Meta Osredkar : Mörderische Idylle

Mörderische Idylle
Zločin v stari fužini, 2016 Mörderische Idylle Übersetzung: Medtka Wakounig Wieser Verlag, Klagenfurt 2018 ISBN 978-3-99029-316-4, 283 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Drei slowenische Polizisten fahren zum Teambuilding an den Bohinjsee. Edi Čeh will die Gelegenheit nutzen, nach angeblich im See verstecktem Nazi-Gold zu suchen. Simon Kovačič bereitet sich auf den geplanten Triathlon vor. Einer von drei Franzosen, die ebenfalls daran teilnehmen, bricht während des Wettkampfs zusammen. Es könnte sich um eine Vergiftung zu handeln …
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Kritik

"Mörderische Idylle" ist alles andere als ein reißerischer Thriller mit reichlich Action, denn Meta Osredkar nimmt sich viel Zeit, eine ganze Reihe von Handlungsfäden zu spinnen. Das im Prolog angekündigte Verbrechen erfolgt erst in der Mitte des chronologisch aufgebauten Buches.
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Anreise

Inspektor Bojan Kos von der Polizei in Novi trg bei Ig südlich von Ljubljana fährt im Sommer 2014 mit seinen jungen Kollegen Edi Čeh und Simon Kovačič zum Teambuilding an den Bohinjsee. Simon nimmt seine Freundin Jana mit und bereitet sich einen Monat lang auf den alljährlich dort ausgetragenen Triathlon vor. Der Polizeipsychologe Edi hingegen möchte nach dem angeblich im See versteckten Nazi-Gold suchen.

Die Vierergruppe hat Zimmer in der Pension Alpenenzian in Stara Fužina gebucht, die von der Familie Poljanec betrieben wird. Ivica und Lojze hatten 1985 geheiratet und 1993 in dem von Ivica geerbten Haus die Pension eröffnet. Ihre Tochter Lucija wurde im Jahr darauf geboren.

In der Pension wohnen auch drei befreundete Franzosen, die schon im letzten Jahr am Triathlon teilnahmen: Benoît, Gaspard und Laurent.

Außerdem taucht unerwartet Enrico Roberto Cesare Viscontini aus Florenz auf, der seit seinem ersten Aufenthalt am Bohinjsee Lucija Poljanec Gedichte schickt. Weil in der Pension nur noch ein Dreibettzimmer frei ist, quartiert er sich im Nachbarhaus ein, das von dem unverheirateten Bergsteiger Milan Rovtar und dessen Mutter Helena bewohnt wird.

Vorgeschichte

Zu den Nachbarn gehört auch die Familie Fabjan-Bouvier. Arnaud Bouvier schloss 1991 sein Studium in Paris ab und kam dann als Journalist nach Ljubljana, Bled und Bohinj. Als er mit einer Autopanne liegen blieb, half ihm eine Einheimische: Nataša („Fani“) Fabjan. Die beiden wurden ein Paar. Nataša gewann den örtlichen Triathlon in den Jahren 1994 bis 1997. Nach dem Sieg im August 1996 flog sie nach Afghanistan und erreichte die Freilassung ihres von den Taliban als Geisel genommenen Ehemanns. Der beendete daraufhin seine Journalisten-Karriere und fing an, Fantasy-Romane zu schreiben. Am 15. Mai 1997 brachte seine 28-jährige Frau die Tochter Marion Fabjan-Bouvier zur Welt. Drei Monate später gewann sie erneut den Triathlon.

Offensichtlich ist Nataša ähnlich stark wie ihre Großmutter Frančiška. Die soll im Zweiten Weltkrieg die Nazis ausspioniert haben. Bis zu ihrer Pensionierung arbeitete sie in einer Fabrik in Jesenice. 1994, im Alter von 70 Jahren, absolvierte sie noch einen Tauchkurs. Sie starb vor zwölf Jahren.

Simon erfährt, dass auch Benoîts Vater, Xavier Poisot, im Bohinjsee nach dem Nazi-Gold suchte. 1993 reiste er erstmals an. Aber am 15. August 1996 ertrank er, als er stark betrunken Kajak fuhr und kenterte. Damals war Benoît erst ein Jahr alt. Die Geburt seines zweiten, mit der damals 19-jährigen Ema Puc in Koprivnik gezeugten Sohnes erlebte Xavier Poisot nicht mehr. Benoîts Halbbruder Jaka ist inzwischen 17.

Übrigens war Emas Großmutter eine Schwester von Frančiška („Fani“) Fabjan.

Triathlon

Vier Wochen nach der Ankunft der Polizisten und der Franzosen findet der jährliche Triathlon statt. Die Teilnehmer müssen acht Kilometer im Kajak über den Bonhinjsee rudern, dann vom Ufer aus mit dem Rad 16 Kilometer weit zur 800 Meter höher gelegenen Alm Uskovnica fahren und als Drittes einen Acht-Kilometer-Wettlauf absolvieren.

Benoît, der gute Aussichten auf den Sieg gehabt hätte, bricht auf der Strecke zusammen. Zunächst sieht es nach einem Kollaps aus, aber die Symptome sind so Besorgnis erregend, dass er mit einem Rettungshubschrauber nach Jesenice geflogen und ins Krankenhaus gebracht wird.

Nataša weist die Ärzte darauf hin, dass es sich um eine Knollenblätterpilz-Vergiftung handeln könnte und erzählt, dass die drei Franzosen am Vortag mit Pilzen herumgealbert hätten. Ein Amatoxintest bestätigt den Verdacht. Mit ihrem Hinweis rettet Nataša dem Patienten das Leben, denn die Ärzte hätten vermutlich zu spät an diese Möglichkeit gedacht.

Ermittlungen

Die Pilze, mit denen die Franzosen spielten, werden im Biomüll gefunden, aber es handelt sich nicht um Knollenblätterpilze, sondern um Täublinge. Handelte es sich bei der Vergiftung gar nicht um einen Unfall, sondern um einen Mordversuch?

Matjaž Vodopivec, der die Ermittlungen leitet, hält es für seltsam, dass sowohl Xavier als auch Benoît Poisot am Bohinjsee im Abstand von 18 Jahren starben beziehungsweise in Lebensgefahr gerieten. Benoît sagt aus, er habe bereits am frühen Morgen vor dem Triathlon ein paar Schlucke aus der mit einem isotonischen Sportgetränk gefüllten Flasche an seinem Fahrrad genommen. Gegen Mittag brach er zusammen. Das Gift war also wahrscheinlich in der Trinkflasche. Aber wer füllte es ein? Der verrückte Florentiner, der einen möglichen Rivalen um Lucijas Gunst aus dem Weg räumen wollte? Oder Arnaud Bouvier, der am Tag vor dem Triathlon sah, wie Marion und Benoît sich küssten und seine Tochter vor dem Franzosen schützen wollte?

Als Marion von Edi bei dem Versuch ertappt wird, eine Trinkflasche zu verbrennen und auch nach der Festnahme jede Aussage verweigert, erhärtet sich der Verdacht gegen ihren Vater.

Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Geständnis (Spoiler!)

Da legt Nataša ein umfassendes Geständnis ab, um Ehemann und Tochter zu entlasten.

Sie zerkleinerte zuvor gesammelte Knollenblätterpilze mit etwas Wasser im Blender, seihte das Gemisch durch ein Tuch, schlich damit in der Nacht vor dem Triathlon in den Schuppen mit den Sportgeräten und füllte das Gift in die Trinkflasche an Benoîts Fahrrad. Sie nahm an, dass die dicke Flüssigkeit auch nicht anders schmeckte als ein isotonisches Sportgetränk. Um die Flasche später gegen eine andere vertauschen zu können, nahm sie Gaspards Flasche mit. Nach dem Triathlon holte sie die Flasche, aus der Benoît getrunken hatte, legte stattdessen die andere hin und steckte die mit den Giftspuren fürs Erste in den Rucksack ihres Mannes. Dort fand Marion sie, verdächtigte deshalb ihren Vater und warf die Flasche in den Ofen, um mögliches Belastungsmaterial gegen ihn zu beseitigen.

Warum gab Nataša aber dann den Ärzten im Krankenhaus den lebensrettenden Hinweis? Weil sie die Tat bereits bereute.

Welchen Grund hatte Nataša für den Mordversuch? Sie habe einen Inzest verhindern wollen, sagt sie. Marion und Benoît – und übrigens auch Jaka Puc – sind Halbgeschwister. Als Arnaud 1996 in Afghanistan war, betrog Nataša ihn mit Xavier Poisot, obwohl sie bereits seit fünf Jahren mit Arnaud zusammen war. Xavier, der bei einem früheren Aufenthalt am Bohinjsee Benoît gezeugt hatte, ertrank im August 1996. Nataša rettete Arnaud aus der Geiselhaft der Taliban und schob ihm dann das Kind unter.

Die Polizei weiß, dass 1996 Nazi-Gold in Triest auftauchte. Aber der Anbieter war nicht Xavier Poisot, sondern Frančiška („Fani“) Fabjan. Natašas Großmutter hatte bereits in den Sechzigerjahren über eine Taucherausrüstung verfügt, das Nazi-Gold im Bohinjsee gefunden und die Barren im Keller versteckt. Im Sommer 1996 fuhr sie damit nach Triest und verkaufte sie, damit ihre Enkelin Nataša mit dem Erlös nach Afghanistan fliegen und Bestechungsgelder für Arnauds Freilassung anbieten konnte.

Nach der Verhaftung befürchtet Nataša, dass ihre Familie zerbrechen würde, aber Arnaud hält zu ihr und weist darauf hin, dass sie am Ende Benoîts Leben gerettet habe, also kein schlechter Mensch sei. Dass Nataša nicht von ihm schwanger gewesen war, habe er von Anfang an gewusst, aber er liebe Marion als wäre sie seine leibliche Tochter.

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Der Verlag bezeichnet das von Meta Osredkar verfasste und von Metka Wakounig aus dem Slowenischen ins Deutsche übersetzte Buch „Mörderische Idylle“ als Krimi. Tatsächlich dreht sich die Handlung um die Aufklärung eines Mordanschlags in der idyllischen Landschaft am Bohinjsee nordwestlich von Ljubljana. Aber „Mörderische Idylle“ ist alles andere als ein reißerischer Thriller mit reichlich Action, denn Meta Osredkar nimmt sich viel Zeit, eine ganze Reihe von Handlungsfäden zu spinnen. Das im Prolog angekündigte Verbrechen erfolgt erst in der Mitte des chronologisch aufgebauten Buches, im elften von 19 Kapiteln. Auch das Setting – die Vorbereitung und Durchführung eines Triathlons – ist untypisch für einen Kriminalroman.

Meta Osredkar tritt als auktoriale Erzählerin auf und führt um die 20 Figuren in „Mörderische Idylle“ ein, macht daraus aber keine Charaktere, sondern begnügt sich im besten Fall mit zwei, drei Eigenschaften. Wichtiger als die Psychologie ist ihr offenbar die mit Humor und satirischen Ansätzen entfaltete Szenerie.

Leseprobe:

Der Adler war schlecht gelaunt, weil er schon in aller Frühe von zwei unverbesserlich lauten Alpinisten in der mächtigen Wand des Kanjavec gemein gestört worden war, woraufhin er seine Kreise über der Alm Velopolje gezogen und gesehen hatte, dass es dort nur so wimmelte von Touristen, die lauter mögliches und unmögliches Zeug mitgebracht hatten, darunter einen aufblasbaren Bogen, der das Ziel des Triathlons markierte. Der gereizte Adler umsegelte den Tosc, und über der Alm Konjščica schlug seinem Fass eine nervtötend brummende Drohne den Boden aus, die unverschämt in seinen Luftraum eingedrungen war. Der Adler fasste augenblicklich einen Entschluss, schoss im Sturzflug auf die Drohne zu, packte sie mit seinen Krallen und empfand beachtliche Genugtuung, als es unter ihm knirschte und das Brummen verstummte. Er streifte die Menschen unter sich mit einem verächtlichen Blick und flog mit einigen kräftigen Flügelschlägen zurück in Richtung Triglav. Vielleicht würde er die Trophäe mit in seinen Horst nehmen, noch lieber aber würde er sie einem törichten Kletterer auf den helmlosen Kopf fallen lassen.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2018
Textauszüge: © Wieser Verlag

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Der Plot stellt die Welt auf den Kopf, aber Jörg-Uwe Albig entwickelt die Handlung bierernst – und macht gerade dadurch aus "Das Stockholm-Syndrom und der sadomasochistische Geist des Kapitalismus" eine Groteske, in der er die freie Marktwirtschaft mit einer Geiselnahme vergleicht.
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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.