Frank Schulz : Das Ouzo-Orakel

Das Ouzo-Orakel
Hagener Trilogie Das Ouzo-Orakel Originalausgabe: Eichborn Verlag, Frankfurt/M 2006 ISBN 3-8218-9729-6, 545 Seiten Rowohlt-Taschenbuch, Reinbek 2012 ISBN 978-3-499-25800-8, 543 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Nach einem langen Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik entsagt Bodo Morten 1996 dem Alkohol ebenso wie den "Linksknöpfern", wandert aus und zieht sich in eine "Philosophenklitsche" bei dem griechischen Dorf Kouphala zurück, wo er seine Tage nach einem Stundenplan einteilt und maßvoll lebt – bis im Sommer 2000 unerwartet seine Jugendliebe Monika auftaucht. Bodo verliebt sich erneut in Monika, und weil er deshalb um seinen Seelenfrieden fürchtet, sucht er Rat beim Ouzo-Orakel ...
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Kritik

"Das Ouzo-Orakel" ist der dritte Teil einer satirischen Romantrilogie von Frank Schulz, einem Sprachvirtuosen, der damit einen unverwechselbaren Sound geschaffen hat.
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Bodo Morton wurde am 11. Februar 1957 in Beeckdörp, einem Dorf auf der Stader Geest, geboren. Als er 1990, also vor zehn Jahren, zum ersten Mal in das griechische Fischerdorf Kouphala kam, war er gerade frisch mit Anita verheiratet. Vor dreieinhalb Jahren, kurz nach der Scheidung, wanderte er dann nach Kouphala aus.

Sechs Semester hatte ich schon versoffen, als wir uns kennen lernten, weitere acht verjuxt, bis ich Lokaljournalist im Süden Hamburgs wurde, und im fünfzehnten erschien Das Weib auf der Bildfläche. Mit ihm sollte ich Anita innerhalb von acht Jahren tausendfach betrügen, ja die letzten drei, vier Jahre ein regelrechtes Doppelleben führen. Beide Hälften schlug es kurz und klein, mit seinen letzten stalking-Attacken, Das Wahnsinnige Weib. (Seite 337)

In der Nacht auf den 1. Juni 1995 sagte Bodo zu Anita, er gehe Zigaretten holen und verschwand. Am 10. Juni fanden ihn Anita und seine Freunde in einem Wald bei Beeckdörp und brachten ihn ins Krankenhaus von Stade, von wo aus er acht Tage später ins Klinikum für Psychiatrie und Psychosomatik in Bad Suden, Oberfranken, verlegt wurde.

Weil ich jeden festen Bissen hervorwürgte, hatte ich tagelang von Suppen gelebt; weil ich das Gras wachsen hörte, das Stöhnen der Zimmerwände und das Toben der Milben in den Teppichen, pflegte ich mir die Ohren mit Wachs zu versiegeln; und ich trug stets einen Motorradhelm, weil ich der Überzeugung war, ich litte unter „Morbus fonticuli“ – einer Krankeit, die ich selbst diagnostiziert, um nicht zu sagen erfunden hatte; ich glaubte, ich hätte unsichtbare Löcher im Kopf, wodurch alle Übel dieser Welt einströmten, Gifte, fremdes Geschwätz, böse Gefühle … (Seite 338)

Dr. med. Dr. phil. Therese Seymour, die Leiterin der neuroendokrinologisch-psychosomatischen Abteilung im Klinikum für Psychiatrie und Psychosomatik zu Bad Suden, sagte zu Bodo: „Ihr Problem ist Das Weib.“ (Seite 346) Doch als er sich daraufhin vornahm, allen „Linksknöpfern“ fortan aus dem Weg zu gehen, ermahnte ihn die Psychiaterin: „Problemen, Herr Morten, müssen Sie sich stellen. Sonst stellen die Probleme Sie.“ (Seite 347)

Nach vierzehn Monaten wurde Bodo als geheilt entlassen. Einige Wochen später erhielt er seine „Anerkennung als Frührentner“ und von seinem Freund Alfred Kolk die Mitteilung, dass dessen griechischer Freund Dimitrios ein Haus bei Kouphala vermieten wolle.

Aus der abgelegenen „Villa Arkadia“ oberhalb der Odysseus-Bucht, jenseits des Flusses Acheron, machte Bodo seine „Philosophenklitsche“. Seither teilt er seine Tage nach einem festen Stundenplan ein. Wenn es warm ist, legt er sich zum Schlafen an den Strand. Nach dem Aufstehen schwimmt er. Es folgen Griechisch-Lektionen, Musik und Meditation, Lektüre und Dichten. Besuch bekommt Bodo allenfalls von einem streunenden Hund, einem hässlichen Mischling, den er Atze nennt. Zum Essen begibt er sich nach Kouphala in die von seinem Freund Spyros dem Jüngeren betriebene Taverne „Plaka“. Spyros wurde am 21. August 1961 in Kouphala geboren. Seine Schwester Elevtheria war erst ein Jahr alt, als ihr Vater 1984 bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam. Das Geschwisterpaar lebt mit der Mutter Soula und dem achtundsiebzigjährigen Großvater Spyros dem Älteren im Haus.

Bodo hat zwar den Linksknöpfern ebenso wie dem Alkohol entsagt, aber seine Freundschaft mit Karin und Manu, die ihren Sommerurlaub gern in Kouphala verbringen und gerade wieder eingetroffen sind, fällt nicht unter eines der Verbote.

Die beiden kannte ich viel zu lange, als dass von ihrer Eigenschaft als Geschlecht noch hätte Gefahr für mein mönchisches Seelenheil ausgehen können. (Seite 20)

Karin ist die Schwester seines alten Freundes Alfred Kolk und Manu dessen Frau. Bodo kennt Manu seit Mitte der Achtzigerjahre, als sie noch in der Hamburger Kneipe „Die Glucke“ kellnerte. 1992 heiratete sie Kolk. Der will in drei Wochen mit den fünf Kindern nachkommen. Karin verknallte sich 1976, mit dreiundzwanzig, an der Haustür ihrer Wohngemeinschaft in Stade in Achim Torzuleit („Panne“), einen vorbestraften Mannheimer, der ihr ein „Praline“-Abonnement andrehen wollte. Noch im gleichen Jahr folgte sie ihm nach Bochum und eröffnete dort eine Bar. Zweiundzwanzig Jahre lang liebte und hasste sie Panne, bis es ihr reichte und sie vor zwei Jahren zu ihrem Bruder nach Beeckdörp zurückkehrte. Weil Karin sich jeden Abend zu vielen Gläsern „Ouzo“ einladen lässt und ein recht loses Mundwerk hat, wird sie von ihrer Schwägerin ständig ermahnt, aber dann entgegnet sie schon mal:

„Ich weiß eben, was ich mir schuldig bin, als Ouzo-Luder von Kouphala!“ (Seite 230)

Seit einer Woche ist auch der Berliner Esoteriker Sven wieder in Kouphala. Während er letztes Jahr noch auf „neongelbe Gel-Fasson“ schwor, hat er sich inzwischen kahlrasieren lassen. Karin mokiert sich darüber:

Karin stach mit ihrem geschliffenen Fingernagel in die Aura um seinen Schädel und sagte, die Satzmelodie vom anonymen Putzteufel aus Hamburgs Peripherie borgend: „Gediegen, so ’ne Frisur, aber man sieht ja jeden Dreck.“ (Seite 23)

Am nächsten Morgen begrüßt sie Sven mit den Worten:

„Na, Zwenni? Schon orntlich was wegmeditiert heut morgen?“
„Nee, ick … heut ha‘ ick’s ma ruhiger anjehn lassen.“
„Richtig so“, knurrt Karin mütterlich. „Jeden Morgen diese hektische Meditiererei, das macht ja ooch den stärksten Juru nervös, wa?“ (Seite 107)

Eines Abends bringt der Bauer Kostas („Kosta brava“) eine fremde Deutsche mit in die Taverne „Plaka“. Sie heißt Monika Freymuth und gibt sich als Reisejournalistin auf der Durchreise aus. Einquartiert hat sie sich bei Ingo und Karolina, die seit 1987 jeden Sommer in Kouphala verbringen und hier 1991 ein Haus bauten, dessen Untergeschoss sie an Feriengäste vermieten.

