Hans Fallada : Wolf unter Wölfen
Inhaltsangabe
Kritik
Hochzeitstermin: versäumt
Berlin, Sommer 1923. Wolfgang Pagel hat sich mit seiner Mutter überworfen, nicht zuletzt, weil sie seine Braut nicht akzeptiert. Der 23-jährige Arbeitslose haust mit der ein Jahr jüngeren Petra („Peter“) Ledig, einer vaterlos aufgewachsenen Schuhverkäuferin, in einem Zimmer der Witwe Thumann, deren Spitzname „Pottmadame“ lautet, weil sie einen Nachttopf statt der Gemeinschaftstoilette benutzt und dazu meint:
Da hamm se ja nu diese Baktzillen entdeckt, Liebecken. Sie hätten es können ja ooch sein lassen, aber wo se’s nu mal jetan haben, und die feinsten Leute haben wir hier ooch nich, und manchmal, wenn ick uff den Klosett komme, ick denke doch, mir jeht die Puste wech, und wer weeß, wat dat allens drin rumwirbelt, und eenmal war ooch een schwarzer Käfer da, und er sah mir soo jefährlich an …
Petra und Wolfgang haben das Aufgebot bereits bestellt. An dem Tag, an dem die standesamtliche Eheschließung erfolgen soll, macht der Bräutigam sich erst einmal auf den Weg, Geld zu leihen. Das gelingt ihm zwar nicht, aber ein Herr von Zecke wäre am Ankauf eines Gemäldes von Wolfgangs verstorbenem Vater interessiert, dem früheren Gesandtschaftsattaché und späteren Kunstmaler Edmund Pagel. Das bringt Wolfgang auf die Idee, sich ein Bild aus der Wohnung der Mutter zu holen, das sie ihm vor einiger Zeit versprochen hatte. Ein Kunsthändler zahlt ihm dafür 760 Millionen Mark. Das entspricht 1000 US-Dollar.
Als Wolfgang mit dem Geld nach Hause kommt, erfährt er, dass Petra nicht mehr da ist und Frau Thumann das Zimmer bereits an eine Freundin ihrer Mieterin „Ida vom Alex“ vermietet hat. Wutentbrannt reißt Wolfgang die Tür auf, überrascht eine Prostituierte mit ihrem Freier im Bett und wirft die beiden hinaus.
Petra musste das Haus auf Betreiben Idas verlassen. Dabei trug sie lediglich Hausschuhe und einen schäbigen Herrenpaletot. Die Halbnackte fiel dem Oberwachtmeister Leo Gubalke auf, der gerade auf dem Weg zum Dienstantritt war. Petra würgte vor Hunger und beugte sich dabei vor. Die entblößten Brüste konnte der Gesetzeshüter nicht übersehen, und weil er zu spät dran war, nahm er Petra mit zum Revier, um sich einen Grund zu verschaffen.
Bei der Vernehmung gibt Petra zu, früher aus Not einige wenige Male Herren auf der Straße angesprochen zu haben. Die Polizei geht schließlich davon aus, dass es sich bei der Festgenommenen um den Lockvogel eines Falschspielers handelt. Als Wolfgang auf dem Revier nach ihr fragt, wird er deshalb selbst vernommen. Zwar stellt sich dabei heraus, dass weder er noch Petra ernsthaft gegen Gesetze verstoßen haben, aber die Festgenommene wurde bereits ins Polizeigefängnis am Alexanderplatz gebracht.
Zum angesetzten Hochzeitstermin auf dem Standesamt erschienen weder die Braut noch der Bräutigam.
Rekrutierung von Erntehelfern: missglückt
Rittmeister a. D. Joachim von Prackwitz bewirtschaftet das Rittergut Neulohe, das er von seinem Schwiegervater gepachtet hat. Der Geheime Ökonomierat Horst-Heinz von Teschow und seine Frau Belinde, die seit 42 Jahren verheiratet sind, haben zwei Kinder: die Tochter Eva und den Sohn Egon, der Birnbaum gepachtet hat, das zweite Gut seines Vaters, der inzwischen, mit Ende 60, nur noch seinen Forst selbst bewirtschaftet.
Um polnische Erntehelfer zu rekrutieren, fährt Joachim von Prackwitz nach Berlin.
