Günter Kunert : Alltägliche Geschichte einer Berliner Straße

Alltägliche Geschichte einer Berliner Straße
Alltägliche Geschichte einer Berliner Straße Carl Hanser Verlag, München in: Günter Kunert, Gedichte und Geschichten Bibliothek des 20. Jahrhunderts Hg.: Walter Jens und Marcel Reich-Ranicki Deutscher Bücherbund, Stuttgart o. J.
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Nachdem er im Januar 1933 den Anfang einer Hitler-Rede gehört hat, verlässt ein Berliner Jude das Deutsche Reich. Die Straße, in der er gewohnt hat, nimmt er mit. Nach Kriegsende will er sie wieder zurücklegen, aber sie passt nicht mehr.
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Kritik

Die wie Lyrik klingende düstere und sarkastische Prosa Günter Kunerts lässt den Leser der Erzählung "Alltägliche Geschichte einer Berliner Straße" ohne Trost und Hoffnung zurück.
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Der Technologe D. Platzker wohnt 1933 in einer 1902 fertig gestellten Straße in Berlin.

Alles weitere wird dadurch bestimmt, dass D. Platzker nicht auf das Ende wartet; auf das einer Ansprache, die ein anderer hält, Volksbesitzer von Beruf, ein Anti-Mensch eher, der im Gegensatz zu Platzker durch seinen Namen hinlänglich gekennzeichnet wird.

Platzker packt seine Zahnbürste ein, das wenige Geld, das er besitzt, und seinen Pass. Dann nimmt er die Straße mit einem Ruck auf, rollt sie zusammen und verbirgt sie unter seinem Mantel.

Als er über die Grenze fährt, ruht die Straße unter seinem Sitz; bei der Grenzkontrolle beachtet man sie nicht weiter, sucht nach Wertvollerem, zieht Platzker den Mantel aus und lugt ihm unter den Hut und entlarvt vor seinem Namen das D Punkt als David und Ausreisegrund. Man hindert ihn jedoch nicht, sein Heil vor dem Unheil in der Flucht zu suchen.

Im Ausland verdächtigt man ihn, ein deutscher oder antideutscher Spion oder beides zugleich zu sein und interniert ihn deshalb.

[…] eines Tages wird ihm das Ende jenes Mannes mitgeteilt, dessentwegen er fortging; dazu das Ende des Krieges und damit vor allem das seiner Internierung.

David Platzker kehrt nach Berlin zurück und beabsichtigt, die Straße – die ihm nicht gehört – wieder zurückzulegen, aber sie passt nicht mehr.

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Die wie Lyrik klingende düstere und sarkastische Prosa Günter Kunerts lässt den Leser der Erzählung „Alltägliche Geschichte einer Berliner Straße“ ohne Trost und Hoffnung zurück.

Wer wie Kunert hartnäckig und in immer neuen Bildern die Sinnlosigkeit unserer Welt beschwört, der verrät damit, dass er nicht aufhören kann, nach dem Sinn dieses Daseins zu fragen. (Marcel Reich-Ranicki 1980)

Günter Kunert wurde 1929 in Berlin geboren. Weil der Vater sich weigerte, seine jüdische Ehefrau zu verstoßen, schlossen die Nationalsozialisten Günter vom Besuch einer höheren Schule aus. Nach dem Zweiten Weltkrieg studierte er fünf Semester an der Hochschule für angewandte Kunst in Berlin-Weißensee. 1949 trat er in die SED ein. Im Jahr darauf erschien sein erster Gedichtband („Wegschilder und Mauerinschriften“). Bert Brecht und Johannes R. Becher förderten den Dichter und Schriftsteller. Sein in den Sechzigerjahren verstärkter Pessimismus, sein Misstrauen gegenüber Utopien und die Hoffnungslosigkeit seiner Werke passten allerdings nicht zu der Fortschrittsgläubigkeit der DDR-Staatsdoktrin. Weil er gegen die Ausbürgerung Wolfgang Biermanns protestiert hatte, schloss die SED ihn 1977 aus. Im Oktober 1979 zog er mit seiner Ehefrau Marianne in die Bundesrepublik Deutschland. Er starb am 21. September 2019.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2003
Textauszüge: © Carl Hanser Verlag

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