Tatsächlich handelt es sich bei Monika nicht um eine Journalistin, sondern um eine Hausfrau und Mutter von zwei Kindern, die seit vierundzwanzig Jahren mit Hartmut Freymuth verheiratet ist, dem Chefingenieur eines Hamburger Unternehmens zur Entwicklung, Herstellung und Ausfuhr von landwirtschaftlichen Maschinen. Ob es noch zur Feier der Silberhochzeit kommen wird, bezweifelt Monika, denn seit ihrem zweiundvierzigsten Geburtstag vor acht Monaten durchleidet sie eine Krise und ist „von einer inneren Ziege besessen“. Hartmut verbringt gerade drei Wochen Urlaub ohne sie in Parga. Um ihn zu überraschen, stieg Monika in seinen Firmenmercedes, nahm den Autoreisezug von Hamburg nach Villach und die Fähre von Triest nach Igoumenitsa – aber am Abzweig nach Parga fuhr sie bewusst vorbei, weiter gerade aus. Plötzlich fühlte sie sich frei. Und nun sitzt sie in der Taverne „Plaka“ in Kouphala.

Ihre leuchtenden grünen Augen irritieren Bodo, aber bald nachdem er sich allein auf den Heimweg gemacht hat, vergisst er sie. Ohnehin wollte Monika nur eine Nacht bleiben.

Umso verwunderter stellt er am nächsten Abend fest, dass sie nicht weitergereist ist und sich stattdessen mit Manu und Karin in der Taverne „Plaka“ unterhält. Inzwischen hat sie bereits erzählt, dass sie wie Bodo, Manu und Karin aus Beeckdörp stammt und vor ihrer Eheschließung Meurin hieß. Diesen Namen kennt Bodo. Er nimmt an, dass seine beiden Freundinnen Monika Meurin bzw. Freymuth bereits von ihm berichtet haben:

Arbeitslosigkeit, Doppelleben, Suff, Klapsmühle, Scheidung, Auswanderung (Seite 141)

Nachdem Monikas Vater 1969 im Alter von einunddreißig Jahren einem Herzinfarkt erlegen war, zog ihre Mutter mit ihr zu Tante Irmchen nach Kehdingen. Im Mai 1976 heiratete Monika den ebenfalls in Beeckdörp geborenen Hartmut Freymuth, und ein paar Monate später wurde sie von ihrem ersten Kind entbunden: Vanessa. Die zweite Tochter – Yps – bekam sie mit einundzwanzig, und seit Jahresanfang ist sie Großmutter von Yps Tochter Carlotta.

Bodo erinnert sich an das Schützenfest 1969 in Beeckdörp. Er und Monika wurden Kinderschützenprinz und Kinderschützenprinzessin, und Bodo verliebte sich in seine Prinzessin. Nach der Siegerehrung bat der Zwölfjährige seine Angebetete, kurz zu warten und schoss für sie eine Plastikrose. Als er zurückkam, war sie nicht mehr da. Stundenlang suchte er in dem Getümmel nach ihr, bis er sie endlich wieder fand und ihr die Rose als Zeichen seiner Liebe überreichen konnte. Aber Monika gab sie ihm zurück und sagte: „Die ist ja gar nicht echt.“ Da setzte er sich an den Mühlenteich und schluchzte. Weil er im Biologieunterricht gerade etwas über die Gefahren der Dehydrierung gelernt hatte, befürchtete er während des Weinens das Schlimmste und trank daraufhin sein erstes Bier.

Das alles war einunddreißig Jahre und tausendachthundert Kilometer weit weg. (Seite 327)

Auch an Hartmut Freymuth erinnert Bodo sich. Dem vier Jahre älteren Mitschüler ging es auf die Nerven, dass Bodo nach der Einschulung an Asthma litt. Weil er sich aber nicht an dem Erstklässler vergreifen wollte, hetzte er seinen jüngeren Bruder Ecki, der in Bodos Klasse ging, dazu auf, den Asthmatiker zu verhauen. Bodo hasste die beiden dafür. Auch seine Freunde mochten Hartmut Freymuth nicht.