Im Empfangschef des Hotels Kaiserhof erkennt er seinen früheren Regimentskameraden Oberleutnant Etzel von Studmann wieder. Der 35-Jährige ist noch immer unverheiratet.
Ein Gast, der sich als Reichsfreiherr Baron von Bergen eingetragen hat, lockt unter einem Vorwand ein halbes Dutzend Hotelangestellte in sein Zimmer, darunter auch den Empfangschef, und zwingt alle mit vorgehaltener Pistole, sich zu betrinken. Bald darauf stürzt Studmann über die Treppe. Dass der inzwischen eingetroffene Geheimrat Schröck erklärt, bei dem angeblichen Baron von Bergen handele es sich um einen ausgebrochenen Patienten seiner Heil- und Pflegeanstalt, verhindert nicht, dass von Studmann wegen des Vorfalls entlassen wird.
Von Prackwitz überredet seinen Regimentskameraden daraufhin, mit nach Neulohe zu kommen und dort die Verwaltung zu übernehmen.
Bevor sie sich auf den Weg machen, treffen die beiden auf Wolfgang Pagel, der im Frühjahr 1919 im Baltikum als Fahnenjunker in der Einheit des Rittermeisters gedient hatte. Widerwillig begleitet von Studmann die beiden anderen Männer in ein illegales Spielkasino, wo von Prackwitz auch noch gegen seinen Rat zu spielen anfängt und sich nach dem Verlust seiner Barschaft Geld vom früheren Untergebenen leiht. Während der Gutspächter auch diesen Betrag verliert, erlebt Wolfgang erstmals eine Gewinnsträhne und gewinnt ein Vermögen. Aber dann kommt die Polizei und beschlagnahmt alles.
Kurzerhand nimmt von Prackwitz nicht nur von Studmann mit nach Neulohe, sondern auch Wolfgang Pagel. Allerdings ist es dem Gutspächter nicht gelungen, geeignete Erntehelfer zu rekrutieren, weil er auf einen Betrüger hereinfiel.
Den Zug am Schlesischen Bahnhof in Berlin besteigen die drei Herren also nicht mit Landarbeiterinnen und Landarbeitern, aber stattdessen mit einer jungen Frau. Bei Sophie Kowalewski handelt es sich um die Tochter des Leutevogts von Neulohe. Um der harten Arbeit auf dem Gut zu entgehen, war sie nach Berlin gezogen. Dort wurde sie zuletzt von der Gräfin Mutzbauer als Zofe beschäftigt. Die Gräfin, eine geborene Fischmann, ist die Geliebte des Viehhändlers Emil Quarkus. Der verheiratete Vater von fünf Kindern wurde durch die Inflation reich, als er seine Schweine zum Zwanzigfachen des Einkaufspreises weiterverkaufte.
Sophie ist nun auf dem Weg zu ihren Eltern in Neulohe. Dort in der Nähe, im Zuchthaus Meienburg, verbüßt ihr Geliebter Hans Liebschner eine Haftstrafe.
Zuchthauskommando: böses Ende
Heimlich fährt Sophie von Neulohe nach Meienburg, und um Hans Liebschner besuchen zu dürfen, gibt sie sich mit einem gefälschten Papier als seine Schwester aus. Sie berichtet ihm, dass das Gut Schwierigkeiten habe, Erntehelfer zu rekrutieren und deshalb möglicherweise bald ein Kommando aus dem Zuchthaus anfordern werde. Er soll dann versuchen, dafür ausgewählt zu werden.
Zurück in Neulohe, redet sie so lang auf ihren Vater ein, bis der Leutevogt Kowalewski den Verwalter von Studmann von der Idee überzeugen kann. Das Zuchthauskommando rückt unter der Aufsicht des Oberwachtmeisters Marofke an. Belinde von Teschow ist entsetzt: Verbrecher auf dem Gut!
Nach einigen Wochen fehlen plötzlich fünf Männer: Kosegarten, Matzke, Wendt, Holdrian und Liebschner. Die Suche nach ihnen bleibt zunächst erfolglos. Marofke bringt den Rest des Kommandos zurück ins Zuchthaus.
Liebesbrief: verhängnisvoll
Eva von Prackwitz argwöhnt, dass ihre fünfzehnjährige Tochter Violet („Weio“) heimlich einen Freund haben könnte, aber das Mädchen beteuert seine Unschuld.
