Doris Dörrie : Das blaue Kleid

Das blaue Kleid
Das blaue Kleid Originalausgabe: Diogenes Verlag, Zürich 2002 ISBN 3-257-06319-9, 177 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Einige Monate nach dem Tod ihres Mannes kauft Babette sich ein blaues Kleid, denn sie hat sich verliebt und hofft auf eine neue Beziehung. Bevor ihr Wunsch in Erfüllung geht, bringt das blaue Kleid sie mit Florian zusammen, der um seinen verstorbenen Lebenspartner trauert. Sie tauschen ihre schmerzlichen Erinnerungen aus und versuchen gemeinsam, den Tod als Bestandteil des Lebens zu akzeptieren ...
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Kritik

Der Roman "Das blaue Kleid" handelt zwar von Liebe, Leben und Tod, aber es ist kein pathetisches Drama, sondern eine leicht zu lesende Geschichte mit tragikomischen Zügen.
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Florian Weber und Alfred Britsch sind seit zehn Jahren ein schwules Paar und besitzen eine Boutique in München, für die Alfred die Modelle entwirft. Als Alfred an Krebs erkrankt und eine Chemotherapie durchstehen muss, pflegt Florian ihn. Als er ihm Essiac besorgt, eine von der kanadischen Krankenschwester Renée Caisse nach Indianerrezepten zusammengestellte Mischung von Heilkräutern, überkommt ihn das Verlangen nach dem gesunden Körper eines fünfundzwanzigjährigen Flugzeugstewards, der ihm die Päckchen aus Amerika mitbringt.

Florian leidet darunter, dass er im Schatten von Alfred steht.

Immer war Alfred der Schönere, Attraktivere, Erfolgreichere, der, der ganz natürlich im Mittelpunkt stand, und durch seine Krankheit erst recht. Alles, alles musste sich immer um ihn drehen. Und wer hat jemals an mich gedacht? Sich jemals gefragt, wie es mir dabei geht? Ich denke wie ein Charakterschwein. (Seite 11)

Einige Wochen nach Alfreds Tod plant Florian, eine Gedenkmodenschau zu veranstalten.

Wütend dreht sich Florian auf den Rücken und starrt an die Decke, die schon lange neu geweißelt werden müsste. Wie ein wackliger Dokumentarfilm erscheint auf der grauweißen Fläche die Vision einer kleinen Gedächtnismodenschau für Alfred. Florian sieht bereits das Defilee. Aus jeder Kollektion ein geniales Stück: das tomatenrote Wickelkleid von ’96, die schwarzen Kaschmirschlaghosen von ’98, das cremeweiße Satinetuikleid von ’99, das gehäkelte bodenlange Abendkleid, das kleine Schwarze „Tiffany“ natürlich, das gelbe Chiffoncape von 2001, das blaue Kleid „Azzuro“ aus der Sommerkollektion 2001. Sein letztes Kleid. Warum haben diese Wörter lange, scharfe Krallen wie wilde Tiere? Sein letztes Kleid. Florian heult. (Seite 10)

Da die Käuferin des blauen Kleides mit einer Kreditkarte bezahlte, findet Florian ihren Namen und ihre Adresse heraus. Sie heißt Babette Schröder. Er erinnert sich, wie sie den Laden betrat, das blaue Kleid anprobierte und Alfred begeistert ausrief:

Dieses Kleid! Dieses Kleid wird Ihr Leben verändern! (Seite 29)

Das war drei Monate vor Alfreds Tod.

Florian sucht die Käuferin auf und erklärt ihr, was er vorhat. Aber nach einer Woche bringt er ihr das blaue Kleid zurück: Die Trauer macht es ihm unmöglich, eine Modenschau zum Andenken an seinen verstorbenen Partner zu organisieren. Babette versteht ihn, denn sie befindet sich in einer ähnlichen Situation: Ihr Ehemann Fritz Bader starb vor wenigen Monaten während eines Urlaubs auf Bali, als er in Denpasar beim Joggen eine Straße überqueren wollte und nicht an den Linksverkehr dachte. Die sechsunddreißigjährige Witwe beendete danach ihre Arbeit als freie Geschenkpapierdesignerin und fing als Layouterin bei einem Verlag für Koch- und Gesundheitsbücher an. Als sie einige Zeit später beim Joggen auf einem Friedhof Thomas Kron kennen lernte, einen Anästhesisten am Schwabinger Krankenhaus, hoffte sie auf einen Neuanfang, legte die Trauerkleidung ab und kaufte sich das blaue Kleid. Als sie ihrem schüchternen neuen Freund vorschlug, zusammenzuziehen, konnte er sich nicht entscheiden.

Babette bot sich ihm an wie ein Büffet, und er stand davor und konnte sich nicht entscheiden. Vielleicht nur eine Vorspeise? Oder gleich die Nachspeise? Oder doch das Hauptgericht? Nein, lieber nicht. Er hatte eine Ehe hinter sich. Er hatte Angst. (Seite 43f)

Als Babette merkte, dass er Viagra nehmen musste, um mit ihr schlafen zu können, verfiel sie erneut in Depressionen, weil sie befürchtete, ihre erotische Anziehungskraft verloren zu haben.

Nachdem Babette und Florian Erinnerungen ausgetauscht haben, übernachtet der Besucher auf der Couch. Das tut er auch in den folgenden beiden Nächten; dann bringt er einen Koffer mit und legt seine Zahnbürste ins Bad. Thomas kann es kaum glauben, dass Babette mit einem Schwulen zusammenlebt.

Zum Tag der Toten, den die Mexikaner mit einem ausgelassenen Maskenfest auf den Friedhöfen feiern, fliegen Babette und Florian nach Oaxaca. Während Florian sich von einem schwulen Mexikaner fortziehen lässt, tanzt Babette mit einem jungen Mann, der sich als Tod verkleidet hat. Als sie allein ins Hotel zurückkommt, liegt überraschenderweise Thomas in ihrem Bett. Gemeinsam kehren sie nach München zurück. Florian bleibt erst einmal in Mexiko.

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Einige Monate nach dem Tod ihres Mannes kauft Babette sich ein blaues Kleid, denn sie hat sich verliebt und hofft auf eine neue Beziehung. Bevor ihr Wunsch in Erfüllung geht, bringt das blaue Kleid sie mit Florian zusammen, der um seinen verstorbenen Lebenspartner trauert. Sie tauschen ihre schmerzlichen Erinnerungen aus und versuchen gemeinsam, den Tod als Bestandteil des Lebens zu akzeptieren.

Der Roman „Das blaue Kleid“ handelt zwar von Liebe, Leben und Tod, aber es ist kein pathetisches Drama, sondern eine leicht zu lesende Geschichte mit tragikomischen Zügen. Doris Dörrie erzählt nicht chronologisch, sondern auf zwei Zeitebenen, wobei die Übergänge nahtlos verzahnt sind. Ebenso unauffällig wechselt sie bei den Rückblenden mitunter in die Ich-Form. Allerdings sind einige der Metaphern missglückt, und das Happyend wirkt trivial.

Helge Weindler, der Lebenspartner von Doris Dörrie, starb während der Dreharbeiten zu „Bin ich schön?“ 1996 an Krebs. Diese leidvolle Erfahrung verarbeitete Doris Dörrie in ihrem Roman „Das blaue Kleid“.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2006
Textauszüge: © Diogenes Verlag

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon einen Monat, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte. Aus familiären Gründen reduziere ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik.