Dorothy L. Sayers : Hochzeit kommt vor dem Fall

Hochzeit kommt vor dem Fall
Originalausgabe: Busman's Honeymoon Verlag Victor Gollancz Ltd., London 1936 Deutsche Erstausgabe: Lord Peters abenteuerliche Hochzeitsfahrt Tübingen 1954 Hochzeit kommt vor dem Fall Neuübersetzung: Otto Bayer Rowohlt Verlag, Reinbek 1982 Wunderlich Taschenbuch, Reinbek 2000, 375 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Nach ihrer Vermählung möchten Lord Peter Wimsey und Harriet Deborah Vane die Flitterwochen in ihrem gerade erst erworbenen Landhaus verbringen. Obwohl der Vorbesitzer versprochen hatte, alles vorzubereiten, finden sie das Haus bei ihrer Ankunft abgeschlossen und verlassen vor. Am nächsten Morgen stößt ihr Butler im Keller auf die Leiche des bisherigen Bewohners ...
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Kritik

"Hochzeit kommt vor dem Fall" ist eine Mischung aus Kriminal- und Gesellschaftsroman. Die Geschichte ist altmodisch, aber Dorothy L. Sayers hat mit großer Erzählfreude Charaktere, Dialoge und Szenen geschaffen, die das Geschehen lebendig wirken lassen.
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Peter Death Bredon Wimsey, der fünfundvierzigjährige Herzog von Denver, vermählt sich in Oxford mit der Kriminalromanautorin Harriet Deborah Vane, der einzigen Tochter des verstorbenen Landarztes Dr. Henry Vane aus Great Pagford in Hertfordshire. Kennen gelernt hatten sie sich vor sechs Jahren, als Harriet Vane in Old Bailey wegen eines Mordes angeklagt worden war und Lord Peter Wimsey durch seinen detektivischen Spürsinn ihre Unschuld bewiesen hatte. Weil Harriet davon träumt, in Talboys, einem Bauernhaus in der Nähe von Pagford, zu wohnen, erwirbt Peter das Anwesen über einen Makler von dem fünfundsechzig Jahre alten Besitzer William Noakes.

Als das Brautpaar mit Peters langjährigem Butler Mervyn Bunter am Abend nach der Hochzeit in Talboys ankommen, um die Flitterwochen dort zu verbringen, ist trotz einer entsprechenden Abmachung mit dem Verkäufer niemand da, um ihnen zu öffnen, und die Nachbarin – die Witwe Martha Ruddle, die mit ihrem erwachsenen Sohn Bert allein auf einem Bauernhof wohnt und für William Noakes putzt – erfährt erst von Peter, dass das Haus verkauft wurde. Sie nimmt an, dass Noakes in seinem Radiogeschäft in Broxford ist, und weil der misstrauische Mann ihr keinen Schlüssel anvertraut hat, rät sie den Ankömmlingen, sich den Haustürschlüssel von Noakes‘ ebenfalls verwitweter Nichte, der ehemaligen Schulmeisterin Agnes („Aggie“) Twitterton, in Pagford zu holen. Die wundert sich, dass ihr Onkel nicht zu Hause ist, ohne ihr vorher etwas gesagt zu haben.

Sobald Peter, Harriet und Bunter in Talboys sind, stellen sie fest, dass kein Feuer angemacht werden kann, weil die Schornsteine völlig verstopft sind. Der Maurer Thomas („Tom“) Puffett, dessen Vater Kaminkehrer war, schafft es am nächsten Morgen nicht, mit seinem Besen durch den verkrusteten Ruß zu stoßen. Offenbar hat Noakes die Schornsteine aus übertriebener Sparsamkeit seit Jahrzehnten nicht mehr fegen lassen und schließlich auch auf Kaminfeuer verzichtet. Erst als der Pfarrer Simon Goodace mit Bert Ruddles Schrotflinte in den Kamin schießt, poltern Rußbrocken und Fledermausknochen herunter.

Frank Crutchley erscheint in Talboys, um wie an jedem Mittwoch nach dem Garten zu sehen. An den übrigen Tagen fährt er für den Garagenbesitzer Mr Hancock in Pagford Taxi und Lastwagen. Crutchley behauptet, Noakes habe ihm versprochen, heute die 40 Pfund Sterling zurückzuzahlen, die er sich vor einiger Zeit von ihm geborgt hatte. Er scheint sehr verärgert über Noakes‘ Abwesenheit zu sein.

Aggie Twitterton schaut ebenfalls vorbei. Sie und Crutchley sind entsetzt, als ein Mr MacBride im Auftrag von Macdonald & Abrahams mit einem Zahlungsbefehl für William Noakes über 900 Pfund Sterling vorspricht und erklärt, dass der alte Mann bankrott gewesen sei.

Kurz darauf tritt Bunter ins Zimmer: „Verzeihung, Mylord. Ich fürchte, wir haben Mr Noakes gefunden.“ (Seite 112)

Die Leiche liegt am Fuß der Kellertreppe. Nicht nur Konstabler Joseph („Joe“) Sellon, sondern auch der Polizeidirektor James Kirk sehen sich am Tatort um. Noakes scheint mit einem schweren, stumpfen Gegenstand links am Hinterkopf getroffen worden zu sein. Außerdem weist die Leiche Hämatome und Hautabschürfungen an Stirn und Brust auf. Hat ein Linkshänder Noakes niedergeschlagen? Möglicherweise kam das Opfer noch einmal zu sich, erinnerte sich – wie nach einer Gehirnerschütterung üblich – an nichts, sperrte gewohnheitsmäßig das vom Mörder bereits verlassene Haus ab, stürzte dann die Kellertreppe hinunter und erlag den Verletzungen. Seltsamerweise findet man in den Taschen des Toten 600 Pfund Sterling, die Summe, die Peter außer einer Anzahlung von 50 Pfund für das Haus bezahlt hatte: Noakes muss das Geld am Mordtag von der Bank abgehoben haben.

Martha Ruddle sagt aus, dass Noakes jeden Abend um 21.30 Uhr die Nachrichten im Radio anhörte. Als sie jedoch am letzten Mittwoch um diese Zeit in seine Scheune ging, um etwas Öl zu „borgen“, fiel ihr auf, dass das Radio nicht eingeschaltet war. Deshalb vermutete sie, er sei nach Broxford gefahren. Um kurz nach 21 Uhr hatte sie ihn allerdings noch gehört: da war er mit Joe Sellon am Fenster in Streit geraten.

Sobald Martha Ruddle den Raum verlassen hat, stellt der Polizeidirektor den Konstabler wütend zur Rede. Wieso er nichts davon gesagt habe? Da gesteht Sellon, dass er vor zwei Jahren eine von Noakes verlorene Brieftasche mit 10 Pfund Sterling auf der Straße gefunden und dies nicht gemeldet habe. Noakes sei dahintergekommen und habe ihn seither erpresst. Deshalb der Streit am Fenster. – Peter hat bereits bemerkt, dass Stellon Linkshänder ist.

Aggie Twitterton nimmt an, dass ihr Onkel sie als Alleinerbin eingesetzt hat, denn außer ihr gibt es keine Verwandten mehr. Zum Tatzeitpunkt ahnte sie wohl noch nicht, dass Noakes nichts außer Schulden hatte. Ist sie die Mörderin? Immerhin hatte sie nicht nur ein Motiv, sondern auch den zweiten Haustürschlüssel.

Noch wissen die Ermittler nicht, dass Aggie Twitterton in Crutchley verliebt ist, der ihr versprach, in Kürze das Aufgebot zu bestellen. Jetzt, als klar ist, dass sie nichts von ihrem Onkel erbt, macht er ihr schonungslos klar, dass er überhaupt kein Interesse an ihr hat. Sie könne ja seine Großmutter sein, schimpft er. Da bricht für sie eine Welt zusammen.

Peter und Harriet sitzen gerade beim Abendessen, als MacBride noch einmal nach Talboys kommt; und zur gleichen Zeit meldet sich auch Mr Solomons von Moses & Isaacs mit einem Pfändungsbeschluss für William Noakes. Durch die Einladung, sich mit an den Tisch zu setzen, können die beiden Herren aus London dazu überredet werden, dass sie das Haus erst am nächsten Morgen ausräumen lassen.

Am späten Abend erhält Peter Besuch von Polizeidirektor Kirk, der ihm berichtet, Crutchley habe eine Freundin in Clerkenwell gehabt, die allerdings vor drei Monaten die Frau eines anderen Mannes geworden sei. Bei ihrem Vater, einem Schlosser und Eisenwarenhändler, hatte Crutchley sich vor einem halben Jahr einen Schlüssel nachmachen lassen. Allerdings keinen Haustürschlüssel, sondern einen viel größeren, der beim Tor einer Scheune bei Ambledon passt – in der Kirk den Frauenhelden inzwischen mit einer jungen Frau namens Polly Mason ertappte.

Wie vereinbart, fahren am nächsten Morgen zwei Möbelpacker mit ihren Lastwagen in Talboys vor und beginnen, die Einrichtung des Hauses zu verladen. Nach und nach finden sich auch Aggie Twitterton und Frank Crutchley, Martha Ruddle, Thomas Puffett, Simon Goodacre, James Kirk und Joseph Sellon in Talboys ein.

Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Der Pfarrer steckt den Herren Solomons und MacBride etwas Geld zu und soll dafür Noakes‘ prächtigen Kaktus erhalten. Als er die Pflanze noch einmal näher betrachtet, bemerkt er entsetzt Mehltau. Offenbar wurde der Kaktus zu fest gegossen. Der Übertopf hängt mit einer Kette an der Zimmerdecke, die Goodacre neu vorkommt. Da fragt Peter den Maurer Puffett nach der schwarzen Angelschnur, die dieser beim Schornsteinfegen fand. Puffett hat sie noch in der Tasche. Sie ist sechs Meter lang. Peter achtet darauf, dass außer Harriet und Bunter, dem Pfarrer und den Polizeibeamten niemand im Raum ist, während er demonstriert, dass sich der Übertopf mit dem Kaktus so aufhängen lässt, dass er beim Öffnen des Deckels der Radiotruhe herabsaust. Als William Noakes die Nachrichten einschalten wollte, wurde er von dem mit Bleischrott beschwerten Übertopf am Kopf getroffen! Als Crutchley hereinkommt und zur Radiotruhe geht, um den Möbelpackern zu helfen, saust der Kaktus dicht an seinem Kopf vorbei. Erschrocken brüllt er Peter an: „Sie Teufel! Sie hinterhältiger Teufel! Woher wussten Sie das? Verflucht – wie sind Sie darauf gekommen, dass ich es war? Ich drehe Ihnen den Hals um!“ (Seite 339)

Crutchley wird verhaftet, im Prozess von den Geschworenen für schuldig befunden und vom Gericht zum Tod verurteilt.

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„Hochzeit kommt vor dem Fall“ ist eine Mischung aus Kriminal- und Gesellschaftsroman. Dorothy L. Sayers beginnt mit Briefen, in denen einige Damen über die Hochzeit von Lord Peter Wimsey und Harriet Vane klatschen. Auch wenn der Leser bereits früh ahnt, dass in Talboys ein Verbrechen stattgefunden haben könnte, wird erst auf Seite 112 eine Leiche gefunden. Die Geschichte ist altmodisch, aber Dorothy L. Sayers hat mit großer Erzählfreude Charaktere, Dialoge und Szenen geschaffen, die das Geschehen lebendig wirken lassen.

Dorothy Sayers (eigentlich: Leigh; 1893 – 1957) veröffentlichte eine dreibändige englische Übersetzung der „Göttlichen Komödie“ von Dante Alighieri, religiöse Abhandlungen, Gedichte und Theaterstücke. Ihren Ruhm begründete sie vor allem mit elf Kriminalromanen und zwanzig Geschichten über den exzentrischen Detektiv Lord Peter Wimsey.

Dieser exzentrische Spross des englischen Hochadels […] kann jeden Vergleich mit den „mythischen“ Helden des Kriminalgenres bestehen – mit C. Doyles Sherlock Holmes, A. Christies Hercule Poirot, R. Chandlers Privatdetektiv Philip Marlowe und G. Simenons Kriminalkommissar Maigret. (Harenbergs Lexikon der Weltliteratur, Dortmund 1989, Band 5, Seite 2563)

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2005
Textauszüge: © Rowohlt Verlag

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In ihrem Ehrgeiz, die Komplexität zu steigern, schießt Karen Rose in dem Thriller "Todesbräute" übers Ziel hinaus. Da bleibt es nicht aus, dass der eine oder andere Zusammenhang nicht ganz nachvollziehbar ist.
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