Frank Schätzing : Der Schwarm

Der Schwarm
Der Schwarm Manuskript: 2002 / 2003 Originalausgabe: Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2004 ISBN 3-462-03374-3, 998 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Ein peruanischer Fischer verschwindet spurlos im Meer. Ein norwegisches Öl-Erschließungsteam stößt in 700 m Tiefe auf Milliarden unbekannter Würmer, die sich ins Methanhydrat fressen. Vor der kanadischen Pazifikküste wird ein Frachter durch massiven Muschelbefall manövrierunfähig, und Wale greifen die Schlepper an, die ihm zu Hilfe kommen. Bahnt sich eine Katastrophe an?
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Kritik

Spannung plus Wissen. Dieses Erfolgsrezept wendet Schätzing in seinem grandiosen Roman "Der Schwarm" an und vermittelt eine beeindruckende Fülle von Fakten. Mit den Figuren gibt er sich weniger Mühe; im Vordergrund steht die packende Handlung: ein globales Katastrophenszenario.
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Der achtundzwanzig Jahre alte peruanische Fischer Juan Narciso Ucañan fährt am 14. Januar in seinem Caballito (Schilfboot) bei Huanchaco hinaus aufs Meer. Er ist zwölf Kilometer von der Küste entfernt, als ihm etwas sein wertvolles Netz zerfetzt. Um nachzusehen, taucht er. Da erblickt über sich einen riesigen Fischschwarm, der ihm den Weg zur Wasseroberfläche verwehrt.

Am 4. März wird der Norweger Sigur Johanson, ein sechsundfünfzigjähriger Meeresbiologe an der technischen Universität in Trondheim (NTNU), von einer Bekannten um Rat gefragt. Tina Lund arbeitet für das Institut Marintek, einen Ableger von Sintef, einer der größten unabhängigen Forschungseinrichtungen Europas. Zu den Aufgaben der stellvertretenden Leiterin eines von „Statoil“ in Auftrag gegebenen Projekts zur Erschließung neuer Erdölvorkommen gehört die Prüfung der Bedingungen am Kontinentalrand; und dabei entdeckte sie auf dem Methanhydrat in 700 m Tiefe Unmengen von Würmern. Tina Lund möchte von dem Biologen mehr über den Wurm erfahren, um beurteilen zu können, ob die untersuchten Gebiete für die Offshore-Industrie geeignet sind, oder ob es durch die Tiere zu einer Destabilisierung der Methanhydrat-Krusten kommen könnte. Würden größere Mengen Methan freigesetzt, müsste man nicht nur Abrutsche an den Kontinentalrändern befürchten, sondern aufgrund des Treibhauseffekts auch eine Erwärmung der Atmosphäre und der Meere, was wiederum die Auflösung von Methanhydrat beschleunigen würde.

Johanson stellt rasch fest, dass es sich bei den aus der Tiefe heraufgeholten Würmern um Polychäten handelt, aber er wundert sich über die abnormen Kiefer dieser Tiere. Mit einigen Proben fliegt er am 6. April zum Geomar-Forschungszentrum nach Kiel, wo ein Simulator steht, auf dem die Bedingungen auf dem Meeresboden nachgeahmt werden. Der norwegische Meeresbiologe ist dort mit dem Geochemiker Gerhard Bohrmann verabredet. Als sie die Würmer im Simulator beobachten, stellen sie fest, dass sie sich ins Methanhydrat bohren, bis sie nach kurzer Zeit ersticken. Ein Selbstmordkommando! Warum tun sie das? Noch dazu milliardenfach.

Leon Anawak ist einunddreißig und arbeitet als Cetologe (Walforscher) für eine Whale Watching Station auf Vancouver Island, einer zu Kanada gehörenden Pazifikinsel. Am 12. März fährt er mit Touristen hinaus aufs Meer, aber sie sehen keinen einzigen Wal und kehren enttäuscht zurück. Normalerweise ziehen die Wale um diese Zeit auf dem Weg von den warmen Buchten Kaliforniens und den Gewässern um Hawaii in die Arktis rudelweise hier vorbei. Aber in diesem Frühjahr sind sie ausgeblieben.

Auf dem Rückweg von Japan will der Steuermann der „Barrier Queen“ am 5. April kurz vor Vancouver einem anderen Schiff ausweichen, aber der Sechzigtausend-Tonnen-Frachter reagiert nicht. Aufgeregt dreht der Steuermann weiter, bis zum Anschlag, da folgt das Ruder plötzlich und klemmt im nächsten Augenblick fest. Der mit 20 Knoten Geschwindigkeit fahrende Frachter wird dadurch in eine scharfe Kurve gezwungen und legt sich samt der Ladung zur Seite. Es dauert einige Zeit, bis das manövrierunfähige Schiff seine Fahrt verlangsamt und sich wieder aufrichtet. Die zur „Barrier Queen“ geschickten Schlepper werden von plötzlich aufgetauchten Walen angegriffen, und als sich mehrere der gewaltigen Tiere zugleich auf die Trosse zwischen einem der Schlepper und dem Frachter werfen, bringen sie den Schlepper zum Kentern. Im Hafen stellt sich heraus, dass das Ruder der „Barrier Queen“ unter einer zwei Meter dicken Schicht kleiner Zebramuscheln festgeklemmt ist. Woher kamen diese Unmengen Muscheln? Und wieso verhalten die Wale sich aggressiv?