Tatsächlich hat sich Violet auf eine Affäre mit einem Freischärler-Leutnant eingelassen, der sich „Fritz“ nennt. Er gehört zu den illegalen Verbänden der Schwarzen Reichswehr, die unter dem Anführer Major Rückert für den 1. Oktober einen Putsch gegen die Reichsregierung vorbereiten und Waffenlager angelegt haben.
Ein Liebesbrief von Violet fällt dem Neuloher Feldinspektor Meier in die Hände. Der Leutnant, der im Schwarzen Grund Waffen vergraben hat und eine vorzeitige Entdeckung verhindern will, passt Meier im Forst ab, um ihn aus nächster Nähe zu erschießen und einen Selbstmord vorzutäuschen. Meier rennt jedoch los. Im selben Augenblick taucht der Förster Kniebusch auf und bittet die beiden Männer ahnungslos um Hilfe: Er hat gerade den Wilddieb Bäumer aus Altlohe überwältigt und gefesselt. Nun benötigt er ein Fahrzeug, um ihn zur Polizei zu bringen. Während der Leutnant verschwindet, geht Meier los, um den Kutscher Hartig zu holen.
Bäumer war mit dem Fahrrad im Wald unterwegs, als er versehentlich mit dem Förster zusammenprallte und mit der Stirn auf einen Stein stürzte. Kniebusch brauchte den Bewusstlosen nur noch zu fesseln. Weil er jedoch später aussagt, er habe den Wilddieb überwältigt, behauptet dieser nun, der Förster habe ihn vom Rad geworfen und seinen Kopf mehrmals gegen einen Stein gehauen. Kniebusch wird deshalb wegen versuchten Totschlags angeklagt.
Meier setzt sich aus Furcht vor einem weiteren Überfall des Leutnants nach Frankfurt/Oder ab.
Lage: zugespitzt
Im September weist von Studmann darauf hin, dass die Jahrespacht für das Gut Neulohe fällig wird.
An diesem 1. Oktober ist die Jahrespacht bar auf den Tisch des Herrn Geheimrat von Teschow zu legen. Die Jahrespacht beträgt […] 3000 Zentner Roggen. Soweit ich mich unterrichtet habe, ist etwa ein Preis von 7 bis 8 Goldmark pro Zentner anzusetzen, das wäre eine Summe von 20000 bis 25000 Goldmark, in Millionen und Milliarden nicht ausdrückbar. […] Du kannst […] nicht 3000 Zentner Roggen an einem Tag dem Händler abliefern. Du brauchst […] etwa vierzehn Tage dazu. Sagen wir also, du lieferst am 20. September 300 Zentner Roggen ab. Der Händler gibt dir, sagen wir mal, 300 Milliarden dafür. Du legst die 300 Milliarden in deinen Geldschrank für die Zahlung am 1. Oktober. In der Zeit vom 20. September bis 30. fällt die Mark weiter, wie wir es in der letzten Zeit erlebt haben. Für die 300 Zentner am 30. September bekommst du vom Händler, sagen wir mal 600 Milliarden. Dann stellen die 300 Milliarden in deinem Geldschrank nur noch den Wert von 150 Zentner Roggen dar. Du müsstest noch einmal 150 Zentner nachliefern …
Von Studmann hat längst festgestellt, dass die vereinbarten Abgaben zu hoch sind und von Teschow die Anbauflächen im Pachtvertrag deutlich größer angegeben hat, als sie tatsächlich sind. Offenbar will er seinen verachteten Schwiegersohn wirtschaftlich ruinieren.
In der Hoffnung, der Gutsbesitzer werde sich beruhigen, wenn er Joachim von Prackwitz nicht jeden Tag sehen müsse, versucht von Studmann seinem Regimentskameraden einen vorübergehenden Aufenthalt als Gast in der Heil- und Pflegeanstalt des Geheimrats Schröck schmackhaft zu machen. Zunächst sträubt von Prackwitz sich. Er will nicht ins Irrenhaus. Aber dann reist er doch.
Ende September kommt von Prackwitz unerwartet zurück. Der Geheimrat warf ihn hinaus, weil er gut zahlende Patienten vergraulte.
