Eckart von Hirschhausen : Die Leber wächst mit ihren Aufgaben

Die Leber wächst mit ihren Aufgaben
Die Leber wächst mit ihren Aufgaben Originalausgabe: Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 2008 ISBN: 978-3-499-62355-4, 222 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

In dem Buch "Die Leber wächst mit ihren Aufgaben" hat Eckart von Hirschhausen 56 eigene Texte zusammengetragen. Einen roten Faden gibt es nicht. Die meist nur zwei oder drei Seiten langen Beiträge kreisen um die verschiedensten Themen, vom Waschbecken mit Fotozellen ("Regentanz auf öffentlichen Toiletten") bis zum Schnarchen ("Mit dem Gaumensegel hart am Wind"). Eingestreut sind Cartoons von Erich Rauschenbach.
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Kritik

So witzig wie der Titel sind im Buch nur einige kurze Passagen; vieles ist humorvoll, aber es gibt auch arge Kalauer. Beim Lesen der Texte fehlt der pointierte Vortrag, den wir von Eckart von Hirschhausens gewohnt sind, wenn er auf der Bühne steht.

In dem Buch „Die Leber wächst mit ihren Aufgaben. Komisches aus der Medizin“ hat der Stand-up-Comedian Eckart von Hirschhausen sechsundfünfzig Texte „aus unterschiedlichen Teilen meines Hirns und meiner kabarettistischen Laufbahn“ (Seite 221) zusammengetragen. Wer einen roten Faden in diesem Buch findet, dürfe ihn gern behalten, meint Eckart von Hirschhausen augenzwinkernd. „Sie müssen ihn nicht einschicken und nehmen auch an keinem Gewinnspiel teil.“ (Seite 221) Die meist nur zwei oder drei Seiten langen Beiträge kreisen um die verschiedensten Themen: Waschbecken mit Fotozellen („Regentanz auf öffentlichen Toiletten“), Pheromone, Cellulitis, Schnarchen („Mit dem Gaumensegel hart am Wind“), Gähnen („Willst du mit mir gähn?“), Sport, Ernährung, Milben, Anti-Aging, Sauna, Tattoos, Erkältungen, Allergien, Ärzte, Homöopathie, Telekinese, Meditation, Astrologie, moderne Technik, den Wahnsinn im Alltag und vieles mehr. Eingestreut sind Cartoons von Erich Rauschenbach.

Nordic Walken ist in, es schont so schön die Gelenke. Belastet werden nur die Zwerchfelle von allen, die uns unfreiwillig dabei betrachten müssen. Seien wir ehrlich, es sieht bescheuert aus. Dabei ist die Grundidee ja richtig: Ein Marketingexperte einer finnischen Sportartikelfirma dachte lange darüber nach, ob es einen Weg gibt, auch im Sommer Skistöcke zu verkaufen. Und richtig: Er erfand Nordic Walking und macht seitdem Millionen, weil Millionen es machen. Der Deutsche wandert nicht mehr über Stock und Stein, sondern verstockt auf Asphalt. Skifahren ohne Skier. Statt Schuss beim Abfahren jetzt Langlauf ohne Loipe – wie abgefahren! […]
Ich hab wirklich nichts gegen mehr Bewegung, im Gegenteil. Die Knie schonen zu wollen ist auch nicht verkehrt. Hätte Gott wirklich gewollt, dass wir aufrecht gehen, hätte er uns bessere Knie gegeben. Was uns ab 40 in die Knie zwingt, sind: die Knie!
Noch besser als Nordic Walken soll ja deshalb auch Bladen sein. Also: Rollen. Inline-Skaten. Statt die Gelenke mühselig beim Laufen über Jahre zu verschleißen, reicht jetzt ein einziger Sturz, und die Knie sind im Arsch […]
Das Prinzip der Rolle zur leichteren Bewegung von Lasten ist mir durchaus vertraut. Vom Möbeltransport. Aber bei den Schuhen, die ich ausprobiere, sind die Rollen nicht etwa sorgsam klein und in allen vier Ecken verteilt. Nein. Die Hersteller tun alles dafür, einen festen Stand zu vereiteln […]
Zugegeben: Der rechte Schuh hat am Hacken einen kleinen Gummipfropfen, den so genannten Stopper. Eine kleine Überschlagsrechnung: Wie realistisch ist es, 85 Kilo Körpermasse, die durch ein Gefälle von 5 Prozent auf 45 Stundenkilometer beschleunigt wurde, durch sanften Druck auf eine Fläche von der Durchschlagskraft eines Radiergummis zu „stoppen“? Ein Pfropfen auf den heißen Stein. Da bekommt Überschlags-Rechnung eine neue, ganz konkrete Bedeutung. (Bewegung – Ich bin doch nicht blade, Seite 70ff)

Da hast du dich pflichtbewusst am Abend noch gewogen, UPS – und spontan beschlossen, heute gibt’s nix mehr. Nachts musst du wegen etwas anderem nochmal aufstehen und erbarmst dich, diese vereinsamte winzige Ecke von dem leckeren Schweizer Käse ihrer wahren Bestimmung zuzuführen. Nur diese eine kleine Ecke. Lass es 80 Gramm gewesen sein. Na gut, 100 Gramm, mehr waren es aber wirklich nicht! […]
Am nächsten Morgen steigst du ausgehungert auf de Waage – und wiegst nicht 100 Gramm mehr, sondern 500 Gramm! Wo bitte kommen diese 400 Gramm über Nacht her? Meine Spekulation: Diese Löcher im Käse – die wurden jahrelang unterschätzt. Das ist nicht einfach Nichts, im Gegenteil! Wahrscheinlich enthalten die eine spezielle Form von Antimaterie, die sich erst im Magen entfaltet und dann über Nacht Gravitationsmasse aus dem Weltall magisch anzieht! So muss es sein. Und da glaub ich jeder Bäckersfrau mehr als irgendwelchen Kalorienerbsenzählern. Bäckersfrauen wussten schon immer: Die Hüfte ist mehr als die Summe aller Teilchen. (Diät – Die Löcher-im-Käse-Theorie, Seite 81f)

Sag zu einem vierjährigen Kind: „Du kannst alle Buntstifte nehmen – nur nicht den gelben.“ Dann plärrt das Kind verlässlich: „Ich wollte aber gerade Gelb!“ Das Verblüffende: Das funktioniert auch mit jeder anderen Farbe. Und in jedem Lebensalter. Immer wollen wir, was wir nicht bekommen sollen. Den gleichen psychologischen Fehler macht ja meines Erachtens die katholische Kirche mit dem Sex […]
Liebe Eltern – wenn Sie wollen, dass sich Ihr Kind später gesund ernährt, verbieten Sie weder Schokolade noch Cola. Ab heute sollten sie konsequent BROCCOLI verbieten! Mit den gleichen Sprüchen! „Gemüse ist nichts für Kinder wirklich, du verträgst das nicht. Ich würde es dir ja geben, aber es zerstört deinen Körper und die Zähne. Wenn du größer bist, dann darfst du auch mal Gemüse.“ (Cola – Gemüse ist nichts für Kinder, Seite 87ff)

Wer hat das ausdauerndste Liebesleben auf diesem Planeten? Wer macht das Rennen? Die Weinbergschnecke! […]
Bei der Weinbergschnecke gibt es […] 180 Minuten puren Sex.
[…] Jetzt ist mir auch klar, warum die Schnecken, wenn ich sie allein treffe, nur noch ganz langsam kriechen können. (Schnecken – Liebesspiele auf Zeit, Seite 97)

Auch Arztpraxen sind Teil der Unterhaltungsindustrie. Warum gehen Leute zum Arzt? Damit sie herausbekommen, was ihnen fehlt? Quatsch. Das wissen die doch schon. Es wäre ja auch sehr erstaunlich, wenn jemand, der Sie erst drei Minuten kennt, besser über Sie Bescheid weiß als Sie selbst […]
Wir haben schon als Kinder gelernt: Sobald du krank bist, kümmert sich jemand um dich. Und das fällt uns irgendwann wieder ein. Unser zutiefst menschliches Bedürfnis nach Nähe und Anerkennung wird mit einem kalten Stethoskop auf der Brust beantwortet, wir suchen Zärtlichkeit, und wenn es hochkommt, gibt es Saugnäpfe und ein EKG. Das ist herzlos und für beide Seiten unbefriedigend. Zudem sehr teuer, wenn man einmal bedenkt, wieviel Körperkontakt man sich mit den Gesundheits-Milliarden in anderen Teilen der Stadt leisten könnte …
Viele gehen doch zum Arzt, damit danach nicht der Arzt weiß, was sie haben, sondern alle anderen Menschen im Wartezimmer […] Das Wartezimmer ist eine Art Selbsthilfegruppe […] (Praxisgebühr – Halber Preis für Hypochonder, Seite 123f)

Kopfschmerzen sind eine Volkskrankheit. Aber gut zu behandeln. Wie, entscheiden Sie – durch die Wahl Ihres Arztes.
Sollten Sie, aus welchen dunklen Motiven auch immer, einen Orthopäden aufsuchen und dabei von Ihrem brummenden Schädel erzählen, wird er reflexartig sagen: „Das kommt von der Halswirbelsäule.“ Der Orthopäde hat den Menschen bis zum Kopfansatz gelernt, oberhalb der Halswirbelsäule (HWS) kommen keine großen Gelenke mehr vor. Hirn und so wabbelige Synapsen waren nie seins. Also wenn es da oben drin irgendwie wehtut, muss es auf dem Weg dahin passiert sein. Dann wird die HWS erst mal geröntgt. Weil man auf dem konventionellen Röntgenbild den Schmerz aber nicht sieht, wird ein Bild mit dem MRT, dem Magnetresonanztomografen, gemacht. Ein paar tausend Euro später ist klar: Die Halswirbelsäule ist nicht ganz gerade. Das ist sie bei keinem von uns. Aber woher soll das der Orthopäde denn wissen […]
Dann verordnet der Orthopäde Bestrahlung […] Den Effekt hätten Sie theoretisch auch mit einem warmen Wickel erzielen können […]
Ist das Budget für Röntgen und Wärmebehandlung erschöpft, der Kopfschmerz aber noch da, macht der Orthopäde Chirotherapie. Er hat an zwei Wochenenden mal so einen Kursus besucht, und was Quacksalber über Jahrhunderte auf Jahrmärkten gemacht haben, kann ja nicht ganz falsch gewesen sein […]
Wenn Sie danach den Kopfschmerz noch spüren, ist das ein gutes Zeichen. Denn es bedeutet: Ihre Blutversorgung ist noch intakt. Die Arterien für den Kopf ziehen nämlich durch delikate kleine Löcher in den Halswirbelbögen und reißen bei der gewaltsamen Manipulation schon mal ab. Kein Scherz. Es gibt jedes Jahr schwere neurologische Notfälle durch unsachgemäßes therapeutisches Geruckel am Hals. Wer also nach der Chirotherapie noch gehen kann, sollte dies auch tun, und zwar weg vom Orthopäden zum nächsten Doktor. Der Hals-Nasen-Ohren-Arzt diagnostiziert, dass die Kopfschmerzen von den Nebenhöhlen, der Augenarzt, dass sie von den Augen kommen. Schließlich landet man frustriert beim Psychoanalytiker:
„Kopfschmerz? Ganz typisch.“
„Ach ja?“
„Sie haben sich in Ihrer Pubertät mal mit Ihrem Vater gestritten!“
„Nein, es war sehr harmonisch bei uns zu Hause.“
„Ich hab’s gefürchtet, so tief haben Sie das verdrängt!“
„Selbst wenn es so war, das ist über dreißig Jahre her!“
„Sehen Sie und genau deshalb werden wir auch dreißig Jahre brauchen, um mit Ihrem Schmerz irgendwie arbeiten zu können!“ (Kopfschmerz – Sag mir, zu wem du gehst, und ich sage dir, was er sagt, Seite 137f)

Der Zahnmediziner ist der natürliche Feind des Humanmediziners. Denn in der ambulanten Versorgung wird allein für das relativ überschaubare Areal zwischen Ober- und Unterkiefer annähernd so viel ausgegeben wie für den ganzen Rest des Körpers. Da bleibt einem der Kiefer schon mal offen stehen […]
Dabei jammern Zahnärzte immer am lautesten: „Wir leben von der Hand in den Mund!“ (Zahnmedizin – Ein blendendes Lächeln aus China, Seite 144)

Einige der Texte standen zuvor schon im „Stern“, in der „etwas anderen Medizinkolumne“ von Eckart von Hirschhausen, auch der Beitrag, der dem Buch den Titel gab („Wein – Die Leber wächst mit ihren Aufgaben“).

So witzig wie der Titel sind im Buch nur einige kurze Passagen; vieles ist humorvoll, aber es gibt auch arge Kalauer. Beim Lesen der Texte fehlt der pointierte Vortrag, den wir von Eckart von Hirschhausens gewohnt sind, wenn er auf der Bühne steht.

„Die Leber wächst mit ihren Aufgaben“ gibt es auch als Hörbuch, gelesen von Eckart von Hirschhausen, live im Theater „Die Wühlmäuse“ in Berlin (Eichborn Lido, Frankfurt/M 2008, 1 CD, ISBN: 978-3-8218-6305-4)

Eckart von Hirschhausen wurde am 25. August 1967 in Frankfurt am Main geboren. Nach dem Medizinstudium in Berlin, Heidelberg und London promovierte er 1994 über die „Wirksamkeit einer intravenösen Immunglobulintherapie in der hyperdynamen Phase der Endotoxinämie beim Schwein“. Danach schrieb er für Zeitungen und trat als Zauberkünstler, Stand-up-Comedian und Moderator auf. 2008 gründete Eckart von Hirschhausen die Stiftung „Humor hilft heilen – für mehr gesundes Lachen im Krankenhaus“.

Eckart von Hirschhausen: Bibliografie

  • Langenscheidt Arzt – Deutsch / Deutsch – Arzt: Lachen, wenn der Arzt kommt (Langenscheidt, Berlin 2007, ISBN 978-3-468-73177-8)
  • Die Leber wächst mit ihren Aufgaben. Komisches aus der Medizin (Rowohlt, Reinbek 2008, ISBN 3-499-62355-2)
  • Glück kommt selten allein … (Rowohlt, Reinbek 2009, ISBN 978-3-498-02997-5)
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2009
Textauszüge: © Rowohlt Taschenbuch Verlag

Haruki Murakami - Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki
Haruki Murakami wirft mehr Fragen auf als er beantwortet. Die Figuren bleiben farblos. Die Handlung gleitet ruhig dahin, die Atmosphäre wirkt melancholisch. "Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki" ist auf Dialogen und Reflexionen aufgebaut.
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