Am 11. April ist Leon Anawak dabei, als Ray Fenwick vom Kanadischen Institut für Ozeanische Wissenschaften und Fischerei, John Ford, der Direktor des Forschungsprogramms für Meeressäuger im Vancouver Aquarium, und Sue Oliviera, eine Laborleiterin in Nanaimo, auf Vancouver Island einen gestrandeten Orca („Killerwal“) sezieren. Im Gehirn des Kadavers stoßen sie auf eine unbekannte gallertartige Masse.

Bevor die Arbeiten abgeschlossen sind, wird Anawak von seiner Kollegin Susan Stringer alarmiert, die mit einigen Touristen auf der „Blue Shark“ im Clayoquot Sound Wale beobachten möchte. Sie teilt ihm mit, dass Jack O’Bannon und einige seiner Leute die „Blue Shark“ mit ihren Schlauchbooten umkreisen, die Touristen fotografieren und mit toten Fischen bewerfen. Jack O’Bannon, der sich „Greywolf“ nennt und vorgibt, ein Indianer zu sein, obwohl sein Vater Ire war und seine Mutter eine Halbindianerin vom Stamm der Suquamish, hatte zum Schutz der Wale die Umweltorganisation „Seaguards“ gegründet. Mit ihren Aktionen wollen die „Seaguards“ erreichen, dass die Wale in Ruhe gelassen werden.

Anawak eilt Susan Stringer auf einem Boot zu Hilfe. Da wird er Zeuge, wie einige Wale in unmittelbarer Nähe das 22 m lange Passagierschiff „Lady Wexham“ attackieren: Sie katapultieren sich aus dem Wasser und lassen sich gegen die Seitenwände krachen. Dann zertrümmern Grau- und Buckelwale die „Blue Shark“ sowie Anawaks Boot und schleudern die Schlauchboote der „Seaguards“ in die Luft. Orcas töten die Schiffbrüchigen. Einer der Killerwale reißt Susan Stringer in die Tiefe. Greywolf rettet Anawak das Leben und rast mit ihm in einem Schlauchboot zur Küste.

In Peru und Argentinien sind inzwischen weitere Fischer verschollen. An den Stränden von Costa Rica starben vierzehn Menschen, die mit giftigen Quallen in Berührung gekommen waren. Ähnliches wird aus Australien berichtet; nur handelt es sich dort nicht um Portugiesische Galeeren wie vor Costa Rica, sondern um Seewespen, eine andere hochgiftige Quallenart. Vor Japan explodiert ein Gastanker. In der Malakkastraße kollidieren zwei Containerschiffe und eine Militärfregatte.

In Roanne an der Loire schickt sich der Drei-Sterne-Koch Jean Jérôme am 12. April im Restaurant „Troisgros“ an, ein Dutzend bretonische Hummer zuzubereiten. Er ärgert sich, weil der elfte Hummer im Wasser zerplatzt. Erstaunt legt er den letzten Hummer auf eine Arbeitsplatte, um ihn zu untersuchen. Da platzt auch dieses Tier und schleudert Jérôme eine gallertartige Masse ins Gesicht. Wütend und neugierig zugleich fängt er etwas von dem seltsamen Zeug in einem Schraubglas auf und schickt es zur Unversität von Lyon. Jérôme erliegt kurze Zeit später einem toxischen Schock. In Lyon weist der Molekularbiologe Bernard Roche am 20. April ein äußerst wirksames Neurotoxin in der Probe nach: Der Hummer war mit Algen der Art Pfiesteria piscicida verseucht. In Frankreich bricht eine Epidemie aus.

Von dem Forschungsschiff „Sonne“ wird vor der norwegischen Küste am 22. April ein Greifer in die Tiefe gelassen, der ein mit Würmern bevölkertes Stück Methanhydrat heraufholen soll. In 714 m Tiefe stößt das Gerät auf Grund – zumindest sieht es auf den Monitoren so aus –, aber der Greifer bricht durch und fällt zwanzig Meter tief, bis die Techniker die Aufhängung fixieren können. Sie vermuten, dass sie in der hier schätzungsweise 70 bis 80 m dicken Methanhydrat-Kruste auf eine Gasblase gestoßen sind. Durch den dadurch ausgelösten Gasausbruch („Blowout“) droht die „Sonne“ zu sinken und kommt gerade noch davon.

Danny, der beste Armbrustschütze der kanadischen Armee, wird am 24. April nach Vancouver abkommandiert. Zusammen mit Leon Anawak, der Biologiestudentin Alicia Delaware und dem Piloten geht er an Bord einer DHC-2. Sobald sie Fluken auf dem Meeresspiegel entdecken, zieht der Pilot das Sportflugzeug dicht über die Wasseroberfläche. Danny hängt in der offenen Tür und schießt einem der Wale einen Sender in den Blubber (Speckschicht). Gleich beim ersten Versuch trifft er. Doch im nächsten Augenblick wuchtet sich genau vor dem Flugzeug ein Grauwal aus dem Wasser. Der Pilot kann die Maschine nicht schnell genug hochziehen und streift das Tier. Anawak und Alicia überleben den Absturz, aber Danny und der Pilot kommen dabei ums Leben.

Am Geomar-Forschungszentrum in Kiel finden die Wissenschaftler am 26. April heraus, dass die Würmer, die sich in das Methanhydrat bohren, Bakterien transportieren, die das Material zersetzen. Der Befall droht den Kontinentalrand vor Norwegen zum Einsturz zu bringen.

Ryo Matsumoto, Japans führender Hydratforscher, interessiert sich sehr für die Wurmproben, die Sigur Johanson ihm schickte. Der für die Japan National Oil Corporation (JNOC) arbeitende Wissenschaftler stellt auffallend konkrete Fragen, die darauf schließen lassen, dass der bisher unbekannte Wurm auch in Japan auftritt. Offenbar halten nicht nur die europäischen Forscher Informationen zurück!