Ein Kaltblütler, der nur lachte, wenn etwas umfiel oder sonstwie kaputtging (vorausgesetzt, es gehörte nicht ihm). Ein beschränkter, aber zäher, kräftiger Streber. (Seite 138)

Sven hält das Wiedersehen von Bodo und Monika für eine Schicksalsfügung, Kismet oder Karma:

Dit jetze“, sagt er, „dit kann gar keen Zufall sein. Dit jibt so viel Plätze und Menschen uff de Erde, da issit doch total unwahscheinlich, dass Monika dir nach üba dreißich Jahre ausjerechnet hier wiedabejegnet, in diesen winzjen Ort jetzte!“
„Papperlapapp“, sage ich […] „Der Zufall ist viel wahrscheinlicher, als wenn er gar nicht eintreten würde. Mit anderen Worten: Die Wahrscheinlichkeit, dass keine Zufälle auftreten, tendiert gegen null. Alles Mathematik. Genauer: Stochastik. (Seite 190)

Karin schlägt vor, das Wiedersehen in der Bar „Dionysos“ zu feiern. Dorthin gehen Karin, Manu, Monika, Bodo und ihre griechischen Freunde nun jeden Abend nach dem Essen. Vormittags treffen sie sich am Strand, wo Bodo versucht, Monika aus ihrer Krise herauszuhelfen.

Zwar waren meine Analysen bestechend, in den ersten Tagen, mörderisch hellsichtig und entsprechend schmerzlich für meine Patientin; meine Analysen ihrer Beziehungen, ihrer Lebenskrisis, ihrer Rolle als Tochter, Mutter und Großmutter, als Frau, Hausfrau und Gattin […] Ich sagte Sätze à la „Abgrenzung, das Zauberwort heißt Abgrenzung“, oder: „Du wirst um den Schmerz nicht herumkommen“; Sätze à la „Trauer bedeutet nicht, sich den alten Zustand zurückzuwünschen“, oder: „Du musst spätere Reue vermeiden“, oder: „Du drückst dich davor, zu handeln. Deine Krise bewahrt dich davor. Aber sobald du handelst, wird sie verschwinden. Eines Tages musst du dich deinen Problemen stellen, sonst stellen die Probleme dich.“
Mein Kardinalfehler aber war, dass ich den zweiten Schritt vor dem ersten tat. Der erste psychotherapeutische Schritt, wie ich als Exirrer sehr wohl hätte wissen können, sollte darin bestehen, das Ich des krisengeschüttelten Subjekts zu rekonstruieren, sodann zu stärken und damit auf den zweiten Schritt vorzubereiten. Was soll’s, zu Anfang ging’s mir ja nur um meine Genugtuung. (Seite 199f)

Bodo nervt Monika nicht nur mit seinen Analysen, sondern auch mit seinem Wissen.

Er wusste so viel! Es war unglaublich, was er alles wusste […]
Sie konnte fragen, was sie wollte, sie bekam eine Antwort. Weshalb der Ouzo milchig werde, wenn man ihn mit Wasser mischte? „Weil im Alkohol gelöstes Anis-Öl ausfällt, wenn Wasser dazukommt. Wasser und Methanol bilden Cluster, die aus Ringen von Methanol-Molekülen bestehen, die über Wasser-Moleküle mit Hilfe von Wasserstoff-Brücken …“ Schon gut. (Seite 420ff)

Nach ein paar Tagen bietet Bodo sich an, Monika mit Sonnenöl einzureiben und rät ihr, einfach einmal fremdzugehen. Er ahnt nicht, dass sie seinen Rat noch in der Nacht befolgt, aber am nächsten Tag fällt ihm auf, dass sie statt eines Badeanzuges einen Bikini trägt. Das hält Bodo für einen Fortschritt, auch wenn sie nicht dem Beispiel Manus und Karins folgt und auf das Oberteil verzichtet.

Bodo merkt, dass er sich erneut in Monika verliebt hat und fürchtet um sein Seelenheil. Rat sucht er bei Theo, einem Eremiten unbekannter Nationalität, der oberhalb von Vassilikys abgelegener Bergtaverne in einer Wohnwagenburg lebt und das „Ouzo-Orakel“ genannt wird, weil er als Opfergabe ein bis fünf Liter Ouzo verlangt. Mit den Worten „Ich bin verliebt“, umreißt Bodo sein Problem und erzählt dem Ouzo-Orakel von seiner Kinderschützenprinzessin. Nach drei Stunden meint das Ouzo-Orakel: „Entáxei. Ist zu Ende Abend, jetzala.“

Im Alter von zweiundvierzig Jahren geht Monika erstmals fremd, aber nun gleich richtig: In vier Tagen dreieinhalbmal mit vier Männern, in der ersten Nacht mit dem grobschlächtigen Bauern Kosta brava, in der zweiten mit dem vierundzwanzigjährigen Panos, in der dritten mit dem schönen Spyros. Am nächsten Abend küsst sie Bodo in der Bar „Dionysos“. Sie trinken Ouzo; Monika berichtet Bodo von Kostas, Panos und Spyros; er erzählt ihr, dass sie vor einunddreißig Jahren seine Prinzessin war. Monika folgt ihm in seine Klause – und staunt, denn der Boden des Schlafzimmers ist knöcheltief mit Rosenblüten bedeckt: Schon vor zwei Tagen, als Bodo vom Ouzo-Orakel zurückkam, kaufte er tausend rote Rosen, traf Monika dann jedoch nicht in der Bar „Dionysos“ an. (Inzwischen weiß er, dass sie mit Spyros am Strand lag.) In zweistündiger Arbeit trennte er die Blüten von den Stängeln und schmückte sein Schlafzimmer. Monika ist gerührt.

Nicht, dass sie nicht grundsätzlich bereit gewesen wäre, sich zu opfern. Doch, am Ende dieser Nacht verspürte sie eine empfindliche Lust, sich auch mal zu verschenken, sich hinzuschwenden an diesen Rübezahl; eine enorm empfängliche Willigkeit verspürte sie, auf einer Sänfte aus tausend Rosen hingebettet das Opfer im sündigen Ritus eines ausgehungerten Mönchs zu sein – denn sie allein schließlich, das war ihr nun klar, war es, die alles zum Einsturz gebracht, sein Zölibat, seine Abstinenz, seine Zitadelle, und dafür musste und wollte sie büßen, oh ja. Oh ja, sie war es gewesen, die kraft ihrer Reize, kraft ihrer Lieblich- und Luderhaftigkeit den bösen Buhmann in ihm geweckt, und diese Schuld galt es nun zu sühnen, so war nun mal das Leben. Tausend rote Rosen! Tausend! Der Arme … Doch, sie war bereit.
Aber es ging nicht […] Die Fliegen im Zimmer [waren] derartig lästig, dass sie sich alle naslang dabei ertappte, wie ihre dringend benötigte geistige und seelische An- und zugleich Entspannung, ihre Aufmerksamkeit hinsichtlich Buhmanns Bemühungen vollständig dafür draufgingen, jene Fliegen durch Zucken und Zappeln zu verscheuchen, und nachdem Buhmann „Gar nicht beachten“ heraufgebrummt, versuchte sie es fortan durch pure Willensanstrengung.
Das aber klappte schon gleich überhaupt nicht […]
Am Ende einer kleinen Ewigkeit […] wünschte sie sich selbst weg, und im selben Moment sagte Buhmann mit erstaunlich nüchterner Mannhaftigkeit: „Verfluchter Ouzo.“ (Seite 454f)

Am nächsten Abend sitzen zwei deutsche Männer mit zwei offensichtlich erst im Urlaub aufgegabelten Engländerinnen in der Taverne „Plaka“. Unvermittelt müssen sich die vier übergeben, und Spyros der Jüngere klärt Bodo hinter vorgehaltener Hand darüber auf, dass seine Mutter Soula beim Anmachen des Salats die Olivenöl- mit der Spülmittel-Flasche verwechselte. Bevor die Touristen sich ganz erholt haben, kommen Panos und Monika eng umschlungen herein. Aus Monikas Miene schließt Bodo, dass sie „frisch durchgenudelt“ (Seite 493) ist. Die Blicke von Monika und einem der Deutschen treffen sich. Sofort begreift Bodo: Hartmut Freymuth! Der Chefingenieur springt auf. Panos verschwindet.

Der tumbe Alex indessen ergriff die Gelegenheit, dass Nebenbuhler Panos verschwunden war, beim Schopf beziehungsweise Monika beim Kinn, um sich nach ihrem sonderbaren Befinden zu erkundigen. (Seite 495)

Ohne sich noch länger um die „What’s fock’n‘ up? – What the fock’n hell is up again?“ (Seite 494) kreischende „Supermieze“ an seiner Seite zu kümmern, geht Hartmut auf seine Frau zu, zeigt Alex eine obszöne Geste und packt ihn am Kragen. Kosta brava springt seinem bedrohten Landsmann bei:

„Vorrsicht, ich strapaziere dein Gesicht! Nix aufreg, immer nimms mit böse. Bist du Gast hier, nix nimms mit Grieche so diese“, und er machte die Geste der offenen Hand. „I Mónika, jede Tagg andere Mann. Lohn sich nix. Nix schlimm. Norrmall! Gollgirrl is Gollgirrl, katálaves?“ (Seite 496)

Dann bekräftigt Kosta brava noch einmal, dass Monika es mit allen hier getrieben habe, mit ihm, Panos, Spyros und so weiter.

Hartmut, das sah ich deutlich, wuchs hier alles über den Kopf. Bemüht, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, schaute er seiner Frau in die tränenden Augen und sagte: „Das darf doch alles nicht wahr sein.“ (Seite 499)

Da erinnert Karin ihn an das Schützenfest 1976 in Heinbockel. Sie hatte sich betrunken, weil sie nicht wusste, ob sie Panne nach Bochum folgen sollte (was sie kurz danach tat) oder nicht, Hartmut, weil eine Frau von ihm schwanger war und er heiraten musste. In seinem Kummer trieb er es mit Karin, die bis vor wenigen Tagen nicht ahnte, wen Hartmut damals geschwängert hatte.

Monika und Hartmut Freymuth reisen sofort ab. Bodo sieht sie nie wieder.

Er sucht noch einmal das Ouzo-Orakel auf, und es spricht zu ihm:

„Wart ihr einmal Prinz und Prinzessin, aber sie hat gelebt Leben, was du bist geflohen. Du hat gelebt Leben, was sie nie gekannt. Bist du stark geworden als Persönlichkeit, aber gescheitert in Gesellschaft – vielleicht, weil, alright? –; ist sie erfolgreich in Gesellschaft geworden, aber schwach als Persönlichkeit. Hat sie Fernweh und Sehnsucht nach Andere, hast du Heimweh.“ (Seite 508)

Als Bodo nach Kouphala zurückkommt, erfährt er, dass sein Freund Spyros der Jüngere mit dem Motorrad verunglückte und tot ist.

Nach der Beerdigung fährt er zum Flughafen von Preveza und bucht den ersten Flug nach Deutschland, den er bekommen kann: in vier Tagen nach Düsseldorf. Bis zum Abflug treibt er sich in den Bordellen von Preveza herum. Es folgten acht oder neun Tage in den Puffs von Düsseldorf und weitere vier oder fünf Tage in denen von Fulda. Nachdem er eine Kneipe in Bad Suden verwüstet hat, liefern ihn drei Polizisten ins Klinikum für Psychiatrie und Psychosomatik ein. Nach drei Monaten in der geschlossenen Abteilung muss er noch fünf Wochen in der neuroendokrinologisch-psychosomatischen Abteilung von Dr. med. Dr. phil. Therese Seymour verbringen, dann wird er entlassen.

In Hamburg-Ottensen mietet Bodo eine Zwei-Zimmer-Wohnung.

Als ich anfing, diese Geschichte hier aufzuschreiben, bin ich wieder zu einem jener Süffel geworden, die sich meist nüchtern über den Tag retten und ab fünf Uhr nachmittags dem ersten Schluck Rotwein entgegenfiebern, der um sieben fällig werden würde. Aber nicht zu knapp. (Seite 527)

Im September 2001 kommen Alfred und Manu Kolk von ihrem Griechenlandurlaub in Loutsa zurück. Bei einem Abstecher nach Kouphala erfuhren sie, dass Spyros der Ältere Haus und Hof verkauft hatte und mit Soula und Elevtheria in die Nähe von Athen gezogen war. Ein Verwandter führt nun die Taverne „Plaka“, aber die Kolks sahen keine Gäste.

Monika und Hartmut Freymuth versöhnten sich. Nachdem er ihr ein Lufthansa-Seminar gegen Flugangst spendiert hatte, besichtigten sie die Sinterterrassen in Pamukkale, den Schiefen Turm von Pisa und den Zuckerhut in Rio de Janeiro. Geplant sind Reisen durch Südeuropa und nach New York. Außerdem hat Monika sich vorgenommen, eine Lehre als Reisebürokauffrau zu machen.

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„Das Ouzo-Orakel“ ist der dritte Teil einer satirischen Romantrilogie, die Frank Schulz (*1957) mit „Kolks blonde Bräute“ und „Morbus fonticuli oder Die Sehnsucht des Laien“ begann („Hagener Trilogie“). Während die Handlung in den ersten beiden Bänden im eher kühlen und verregneten Norden Deutschlands spielte, befinden wir uns nun in einem von der Sommerglut heimgesuchten griechischen Dorf. (Ammoudia ist das reale Vorbild für das fiktive Dorf Kouphala.) Dorthin zog der geläuterte Protagonist Bodo Morton sich zurück, nachdem er den Linksknöpfern und dem Alkohol entsagt hatte. Aber die Vergangenheit holt ihn ein, und zwar in Form seiner Jugendliebe Monika.

In sieben „Gesängen“ führt Frank Schulz seine Leserinnen und Leser durch das Geschehen. Zwei, drei Abschnitte erleben wir aus Monikas Perspektive, ansonsten erzählt zumeist Bodo in der Ich-Form. Seit seinem Zusammenbruch in „Morbus fonticuli oder Die Sehnsucht des Laien“ ist Bodo nicht mehr der versoffene Draufgänger, sondern ein enthaltsamer Eigenbrötler.

Ich wollte meinem Helden Bodo Morten nicht mehr denselben aufgeregten Tonfall zumuten wie im vorigen Buch, „Morbus fonticuli“, sondern ich wollte, dass er auch ein bisschen abgeklärter wird, so wie ich selbst geworden bin, hoffentlich – da hab‘ ich viel dran gedoktert. (Frank Schulz)

Im Vergleich mit dem furiosen, funkelnden Aberwitz in „Kolks blonde Bräute“ und „Morbus fonticuli“ wirkt „Das Ouzo-Orakel“ denn auch ein wenig müder, aber der unverwechselbare Frank-Schulz-Sound ist schon noch vorhanden. Norddeutsche Dialekte hören wir in „Das Ouzo-Orakel“ kaum noch, dafür Griechen mit nicht ganz so perfekten Deutschkenntnissen, zum Beispiel Spyros den Jüngeren, der erzählt, wie die Schulkinder früher unterwegs waren: „mit Bott, mit Äsäl oderr mit Fuß“ (Seite 412). Nach wie vor versteht Frank Schulz sich auf die treffsichere Wortwahl, beispielsweise wenn Bodo „allabendlich frisch geklöppelte Spinnweben zu durchqueren“ hat (Seite 162). Gerhard Henschels Kommentar zu dieser Sprachvirtuosität lautet: „So hätte Arno Schmidt geschrieben, wenn er nicht bescheuert gewesen wäre.“

Für „Das Ouzo-Orakel“ wurde Frank Schulz am 31. August 2006 mit dem Irmgard-Heilmann-Preis für die beste literarische Neuerscheinung eines Hamburger Autors ausgezeichnet.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2006
Textauszüge: © Eichborn Verlag

Frank Schulz: Kolks blonde Bräute
Frank Schulz: Morbus fonticuli oder Die Sehnsucht des Laien

Gabriel García Márquez - Hundert Jahre Einsamkeit
Das Besondere an dem Roman "Hundert Jahre Einsamkeit" des Nobelpreisträgers Gabriel García Márquez ist die poetische Komposition aus fantasievollen, grotesken und anschaulichen Episoden.
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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.