Um das Geld für die Pachtzahlung zu beschaffen, fährt von Prackwitz am 29. September nach Frankfurt/Oder. Im Zug trifft er auf Major Rückert und den Leutnant, der mit Violet eine Affäre hat, ohne dass der Vater etwas davon ahnt. Die beiden Putschisten tragen dem Rittmeister a. D. auf, am 1. Oktober nach Ostade zu kommen und nicht nur Waffen mitzubringen, sondern auch ein Auto zu beschaffen.
Eva von Prackwitz ist entsetzt, als sich ihr Mann am nächsten Tag von einem Chauffeur vors Gutshaus fahren lässt. 17.000 Goldmark kostet der Wagen, der in den nächsten Tagen bezahlt werden muss. Für die Pacht wird nichts übrig bleiben.
Das Ehepaar von Teschow setzt sich nach Berlin ab und quartiert sich im Hotel Kaiserhof ein, Belinde, weil sie sich vor den entlaufenen Zuchthäuslern fürchtet („Wir lassen uns nicht in unsern Betten ermorden!“), Horst-Heinz von Teschow, weil er von dem bevorstehenden Putschversuch gehört hat, an dem auch sein Schwiegersohn beteiligt ist, und nichts damit zu tun haben will, zumal er mit einem Scheitern rechnet.
Joachim und Violet von Prackwitz treffen auf den Leutnant, der so tut, als kenne er die Fünfzehnjährige nicht näher, die ihm inzwischen gegen seinen erklärten Willen erneut einen Brief schrieb, den allerdings Hubert Räder, der inzwischen auf ihr Betreiben entlassene Diener der Familie, unterschlagen hat. Von Prackwitz weiß nur, dass Violet mit dem Brief vor einer Entdeckung des illegalen Waffenlagers im Schwarzen Grund warnen wollte. Tatsächlich ertrug sie das wochenlange vergebliche Warten auf ihren Liebhaber nicht länger. Es kommt zu einer Auseinandersetzung zwischen den Männern, und der Rittmeister a. D. schüttet dem Freischärler-Leutnant ein Glas Wein ins Gesicht.
Der erklärt Violet dann auch noch, er wolle nichts mehr mit ihr zu tun haben, denn sie habe ihm nur Unglück gebracht.
Als der Leutnant in Ostade erfährt, dass das von ihm angelegte Waffenlager von der Entente-Kontrollkommission ausgehoben wurde, fährt er hin und erschießt sich im Schwarzen Grund.
Violet bricht zusammen. Ein Arzt spritzt ihr ein Schlafmittel. Stunden später gelingt es ihr, durchs Fenster und über das Wandspalier aus ihrem Zimmer zu verschwinden.
Ihr Vater flüchtet in den Alkohol und schließlich in Wahnvorstellungen.
Herbst 1923: Weitere Turbulenzen
Der Putschversuch scheitert, weil sich die Reichswehr den Aufständischen nicht anschließt.
Im vom Ehepaar von Teschow verlassenen „Schloss“ von Neulohe wird eine Orgie gefeiert. Vier der fünf entflohenen Zuchthäusler versteckten sich dort von Anfang an in den Kammern der weiblichen Bediensteten. Nun nimmt die Gendarmerie sie fest, und von den Mädchen bleibt nur die unbescholtene Geflügelmamsell Amanda Backs zurück. Von Hans Liebschner fehlt weiter jede Spur.
Wolfgang ist inzwischen der Einzige, der das Gut Neulohe leitet, denn der Pächter ist geisteskrank und Etzel von Studmann nahm Schröcks Angebot einer Direktorenstelle in dessen Heil- und Pflegeanstalt an. Eva von Prackwitz sucht vergeblich nach ihrer Tochter, interessiert sich nicht weiter für das Gut und hat Wolfgang Pagel alle Vollmachten erteilt.
Mühsam trommelt er Leute zum Kartoffelklauben zusammen, aber sie reichen nicht, um die Arbeit bis zum Wintereinbruch zu erledigen. Die restlichen Knollen verfaulen schließlich in der Erde, während die Menschen in den Städten hungern.
Amanda weiß, dass Hans Liebschner mit Sophie Kowalewski zusammen ist und sich im Haus ihrer Familie verbirgt, die er mit nachts gestohlenen Lebensmitteln versorgt, aber die Geflügelmamsell verrät Sophie und deren Liebhaber nicht, obwohl Wolfgang und sie bei ihren Bemühungen, das Gut zu erhalten, ein Vertrauensverhältnis miteinander aufgebaut haben.
Als Wolfgang im Hotel Kaiserhof in Berlin anruft, erfährt er, dass das Ehepaar von Teschow nach Nizza weitergezogen ist. Einige Zeit später heißt es, der Geheimrat von Teschow logiere mit seiner Frau im Hotel „Weißer Hirsch“ in Dresden- Loschwitz.
Neulohe: Ende mit Schrecken
Notleidende Bewohner von Altlohe graben Kartoffeln aus. Das ist zwar gesetzlich verboten, aber man kann die Menschen nicht verhungern lassen.
Der Förster Kniebusch, der einer Verurteilung entging, weil Bäumer aus dem Polizeigewahrsam entfloh und deshalb nicht vor Gericht aussagen konnte, stößt nun allerdings auf einen größer angelegten Diebstahl. Die Täter – Bäumer und Liebschner – schlagen ihm den Schädel ein, aber der Sterbende kann sich noch zu Wolfgang Pagel schleppen, und der sorgt dafür, dass die Mörder im Haus der Kowalewskis gestellt werden.
Die Polizei nimmt auch Sophie Kowalewski fest.
Eva von Brackwitz will nur noch weg. Bevor sie mit ihrem handlungsunfähigen Mann nach Berlin fährt, verlangt sie von Wolfgang Pagel Geld. Der gibt ihr das wenige mit, das noch in der Kasse ist.
Gerüchte über Wolfgang Pagel grassieren. Von Unterschlagungen und Verkäufen auf eigene Rechnung ist die Rede.
Eines Tages bringt ein Kriminalbeamter, der seinen Namen verschweigt, Violet von Brackwitz zu Wolfgang Pagel. Sie war monatelang in der Gewalt des ehemaligen Dieners Hubert Hubert Räder, der sich dafür rächte, dass sie sich vor ihm aus- und angezogen hatte, als wäre er kein Mann. Violet ist nur noch ein Wrack.
Vier Monate war Wolfgang in Neulohe. Nun bringt er Violet zu ihrer Mutter nach Berlin.
Neuanfang
Bereits Wochen vor seiner Abreise aus Neulohe schrieb Wolfgang Pagel seiner Mutter in Berlin und erfuhr, dass Petra Ledig Anfang Dezember ein Kind von ihm erwartet.
Nach ihrer Freilassung wurde Petra von „Mutter“ Krupaß angestellt. Die Betreiberin eines Handels mit Altpapier, Lumpen und Eisen musste für ein paar Monate ins Gefängnis. Randolf, einer der sechs von ihr beschäftigten Männer, leitete zwar während ihrer Abwesenheit das Geschäft, konnte aber nicht besonders gut rechnen. Deshalb erhielt Petra entsprechende Vollmachten, um die Buchführung machen, Gehälter ausbezahlen und Rechnungen begleichen zu können.
Endlich heiraten Petra und Wolfgang. Mit finanzieller Unterstützung seiner Mutter studiert der junge Familienvater Medizin und wird Psychiater.
Eva von Brackwitz betreibt inzwischen in Berlin einen Modesalon. Auf diese Weise versorgt sie auch zwei Unmündige: ihre Tochter und ihren Ehemann.
Der Geheime Ökonomierat Horst-Heinz von Teschow wirtschaftet jetzt selbst auf dem Gut Neulohe. Seine Frau Belinde hat aus Dresden den Sektenführer Herzschlüssel mitgebracht und ihre langjährige Freundin Jutta von Kuckhoff zum Teufel gejagt.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)Der Roman „Wolf unter Wölfen“ von Hans Fallada spielt in der zweiten Hälfte des Jahres 1923 vor dem Hintergrund der Hyperinflation. Zu Beginn der Handlung entspricht ein US-Dollar noch 100.000 Mark, am Ende sind es 4,2 Billionen Mark. In mehreren Szenen veranschaulicht Hans Fallada, was dieser unvorstellbare Werteverfall bedeutet. Jahrzehntelang zusammengetragene Ersparnisse sind über Nacht nichts mehr wert, während parallel dazu Schulden verschwinden.