Weil Anawak plötzlich nicht mehr an seinen Gesprächspartner bei der Reederei Inglewood herankommt, der ihm weitere Proben von dem Bewuchs der „Barrier Queen“ versprach, fährt er am 2. Mai zum Hafengelände von Vancouver, um selbst welche zu holen. Er wundert sich, wieso das Schiff nicht in ein Trockendock gebracht wurde, sondern in ein Schwimmdock. Benützt man das Schwimmdock als Laboratorium, um den Belag der „Barrier Queen“ weiter untersuchen zu können? Viel Zeit zum Überlegen bleibt Anawak nicht, denn kanadische Soldaten nehmen ihn fest. Eine Stunde später trifft ein Hubschrauber ein: General Commander Judith („Jude“) Li von der US Navy, die militärische Leiterin der neu eingerichteten Vereinigten Krisenstäbe und Untersuchungskommissionen von Kanada und den USA, möchte persönlich mit dem Walforscher über die alarmierenden Phänomene sprechen und ihn als Mitarbeiter gewinnen.

Am 1. Mai riss plötzlich der Kontakt zu dem Prototypen einer automatischen Unterwasserfabrik zur Ölgewinnung ab, die Tina Lunds aus Schottland stammender Vorgesetzter, Clifford Stone, unter höchster Geheimhaltung von der Firma FMC Kongsberg am Kontinentalrand vor Norwegen hatte errichten lassen. Finn Skaugen vom Exekutivkomitee der Statoil-Zentrale warf Stone vor, er habe bei der Entscheidung über den Bau der Anlage zwei kritische Gutachten unterschlagen. Um sein Projekt – und seine Karriere – zu retten, lässt Stone sich zwei Tage später mit dem Forschungsschiff „Thorvaldson“ zum Schelfrand hinausbringen. Statt für die Aufklärung ein mit dem Schiff durch eine Leitung verbundenes „Remotely Operated Vehicle“ (ROV) oder ein ohne Kabelverbindung arbeitendes „Autonomous Underwater Vehicle“ (AUV) zu verwenden, besteht Stone darauf, sich selbst mit Hilfe eines Tauchboots umzusehen. In 900 m Tiefe sucht er nach dem Prototyp, aber er findet nur noch Trümmer davon, die 50 m tiefer im Schutt verstreut sind. Plötzlich stürzt der Kontinentalhang weiter ein und zerschmettert das Tauchboot.

Während der Erste Offizier der „Thorvaldson“ das Schiff volle Kraft in tiefere Gewässer dirigiert, um zu verhindern, dass es bei dem zu erwartenden Seebeben und dem dadurch ausgelösten Tsunami zerstört wird, fliegt der inzwischen von der NTNU für Statoil freigestellte Meeresbiologe Johanson mit einem Hubschrauber zu den Shetland Inseln, um sich dort mit Karen Weaver zu treffen, einer Wissenschaftsjournalistin aus London, die sich vor allem mit Meeresströmungen befasst. Nach der Landung und der Begrüßung stutzt er: Das Meer ist Hunderte von Metern vom Strand zurückgewichen. Geistesgegenwärtig schreit er: „Zum Helikopter!“, und rennt mit Karen Weaver zu dem Hubschrauber. Im letzten Augenblick entkommen sie der 30 m hohen ersten Welle des Tsunamis.

Der Schelf zwischen Schottland und Norwegen wird samt den Bohrinseln zerstört. In Trondheim reißt der Tsunami Johansons Haus fort. Finn Skaugen kommt in Stavanger ums Leben. Tina Lund, die zu ihrem Geliebten Kare Sverdrup gefahren ist, der in Sveggesundet ein kleines Fischrestaurant („Fiskehuset“) betreibt, wird ebenfalls getötet. Hunderttausende verlieren durch den Tsunami ihr Leben. Die überschwemmten Küstenregionen werden verwüstet, Kurzschlüsse und geborstene Gasleitungen setzen ganze Straßenzüge in Brand, die Stromversorgung bricht zusammen, aufgrund der zerfetzten Tiefseekabel funktioniert der interkontinentale Telefon- und Internetverkehr nur noch über Satelliten, deren Kapazität nicht dafür ausgelegt ist.

Jude Li zieht sich mit ihrem durch Wissenschaftler aus Nordamerika und Europa verstärkten und von den United Nations authorisierten Krisenstab am 10. Mai in das für unauthorisierte Personen geschlossene und von der Umwelt abgeriegelte Luxushotel „Chateau Whistler“ in den kanadischen Bergen zurück. Leon Anawak, Gerhard Bohrmann, John Ford, Sigur Johanson, Sue Oliviera, Bernard Roche und Karen Weaver gehören nun ebenso dazu wie der Vulkanologe Stanley Frost, der Mikrobiologe Mick Rubin und Murray Shankar von der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA), CIA-Direktor Jack Vanderbilt und Major Salomon Peak von der US Army. Die Wissenschaftler ahnen nicht, dass sämtliche Räume im „Chateau Whistler“ mit versteckten Kameras und Abhöranlagen überwacht werden.

Bei einer Krisenbesprechung weist Vanderbilt darauf hin, dass die Schäden hauptsächlich den Westen treffen und vertritt die Auffassung, dass muslimische Terroristen die verschiedenen Naturkatastrophen und Verhaltensänderungen von Tieren auslösen. Aber niemand teilt seine Meinung. Jude Li ist so oder so überzeugt davon, dass die USA das Problem lösen müssen und das auch keinem anderen Staat überlassen dürfen, um ihren Status als Führungsmacht nicht zu gefährden. Die Destabilisierung anderer Staaten durch die Katastrophen betrachtet sie als Chance für die USA, ihre Weltmacht weiter auszubauen. Die überaus intelligente, willensstarke und ehrgeizige Frau verfügt über einen guten Kontakt zum Präsidenten der Vereinigten Staaten und es gelingt ihr immer wieder, ihm Ideen einzuimpfen, die er zwei Wochen später für seine eigenen hält. Er unterhält sich gern mit ihr, weil sie ihm auch komplexe Sachverhalte verständlich erklären kann.

Nachdenklich schreibt Johanson in seinen Laptop „Die Beeinflussung der neuronalen Systeme durch die …“, und ohne darauf zu achten, tippen seine Finger danach auf die Tasten für Y und R. „Die Beeinflussung der neuronalen Systeme durch die Yrr.“ Sobald er das Wort auf dem Bildschirm liest, beschließt er, die unbekannte Intelligenz, den gesichtslosen Feind, der offenbar einen Krieg gegen die Menschheit begonnen hat, „Yrr“ zu nennen, und von ihm übernehmen auch die anderen Mitglieder des Krisenstabs die Bezeichnung.

Linda und Darryl Hooper, ein seit drei Wochen verheiratetes Paar, verbringt die Flitterwochen auf Long Island. Als sie sich am nächtlichen Strand lieben, kriechen plötzlich Millionen weißer, augenloser Krebse aus dem Meer. Ohne sich anzuziehen, rennen Linda und Darryl zu ihrem Motorrad und fahren nackt los. Die Krebse dringen weiter aufs Land vor, und Bo Henson, der einen privaten Kurierdienst betreibt, muss aufpassen, dass er auf der mit wandernden Krebsen bedeckten Straße nichts ins Schlingern kommt. Weil er nach dem Aussteigen feststellt, dass sein Fahrzeug mit einer gallertartigen Schmiere überzogen ist, fährt er damit noch in eine rund um die Uhr offene Waschanlage. Zahlreiche Autofahrer machen es wie er. Dadurch gerät das von den Krebsen transportierte bakterielle Gift ins Abwasser; giftige Gase steigen durch Abflüsse und Toiletten auf und töten die Menschen in ihren Wohnungen. New York wird unter Quarantäne gestellt und von Militäreinheiten abgeriegelt. Der Präsident verlässt Washington, D. C., und zieht sich nach Nebraska in die Offutt Air Force Base zurück.

Leon Anawak, der sich wegen der „Seaguards“ mit seinem Freund Greywolf überworfen hatte, versöhnt sich mit ihm. Greywolf erzählt, dass er Kampftaucher und Delphintrainer bei der US-Navy war. In San Diego wurden Delphine für militärische Einsätze dressiert. Da gab es beispielsweise ein sog. „Swimmer Nullification Program“, in dessen Rahmen Delphinen beigebracht wurde, feindlichen Froschmännern die Luftschläuche, Masken und Flossen abzureißen. Einige der Tiere schickte man mit umgeschnallten Bomben los, die am Ziel ferngezündet wurden. Um die Tiere noch besser kontrollieren zu können, knüpfte man an die Forschungen von John Lilly an, der als Erster Elektroden in die Gehirne von Versuchstieren implantiert hatte, mit denen er ihr Verhalten beeinflussen konnte. Aus Protest gegen diese Experimente reichte Greywolf schließlich seinen Abschied ein.

Karen Weaver stellt fest, dass es den Golfstrom nicht mehr gibt. Es fließt also kein in der Karibik aufgewärmtes Meerwasser mehr nach Nordeuropa.

Am 12. Mai hält Johanson im Krisenzentrum eine Rede und erläutert den anderen Team-Mitgliedern seine Theorie: Nicht außerirdische Intelligenzen greifen die Menschheit an, sondern eine irdische Intelligenz, die sich neben der humanen in der Tiefsee entwickelt hat. Der Feind sei eine Intelligenz, die ihre Kultur und Technologie auf einer ausschließlich biologischen Basis errichtet habe, erläutert er. „Sie züchten einfach, was sie brauchen.“ Am ehesten sei das mit einem Neuronencomputer vergleichbar, wie ihn Ray Kurzweil, eine der Koryphäen auf dem Gebiet der Neuroinformatik, beschrieb. Diese Intelligenz, die sich offenbar durch das Umwelt schädigende Verhalten der Menschheit bedroht fühlt, vertreibt nun die Menschen von der Meeresoberfläche und aus den Küstenregionen. Sie vernichtet die Infrastruktur und die Metropolen. Am Ende wird dann eine Klimakatastrophe alles menschliche Leben vernichten.

Weil sein Vater gestorben ist, lässt Anawak sich von Jude Li beurlauben und fliegt am 14. Mai über Toronto, Montreal und Iaqaluit, die Hauptstadt des 1999 gegründeten Inuit-Staates Nunavut, nach Cape Dorset, seinem Geburtsort im Süden von Foxe Peninsula. Seine Mutter hatte sich erhängt, als er noch ein Kind war, und sein Vater war dem Alkohol verfallen. Im Alter von zwölf Jahren wurde Leon Anawak von Pflegeeltern adoptiert, die ihn abholten und auf einem Versorgungsschiff nach Vancouver mitnahmen. Inzwischen leben sie in Anchorage, Alaska, und Leon Anawak hat kaum noch Kontakt zu ihnen. – Sein Onkel Ijitsiaq („Iji“) Akesuk holt ihn ab. Am nächsten Tag findet das Begräbnis statt. Eigentlich will Anawak gleich wieder abreisen, aber er lässt sich von seinem verständnisvollen Onkel zu einem Ausflug in die Arktis überreden. Dabei wird ihm bewusst, wie großartig die Landschaft seiner Heimat ist, und er beginnt zu verstehen, dass sein Vater die Entwurzelung der Inuits und ihren juristisch-politischen Kampf um Wiedergutmachung nicht verkraftet hatte und daran zerbrochen war.

Auf den Kanarischen Inseln drohen die von den Würmern transportierten Bakterien die seit einem Vulkanausbruch im Jahr 1949 durch einen kilometerlangen Riss instabile Westflanke des Cumbre Vieja zum Absturz zu bringen. Frost und Bohrmann reisen nach La Palma und ordern Anfang Juni von der Firma De Beer eine Anlage, wie sie vor Namibia und Südafrika zum Absaugen von auf dem Meeresboden lagernden Diamanten verwendet wird.

Auf Betreiben Leon Anawaks rekrutiert Jude Li auch Alicia Delaware, Jack O’Bannon („Greywolf“) und Samantha Crowe vom SETI-Projekt (Search for Extra Terrestrial Intelligence) für den Krisenstab, der am 12. August vom „Chateau Whistler“ auf die in der grönländischen See kreuzende „USS Independence LHD-8“ umzieht. Bei dem 250 m langen Schiff handelt es sich um den eigens für diesen Zweck umgebauten und mit modernsten Forschungseinrichtungen ausgestatteten größten Hubschrauberträger der Welt. Auch hier lässt Jude Li die an einer Kontaktaufnahme mit der feindlichen Intelligenz arbeitenden Wissenschaftler sogar in ihren Kabinen überwachen.

Fieberhaft untersuchen die Wissenschaftler die DNS der geheimnisvollen Gallertmasse, die in den bretonischen Hummern, in den Krabben an der amerikanischen Ostküste und im Gehirn des gestrandeten Wals an der kanadischen Pazifikküste gefunden wurde. Weil die Entschlüsselung des Genoms zu lange dauern würde, konzentriert man sich auf Sequenzanalysen bestimmter Teilabschnitte. Die Forscher sind sicher, dass es sich bei der Masse um einen Verbund von Einzellern handelt. Also erwarten sie, dass die DNS aller Zellen gleich ist, denn die Fortpflanzung von Einzellern erfolgt durch Zellteilungen, bei denen es nicht zu einer Vermischung von Chromosomenabschnitten kommen kann. Zu ihrer Verblüffung stoßen sie jedoch auf DNS-Bereiche, die bei jeder Zelle anders sind.

Obwohl Rubin sich wegen Migräne abgemeldet hat, glaubt Johanson am 13. August zu sehen, wie er vom Oberdeck durch ein Tor in der Wand des Hangars geht. Johanson sucht die Stelle auf, findet aber keine Öffnung in der Metallwand. Leidet er unter Halluzinationen? Einige Minuten später hört er ein Geräusch, und das verborgene Tor öffnet sich. Neugierig geht er hinein und den beleuchteten Korridor entlang, bis er in ein zweites Laboratorium gelangt, von dessen Existenz er und die meisten anderen Wissenschaftler nichts ahnten. Rubin schlägt ihn nieder, und man verabreicht ihm eine Droge, die wie eine Gehirnerschütterung die Erinnerung an die Zeit unmittelbar vor der Injektion auslöscht. Als Johanson in der Krankenstation zu sich kommt, schmerzt ihn eine Beule am Kopf und man sagt ihm, er sei auf dem Hangardeck ausgerutscht.

Am 14. August wird vor La Palma damit begonnen, einen 500 m langen Saugrüssel von einem aus Namibia herangeschafften Halbtaucher in die Tiefe zu schieben. Die Techniker jubeln, als es gelingt, damit die ersten Würmer aufzusaugen und in ein bereitstehendes Schiff zu pumpen. Nach kurzer Zeit verklemmt sich jedoch das Ende des Rüssels unter Trümmern einer Rutschung. Frost und Bohrmann lassen sich am nächsten Tag von zwei computergesteuerten Tauchschlitten zu der Stelle bringen und wuchten das Geröll vom Schlauch. Da tauchen Haie auf. Frost fordert Bohrmann auf, das „Protective Ocean Device“ (POD) an seinem Taucheranzug einzuschalten und beruhigt ihn: Das dadurch aufgebaute elektrische Feld werde die Haie zuverlässig abhalten. Tatsächlich weichen die Haie mehrere Male wie vor einer unsichtbaren Wand zurück, aber dann greifen sie trotz der schmerzhaften Stromschläge an. Ein besonders großer Hai zerfetzt Frost. Während auch die anderen Tiere über das Opfer herfallen, gelingt es Bohrmann, sich in einen Felsspalt zu flüchten, der für die Haie zu eng ist.

Am 15. August trifft die Antwort auf ein von der „Independence“ ausgesandtes akustisches Kontaktsignal ein. Nach längerem Probieren entschlüsseln die Forscher den Code und erkennen, dass ihnen die Yrr eine Abbildung der Unterseite ihres Schiffes geschickt haben.

In einem Kontrollzentrum, das die von einem Überwachungssatelliten gemachten Bilder auffängt, beobachten die Forscher ein bläuliches Leuchten im Meer, das sich um die „Independence“ zusammenzieht. In der Hoffnung, weitere Proben von „Yrr“ gewinnen zu können, lässt Rubin das Stahlschott öffnen, durch das die Spezial-Tauchboote („Deepflights“) ins Meer gelangen. Colonel Luther Roscovitz, der Leiter der Tauchstation, hält das für zu gefährlich, aber Rubin weist ihn auf die Panzerglasabdeckung der Kammer hin und holt sich Jude Lis Genehmigung. Sobald die Schleuse offen ist, rast ein Orca herein und zertrümmert die Glaskuppel. Ein Deepflight wird aus der Verankerung gerissen und verkeilt sich in der Schleuse, als Peak sie schließen will. Er muss sie noch einmal öffnen. Das wertvolle Tauchboot verschwindet in der Tiefe, aber das Schott lässt sich daraufhin wieder schließen. Die Stahlplatten klemmen die bläulich leuchtende Gallertmasse ab, von der Teile auf das Schiff vorgedrungen sind. In dem Chaos sind Alicia Delaware, Roscovitz und einige Offiziere ums Leben gekommen.

Sue Oliviera und Johanson finden heraus, dass die Einzeller ein Pheromon aussenden, das andere Zellen anlockt und ihren Zusammenschluss bewirkt. Allerdings verschmelzen nur gesunde Zellen, die über ein intaktes Rezeptorenpaar verfügen. Für alle anderen entfaltet das Pheromon eine tödliche Wirkung. Über Liganden und Rezeptoren tauschen die einzelnen Zellen die in den hypervariablen DNS-Bereichen gespeicherten Informationen aus. Auf diese Weise verfügt das Kollektiv über das gesamte, in Millionen von Jahren angesammelte Wissen, und das weltumspannende Gehirn überblickt Zeit und Raum.

Johanson erinnert sich allmählich wieder an die Zeit vor seinem Aufwachen in der Krankenstation, und er erzählt Karen Weaver, dass es auf dem Schiff ein zweites Laboratorium gibt. Die beiden begreifen, dass sie und ihre Kollegen als Zulieferer für eine kleine Gruppe um Jude Li missbraucht werden und Mick Rubin auf der Grundlage ihrer Erkenntnisse an etwas anderem arbeitet. Weil Johanson nun auch ahnt, dass die Kabinen überwacht werden, stellt er sich hin und erklärt, er habe das Doppelspiel durchschaut und könne sich wieder daran erinnern, wie Rubin ihn niederschlug. Nach wenigen Minuten holt Peak ihn ab und bringt ihn zu Jude Li und Vanderbilt. Die Generalin erklärt Johanson, Rubin habe parallel zu den anderen Wissenschaftlern an einer Alternativlösung gearbeitet. Schnell versteht Johanson: Sie sucht nach einer Möglichkeit, die Yrr zu vernichten. Allerdings sei Rubin dabei noch nicht sehr weit gekommen, beteuert Jude Li.

„Soll ich Ihnen mal was sagen, Jude?“, zischte Johanson. Er kam ihr so nahe, dass keine Hand mehr zwischen ihre Gesichter passte. „Ich glaube Ihnen kein Wort. Sobald Sie Ihre verdammte Waffe haben, werden Sie sie einsetzen. Was Sie dann zu verantworten haben, können Sie sich gar nicht vorstellen. Das sind Einzeller, Jude! Milliarden über Milliarden Einzeller! Sie existieren seit Anbeginn der Welt. Wir haben nicht die geringste Ahnung, welche Rolle sie für unser Ökosystem spielen. Wir wissen nicht, was mit den Ozeanen passieren wird, wenn wir sie vergiften. Wir wissen nicht, was mit uns passieren wird […]“ (Seite 885)

Nachdem Johanson das geheime Labor verlassen hat, befiehlt Jude Li, ihn zu töten. Vanderbilt und der CIA-Agent Floyd Anderson folgen dem Meeresbiologen mit der Absicht, ihn über Bord zu werfen. Es kommt zu einem Handgemenge. Anawak und Greywolf kommen ihrem norwegischen Kollegen zu Hilfe. Bevor Greywolf Vanderbilt über den Rand des Decks kippen kann, schießt dieser ihn in den Bauch. Greywolf stürzt ebenfalls ab, wird zwar von einem Sicherheitsnetz aufgefangen, rollt sich jedoch über den Rand und stürzt in das Wasser, dessen Kälte ihm nach wenigen Sekunden das Bewusstsein rauben wird.

Zur gleichen Zeit stellt Karen Weaver Rubin zur Rede, und der Mikrobiologe gesteht, dem Pheromon ein radioaktives Isotop beigemischt zu haben, das auf die Rezeptoren der Yrr-Zellen einwirkt, wodurch sie als defekt markiert und abgetötet werden. Weil das Pheromon die Einzeller anlockt und zur Verschmelzung auffordert, kommt es zu einer Kettenreaktion, die erst mit der vollständigen Vernichtung der Yrr endet. Zwei mit dem Gift gefüllte Torpedos stehen bereit. In zwei Stunden wollen Jude Li und er damit in einem der Deepflights tauchen. Als Jude Li auf einem Überwachungsmonitor Rubin und die Journalistin sieht und hört, eilt sie mit drei Soldaten zu ihnen, bedroht Karen mit ihrer Pistole und um zu verdeutlichen, dass sie es ernst meint, erschießt sie eiskalt die in der Nähe an ihrem Labortisch arbeitende Sue Oliviera.

