A. L. Kennedy : Gleissendes Glück
Inhaltsangabe
Kritik
Helen Brindle ist in Glasgow mit einem gewalttätigen Mann verheiratet. Vor zwei Jahren hielt er ihr die Hand in eine Schublade, die der dann mit aller Kraft zuschlug. Statt ins Krankenhaus brachte er sie zum Hausarzt und erzählte eine Lüge über einen Unfall bei der Hausarbeit. Zwei Fingernägel mussten Helen gezogen werden. Sie hat ständig Angst, ist frigide geworden und kann nachts nicht schlafen.
Er hatte sich mal mehr, mal weniger offenbart, aber er war doch immer, absolut, ewig da gewesen: Gott. Ihr Gott. Unendlich zugänglich, ein Trost ihres Fleisches. Er war ihre schönste Liebe […] Jahrzehntelang war sie niedergekniet, hatte die Augen geschlossen und gespürt, wie sich ihr Kopf an das heiße Herz der Welt lehnte. Das Herz hatte sie umhüllt, hatte ihr alles gegeben, hatte sie emporgehoben, sie gewiegt, hatte ihr die Unruhe genommen und ihr Schönheit geschenkt. Mrs Brindle war makellos schön gewesen.
Jetzt war sie nur noch ein Bündel von Tätigkeiten. Sie versuchte, den Anfällen von Verzweiflung durch sinnlose Einkäufe oder Putzattacken zu entrinnen, sie verfeinerte ihre Kochkunst und verlor jedes Vertrauen in Selbsthilfebücher. Sie hatte gelernt, dass ihr jetziges Leben die Normalität war. In der realen Welt zu existieren, bedeutete Wiederholung und Sinnlosigkeit […] Ekstase war weder üblich noch nützlich, denn sie lenkte nur ab oder machte sogar abhängig. Ihr natürliches, gleißendes Glück hatte sie aus dem Gleichgewicht gebracht, aber nun konnte sie die Balance wiederfinden und gesunden.
[…] also zog sich Mrs Brindle zurück und suchte Trost in den Verrichtungen des Alltags. Sie war immer auf der Suche nach kleinen Befriedigungen. Man konnte Kassiererinnen anlächeln, zufällig auf gepflanzte oder wilde Blumen stoßen, eine vorbeiziehende Melodie genießen, und einmal in der Woche setzte sie alles daran, ein neues, aufregendes und preiswertes Kochrezept zu finden. Ihr war immer elend und elend und dann noch elender, aber sie blieb immer höflich und zuvorkommend, und das Elendste war, es gab keinen anderen Weg, aber eigentlich war es dieser Weg des geringsten Widerstandes, dem sie besonders gern widerstanden hätte. (Seite 18f)
Um sich nicht so allein zu fühlen, legt Helen sich in schlaflosen Nächten auf den Fußboden und schaut Fernsehen. Einmal doziert der Londoner Psychologieprofessor Edward E. Gluck über kybernetische Zusammenhänge bei der Selbstbefriedigung und die Frage, ob es dafür eine Etikette gibt, zum Beispiel in Bezug auf die Person, die man sich dabei vorstellen darf.
Als Helen am nächsten Morgen das Frühstück zubereitet, erinnert sie sich an die Sendung:
Um Steuerung war es gegangen. Ein hochgewachsener Mann hatte über Steuerung und übers Wichsen geredet. (Seite 10)
Den Namen des Psychologen weiß sie nicht mehr, doch als sie seine Stimme im Hörfunk hört, erkennt sie ihn sofort wieder und merkt sich wie er heißt. Aus einer Zeitschrift erfährt sie, dass Edward E. Gluck in Kürze an einem Kongress in Stuttgart teilnehmen wird.
Helen schreibt ihm und reist nach Deutschland. Nach einem seiner Vorträge führt Gluck sie in eine Ecke des Raums und fragt sie, wie er ihr helfen könne.
Sie versuchte, nicht zu seufzen. „Ich habe ein Problem.“
„Offensichtlich. Und zwar eines, das Sie im Augenblick nicht in der Lage sind zu beschreiben […]
Sie müssen schon etwas genauer mit Ihren Wünschen sein – sonst bekommen Sie nie, was Sie wollen.“
[…] Glucks Blick schien sich an ihrem Unwohlsein zu weiden; seine Augen leuchteten boshaft. (Seite 27)
Gluck weist darauf hin, dass er nicht viel Zeit habe. Daraufhin will Helen sich zurückziehen, aber der Professor verabredet sich mit ihr wider Erwarten zum Abendessen in einem italienischen Restaurant.
Ein Anflug von Panik schüttelte sie und verschwand wieder, doch ihre Brust blieb verkrampft und ohne Atemluft. Gluck machte ihr jetzt schon Angst, obwohl er bestimmt gar nicht kam. Sie würde zum Restaurant gehen und dort unbelehrbar auf ihn warten, bis das Herumsitzen zu peinlich wurde. (Seite 33f)
Gluck kommt tatsächlich. Aber das Gespräch bleibt holprig.
„Ich habe Angst. Das ist mit mir los. Das ist ständig mit mir los. Ich habe Angst.“ (Seite 38)
Sie habe Gott verloren, klagt Helen. Gluck erzählt ihr, seine geschiedene Mutter sei an einer Gehirnblutung gestorben, als er zweiundzwanzig war und an der University of California in Los Angeles studierte. Sein an Parkinson erkrankter Vater hatte sieben Jahre zuvor Selbstmord begangen.
„Ich habe meine Mutter verletzt gesehen, körperlich verletzt von einem anderen Menschen, und das war noch nicht das Schlimmste. Wie sie sich selbst verletzte, innerlich, das konnte ich nicht ertragen […] Meinetwegen sollte sie eine gute Ehe führen und ein gutes Familienleben haben. Sie hat sich selbst ihrer Freuden beraubt […]“
Edward rückte näher an sie heran, während seine Stimme sanfter wurde. „Man muss nicht Jung oder Freud sein, um zu begreifen, dass ich eine Frau, die ich respektiere und für die ich etwas empfinde, niemals leiden sehen möchte. Ich möchte immer helfen.“ (Seite 56)
Gluck hat zwei Karten für eine moderne finnische Tanzaufführung zurücklegen lassen. Sieben Tänzerinnen wickeln sich bei Synthesizer-Musik aus ihren Bandagen, bis ihre Oberkörper nackt sind.
Die Nacktheit an sich machte ihr nichts aus, die war kaum anstößig. Aber dass diese halbnackten Frauen jetzt herumliefen, während sie hier mit Edward saß, das störte sie. (Seite 45)
In der Pause gehen Helen und Edward, wie sie sich inzwischen nennen. Er begleitet sie im Taxi zu ihrem Hotel zurück. In ihrem Zimmer zieht Helen sich aus und betrachtet ihren nackten Körper im Spiegel.
Sie schläft noch, als Edward anruft. Dabei ist es 14 Uhr. Zwölf Stunden hat sie schon lange nicht mehr geschlafen. Eine Stunde später wartet er an der Rezeption auf sie. Der Kongress ist vorbei, aber er will noch eine Weile in Stuttgart bleiben und ist in das Hotel umgezogen, in dem sie wohnt.
Helen wundert sich darüber, dass sie ihn nicht beim Frühstück sieht. Nach drei Tagen ruft sie in seinem Zimmer an. Er habe gearbeitet und den Bezug zur Außenwelt verloren, sagt er. Ob sie ihn abholen könne. Nachdem sie sein Zimmer betreten hat, versichert Edward, er müsse sich nur noch rasieren und sei gleich fertig. Auf dem Tisch liegt ein Stapel Fotos. Helen schaut sich nur das oberste an. Es ist pornografisch. Im Aufzug erklärt der Psychologe seiner Begleiterin, er führe gerade eine Untersuchung zur Paraphilie durch.
„Eine der Gruppen, die ich berate, behandelt Männer, die krankhaft süchtig nach pornografischen Darstellungen sind. Das sind Menschen, die unser Mitgefühl verdienen. Und unsere Hilfe.“ (Seite 76)
Den Abend verbringen Edward und Helen an der Hotelbar.
Kurz nach Mitternacht klingelt Helens Telefon. Es ist Edward.
„Ich sollte dich nicht damit belästigen. Es ist nur … Ich habe mir noch mal dieses Material angeschaut, und das deprimiert mich so.“ (Seite 83)
Immer obsessiver beschreibt er ihr ein Foto, auf dem eine Frau und zwei Männer bei einer Double Penetration abgebildet sind.
„Helen, ich möchte wissen, wie die Frau auf dem Foto sich fühlt. Ich möchte sogar wissen, wie sie sich anfühlt.
Ich möchte wissen, wie sie sich da drinnen anfühlt, wenn mein Schwanz bis zu den Eiern in ihr steckt […] Meine Wünsche kennen keine Grenze und kein Ende. Kein Ende, Helen. (Seite 86)
Bevor Helen aus ihrer Erstarrung erwacht, legt er auf. Und als das Telefon gegen 2 Uhr erneut klingelt, hebt sie nicht ab.
