Yasushi Inoue : Das Jagdgewehr

Das Jagdgewehr
Originalausgabe: "Ryoju", 1949 Deutsche Erstausgabe: 1958 Das Jagdgewehr Übersetzung: Oskar Benl Taschenbuch: Suhrkamp, Frankfurt/M 1998 ISBN 3-518-39409-6, 98 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Als einer knapp vierzigjährigen Japanerin klar wird, dass die Ehefrau des Mannes, mit dem sie seit dreizehn Jahren ein heimliches Liebesverhältnis hat, von Anfang an Bescheid wusste, nimmt sie sich das Leben. Von ihr und seiner Frau verlassen, wählt der Mann die Einsamkeit.
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Kritik

In "Das Jagdgewehr" erzählt Yasushi Inoue die Geschichte einer verbotenen Liebe aus drei verschiedenen Perspektiven. Der japanische Schriftsteller suggeriert, dass es Wahrhaftigkeit nur in der Einsamkeit gibt.
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Um einem ehemaligen Klassenkameraden, der die Zeitschrift des japanischen Jägerclubs herausgibt, einen Gefallen zu tun, verfasst der Erzähler ein Gedicht mit dem Titel „Das Jagdgewehr“. Obwohl es aufgrund seiner Nachdenklichkeit und ablehnenden Haltung gegenüber dem Töten von Lebewesen im „Jägerfreund“ geradezu ketzerisch wirkt, wird es veröffentlicht. Zwei Monate später erhält der Verfasser einen Brief von einem Unbekannten, der sich Josuke Misugi nennt und ihm mitteilt, dass er sich in dem Gedicht wiedererkannt habe: die Beschreibung des einsamen Jägers am Fuß das Amagi-Berges treffe bis in alle Einzelheiten auf ihn zu. Ein paar Tage später schickt Misugi dem Erzähler drei an sich adressierte Abschiedsbriefe mit der Bitte, sie zu lesen und anschließend zu verbrennen. Sie stammen von seiner Ehefrau Midori, seiner Nichte Shoko und deren Mutter Saiko.

Shoko schrieb ihrem Onkel Josuke drei Wochen nach dem Tod ihrer Mutter:

Ihr Vater hatte sich scheiden lassen, als sie fünf Jahre alt gewesen war. Über die Gründe wollte ihre Mutter nichts sagen, aber von ihrer Großmutter erfuhr Shoko, dass damals eine junge Frau mit einem Baby aufgetaucht war und behauptet hatte, Saikos Ehemann sei der Vater des Neugeborenen (das bald darauf starb).

Am Tag, bevor Saiko sich das Leben nahm, übergab sie ihrer Tochter ein Bündel und bat sie, es zu verbrennen. Es enthielt ihr Tagebuch. In der Hoffnung, endlich mehr über ihren Vater zu erfahren, versteckte Shoko das Tagebuch und las es heimlich während der Nacht. Da stand zwar nichts über ihren Vater, aber etwas völlig Unerwartetes: Ihre Mutter hatte seit dreizehn Jahren heimlich ein Verhältnis mit Josuke Misugi, dem Ehemann ihrer Cousine Midori.

„Ich habe eben Gift genommen“, teilte Saiko ihrer Tochter einen Tag später unvermittelt mit. „Ich bin es müde. Zu müde, noch länger zu leben.“ Shoko rannte zum Telefon und rief ihren Onkel Josuke an, aber nicht er, sondern Midori kam und hielt die Hand der Sterbenden.

Shoko hat das Tagebuch inzwischen im Garten verbrannt. Sie beabsichtigt, sich nach Akashi zurückzuziehen und dort ein kleines Modegeschäft einzurichten. Josuke und Midori möchte sie nicht wiedersehen.

Midori teilte ihrem Ehemann in ihrem Abschiedsbrief mit, dass sie ihn bereits 1934, also vor dreizehn Jahren, kurz nach der Hochzeit, mit Saiko am Strand von Atami beobachtet habe. Saiko trug damals ein Haori aus blaugrauer Yuki-Seide mit einem Distel-Muster. Zuerst wollte sie die beiden zur Rede stellen, aber dann reiste sie ab und verriet ihnen nie, dass sie über ihr Verhältnis von Anfang an Bescheid wusste. Allerdings hatte sie sich vorgenommen, Josuke ebenfalls zu betrügen, und in ihrem Brief erzählte sie ihm von verschiedenen Männern wie zum Beispiel dem Maler Matsushiro und dem Jockey Tsumura, mit denen sie kurze Affären gehabt hatte.

Vor fünf Jahren saß sie einmal auf der Veranda und beobachtete in einer Glasscheibe, wie er mit einem ungeladenen Gewehr, das er gerade geputzt hatte, auf ihren Rücken anlegte. Als sie sich nach einer Weile umdrehte, zielte er rasch anderswohin.

Am Tag vor Saikos Selbstmord besuchte die inzwischen Dreiunddreißigjährige ihre fünf oder sechs Jahre ältere Cousine und sprach sie auf das Haori aus graublauer Yuki-Seide an, das sie gerade wieder anhatte: „Du trugst es doch damals, als du mit meinem Mann in Atami warst? Ich habe alles gesehen – an jenem Tag!“

In ihrem Brief schlug Mindora ihrem Ehemann die Scheidung vor. Der Zeitpunkt war günstig, denn sein Name stand auf einer Liste japanischer Geschäftsleute, denen die amerikanische Militärregierung jede öffentliche Tätigkeit verbot. Nach seinem Rückzug ins Privatleben brauchte er keinen Skandal mehr zu befürchten. Sie verlangte zwei seiner Häuser, eines um darin zu wohnen, das andere, um es zu verkaufen und von dem Erlös ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Der dritte Abschiedsbrief war von Saiko.

Sie und ihr Ehemann Reiichiro Kadota hatten sich scheiden lassen. Vor dreizehn Jahren lernten sie und Josuke Misugi sich kennen und wurden ein Liebespaar. Anfangs wollte sie das Verhältnis mehrmals beenden, aber dann fügte sie sich in ihr Schicksal.

Von einem Verwandten erfuhr sie kürzlich, dass Reiichiro Kadota wieder geheiratet hatte. Trotz der langen Trennung von ihm war das ein Schock für sie. Dann tauchte auch noch Mindora auf und stellte klar, dass sie über ihr Liebesverhältnis die ganze Zeit über Bescheid gewusst hatte. Da beschloss sie, sich das Leben zu nehmen. „Ich werde jetzt unausweichlich als eine Frau bestraft, welche die Qual des Liebens nicht hat ertragen wollen und nur immer nach dem Glück, geliebt zu werden, jagte.“

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In „Das Jagdgewehr“ erzählt Yasushi Inoue (1907 – 1991) die Geschichte einer verbotenen Liebe aus drei verschiedenen Perspektiven, die erst in der Zusammenschau ein vollständiges Bild ergeben. Der japanische Schriftsteller zeigt, wie schwierig es ist, aufrichtig zu sein und suggeriert, dass es Wahrhaftigkeit nur in der Einsamkeit gibt.

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2004
Textauszüge: © Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M 1964

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon einen Monat, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte. Aus familiären Gründen reduziere ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik.