Yasunari Kawabata : Die Tänzerin von Izu

Die Tänzerin von Izu
Originalausgabe: Izu no odoriko, Japan 1922 Die Tänzerin von Izu Übersetzung: Oscar Benl Carl Hanser Verlag
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Während eines einsamen Herbstspazierganges auf der japanischen Halbinsel Izu begegnet ein 20-jähriger Gymnasiast einer umherziehenden Musikantentruppe, die für Almosen in Gasthäusern auftritt. Nachdem er das jüngere der Mädchen tanzen gesehen hat, richtet er es so ein, dass er die weiterziehenden Musikanten auch am nächsten und übernächsten Abend trifft. ...
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Kritik

In dieser lyrischen Szenenfolge einer poetisch-ästhetischen Geschichte sind die banalen Realitäten ihrer profanen Bedeutung enthoben. Wie Musik ist die Novelle weniger dem Intellekt als den Empfindungen zugänglich. Sie wirkt vor allem schlicht, zart und melancholisch, edel romantisch und vergänglich.
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Während eines einsamen Herbstspazierganges auf der japanischen Halbinsel Izu begegnet ein 20-jähriger Gymnasiast einer umherziehenden Musikantentruppe, die für Almosen in Gasthäusern auftritt. Es sind Menschen, denen niemand über den Weg traut, die von allen verachtet werden; einige Dörfer verwehren ihnen sogar den Zutritt: eine etwa 40 Jahre alte Frau, ihre 19-jährige Tochter und deren fünf Jahre älteren Ehemann sowie die 14-jährige Schwester des Mannes und ein 17 Jahre altes Dienstmädchen. (Später erzählt der Mann dem Gymnasiasten, seine Frau habe vor einiger Zeit eine Fehlgeburt und gerade erst eine Frühgeburt erlitten, das Kind sei nach einer Woche gestorben.)

Nachdem der Gymnasiast das jüngere der Mädchen tanzen gesehen hat, richtet er es so ein, dass er die weiterziehenden Musikanten auch am nächsten und übernächsten Abend trifft. Als er bei seiner Wanderung von einem heftigen Regenschauer überrascht wird, flüchtet er in das Teehaus auf dem Amagipass. „Froh, dem Regen entronnen zu sein, atmete ich erleichtert auf, hielt aber im gleichen Augenblick auf der Schwelle wie versteinert inne. Oh, da waren sie ja wieder, die wandernden Musikanten! Kaum hatte die kleine Tänzerin mich erkannt, da griff sie sofort nach dem Kissen, auf dem sie kniete, drehte es höflich um und schob es mir zu.“

Als der Gymnasiast die Musikanten beim Abstieg vom Pass überholt, spricht ihn der Mann an. Sie kommen ins Gespräch, und der Schüler schließt sich der Gruppe an. Am Abend suchen sie gemeinsam eine Herberge auf. „Die kleine Tänzerin brachte uns von der Küche heißen Tee herauf. Als sie vor mir kniete und Tee eingießen wollte, da verfärbte sich plötzlich ihr Gesicht brennend rot, die Teetasse drohte von der Unterschale zu gleiten, und als sie diese auf die Matte niedersetzen wollte, verschüttete sie den Tee mit zitternden Händen. Ich war bestürzt von so viel lieblicher Schüchternheit. ‚Was? Das ist ja unglaublich! Das Kind hat sich verliebt? Ja, ja, ja…‘, rief die vierzigjährige Frau aufs höchste emport, und sie warf mit gerunzelten Augenbrauen ein kleines Handtuch herüber. Die Tänzerin nahm es auf und wischte tief bekümmert den Tee von der Matte.“

Jeden Abend wartet der Gymnasiast sehnsüchtig, bis die kleine Tänzerin von ihren Auftritten in umliegenden Gasthäusern zurückkehrt, aber die ältere der Frauen achtet streng darauf, dass die beiden jungen Menschen nicht allein zusammen sind. „Ich konnte ganz und gar nicht begreifen, weshalb das Kind nicht allein mit mir gehen sollte. Als ich den Vorplatz verließ, streichelte die Tänzerin wieder den Kopf ihres Hundes. Steif und zurückhaltend schritt ich an ihr vorüber. Ich hatte das Gefühl, einen strengen Verweis erhalten zu haben. Sie hielt das Köpfchen über den Hund geneigt, als habe sie keine Kraft mehr, aufzustehen und mich anzublicken.“