Sie kehrt nach Glasgow zurück zu ihrem Mann, dem sie gesagt hatte, sie müsse mit ihrer Schwester verreisen, die nach der Ehescheidung ein paar Tage Urlaub nötig habe.
Fünf Wochen später erhält sie ein Kuvert mit einer Karte von Edward. Sie antwortet nicht darauf, aber er schickt eine weitere Karte und berichtet, dass er versuche, durch Rekonditionierung von seiner Sucht loszukommen: Er spritze sich Apomorphin, bevor er Pornos anschaue, um die Bilder mit Übelkeit zu assoziieren.
Schließlich kündigt Edward an, zu einem zweitägigen Symposium von London nach Glasgow zu kommen.
Helen trifft sich heimlich mit ihm.
Er habe wie unter Zwang etwa sechsmal am Tag masturbiert, gesteht Edward. Aber nach der Ankunft in Glasgow sei er direkt vom Bahnsteig zum Taxistand gegangen, ohne sich Pornos zu kaufen, wie er es sonst auf Bahnhöfen zu tun pflege. In seinem Hotel gebe es auch keinen Porno-Kanal.
Auf einer seiner weiteren Karten teilt er ihr stolz mit, dreißig Tage ohne Pornografie durchgehalten zu haben. Eine Woche später räumt er ein, den ersten erfolgreichen Monat auf falsche Weise gefeiert zu haben. Inzwischen sei er wieder bei sechs Tagen.
Helen steht an der Spüle. Plötzlich reißt ihr Mann ihr die Bluse auf, zerrt den Büstenhalter hoch und quetscht die Brüste mit seinen Händen.
„Ist er da draußen? Beobachtet er unser Haus? […]
Kann er mich jetzt sehen, hier in meinem Haus, wie ich meine Frau anfasse, wie ich meine Frau nehme? Kann er das sehen? Antworte! Kann er das sehen?“ (Seite 126)
Mr Brindle hat eine von Edwards Karten gelesen.
Helen fährt nach London und ruft nach der Ankunft Edward an. Er holt sie ab und nimmt sie mit nach Hause. Sie will in ein Hotel, aber er überredet sie, in seinem Gästezimmer zu schlafen. Er werde sie nicht belästigen, versichert er.
Beim Frühstück fragt Helen, warum er sie gerade in dem Raum untergebracht habe, in dem er seine Sammlung von pornografischen Büchern, Filmen und Bildern aufbewahrt.
„Ich hätte dir vielleicht sagen sollen … ich muss gestehen, dass ich dich benutze – deine Anwesenheit –, weil es mich von dem Zimmer fernhält […] Wirklich. Aber wenn du dort bist, selbst wenn du nur in dem Zimmer gewesen bist, dann fühle ich mich sicher.“ (Seite 136)
Als sie gedankenlos einen Ärmel hochzieht, entdeckt er Hämatome und Hautabschürfungen an ihrem Unterarm. Ob das ihr Mann gemacht habe, fragt Edward und erfährt erst jetzt, dass Mr Brindle eine seiner Karten las. Entsetzt gibt er zu, sich zwar auch sadomasochistische Videos angesehen zu haben, aber stets in der Gewissheit, dass es sich um gespielte Szenen handelte.
„Aber ich muss immer wissen, dass es nicht echt ist. Mein Gott – echte Menschen jagen mir Angst ein. Und echter Schmerz … Helen, ich bin damit aufgewachsen. Meine Mutter, ich habe gesehen, was mein Vater ihr angetan hat.“ (Seite 140)
Stolz verkündet Edward, seit achtundvierzig Tagen keinen Rückfall mehr gehabt zu haben. Und er fragt Helen, wie weit sie mit ihm zu gehen bereit sei. Er wolle nichts ohne ihr Einverständnis tun. Nachdem sie sich darauf geeinigt haben, dass er sie nicht anfassen darf, zieht Helen sich im Wohnzimmer vor ihm aus. Zunächst stellt sie sich vor, in einer Umkleidekabine zu stehen, aber nach einer Weile gelingt es ihr, ihn anzusehen. Edward murmelt:
„Helen. Du bist wunderschön.
