Frank Schätzing : Die dunkle Seite

Die dunkle Seite
Die dunkle Seite Originalausgabe: Hermann-Josef-Emons Verlag, Köln 1997 ISBN: 3-897-05111-7, 412 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Der Gemüsehändler Mehmet Üsker wird 1999 in seiner Wohnung in Köln tot aufgefunden. Die Detektivin Vera Gemini, die im Auftrag eines Klienten nach einem vor Jahren verschwundenen Bankräuber sucht, findet heraus, dass ihr Klient, der Gesuchte und der Ermordete sich kannten. Die Spur führt acht Jahre zurück und nach Kuwait. Dort hatten drei Söldner der Amerikaner in den letzten Tagen des Golfkriegs einige Tausend haselnussgroßer Diamanten vergraben ...
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Kritik

Der spannende Thriller "Die dunkle Seite" von Frank Schätzing überzeugt nicht nur durch den Aufbau des Romans, sondern auch sprachlich und inhaltlich.
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Am 21. August 1999 ruft die Kölner Hausbesitzerin Maria Bremer die Polizei, weil sie seit einer Woche ihren Mieter, den Gemüsehändler Mehmet Üsker, nicht mehr gesehen hat. Sie nimmt ihren Generalschlüssel mit und führt zwei Streifenbeamte zu Üskers Wohnung, aus der es übel riecht. Auf einen Stuhl mitten im Wohnzimmer ist eine grausam verstümmelte, aus zahlreichen Wunden stinkende Leiche gefesselt. Der zweiundfünfzigjährige Kommissar Arik Menemenci, der die Ermittlungen leitet, stellt mit Hilfe der Gerichtsmedizin fest, dass Üsker stundenlang professionell gefoltert und dabei mit Aufputschmitteln bei Bewusstsein gehalten wurde. Am Ende starb er qualvoll an drei Bauchschüssen.

Zwei Tage später taucht ein Unbekannter in der von Vera Gemini betriebenen High-Tech-Detektei „DeTechtei“ auf. Die ultramodernen Peil- und Überwachungsgeräte erbat Vera sich nach der Erfüllung eines Auftrags anstelle eines Honorars von der IBM-Entwicklungsabteilung. Der neue Klient, der vorgibt, Simon Bathge zu heißen, aber weder eine Adresse noch eine Telefonnummer angeben will, sondern lieber im Voraus für zwei Wochen bar bezahlt, gibt Vera ein Foto, von dem die linke Hälfte abgerissen wurde. Es zeigt einen Mann in einer Wüstenlandschaft. Dabei soll es sich um einen Andreas Marmann handeln, und den soll Vera finden, angeblich, weil Bathge sich vor ihm fürchtet.

Über Thomas („Tom“) Roth, ihren früheren Vorgesetzten bei der Kölner Polizei, findet Vera heraus, dass Andreas Marmann 1985 eine Filiale der Dresdner Bank am Rudolfplatz überfiel, zu sieben Jahren Haft verurteilt wurde, jedoch 1987 während seiner Überstellung in die Justizvollzugsanstalt in Ossendorf fliehen konnte. Danach war er bei der Fremdenlegion und tauchte nicht mehr auf.

Vera fährt am 24. August zu Marmanns Eltern, die in Ossendorf ein Haus besitzen. Kurt Marmann will von seinem Sohn nichts wissen, aber seine Frau, die ihn gern zurückhaben würde, flüstert Vera im Hinausgehen zu, sie solle sich an ihre Tochter Nicole wenden.

Am 25. August holt Roth heimlich ein Foto, das ihm am Vortag zufällig auffiel, aus dem Büro seines Kollegen Krantz, der mit Menemenci an der Aufklärung des Mordfalls Üsker arbeitet, kopiert es für Vera und bringt es wieder zurück. Es handelt sich um das Foto, das Vera ihm zeigte, und zwar um das vollständige Bild. Darauf steht Üsker neben Marmann! Als Vera das Foto betrachtet, gibt es noch eine weitere Überraschung: Im Hintergrund erkennt sie auch ihren Auftraggeber. Gibt es eine Verbindung zwischen dem Mordfall und Veras neuem Klienten? Hat Marmann Üsker umgebracht? Fürchtet Bathge sich deshalb vor ihm? Oder hat Bathge Üsker ermordet und sucht jetzt nach Marmann? Es könnte aber auch sein, dass ein Dritter der Mörder ist und Bathge und Marmann gleichermaßen von ihm bedroht werden.

Vorsichtshalber schenkt Vera ihrem Klienten ein Reklamefeuerzeug ihrer DeTechtei mit eingebautem Peilsender. Auf einem elektronischen Stadtplan verfolgt sie seinen Weg, der zunächst zur Alten Werft am Rhein und dann ins Hotel Hyatt führt. Dort ist zwar niemand unter dem Namen Bathge abgestiegen, aber Vera wundert sich nicht darüber, dass ihr Auftraggeber sich unter einem falschen Namen eingetragen hat.

Bathge, der nicht ahnen kann, dass Vera das komplette Foto kennt, ist endlich bereit, Vera etwas mehr über sich zu preiszugeben. Er gibt zu, 1985 zur Fremdenlegion gegangen zu sein. 1990, unmittelbar vor dem Golfkrieg, warb ein gewisser Said-Asghar Fouk von Marokko aus Spezialisten verschiedener Fachbereiche an, gründete eine kleine High-Tech-Privatarmee – ZERO – und bot seine Dienste erfolgreich den USA an. Bathge war 1990 als ZERO-Söldner in Kuwait. Auch Marmann und Üsker gehörten damals zu ZERO. Üsker war 1985 zur Fremdenlegion gegangen, nachdem er seinen Job als Testfahrer bei Ford in Köln verloren hatte. Bathge erzählt Vera, dass sie während des Golfkriegs in einem Jeep unterwegs zu einem Luftlandestützpunkt in Kuwait nahe der irakischen Grenze gewesen seien. Er als Techniker, Üsker als Fahrer und Marmann als Scharfschütze. Plötzlich wurden sie von einem irakischen Jäger entdeckt und beschossen. Marmann gelang es zwar, das Flugzeug abzuschießen, aber er wurde aus dem Jeep geschleudert und durch Schüsse in den Bauch getroffen. Bathge und Üsker hielten ihn für tot und ließen ihn liegen, als sie in panischer Angst vor weiteren irakischen Militärmaschinen weiterfuhren.

Bathge entrüstet sich über die Medien, die sich von der US-Regierung missbrauchen ließen, den Golfkrieg in ihren Berichten als High-Tech-Unternehmen darzustellen, als eine Art Computerkrieg mit intelligenten Waffen, die punktgenaue Treffer und sozusagen chirurgische Operationen ermöglichten. Auf diese Weise habe man der Welt einen sauberen Krieg vorgegaukelt.

„Sterben ist Sterben. Blut ist rot, und abgerissene Gliedmaßen führen jeden humanen und klinisch sauberen Krieg ad absurdum.“(Seite 212)

Die Privatdetektivin weiß, dass es gegen die Regeln verstößt, mit einem Klienten etwas anzufangen, aber es lässt sich nicht vermeiden, dass sie Bathge immer sympathischer und aufregender findet.

Am 26. August sucht sie Marmanns jüngere Schwester Nicole Wüllenrath auf. Nicole ist Ende zwanzig und verdient ihren Lebensunterhalt seit ihrer Ehescheidung als Webdesignerin. Sie äußert sich verächtlich über die inzwischen verebbte Tamagotchi-Welle, denn sie hat eine Parallelwelt im Internet aufgebaut und lebt als virtuelle Nicole in Intertown.

„Es ist eine zweite Welt, ein zweites Leben. Sieben Tage, vierundzwanzig Stunden rund um die Uhr. Verstehst du, man lebt zweimal.“ (Seite 199)

Wenn Nicole sich nicht um die Freunde kümmert, die gerade in ihrem Wohnzimmer in Intertown Platz genommen haben, werden sie wieder gehen. Vera beobachtet, dass genau das passiert, weil Nicole während des Gesprächs mit ihr nicht auf den Bildschirm achtet.

Vor sechs oder sieben Jahren, erzählt Nicole, habe ihr ein Unbekannter einen Brief und einen größeren Geldbetrag von ihrem Bruder Andreas gebracht. Er versicherte ihr, es gehe ihm gut, könne ihr jedoch nicht verraten, wo er sich aufhalte. Seither habe er jedes Jahr Geld auf ihr Konto eingezahlt, ohne dass sie den Weg der Gutschriften hätte nachvollziehen können.

Krantz hat das vorübergehende Fehlen des Fotos bemerkt und zunächst seinen Vorgesetzten in Verdacht gehabt, es weggenommen zu haben. Als Menemenci jedoch glaubhaft versichert, es nicht gewesen zu sein, fällt sein Verdacht auf Roth, denn den sah er zur fraglichen Zeit in der Nähe seines Büros. Menemenci stellt Roth deshalb zur Rede, und dem ertappten Kriminalbeamten bleibt nichts anderes übrig, als seinem Kollegen zu gestehen, dass er das Foto für Vera kopierte, die im Auftrag eines ihm unbekannten Klienten nach Marmann sucht. Der Kommissar behält sich disziplinarische Schritte vor, fährt zur DeTechtei und versucht, von Vera den Namen ihres Auftraggebers herauszubekommen. Die Privatdetektivin weigert sich jedoch, Bathge zu verraten.

Sie trifft sich kurz darauf mit dem Exilkaukasier Ymir Solwegyn, der in Köln-Porz einen Privatklub betreibt – „Red Lion“ – und in den entsprechend ausgestatteten Räumen schwarze Messen und andere abgedrehte Sex-Events veranstaltet. Solwegyn war 1990 ebenfalls bei ZERO, zusammen mit Üsker, Marmann, Bathge und einem 1985 unehrenhaft aus der Bundeswehr entlassenen Offizier namens Jens Lubold. Vor sechs Jahren überbrachte er Nicole den Brief ihres Bruders, und er deutet an, dass er weiß, wo Andreas Marmann zu finden ist. Für 30 000 D-Mark ist er bereit, einen Kontakt herzustellen. Als Vera fragt, ob Marmann Üsker gefoltert und ermordet haben könnte, schüttelt er den Kopf und meint, das würde er nur Lubold zutrauen, aber der sei tot.

Als Vera ihrem Klienten mitteilt, dass Solwegyn möglicherweise wisse, wo Marmann zu finden sei, stöhnt Bathge zwar über die Höhe der verlangten Geldsumme, erklärt sich aber bereit, Solwegyn am nächsten Tag mit Vera zusammen aufzusuchen und den geforderten Betrag zu bezahlen.

Am 27. August ruft Vera Said-Asghar Fouk an, dessen Telefonnummer sie auf Umwegen von einem früheren General der Fremdenlegion bekommen hat. Fouk ist zwar mit den Vorbereitungen einer Expedition beschäftigt, verspricht aber, sich das Foto, das Vera ihm faxen möchte, anzuschauen und sie in den nächsten Tagen zurückzurufen.

Inzwischen hat auch die Polizei herausgefunden, dass Üsker 1985 mit vier anderen Männern zusammen zur Fremdenlegion ging: Jens Lubold soll seit Jahren tot sein. Mehmet Üsker wurde vor sechs Tagen ermordet. Von Andreas Marmann und Simon Bathge fehlt jede Spur. Aber Ymir Solwegyn lebt seit 1990 mit seiner Ehefrau Katya in Köln-Porz. Er wird verdächtigt, mit Waffen zu handeln, aber nachweisen konnte man ihm bisher nichts. Als Menemenci im „Red Lion“ eintrifft, wundert er sich darüber, dass die Tür angelehnt ist. Er betritt das Gebäude und findet Solwegyn blutüberströmt an die Skulptur einer großbrüstigen Göttin gefesselt, aus deren Vulva Wasser in einen Brunnen plätschert. Als er den Stöhnenden befreien will, wird er von hinten niedergeschlagen. Eine Viertelstunde später kommt er wieder zu sich. Solwegyn brennt wie eine Fackel und ist bereits tot. Der Kommissar kann sich gerade noch auf die Straße retten, bevor das Feuer das Waffenlager im Keller erreicht und das Haus explodiert.

Als Vera und ihr Klient zur verabredeten Zeit nach Porz kommen, finden sie statt des Sex-Klubs nur noch einen Krater vor.

Offenbar wollte jemand ihr Treffen mit Solwegyn verhindern. Der Mörder muss Bescheid gewusst haben. Zunächst befürchtet Vera, er sei in ihre elektronischen Systeme eingedrungen, aber dann hält sie es für wahrscheinlicher, dass er Solwegyn observierte.

Die Detektivin hat sich in Bathge verliebt. Als sie noch bei der Polizei war, heiratete sie einen Kollegen. Karl wollte, dass sie ihre Berufstätigkeit beendete, und als Tom Roth ihr anbot, die stellvertretende Leitung seiner Abteilung zu übernehmen, wurde Karl damit nicht fertig. Er gehörte zu den Männern, die mit der Gleichberechtigung der Frauen nicht umgehen können. Um seine Überlegenheit wiederherzustellen, begann er sie zu schlagen. Mehrere Male musste sie sich im Krankenhaus wegen angeblicher Treppenstürze behandeln lassen. Karl brachte sie sogar dazu, dass sie glaubte, die Eheprobleme seien ihre Schuld. Eines Tages, als er wieder auf sie losging, schlug sie ihm eine Flasche über den Kopf. Er ging zu Boden, und Vera trat auf ihn ein, bis er sich nicht mehr bewegte. Danach wohnte sie einige Zeit bei Tom Roth und seiner Frau Marga. Ihren Dienst bei der Polizei quittierte sie. Die Männer, die sie danach umwarben, interessierten sie nicht weiter.

Viele hatten sich redlich bemüht.
Grauenhaft.
Dieses redliche Bemühen, Erzeugen von Verbindlichkeiten, klettenhafte Getue, Anrufe, Blumen, allzuschnell geäußerte Liebesbekundungen, Zukunftspläne. Beängstigend. Erdrückend. Erstickend. (Seite 266f)

Vera wundert sich, warum sie ausgerechnet den Mann so anziehend findet, der ihr so gut wie nichts über sich verraten will. Sie fährt mit ihm von Porz zurück und nimmt ihn mit in ihre Wohnung. Er behandelt sie ausgesprochen zärtlich und bleibt über Nacht.

Am nächsten Tag (28. August) wird Nicole Wüllenrath im Café Bauturm von einem Fremden angesprochen, der ihr zuflüstert, ihr Bruder würde sie gern sehen und ihr anbietet, sie könne von seinem Autotelefon aus mit ihm sprechen. Erwartungsvoll steigt Nicole ein – und wird entführt.

Vera fährt zu Stephan Halm, der mit seiner Frau Lorenza in einer Villa in Bonn-Poppelsdorf wohnt. Der Oberstleutnant a. D. kommandierte die Bundeswehreinheit, aus der Jens Lubold unehrenhaft entlassen wurde. Bereitwillig berichtet Halm, was damals geschah. Bei einer Übung stürzte ein Rekrut unglücklich auf seinen Klappspaten. Obwohl der Soldat über Schmerzen klagte, kümmerte Lubold sich zunächst nicht um ihn. Dann ließ er ihn auf einer Bahre abtransportieren, befahl aber den Trägern, vor einem Tieffliegerangriff und dann auch noch vor Heckenschützen in Deckung zu gehen. Als der Verletzte endlich in ärztliche Behandlung kam, war er nicht mehr zu retten: Er starb an einem Milzriss. Halm hätte Lubold damals gern vor Gericht gebracht, aber er konnte ihm keinen Vorsatz nachweisen und befürchtete negative Schlagzeilen. Immerhin musste Lubold die Bundeswehr verlassen.

Am 29. August gesteht Bathge seiner neuen Geliebten, dass er ihr über die Ereignisse am 26. Februar 1991 in Kuwait nicht die volle Wahrheit erzählte. Vor dem Luftangriff waren er, Üsker und Marmann in der Wüste auf Autowracks, tote Männer, Frauen und Kinder gestoßen: offenbar eine reiche kuwaitische Familie, die versucht hatte, über die nahe Grenze nach Saudi-Arabien zu fliehen, jedoch von den Irakern entdeckt und aus der Luft beschossen worden war. Unter den Wertsachen der Toten fanden die drei deutschen Söldner Schatullen mit einigen Tausend haselnussgroßen Diamanten. Die konnten sie wegen der Kontrollen durch die Amerikaner nicht außer Landes schmuggeln. Deshalb versteckten sie die Beute an einer markanten Stelle in einer Felsspalte. Als Bathge die Diamanten nach dem Krieg holen wollte, fehlten sie. Marmann war wohl doch nicht tot gewesen und hatte den Schatz bereits gehoben. Lubold, der Marmann gut kannte und vermutlich ebenfalls noch am Leben ist, wusste wohl davon und versuchte, dessen Aufenthaltsort zunächst von Üsker und dann von Solwegyn zu erfahren, um ihm die Diamanten abzujagen. Üsker kannte Marmanns neue Identität offenbar nicht, aber Solwegyn könnte Lubold unter der Folter etwas verraten haben.

Tatsächlich lebt Andreas Marmann unter dem Namen André Mormon als Immobilienmakler in Paris. Solwegyn, der ihm die gefälschten Papiere besorgt hatte, wusste als Einziger darüber Bescheid. Allerdings ahnte auch Solwegyn nicht, dass Marmann Diamanten im Wert von 50 Millionen D-Mark besaß. Weil das Unternehmen, das Marmann mit dem Erlös aus dem Verkauf einiger Diamanten gründete, erfolgreich läuft, braucht er den Schatz eigentlich gar nicht.

An diesem Sonntag (29. August) erhält Marmann alias Mormon ein Päckchen aus Köln und erbleicht. Nachdem er seine Frau unter einem Vorwand aus dem Zimmer geschickt hat, öffnet er es. Es enthält ein Handy, einen Schlüssel, eine Tonkassette und eine in Mull eingewickelte blutige Zehe. Aus den Lautsprechern der Stereoanlage hört Marmann Lubolds Stimme. Sein früherer Kamerad fordert ihn auf, am nächsten Tag mit 30 Millionen D-Mark oder der entsprechenden Menge Diamanten, dem Handy und dem Schlüssel nach Köln zu reisen. Der Flug sei bereits für ihn gebucht. Nach der Landung solle er auf weitere Anweisungen warten. Lubold droht damit, Marmanns Schwester die restlichen neun Zehen abzuschneiden, falls er nicht mit ihm kooperiere.

Am Morgen des 30. August verabschiedet Bathge sich von Vera. Er habe einen früheren Kameraden in München ausfindig gemacht und wolle hinfahren, um mehr über Lubold zu erfahren.

Das Ehepaar Marmann meldet seine Tochter Nicole als vermisst.

Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Endlich ruft Fouk zurück. Er erinnert sich an die Männer auf dem Foto, das Vera ihm faxte. Andreas Marmann war nicht der Scharfschütze, sondern der Techniker in einem dreiköpfigen Team. Er wurde am 26. Februar 1991, dem letzten Tag der amerikanischen Bodenoffensive im Golfkrieg, mit einer leichten Armverletzung ins Lazarett eingeliefert und reiste bald darauf aus Kuwait ab. Bei Mehmet Üsker handelte es sich um den Fahrer. Simon Bathge – diesen Namen hatte Vera neben den Kopf des dritten Mannes auf dem Foto geschrieben – hatte ZERO bereits vor der Operation „Desert Storm“ verlassen und war nie in Kuwait. Nicht Bathge, sondern Jens Lubold ist auf dem Foto zu sehen; er war damals der Scharfschütze in dem Team.

Vera kann ihren Irrtum kaum fassen. Sie hat sich von einem Schwerverbrecher täuschen lassen. Lubold ist ein grausamer Mörder, aber er kann sich auch höflich und charmant, aufmerksam und zärtlich geben!

Bevor Vera etwas unternehmen kann, wird sie von Menemenci wegen „Falschaussage, Behinderung der Staatsgewalt und Beihilfe zum Mord an Ymir Solwegyn“ verhaftet. Erst nach drei Stunden paukt ihr Rechtsanwalt sie im Polizeipräsidium heraus.

Inzwischen trifft Marmann mit zwei unauffälligen Leibwächtern auf dem Flughafen Köln-Bonn ein. Sobald er die Zollkontrolle passiert hat, klingelt das Handy. Lubold fordert ihn auf, zu den Schließfächern zu gehen. Mit dem Schlüssel, den er aus dem Päckchen hat, sperrt Marmann ein Fach auf und will schon seinen Koffer mit Diamanten im Wert von 30 Millionen D-Mark hinschieben, als Lubold ihn übers Handy auffordert, stattdessen den Autoschlüssel an sich zu nehmen, der in dem Schließfach liegt. Offenbar beobachtet Lubold ihn. Der Erpresser erklärt ihm, wo der Wagen steht und fordert ihn auf, die beiden Bodyguards nach Paris zurückzuschicken. Andernfalls werde er Nicole weitere Zehen abschneiden. Dann lotst er Marmann zur Alten Werft in Köln. In einem leer stehenden Lagergebäude fordert Lubold ihn auf, den Koffer in einen Lastenaufzug zu stellen. Dann findet Marmann seine Schwester: Sie hängt in zwei Meter Höhe waagrecht an Ketten und fleht ihn an, sie zu befreien. Der Boden unter ihr und ringsherum ist mit Glasscherben übersät.

Vera wies Menemenci im Polizeipräsidium darauf hin, dass Lubold nach München ins Hotel Vierjahreszeiten gefahren sei. Dort gibt ein Taxifahrer aus Köln eine Mappe für einen angeblich am Abend eintreffenden Gast namens Simon Bathge ab, die nichts außer dem Reklamefeuerzeug mit dem Peilsender enthält. Hat Lubold die Fahrt nach München vorgetäuscht, um sich unbehelligt ins Ausland absetzen zu können?

Als Vera erfährt, dass Nicole vermisst wird, ahnt sie einen anderen Zusammenhang: Die Geisel dient Lubold vermutlich dazu, Marmann nach Köln zu locken. Ein Telefongespräch bestätigt ihren Verdacht: Der „Großhandel für Tiefseetauch- und Hochseeangelbedarf“ in der Alten Werft ist auf den Namen Jens Lubold eingetragen ist. Unverzüglich rast Vera los. Unterwegs ruft sie Menemenci an und teilt ihm mit, dass sie zur Alten Werft unterwegs sei, um Lubold dort zu stellen. Widerwillig verspricht Menemenci, ihr einen Streifenwagen nachzuschicken.

Lubold zwingt Marmann mit vorgehaltener Pistole, Schuhe und Strümpfe auszuziehen. Mit bloßen Füßen soll er über die Glasscherben zu Nicole gehen. Üsker zeigte er, wie schmerzvoll Bauchschüsse sind. Als Lubold nach dem Angriff des irakischen Jägers schwer verletzt in der Wüste lag, litt er nicht nur unter den Schmerzen, sondern auch unter der Sonne. Deshalb musste Solwegyn brennen. Iraker fanden Lubold damals, nahmen ihn als Kriegsgefangenen mit und brachten ihn in ein Lazarett. Bei jedem Schritt kam es ihm vor, als ob er in Glasscherben treten würde. Das soll Marmann jetzt nachempfinden. Übrigens, erzählt er Marmann, sei er danach acht Jahre lang im Irak geblieben und habe politische Gegner Saddams gefoltert.

