Martin Walser : Selbstporträt als Kriminalroman

Selbstporträt als Kriminalroman
Selbstporträt als Kriminalroman Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M 1983 in: Martin Walser: Erzählungen Bibliothek des 20. Jahrhunderts Hg.: Walter Jens und Marcel Reich-Ranicki Deutscher Bücherbund, Stuttgart / München o. J.
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

"Unser Freund hat ein harmloses Verbrechen begangen. Er hält sein Verbrechen für harmlos. Er tut zumindest so, als halte er sein Verbrechen für harmlos. Er ist nicht bereit zuzugeben, dass sein Verbrechen ein ernsthaftes, ein schlimmes Verbrechen sein könne."
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Kritik

"Selbstporträt als Kriminalroman" ist eine vergnüglich zu lesende selbstironische, absurde, kafkaeske Geschichte, in der man unschwer den Schriftsteller Martin Walser und den Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki erkennt.
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„Unser Freund“ hat ein nicht näher beschriebenes Verbrechen begangen.

Unser Freund hat ein harmloses Verbrechen begangen. Er hält sein Verbrechen für harmlos. Er tut zumindest so, als halte er sein Verbrechen für harmlos. Er ist nicht bereit zuzugeben, dass sein Verbrechen ein ernsthaftes, ein schlimmes Verbrechen sein könne. Er ist sehr empfindlich, wenn jemand auf sein Verbrechen zu sprechen kommt.

Sobald jemand sein Verbrechen erwähnt, braust er auf. Erst wenn man ihn hemmungslos für sein Verbrechen lobt, beruhigt er sich. Dann lächelt er wie ein dreizehnjähriges Mädchen, dem man sagt, es sehe hundertmal verführerischer aus als Marilyn Monroe. Unser Freund behauptet allerdings, es sei ihm peinlich, gelobt zu werden und beschuldigt sich erneut des Verbrechens.

Ja, wer denn nicht, sagen wir dann! Ob er uns jemanden sagen könne, der in der Geschichte der Menschheit irgendeine Rolle spiele, und kein Verbrechen begangen habe! Schon eine Rolle zu spielen, oder spielen zu wollen in der Geschichte der Menschheit, sei ja der Beginn jedes großen Verbrechens …

Unser Freund verdächtigt uns alle, dass wir lügen, wenn wir ihn loben, und er unterstellt uns, dass wir auf der Seite des Inspektors stünden.

Der Inspektor, also. Die große Gegenfigur unseres Freundes. Er redet andauernd von diesem Inspektor. […]
Der Inspektor ist ein Verbrecher, der nicht den Mut gehabt hat, etwas zu begehen.

Der Inspektor verfolgt unseren Freund, und der beobachtet jeden seiner Schritte, ist genaugenommen mehr hinter dem Inspektor her als der hinter ihm. Inzwischen hat jedoch der Inspektor das Interesse an unserem Freund verloren.

Das ist für einen, dem das Verfolgtwerden zum Lebensinhalt geworden ist, offenbar das Schlimmste.

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„Selbstporträt als Kriminalroman“ ist eine vergnüglich zu lesende selbstironische, absurde, kafkaeske Geschichte, in der man unschwer den Schriftsteller Martin Walser und den Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki erkennt.

Martin Walser wurde 1927 als Sohn eines Gastwirts und Kohlenhändlers in Wasserburg am Bodensee geboren. 1946 bis 1951 studierte er zunächst an der Theologisch-Philosophischen Hochschule Regensburg, dann Literatur, Geschichte und Philosophie in Tübingen, wo er mit einer Arbeit über Franz Kafka promovierte.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2003
Textauszüge: © Suhrkamp Verlag

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.