Politische Verhältnisse erwähnt Hans Fallada nur hin und wieder kurz. Der im Roman „Wolf unter Wölfen“ in Ostade scheiternde Putschversuch gegen die Reichsregierung am 1. Oktober 1923 entspricht dem historischen Küstriner Putschversuch der Schwarzen Reichswehr unter dem Kommando des Majors Bruno Ernst Buchrucker (im Roman: Major Rückert).
Hans Fallada zeigt uns eine Gesellschaft und eine Ordnung, die aus den Fugen geraten. Die meisten der Personen in „Wolf unter Wölfen“ orientieren sich bei ihren Entscheidungen ausschließlich an eigenen Interessen. Dabei wird deutlich, dass sich das Recht des Stärkeren und der darwinistische Kampf ums Dasein nicht mit einer humanen Gesellschaft vereinbaren lassen.
Mit dem Titel „Wolf unter Wölfen“ spielt Hans Fallada auf ein Zitat aus der Komödie „Asinaria“ (Eseleien) des römischen Dichters Titus Maccius Plautus an: „homo homini lupus“ (der Mensch ist dem Menschen ein Wolf). Diese Auffassung vertrat vor allem auch der englische Philosoph Thomas Hobbes.
„Wolf unter Wölfen“ ist nicht nur ein Gesellschafts-, sondern auch ein Entwicklungsroman, denn in dem Maße, wie in Neulohe alles zusammenbricht, gewinnt Wolfgang („Wolf“) Pagel an Selbstsicherheit und besinnt sich auf seine Verantwortung auch gegenüber Mitmenschen. Obwohl Hans Fallada ein düsteres Bild der sich zerstörenden Gesellschaft zeigt, verhindert er durch die gegenläufige Entwicklung des Protagonisten, dass die Lektüre deprimierend wirkt.
Hans Fallada entwickelt die komplexe, mitunter tragikomische Handlung einfallsreich und mitreißend, mit farbigen Charakteren in prägnanten Szenen und Dialogen. Dabei hängt alles mit allem zusammen. Hermann Broch urteilte über „Wolf unter Wölfen“: […] architektonisch wie sprachlich so makellos […].
Mit der Arbeit am Manuskript begann Hans Fallada im Juli 1936. Im Mai 1937 schloss er sie ab. Noch im selben Jahr veröffentlichte der Rowohlt Verlag den Roman „Wolf unter Wölfen“ in zwei Teilen: „Die Stadt und ihre Ruhelosen“ und „Das Land in Brand“.
Hans-Joachim Kasprzik verfilmte das Buch 1964 mit Armin Mueller-Stahl als Wolfgang Pagel in einem Fernseh-Vierteiler.
Wolf unter Wölfen. (1) Die Stadt und ihre Ruhelosen, (2) Schwüle über dem Land, (3) Es kommen des Teufels Husaren, (4) Ende und Anfang – Regie: Hans-Joachim Kasprzik – Drehbuch: Klaus Jörn und Hans-Joachim Kasprzik nach dem Roman „Wolf unter Wölfen“ von Hans Fallada – Kamera: Otto Hanisch – Schnitt: Ursula Rudzki – Musik: Günter Hauk – Darsteller: Armin Mueller-Stahl, Wolfgang Langhoff, Inge Keller, Herbert Köfer, Annekathrin Bürger, Agnes Kraus, Marga Legal, Friedel Nowack, Else Wolz, Ingeborg Naß, Erik S. Klein, Felicitas Ritsch, Eva-Maria Hagen, Hans Hardt-Hardtloff, Edwin Marian, Helga Labudda, Jürgen Frohriep, Ekkehard Schall, Evamaria Bath, Norbert Christian u.a. – 1965; 410 Minuten
John von Düffel (Libretto) und Søren Nils Eichberg (Musik) machten aus dem Roman „Wolf unter Wölfen“ von Hans Fallada eine Oper, die am 23. November 2019 im Theater der Stadt Koblenz uraufgeführt wurde.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2023
Textauszüge: © Emma D. Hey, Braunschweig
Hans Fallada (Kurzbiografie)
Hans Fallada: Kleiner Mann – was nun?
Hans Fallada: Jeder stirbt für sich allein
Hans Fallada: Der Trinker