[…] Oh. Das ist schön. Danke. Ich muss … ich muss kurz verschwinden, ja? Vielleicht setzt du dich so lange. Ich bin … gleich wieder da.“ (Seite 150)
Als er zurückkommt, setzt er sich neben sie und hält ihre Hand, nicht ohne zuvor um Erlaubnis gefragt zu haben.
Das ließ Helen zu: eine kleine, formelle Berührung, wie sie auch auf der Straße möglich wäre. Entweder sie waren schon viel zu weit gegangen und ohnehin verloren – dann konnten sie jetzt auch tun, was sie wollten –, oder diese Berührung half ihnen, sich zu beherrschen, erinnerte sie daran, was möglich war und was nicht.“ (Seite 151)
Nach einer Liebeserklärung holt Edward eine kleine Schere aus der Tasche.
„Ich möchte dir die Haare schneiden. Wenn ich darf.“
„Meine Haare?“
Er ließ seinen Blick über ihren Körper wandern, bis sie merkte, was er meinte. (Seite 151)
Behutsam schneidet er ihr das Schamhaar ab. Helen kommt dabei zum Orgasmus. Beim Anblick ihrer feuchten Schamlippen beginnt Edward wie von einem Porno zu schwärmen und beteuert zugleich:
„Das hier wird niemals das gleiche sein.“ (Seite 154)
Sie gehe jetzt wohl besser zu Bett, meint er dann. Helen hebt ihre Kleidung auf und verlässt den Raum. Edward schaut ihr dabei zu und versucht nicht, ihr zu folgen. Er hält sich an die Abmachung.
In ihrem Zimmer ging sie sofort ins Bett, nackt und erfüllt von Edwards Echo, sie rollte sich auf die Seite und zeigte zu spät Zurückhaltung: Sie zog die Knie an die Brust. Sie war nicht glücklich. (Seite 155)
Nach dem Frühstück küsst sie Edward und geht dann, als wolle sie in den Park oder ins Museum. Stattdessen nimmt sie den Überlandbus nach Glasgow.
Mr Brindle entschuldigt sich für seinen Jähzorn und versichert, er werde sie nie mehr schlagen. Helen ist jedoch überzeugt, dass er es wieder tun wird.
Sie war gekommen, sich zu unterwerfen, und Mr Brindle würde Gottes Willen an ihr vollziehen, auch wenn er Atheist war. (Seite 160f)
Fragen stellt er keine. In einer Abstellkammer hat er den Schrank ausgeräumt und ihre Kleider hineingeworfen. Das ist jetzt ihr Schlafzimmer. Dort kniet sie sich jeden Abend hin und betet.
Nach nicht einmal einer Woche schlägt Mr Brindle sie ins Gesicht, weil sie eine Tasse fallen ließ.
Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.
Kein einziges Mal besucht Mr Brindle seine Frau in ihrer Kammer. Eines Abends steht Helen auf, geht nackt hinüber zum Schlafzimmer und tritt so vor ihren Mann.
Mr Brindle sitzt im Bett und starrt in ein Taschenbuch, das du noch als einen seiner Kriminalromane erkennen kannst. Verbrechen: nichts erregt so sehr sein Interesse […]
Unwirklich langsam hebt er den Kopf.
Er gibt keinen Ton von sich.
Verwirrung huscht über seine Augen, er schaut weg, muss dich aber doch wieder ansehen. (Seite 167)
Er sieht, was er sehen soll: Dass ihre Scham enthaart ist.
Du bist nicht ganz so, wie er dich in Erinnerung hat. Er legt den Kopf leicht nach links und schaut noch einmal hin. Nicht ganz so. (Seite 168)
Helen dreht sich um und geht ohne Hast zurück zu ihrem Zimmer. Dort holt er sie ein und schlägt zu, dass sie zu Boden stürzt und es ihr die Luft aus der Lunge treibt.
Sie glaubt, gestorben zu sein.
Sie wusste, dass sie tot war und dass man sie jetzt auf einen dieser Tische für die Autopsie legte. Es war sehr unfair, dass man das schon tat, während ihr Bewusstsein noch in ihrem Körper war. (Seite 170)
Helen hat einen Schädelbruch und mehrere andere Verletzungen.
Ein Polizist und eine Polizistin stehen vor ihrem Krankenhausbett, als sie wieder zu sich kommt. Mr Brindle habe um 2.15 Uhr die Polizei alarmiert, weil er glaubte, seine Frau totgeschlagen zu haben. Als er gestand, eine Überdosis Schmerztabletten genommen zu haben, war es bereits zu spät: Man konnte ihn nicht mehr retten. Er ist tot.