Vera schleicht sich die Treppe in dem Lagerhaus hinauf und sieht, wie Marmann mit blutigen Füßen über die Glasscherben steigt. Lubold überrascht sie von hinten und fordert sie auf, ihre Pistole fallen zu lassen, die er daraufhin mit dem Fuß in den Treppenschacht kickt. Marmann läuft auf Vera zu. Lubold erschießt ihn. Die Ablenkung nutzt Vera, um sich hinter einer Säule zu verstecken. Sie ruft Lubold zu, dass die Polizei in ein, zwei Minuten eintreffen werde. Zuerst hält er das für einen Bluff, aber dann hört sie ihn über die Stahltreppe nach unten laufen und folgt ihm.

In der Ausfahrt prallt er beinahe mit einem entgegenkommenden Auto zusammen. Es ist Menemenci selbst. Ohne eine Sekunde zu verlieren, schießt Lubold und trifft den Kommissar zwei Mal. Vera rennt hin, hebt Menemencis Pistole vom Boden auf und richtet sie auf Lubolds Kopf, so wie dieser auf ihren zielt. Lubold drückt ab, aber es klickt nur: Das Magazin ist leer. Vera hält den Verbrecher in Schach, bis der angeforderte Streifenwagen eintrifft und er festgenommen werden kann.

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„Die dunkle Seite“ ist zwar nicht ganz so komplex und ausgefallen wie der Roman, mit dem Frank Schätzing berühmt wurde – „Der Schwarm“ – aber es handelt sich um einen ebenso spannenden Thriller mit einem plausiblen und sorgfältig ausgearbeiteten Plot. Frank Schätzing erzählt als erstes davon, wie drei Söldner am 26. Februar 1991, dem letzten Tag der amerikanischen Bodenoffensive im Golfkrieg, im Gepäck einer auf der Flucht ums Leben gekommenen kuwaitischen Familie auf Diamanten im Wert von 50 Millionen D-Mark stoßen. Dann folgen die Ereignisse vom 21. bis 30. August 1999 in Köln. Rasch ahnt man, dass der Mord an einem Gemüsehändler etwas mit dem Diamantenfund zu tun hat, aber es dauert einige Zeit, bis man die Zusammenhänge nach mehreren unerwarteten Wendungen Schritt für Schritt zu begreifen beginnt. Die durchdachte Dramaturgie macht „Die dunkle Seite“ zu einem fesselnden Lesevergnügen. Sobald klar ist, wer der Mörder ist, verlagert Frank Schätzing den Schwerpunkt vom Investigativen zur Action und hält damit die Leser bis zur letzten Seite in Atem.

„Die dunkle Seite“ überzeugt nicht nur durch den Aufbau des Romans, sondern auch sprachlich. Außerdem hat Frank Schätzing es verstanden, allgemeinere Betrachtungen geschickt einzuflechten.

Die Alliierten schrieben Schecks aus, also führte er [einer der Söldner] den gerechten gegen den heiligen Krieg. (Seite 12)

Schätzing warnt vor dem Realitätsverlust durch Internet und Fernsehen. Chats und Computerspiele können echte zwischenmenschliche Kontakte nicht ersetzen. Und die Fernsehbilder über Präzisionstreffer in einem High-Tech-Krieg dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es keine virtuellen Wesen sind, die von den computergesteuerten Raketen zerfetzt werden, sondern Menschen aus Fleisch und Blut.

Peter Keglevic verfilmte den Roman: „Die dunkle Seite“.

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2005 / 2008
Textauszüge: © Hermann-Josef Emons Verlag

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