Ohne einander
Ohne einander
Inhaltsangabe
Kritik
Der schon etwas ältere Schriftsteller Sylvio (Klaus Pohl) – der Autor der Romantrilogie „Feigling“, „Rohling“, „Schwächling“ – kommt nach Hause, in seine Villa am Ufer des Starnberger Sees. Er hat seine deutlich jüngere Geliebte Annelie (Sophie Rois) bei sich, die er vor vier Monaten in New York kennen lernte, um sie seiner Frau Ellen (Franziska Walser), dem siebenundzwanzigjährigen Sohn Alf (Maximilian Simonischek) und der halbwüchsigen Tochter Sylvi (Vijessna Ferkic) vorzustellen. Alf lässt sich kaum sehen; Sylvi ist entsetzt, und Ellen fragt, ob ihr Mann sich von ihr trennen wolle. „Wir sind doch keine Spießer!“, antwortet Sylvio und schlägt eine Ménage à trois vor, aber seine Frau meint, er müsse sich schon zwischen ihr und Annelie entscheiden.
Zwei Jahre später ist die Affäre von Sylvio und Annelie längst vorbei. Inzwischen hat jedoch Ellen einen Liebhaber: den fünfundsechzigjährigen steinreichen Zimmerdecken-Fabrikanten Ernst Müller-Ernst (Jürgen Prochnow). Sylvi, die durch das fehlende Miteinander in der Familie verstört ist, hat das ehrgeizige Klavierspielen aufgegeben und übt nun wie besessen Surfen. Dabei lässt sie sich von dem in sie verliebten Nachbarjungen Arthur (Patrick Güldenberg) filmen, um ihre Haltung überprüfen zu können.
Einen Tag vor einer Surf-Regatta auf dem Starnberger See, die Sylvi gewinnen möchte, erwartet Ellen einen Besuch ihres Geliebten in der Villa. Bevor sie zur Redaktion der Kulturzeitschrift „Lounge“ in München fährt, wo sie beschäftigt ist, lässt sie sich von Sylvio versprechen, dass er das Anwesen spätestens mittags verlässt, denn Ernst hat sich für den frühen Nachmittag angesagt.
Gegen Mittag wird Ellen von Chefredakteur Dr. Spitz (Josef Bierbichler) beauftragt, bis zum Redaktionsschluss um 15 Uhr einen 108 Zeilen langen Artikel über den zwanzig Jahre alten Essay „Bullshit“ von Harry Gordon Frankfurt zu schreiben, der gerade in Buchform zum Weltbestseller wurde. Als sie Ernst anrufen will, um ihm mitzuteilen, dass sie verspätet nach Hause kommen wird, erreicht sie nur die Mailbox. Deshalb telefoniert sie mit Sylvi und bittet sie, sich um Ernst zu kümmern, wenn dieser – wie befürchtet – vor ihr auftaucht. Bei einem weiteren Versuch, Ernst zu erreichen, hebt Annelie ab. Sie lebe seit einiger Zeit mit Ernst zusammen, erklärt sie; er sei jetzt zu Ellen unterwegs, um mit ihr Schluss zu machen.
Zu „Bullshit“ fällt Ellen nichts ein. Auf so einen Augenblick hat ihr für Grammatik und Orthografie zuständiger, ebenso lüsterner wie verklemmter Kollege Koltzsch (Wolfgang Pregler) schon lange gewartet: Er schreibt den Artikel. Sobald er die letzte Zeile getippt hat, drückt er Ellen gegen den Schreibtisch und fällt über sie her, aber nach dem Orgasmus entschuldigt er sich schluchzend für sein Verhalten. Ellen weint erst während der Heimfahrt im Auto. Sie hält an. Nach kurzer Zeit hat sie sich wieder im Griff und schminkt sich die Lippen nach, während mehrere Streifenwagen mit Blaulicht und Sirene an ihr vorbeifahren.
Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.
Als sie zu ihrem Seegrundstück kommt, stehen dort die Polizeifahrzeuge, die sie überholten. Taucher suchen im Starnberger See nach der Leiche von Ernst Müller-Ernst.
Was ist geschehen?
Sylvio gesteht ihr, er sei trotz seines Versprechens zu Hause geblieben. Als Ernst Müller-Ernst klingelte, habe er beobachtet, dass Sylvi mit der Situation völlig überfordert war: Sie öffnete zuerst nicht und ging erst nach einer Weile zu dem Wartenden hinaus, aber die beiden wussten nicht, was sie miteinander reden sollten. Da begrüßte Sylvio den Liebhaber seiner Frau, und das fand Sylvi so peinlich, dass sie Ernst Müller-Ernst einlud, ihr beim Surfen zuzusehen und mit ihm zum Ufer lief. Einige Zeit später kam sie allein und völlig durcheinander zurück.
Sylvi erzählt ihrer Mutter, Ernst habe ihr trotz des großen Altersunterschiedes seine Liebe erklärt, einen Heiratsantrag gemacht, sie geküsst und sie auf dem Boden in der Bootshütte genommen. Danach sei er ihr mit einem zweiten Surfbrett auf den See hinaus gefolgt – bis sie sich umdrehte und nur noch sein Surfbrett auf dem Wasser schwimmen sah.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)„Souverän, witzig und mit bitterer Klarsicht hat Martin Walser die auf Wohlstand und Karriere, Macht und Prestige geile Gesellschaft der Bundesrepublik als Haifischgewässer beschrieben“, schrieb die „Neue Zürcher Zeitung“ über den 1993 veröffentlichten Roman „Ohne einander“ (Neuausgabe: Suhrkamp Taschenbuch, Frankfurt/M 2007, ISBN 978-3-518-45907-2). Diethard Klante adaptierte die literarische Vorlage von Martin Walser fürs Kino. „Ohne einander“ ist ein satirisches, tragikomisches Familiendrama, das – abgesehen von einem Prolog – an einem einzigen Nachmittag spielt. In der Hauptrolle überzeugt Franziska Walser, die älteste der vier Töchter von Martin Walser, die mit dem Schauspieler Edgar Selge verheiratet ist. Auch die anderen Rollen sind exzellent besetzt. Martin Walser äußerte sich sehr zufrieden mit der Verfilmung seines Romans „Ohne einander“.
Die Dreharbeiten fanden im Herbst 2006 in München und am Westufer des Starnberger Sees statt. Die Erstausstrahlung des Fernsehfilms erfolgte am 19. März 2007 im ZDF.
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2007
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