Edward kommt verstört zu Helen. Er war von London nach Glasgow gefahren, fand das Haus der Brindles leer vor, und die Nachbarn sagten ihm, dass Helen im Krankenhaus liege.
„Warum zum Teufel bist du dahin zurück?“ Er setzte sich. „Meinetwegen?“
[…] „Nein. Ich musste einfach zurück und die Sache klären.“
„Klären? Er hätte dich umbringen können. Das musst du doch gewusst haben. Hättest du nicht wenigstens anrufen können?“
„Dann wärst du gekommen und hättest mich geholt. Du hättest das Richtige getan, aber zu früh.“ (Seite 176)
Nach ihrer unerwarteten Abreise sei er schrecklich einsam gewesen, klagt Edward. Deshalb habe er sogar wieder Pornos hervorgeholt, aber damit könne er nichts mehr anfangen. Er macht Helen wieder eine Liebeserklärung und mietet eine Wohnung in Glasgow. Dort pflegt er sie gesund, nachdem er sie im Rollstuhl aus dem Krankenhaus geholt hat.
Als sie wieder gehen kann und ihr Gleichgewichtssinn nicht mehr gestört ist, schmiegt sie sich von hinten an ihn, während er an der Spüle steht. Sie führt ihn zum Bett. Edward kommt zu früh und entschuldigt sich, aber Helen beruhigt ihn:
„Wir haben alle Zeit der Welt, wir haben die ganze Nacht, wir haben Jahre Zeit.“ (Seite 185)
Sie reden miteinander, während ihre Hand über seinen Körper wandert, bis er stöhnt:
„[…] ich glaube …
wenn wir …
ganz langsam …
machen …
wird alles …
gut …“ (Seite 187)
„Gleissendes Glück“ – orthografisch korrekt müsste der sarkastische Titel eigentlich „Gleißendes Glück“ heißen – handelt von der Wiedergewinnung der verlorenen Fähigkeit zur Liebe. Alison Louise Kennedy hält sich nicht lange mit psychoanalytischen Erklärungen der Ursachen für Helen Brindles Frigidität und Edward E. Glucks Pornografiesucht auf. Stattdessen geht es in „Gleissendes Glück“ um die Frage, wie die beiden ihr Unglück überwinden können. Dabei beschäftigt sich A. L. Kennedy vor allem mit der Frau, die durch die Begegnung mit Gluck neues Selbstbewusstsein gewinnt und ihren Weg konsequent zu Ende geht, obwohl sie dabei ihr Leben riskiert.
Dementsprechend erzählt Alison Louise Kennedy aus der Perspektive der Protagonistin. Mit Ausnahme einer Passage in der zweiten Person verwendet sie dabei die dritte Person Singular. Der Aufbau des Romans ist souverän. Die stringente Darstellung wirkt zwar distanziert und unsentimental, aber es gibt in dem Buch kaum eine Seite ohne lebensechten Dialog in direkter Rede. Und obwohl es in „Gleissendes Glück“ um Leid und brutale Gewalt geht, ist Alison Louise Kennedy eine Gratwanderung zwischen Tragik und Komik gelungen.
„Gleissendes Glück“ ist ein unvergleichliches, mitreißendes und anspruchsvolles Buch.
Den Roman „Gleißendes Glück“ von A. L. Kennedy gibt es auch als Hörbuch, gelesen von Mechthild Großmann (Hörbuchfassung: Hans-Gerd Koch, Regie: Ralf Becher, Berlin 2007).
Sven Taddicken verfilmte den Roman „Gleissendes Glück“ von A. L. Kennedy:
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)Originaltitel: Gleissendes Glück – Regie: Sven Taddicken – Drehbuch: Sven Taddicken, Stefanie Veith, Hendrik Hölzemann nach dem Roman „Gleissendes Glück“ von A. L. Kennedy – Kamera: Daniela Knapp – Schnitt: Andreas Wodraschke – Musik: Riad Abdel-Nadi, Wouter Verhulst – Darsteller: Martina Gedeck, Ulrich Tukur, Johannes Krisch, Hans-Michael Rehberg u.a. – 2016; 100 Minuten
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2010
Textauszüge: © Wagenbach
Alison Louise Kennedy: Also bin ich froh
Alison Louise Kennedy: Paradies
Alison Louise Kennedy: Day
Alison Louise Kennedy: Was wird
Alison Louise Kennedy: Das blaue Buch
Alison Louise Kennedy: Süßer Ernst
Alison Louise Kennedy: Als lebten wir in einem barmherzigen Land