Die Musiker finden Gefallen an ihrem Begleiter und laden ihn ein, sie während der Winterferien im Häuschen des Großvaters auf der Insel Oshima zu besuchen. „Ihre stets auf Wanderschaft bedachten Herzen waren nicht, wie ich es zuerst erwartet hatte, verhärtet und trocken geworden. Ich merkte nun, dass sie sich ihre natürliche Frische noch bewahrt hatten und eine geniale Sorglosigkeit in ihnen war. Ich spürte auch deutlich, wie sie alle, Mutter und Geschwister, durch die Bande der Blutsverwandtschaft geeint, auch in ihrer Freundschaft zu mir sich zusammenfanden. Nur die dienende Yuriko bewies mir gegenüber stets unverändert eine streng verschlossene Zurückhaltung; vielleicht kam das aber nur daher, weil sie zu schüchtern war.“

Nach ein paar Tagen nähern sich die Schulferien dem Ende, und der Gymnasiast muss nach Tokio zurückkehren. Der Mann begleitet ihn zum Schiff. „Als wir uns dem Kai näherten, erbebte plötzlich mein Herz. Ich hatte am Meer die zusammengekauerte Gestalt der Tänzerin erblickt. Sie saß vollkommen unbeweglich, bis ich zu ihr trat. Aber sie schwieg auch dann und senkte sanft den Kopf. Ich fühlte mich seltsam ergriffen von ihrem Gesicht, das noch die Schminke des vorigen Abends trug.“

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Mit der 1926 veröffentlichten Novelle „Die Tänzerin von Izu“ fand der damals 27 Jahre alte japanische Schriftsteller Yasunari Kawabata seinen eigenen Stil. Es handelt sich nicht um einen streng aufgebauten Plot, sondern um die Komposition einer lyrischen Szenenfolge, in der sich die feinfühlig beschriebenen Figuren für Europäer ungewohnt passiv verhalten. Trotz ihrer Banalität und Schlichtheit ist es eine poetisch-ästhetische Geschichte, in der die Realitäten ihrer profanen Bedeutung enthoben zu sein scheinen. Wie Musik ist das Gelesene weniger dem Intellekt als den Empfindungen zugänglich. Es wirkt vor allem zart und melancholisch, edel romantisch und vergänglich.

Nachdem Yasunari Kawabata 1901 im Alter von zwei Jahren den Vater und im Jahr darauf auch die Mutter verloren hatte, wuchs er bei seinen Großeltern auf. Aber die Großmutter lebte nur noch vier Jahre, dann starb seine einzige Schwester ebenfalls, und als er fünfzehn war, hatte er auch den Großvater zu beklagen. In einem Internat setzte Yasunari Kawabata seine Schulbildung fort, bis er sich 1920 an der Kaiserlichen Universität von Tokio immatrikulieren konnte. Bald begann er zu schreiben, und wenn ihn die Einsamkeit quälte, fuhr er zur Halbinsel Izu, um zu wandern. Als einer der bedeutendsten Schriftsteller Japans wurde er 1953 in die japanische Akademie aufgenommen und 1968 mit dem Literatur-Nobelpreis ausgezeichnet. Am 16. April 1972 nahm sich Yasunari Kawabata das Leben.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2002

Ferdinand von Schirach - Strafe
In den zwölf unter dem Titel "Strafe" zusammengefassten, vermutlich auf realen Fällen basierenden Kurz­geschich­ten veranschaulicht Ferdinand von Schirach, dass es vor Gericht weniger auf Wahrheit und Gerechtigkeit als auf Formalien ankommt.
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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon einen Monat, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte. Aus familiären Gründen reduziere ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik.