eine von ihm für einen russischen Oligarchen gebaute Luxusyacht nach Sankt Petersburg überführt, wird das Schiff im Finnischen Meerbusen von vermummten Männern überfallen. Dabei stirbt sein bester Freund. Die russische Staatsanwaltschaft legt den Fall bald zu den Akten, aber deutsche Geheimdienste interessieren sich umso mehr dafür ...
mehr erfahren

Kritik

Die fesselnde Geschichte, die H. Dieter Neumann in seinem Thriller "Drakon. Tod unter Segeln" erzählt, dreht sich um Korruption, Spionage, Verrat und Rüstung. Der Autor setzt weniger auf Action und Gewalt als auf raffinierte Machenschaften und schwer durchschaubare Verstrickungen.
mehr erfahren

Weiße Möwe

Malte Janssen hat auf seiner Werft an der Ostsee gerade eine Luxusyacht für den russischen Oligarchen Timur Stepanowitsch Krylow gebaut und soll die „Belaya Chaykasie“ (Weiße Möwe) nun mit seiner Crew nach Sankt Petersburg bringen. Dabei begleitet ihn sein langjähriger Freund Karsten Hauser aus Kiel, ein Lehrer für Physik und Mathematik.

Nach fünf Tagen auf See werden sie nachts im Finnischen Meerbusen bei voller Fahrt überfallen. Einer der vier oder fünf schwer bewaffneten vermummten Angreifer schlägt das Crew-Mitglied Uwe Schramm mit einem Gewehrkolben nieder, und als Karsten Hauser aufbegehrt, wird er erschossen. Die Verbrecher lassen sich alles Geld aushändigen und verlangen dann noch die Übergabe der Marine Distress Box mit den Notfallraketen. Erst als sie die Yacht verlassen haben, sieht Malte Janssen ihr mit zwei mächtigen Außenbordmotoren ausgestattetes Zodiak-Schlauchboot.

Uwe Schramm wird in einem Krankenhaus in Sankt Petersburg in ein künstliches Koma versetzt. Die Ärzte haben einen Schädelbruch diagnostiziert und bezweifeln, dass er sich davon jemals ganz erholen wird.

Es sieht so aus, als wolle Justizrat Alexej Michailowitsch Jegorow, der Leiter der Staatsanwaltschaft in Sankt Petersburg, Malte Janssen festnehmen. Aber da taucht dessen Auftraggeber auf und sorgt dafür, dass der Yachtbauer nicht länger behelligt wird. Bald darauf heißt es, man habe die Piraten aufgespürt, und sie seien alle bei einem Feuergefecht getötet worden.

Zurück in Deutschland, kümmert sich Malte Janssen um Liah Hauser, die Witwe seines ermordeten Freundes, eine im GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel beschäftigte Meeresbiologin Anfang 30. Er weiß, was sie durchmacht, denn seine Frau Regina kam vor 14 Monaten bei einem Verkehrsunfall ums Leben, und seither versucht er mit Hilfe der Psychotherapeutin Karin Hambach darüber hinwegzukommen.

Das „Scout“-Projekt

Mit seinem acht Jahre älteren Bruder hat Malte kaum Kontakt. Dr. Felix Janssen ist Physik-Informatiker und bei German Defense Electronics in Kiel beschäftigt. Er leitet ein streng geheimes Projekt („Scout“). Dabei geht es um die Entwicklung eines passiven Radarsystems. Weil es ohne Radarstrahl auskommt, kann es nicht geortet werden. Erfassen lassen sich damit auch Tarnkappenflugzeuge und -schiffe (Stealth-Technik).

Felix Janssen verheimlicht, dass er schwul ist. Zur Tarnung hat er eine Freundin: Carina Hoffmann, eine 33-jährige Angestellte des öffentlichen Dienstes.

Als er kürzlich nach einer Nacht mit einem Stricher in einem Hotelzimmer in Hamburg aufwachte, war Angelo verschwunden, die andere Hälfte des Doppelbetts frisch bezogen, und das Zimmer roch nach Reinigungsmitteln. Seither wird Felix Janssen von albtraumartigen Erinnerungsfetzen an ein Messer und viel Blut gepeinigt, aber er weiß nicht, was in der Nacht tatsächlich passierte.

In seiner Wohnung wird er einige Tage später von einem Fremden erwartet, der über einen Schlüssel verfügen muss, weil an der Tür keine Einbruchsspuren zu sehen sind. Der Mann – ein russischer Agent mit Decknamen Zigfrid – zeigt ihm Fotos, die zu beweisen scheinen, dass er Angelo ermordete. Die Leiche des 23-jährigen Niederländers Julius van Teek – so der bürgerliche Name – habe man in einer Tiefgarage gefunden, erklärt Zigfrid.

Mit der Drohung, das angebliche Beweismaterial der Polizei zuzuspielen, erpresst der Agent den Wissenschaftler, bei German Defense Electronics geheime Dateien über das Scout-Projekt auf einen USB-Stick herunterzuladen.

Operation „Razvedchik“

Felix Janssens Erpressung geschah im Rahmen der Operation „Razvedchik“ des militärischen Nachrichtendienstes der Russischen Föderation (Glawnoje Raswedywatelnoje Uprawlenije, kurz: GRU). Dem Plan zufolge sollte der USB-Stick mit den Dateien über das „Scout“-Projekt während der Kontrolle der Yacht nach dem Anlegen in Sankt Petersburg unbemerkt der Marine Distress Box entnommen werden.

Wer überfiel die „Weiße Möwe“ und kam der GRU zuvor? Und woher kannten die Männer das Versteck? Gibt es einen Verräter beim Geheimdienst?

Während der Sekretär des russischen Staatspräsidenten und die Chefs der Geheimdienste darüber rätseln, belauschen wir den Auftraggeber und den Organisator des Überfalls und erfahren, dass es sich bei den Vermummten um Esten handelte, die dafür 100.000 Dollar bekamen. Sie wurden keineswegs aufgespürt und erschossen, sondern kehrten unbehelligt nach Estland zurück. Der Organisator hat auch erfolgreich Spuren legen lassen, die auf den militärischen Geheimdienst der Volksrepublik China (Zhong Chan Er Bu) verweisen.

Drakon

Saskia Taubert vom Bundesnachrichtendienst und Clemens Venske vom Landesamt für Verfassungsschutz in Kiel befragen Malte Janssen zum Überfall auf der „Weißen Möwe“. Einbezogen wird auch Liah Hauser, die wissen möchte, wer ihren Mann erschoss. Saskia Taubert und Clemens Venske gehören zur Behörden übergreifenden Gruppe „Drakon“, die gegen Timur Stepanowitsch Krylow ermittelt, weil der mit Putin befreundete Oligarch im großen Stil illegal mit Waffen handelt.

Durch einen Hinweis seines Kollegen Rainer Holthoff wird Clemens Venske auf Malte Janssens Bruder aufmerksam. Rainer Holthoff erhielt eine Meldung, derzufolge ein IT-Spezialist von German Defense Electronics aufgrund von Spuren im elektronischen System vermutet, dass heimlich Daten kopiert wurden.

Felix Janssen weiß von den Nachforschungen des IT-Spezialisten und rechnet damit, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis er als Landesverräter enttarnt wird. Deshalb bereitet er seinen Suizid vor. Aber er kommt nicht dazu, die eigens besorgten Tabletten zu schlucken. Zigfrid verschafft sich erneut Zugang zu seiner Wohnung und erschießt ihn, nachdem er ihm das Blatt Papier mit dem Anfang eines Abschiedsbriefes entrissen hat. Der Geheimagent will damit verhindern, dass Felix Janssen die Erpressung aufdeckt, die ihn zum Datendiebstahl zwang.

Wann Malte Janssen seinen Bruder zum letzten Mal gesehen habe, fragt Clemens Venske, und als er erfährt, dass Felix Janssen kurz vor dem Auslaufen der „Weißen Möwe“ überraschend auftauchte und die Yacht besichtigte, ahnt er, dass der Wissenschaftler bei dieser Gelegenheit einen Datenträger in der Marine Distress Box versteckte.

Malte Janssen erhält einen wegen fehlender Frankierung verspätet zugestellten Brief seines Bruders mit einer ausführlichen Darstellung der Erpressung und des Landesverrats. Unverzüglich setzt er sich mit Clemens Venske in Verbindung.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


Ein Millionengeschäft und die Folgen

Der Mann, der den für die GRU bestimmten USB-Stick rauben ließ, fliegt im Privatjet nach Amsterdam und geht dort an Bord einer Barkasse. Es sieht so aus, als wolle ein reicher Russe eine private Grachten-Rundfahrt machen. Das Schiff legt zwischendurch kurz an, und ein zweiter Fahrgast steigt zu. Nachdem er den Datenträger erhalten hat, sendet er eine SMS mit einem Code ab. Ein paar Minuten später schaut der andere auf sein Smartphone und vergewissert sich, dass auf einem bestimmten Konto 150 Millionen Dollar für ihn eingegangen sind. Danach geht der Käufer der Daten von Bord.

Die Medien berichten darüber, dass Timur Stepanowitsch Krylow nach einem dreitägigen Prozess wegen Betrugs und Steuerhinterziehung zu 15 Jahren Lagerhaft verurteilt worden sei.

Clemens Venske trifft sich auf dem Friedhof Ohlsdorf in Hamburg mit Arina Andrejewna Schtscherbakowa, die er noch aus seiner Zeit beim Verfassungsschutz in München kennt. Offiziell amtiert sie als Pressesprecherin des Generalkonsulats der Russischen Föderation in Hamburg, aber tatsächlich handelt es sich bei ihr um eine Agentin des Auslandsgeheimdienstes (Sluschba wneschnei raswedki, kurz: SWR). Zwischen den Zeilen verrät sie Clemens Venske, dass der Oligarch Krylow selbst den Überfall auf seine Yacht angeordnet habe und wegen des Raubs der für die GRU bestimmten Daten bei Putin in Ungande gefallen sei. Während des Transports ins Straflager verschwand er allerdings.

Ein Unbekannter, der gleich darauf in der Menge verschwindet, rempelt den Vizeadmiral Oleg Iwanowitsch Susjenkow auf der Straße in Moskau an. Der stellvertretende Direktor der GRU stürzt und stirbt dem Totenschein zufolge an einem Herzinfarkt. Wurde ein Verräter ausgeschaltet?

Epilog

Ein Mann, in dessen Pass der Name John P. Hellinger steht, lebt seit kurzem auf einer kleinen Südsee-Insel. Seine Ehefrau hat er in Russland zurückgelassen; sie weiß nichts von seiner neuen Identität. Außer ihm leben nur seine Bediensteten und der Pilot seines Wasserflugzeugs auf der Insel. Wenn ihm danach ist, lässt er die eine oder andere junge Polynesierin einfliegen. Zum Einkaufen in Tahiti benutzt der Pilot ebenfalls das Wasserflugzeug.

Auf diese Weise erhält John P. Hellinger auch Zeitungen. Schmunzelnd liest er von einem technischen Durchbruch des US-Militärs: Die Amerikaner haben ein passives Radarsystem entwickelt, mit dem sich auch durch die Stealth-Technik getarnte Flugzeuge und Schiffe erfassen lassen. Experten wundern sich darüber, dass es dem Pentagon mit dem „Overview“-Projekt gelungen ist, dem Abschluss des deutschen „Scout“-Projekts zuvorzukommen.

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

Die Geschichte, die H. Dieter Neumann in seinem Spannungsroman „Drakon. Tod unter Segeln“ erzählt, dreht sich um Korruption, Spionage, Verrat und Rüstung. Der Autor setzt weniger auf Action und Gewalt als auf raffinierte Machenschaften und schwer durchschaubare Verstrickungen. Spannung erzeugt H. Dieter Neumann in „Drakon. Tod unter Segeln“ vor allem durch den Wechsel zwischen verschiedenen Handlungssträngen, der allerdings auch dazu führt, dass es keine durchgehende Identifikationsfigur gibt. Das Augenmerk des Autors gilt nicht den Charakteren, sondern dem Handlungsablauf – und der wirkt realistisch. Angenehm fällt überdies auf, dass H. Dieter Neumann die Leserinnen und Leser zum Mitdenken anregt, indem er einiges nur andeutet, statt jede Einzelheit zu erläutern. So handelt es sich bei „Drakon. Tod unter Segeln“ um einen fesselnden Thriller – mit einem sarkastischen Ende.

Eine Kleinigkeit: Auf Seite 21 heißt es, Felix Janssen sei acht Jahre älter als sein Bruder Malte. Das passt nicht ganz zu einem „Altersunterschied von über sechs Jahren“ auf Seite 179.

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2020

H. Dieter Neumann: Mord an der Förde
H. Dieter Neumann: Todeslied

Bertolt Brecht - Die Dreigroschenoper
Obwohl "Die Dreigroschenoper" im viktorianischen London spielt, zielte Bertolt Brecht mit der Satire auf die Gesellschaft der Weimarer Republik. Über den Erfolg war er entsetzt, denn dieser beruhte darauf, dass sich das Publikum mitreißen ließ, statt über gesellschaftliche Missstände nachzudenken.
Die Dreigroschenoper