In diesem Augenblick rast aus der Tiefe eine wabernde Kugel auf die „Independence“ zu. Die Yrr haben das gesunkene Deepflight in einer mit Methan gefüllten Gallertkugel vom Meeresboden angehoben. Wenige Meter unter der „Independence“ platzt die Kugel; das Tauchboot kracht gegen den Rumpf, die Torpedos explodieren durch den Aufprall und reißen ein gewaltiges Loch in den Hubschrauberträger.

Rubin wird von einem umgestürzten Laborschrank eingeklemmt. Die Scheiben des Forschungsaquariums bersten, und das Wasser überflutet den Boden des Laboratoriums. Die Gallertmasse quillt hervor und dringt in Rubins Körperöffnungen ein. Während die „Independence“ durch die einströmenden Wassermassen immer stärker in Schieflage gerät und zu versinken droht, drängen die Menschen zu den Hubschraubern. Zwei heben ab. Murray Shankar schafft es in den nächsten Helikopter. Samantha Crowe beobachtet, wie der Hubschrauber mit laufenden Rotoren gegen den nächsten rutscht. Der Pilot versucht, vom dem schrägen Deck hochzukommen, aber die Maschine kracht gegen den Aufbau der Brücke und explodiert. Samantha rettet sich auf das Achterdeck, hat aber kaum noch Hoffnung, die Katastrophe zu überleben.

Anawak, Johanson und Karen Weaver ziehen Rubins Leiche aus dem Labor und injizieren so viel Pheromon wie möglich in den Körper, den sie in die Kopilotenröhre eines Deepflights legen, mit dem Karen Weaver ins Meer taucht.

Jude Li sucht die beiden Torpedos mit dem Gift und schleppt sie zur Tauchstation. Peak will den Wahnsinn beenden und enthebt sie wegen Unzurechnungsfähigkeit ihres Kommandos, aber sie erschießt ihn kurzerhand.

Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Anawak rettet Samantha Crowe vom Achterdeck. Johanson, der bei den Tauchbooten auf die beiden wartet, wird von Jude Li angeschossen und kippt tödlich verletzt in die Pilotenröhre des letzten Deepflights. Die Generalin schiebt die Torpedos in die vorgesehenen Öffnungen, und um keine Zeit zu verlieren, klettert sie auf den Kopilotensitz, denn das Tauchboot lässt sich von beiden Plätzen steuern. Sie schließt die Abdeckungen und setzt den Antriebsmotor in Gang. Da kommt Johanson noch einmal zu sich, übernimmt durch einen Tastendruck die Steuerung und schießt einen Torpedo ab. Die Explosion zerstört die Tauchstation samt dem Deepflight.

In einem Rettungsboot entfernen Anawak und Samantha Crowe sich von der brennenden und sinkenden „Independence“.

Karen Weaver gelangt in 3466 m Tiefe auf den Grund. Sie öffnet die Kopilotenröhre. Unter dem Wasserdruck von 385 Atmosphären wird Rubins Körper herausgerissen und zerquetscht, sodass das Pheromon sich im Wasser verteilt. Gleich darauf beobachtet Karen, wie sich die Yrr nähern und sich über den Toten ergießen. Ein Mensch, also ein Feind, dessen Ausrottung die Yrr beschlossen haben, signalisiert durch das Pheromon: „Ich bin ein Yrr!“, und fordert zur Verschmelzung auf. Das muss für die Yrr verwirrend sein!

Wieder an der Oberfläche, starrt Karen auf einen Wal, aber er zieht vorbei, ohne sie anzugreifen. Ein Hubschrauber nähert sich, und in der offenen Tür erblickt Karen Anawak, der gekommen ist, um sie zu bergen.

Am 15. August des folgenden Jahres erinnert Samantha Crowe sich an den Untergang der „Independence“ vor genau einem Jahr. Die Angriffe aus dem Meer hörten damals sofort auf. Als die Rettungsmannschaft zu Bohrmann vordrang, lauerten keine Haie mehr vor der Felsspalte, in die er sich geflüchtet hatte. Die Würmer verschwanden, und der Golfstrom baute sich wieder auf. Viele Fragen sind geblieben. Auf welche Weise fanden die in der Tiefsee beheimateten Yrr so viel über die Menschen heraus? Durch die Untersuchung der Gehirne von Toten im Meer? Wie konnte eine gallertartige Masse im Meer codierte und weithin hörbare akustische Signale erzeugen? – Aber die Menschheit hat zumindest ein wenig Zeit gewonnen, den Yrr zu beweisen, dass sie aufgehört hat, die Lebensgrundlagen auf der Erde zu zerstören. Hoffentlich kommen die Yrr zu dem Schluss, dass eine friedliche Koexistenz möglich ist.

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

In „Der Schwarm“, dem dicksten von Kiepenheuer & Witsch bisher publizierten Roman, entwickelt ein auktorialer, unpersönlicher Erzähler auf rund tausend Seiten ein Katastrophenszenario über eine zweite Intelligenz, die sich unbemerkt in der Tiefsee entwickelte und zu Beginn des 21. Jahrhunderts damit beginnt, die Menschheit zu vernichten, bevor diese ihre Lebensgrundlagen vollends zerstört hat. (Die gallertartige Masse Yrr erinnert ein wenig an Polytheria, eine geheimnisvolle Intelligenz auf einem fernen Planeten in dem Roman „Solaris“ von Stanislaw Lem.)

Die Handlung von „Der Schwarm“ spielt in Nord- und Südamerika, auf den Kanarischen Inseln, in Kiel, Norwegen, auf den Shetland Inseln und in der grönländischen See. Es geht um Ökologie, Klimaforschung, den Golfstrom, die Entstehung und Wirkung von Tsunamis, Vulkanologie, Ölförderung, die Konstruktion von Forschungsschiffen und Tauchrobotern, Mikro- und Meeresbiologie, Biogenetik, Cetologie, Telemetrie, die quälende Desorientierung von Walen durch das Niederfrequenz-Sonar der US-Navy zur Ortung von U-Booten, das Schicksal der nordamerikanischen Indianer und der Inuits, Religionsphilosophie und vieles mehr. Das erinnert an das Erfolgsrezept von Michael Crichton: Spannung plus Faktenwissen. Frank Schätzing stellt die Frage nach der Rolle der Menschheit, aber „Der Schwarm“ ist kein tiefschürfendes Philosophiebuch, sondern ein packender, grandioser Unterhaltungsroman mit der Spannung eines Thrillers.

Wie zuverlässig die Fakten sind, lässt sich nicht so leicht überprüfen, aber in jedem Fall ist die Fülle des in „Der Schwarm“ dargestellten Wissens beeindruckend. Die Handlung ist in großen Zügen nachvollziehbar, auch wenn nicht jedes Detail plausibel ist. (Da werden beispielsweise innerhalb weniger Wochen komplexe Computersimulationen ans Laufen gebracht und bahnbrechende biochemische Arbeiten durchgeführt.)

[…] wie Wissenschaft aufgenommen und weitertransportiert wird. Am besten ist das Frank Schätzing in „Der Schwarm“ gelungen. Das Buch ist wirklich eine absolut gelungene Mischung: Die Wissenschaft ist hart, das Fiktionale befindet sich auf der menschlichen Ebene. Ich wüsste nicht, wie man Science-Fiction besser macht. (Harald Lesch, Süddeutsche Zeitung, 8. September 2006)

Auch wenn Leon Anawak und Jack O’Bannon („Greywolf“) durch Vater-Sohn-Konflikte, Identitäts- und Beziehungskrisen charakterisiert werden, gibt Frank Schätzing (*1957) sich wenig Mühe, die Figuren nuanciert darzustellen. Da greift er lieber zu Klischees: der ehrgeizige Manager, der Gutachten unterschlägt, die sein Projekt – und damit seine Karriere – gefährden könnten; ein dümmlicher US-Präsident, der sich von einer intelligenten, willensstarken, ehrgeizigen und wahnsinnigen Beraterin manipulieren lässt; eine Generalin, die in Zusammenarbeit mit der CIA die Versuche zur Kontaktaufnahme mit dem Feind unterläuft, die sogar in ihren Kabinen überwachten Mitglieder des Krisenstabs ohne deren Wissen abschöpfen lässt und unter strengster Geheimhaltung den totalen Krieg vorbereitet.

Im Vordergrund von „Der Schwarm“ stehen nicht die Charaktere, sondern die Ereignisse. Umso verblüffender ist es, dass eigentlich erst auf Seite 157 erstmals etwas passiert (dann allerdings heftig). Das erinnert an „Der Name der Rose“, wo man sich auch erst einmal durch seitenlange präzise Beschreibungen von Kirchenportalen lesen muss, bevor die Handlung richtig einsetzt. Frank Schätzing nimmt sich viel Zeit, die Geschichte in Peru, Norwegen und Kanada zu beginnen; dann aber gewinnt die Erzählung an Tempo und Wucht, bis sie auf den letzten 39 Seiten wie eine Meereswelle verplätschert.

Beim Lesen des Romans „Der Schwarm“ glaubt man, einen Hollywood-Film zu sehen. Im März 2006 soll Frank Schätzing denn auch einen Vertrag über die Filmrechte unterzeichnet haben.

„Der Schwarm“ gibt es auch als Hörbuch (DHV 2004, 10 CDs, 730 Minuten).

Gabi Zimmermann verdanken wir ein Personenregister zu „Der Schwarm“.

Das ZDF ließ aus dem Roman „Der Schwarm“ von Frank Schätzing eine Mini-Serie machen (über die sich der Schriftsteller nicht besonders euphorisch äußerte):

Originaltitel: Der Schwarm – Regie: Barbara Eder, Philipp Stölzl, Luke Watson – Drehbuch: Frank Doelger, Steven Lally, Marissa Lestrade, Chris Lunt, Michael A. Walker nach dem Roman „Der Schwarm“ von Frank Schätzing – Kamera: David Luther, Dominik Berg – Schnitt: Sandy Saffeels, Philipp Ostermann, Robert Stuprich, Philipp Stölzl, David Gesslbauer – Musik: Dascha Dauenhauer – Darsteller: Alexander Karim, Cécile de France, Leonie Benesch, Joshua Odjick, Krista Kosonen, Barbara Sukowa, Rosabell Laurenti Sellers, Takehiro Hira, Eidin Jalali, Sharon Duncan-Brewster, Takuya Kimura, Oliver Masucci, Klaas Heufer-Umlauf, Jack Greenlees, Dutch Johnson, Franziska Weisz, Lydia Wilson, Andrea Guo, David Vormweg, Michele Favaro u.a. – 8 Folgen, je 45 Minuten – 2023 (ZDF)

Frank Schätzing: Bibliografie

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2004
Textauszüge: © Kiepenheuer & Witsch

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Sigrid Damm betont, dass "Christiane und Goethe. Eine Recherche" keine wissenschaftliche Monografie sei, aber sie hat jeden Schnipsel Papier zum Thema gesichtet. Auch erzählerisch bewältigt sie die Materialfülle souverän.
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