Yasmina Reza : Serge

Serge
Serge Flammarion, Paris 2021 Serge Übersetzung: Frank Heibert und Hinrich Schmidt-Henkel Carl Hanser Verlag, München 2022 ISBN 978-3-446-27292-7, 207 Seiten ISBN 978-3-446-27340-5 (eBook)
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Nach dem Tod ihrer Großmutter möchte Joséphine nach Auschwitz, um sich auf die jüdischen Wurzeln der in Paris lebenden Familie zu besinnen. Ihr Vater Serge und dessen jüngere Geschwister Jean und Nana begleiten sie. In der Gedenkstätte treffen sie auf gedankenlose Touristen in Shorts ...
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Kritik

Yasmina Reza lehnt die Gedenkroutine beispielsweise in Auschwitz illusionslos ab. "Serge" dreht sich zugleich um eine assimilierte jüdische Familie. Es ist ein Roman über Identitätssuche, Verständnislosigkeit und Orientierungsverlust. In den pointierten Dialogen funkeln Witz und Sarkasmus.
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Der Tod der Mutter

Marta Poppers Mädchenname lautete Heltaï. Ihr Vater hatte den Familiennamen Frankel magyarisieren lassen. Die assimilierte jüdische Familie war in der ungarischen Wollindustrie zu Geld gekommen. Marta und ihr Bruder besuchten ein protestantisches Gymnasium. Sie heiratete Edgar Popper, einen Vertreter für Schmierstoffe, aus einer bürgerlichen Familie Wiener Juden. Nach dem „Anschluss“ Österreichs am 12. März 1938 floh er mit seinen Angehörigen nach Paris. Nahe Verwandte sowohl von Marta als auch von Edgar Popper kamen in den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten um.

Davon mochte Marta Popper später nichts mehr hören. Ebenso wenig wollte sie an ihre jüdischen Wurzeln erinnert werden, und für ihre beiden Söhne gab es denn auch keine Bar Mitzwa. Ganz anders ihr Mann: Edgar Popper idealisierte Israel.

Hört nicht auf eure Mutter, sagte er, die ist Antisemitin.
„Sie ist doch Jüdin“, wagten wir einzuwenden.
„Das sind die Schlimmsten! Die schlimmsten Antisemiten sind selber Juden.“

Als die Witwe nun im Sterben liegt, bleibt sie bei Ihrer Einstellung.

„Willst du bei Papa liegen?“
„Ah, nein, nicht bei den Juden.“
„Wo denn dann?“
„Nicht in Bagneux.“

Marta Popper ordnet an, dass ihre Leiche eingeäschert werden soll. In der Erinnerung an den Holocaust und die Krematorien in den Vernichtungslagern erscheint das abwegig, aber die Sterbende hält an ihrem Wunsch fest.

Zur Trauerfeier in der Kapelle des Pariser Friedhofs Père-Lachaise kommt außer der Familie auch Marta Poppers langjährige Freundin Zita Feifer, eine geborene Roth. Zita hat drei Ehemänner und einen in den Schweizer Alpen abgestürzten Sohn überlebt. Sie meint:

„Marta hatte einen Mistkerl geheiratet, der noch dazu schlecht alterte. Die Leute altern schlecht. Vor allem die Juden. Jetzt kann man ja darüber reden, Edgar war ein Mistkerl und eine Schlafmütze dazu. Sie hatte eine Affäre mit André Ponchon.“

Die Geschwister

Zurück bleiben drei Geschwister: Serge, der Älteste, Jean, sein zwei Jahre jüngerer Bruder und Anna („Nana“), die Jüngste.

Nana heiratete ein Jahr nach dem Tod des Vaters, der darüber entsetzt gewesen wäre, den in Frankreich geborenen Sohn einer Hausangestellten und eines Bauarbeiters aus Spanien. Ramos Ochoa verdient den Lebensunterhalt mit Zeitverträgen und Schwarzarbeit als Informatiker. Zwischendurch bezieht er Arbeitslosenhilfe. Victor, der Sohn, hat einen Abschluss der Émile-Poillot-Schule, die sein Vater für „das Harvard der Gastronomie“ hält. Victors jüngere Schwester Margot bereitet sich aufs Abitur vor.

Jean Popper, ein Ingenieur, ist unverheiratet geblieben. Marion, seine letzte Lebensgefährtin hat sich wegen eines 50-jährigen Mannes von ihm getrennt, den Jean für einen Bankrotteur hält, weil er sich von Marion aushalten lässt. Jean hat weiterhin Kontakt zu Marion und vor allem ihrem neunjährigen Sohn Luc.

Was ich für ihn war, habe ich nie genau herausgefunden. […] Ich halte mit Marion Verbindung, um ihn nicht zu verlieren.

Serge Popper bezeichnet sich als Unternehmensberater, aber was er genau tut, weiß auch Jean nicht. Der 60-Jährige wird von seiner Lebensgefährtin Valentina Dell’Abbate hinausgeworfen, nachdem er sie mit der halb so alten Immobilienmaklerin Peggy Wigstrom betrogen hatte und dann auch noch log. Mit seiner Exfrau Carole hat Serge eine Tochter. Als Joséphine wegen notorischen Schuleschwänzens und gefälschten Entschuldigungen vom Gymnasium flog, bezahlte er ihr widerwillig eine Privatschule. Sie verdient ihr Geld inzwischen als freiberufliche Maskenbildnerin beim Fernsehen und ist in den Tunesier Ilan Galoula verliebt. Weil sie ihn spießig findet und er sie für bipolar hält, verständigen sie sich über ein Ende der Beziehung.

Die Reise nach Auschwitz

Joséphine drängt nach dem Tod ihrer Großmutter Marta darauf, Auschwitz zu besichtigen und sich dabei auf die jüdischen Wurzeln der Familie zu besinnen. Widerstrebend lassen sich die Geschwister Serge, Jean und Nana darauf ein.

Nana erinnert sich daran, wie die Schulklasse ihrer Tochter vor einiger Zeit einen Wettbewerb gewann und die Hälfte der Schülerinnen nach Auschwitz fahren durfte. Margot war nicht unter den Ausgelosten, aber sie hörte von den Zurückgekommenen, wie der Philosophielehrer Cerezo auf eine „angemessene Haltung andachtsvollen Schmerzes“ achtete und darauf, „dass auch alle entsetzt dreinschauten“. Nun sagt Nana zu ihrem Bruder Jean:

„Ich hätte Margot auch gern mitgenommen, aber sie macht dieses Jahr ihren Abschluss.“
„Wir müssen ja auch nicht in Delegationsstärke da hin.“
„Letzten Dezember wäre sie fast mit ihrer Klasse hingekommen, aber dann war sie nicht auf der Liste.“
„Na Gott sei Dank!“
„Wieso?“
„Ein Witz.“

Serge, Jean, Nana und Joséphine fliegen von Paris nach Krakau und fahren von dort mit einem Leihwagen weiter.

Auschwitz, oder nett gesagt, Oswiecim ist das blumenreichste Städtchen, das ich jemals gesehen habe. Jemals.

Wie vorhergesagt, blauer Himmel. Einige Israelis, in ihre Fahne gehüllt, führen eine Art Kreistanz zwischen den Bussen auf.

Wir betreten einen breiten Weg, wir entdecken Arbeit macht frei, das kindlich geschwungene Portal, vor dem eine Klasse posiert, die nächste Gruppe wartet schon auf ihre Fotogelegenheit.

Vor dem Betreten der Gedenkstätte kaufen die Geschwister an einem Kiosk zwei Lagerführer, aber nur Joséphine blättert in einem der Hefte.

Gleich wird uns Joséphine aus ihrem Prospekt vorlesen, dass hier medizinische Experimente stattfanden. Serge raucht. Die Frauen kommen von der Toilette. […] Sie sagt zu ihrem Vater, er dürfe ihrer Meinung nach nicht im Lager rauchen, das habe sie in der Eingangshalle gelesen.

Die meisten Besucherinnen und Besucher der Gedenkstätte tragen „fast schon Strandkleidung“: Shorts, bunte Turnschuhe, ärmellose T-Shirts, Blümchenkleider … Es riecht nach Sonnencreme.

Serge weigert sich, die ehemalige Gaskammer zu besichtigen, angeblich wegen des Gedränges. Als Nana wieder herauskommt, stöhnt sie:

„Die Kratzspuren der Fingernägel an den Wänden, unfassbar.“
Serge zündete sich eine Zigarette an, Joséphine gesellte sich wieder zu uns.
„Die Spuren an den Wänden sind schrecklich, oder?“, sagte Nana.
„Schrecklich“, sagte Joséphine und machte noch ein paar Außenaufnahmen vom Krematorium.
Werden sie jetzt bei jeder Gelegenheit schrecklich, unfassbar usw. sagen?, fragte ich mich.

Vor fünfundsiebzig Jahren wurden die Gaskammern abgestellt, sagt Joséphine. Im November 44.
„Könntest du uns zwei Minuten in Ruhe essen lassen.“

Serge, Jean, Nana und Joséphine fahren zur Judenrampe in Auschwitz Birkenau II, der Endstation der Deportationszüge, wo die Ankommenden selektiert wurden.

„Komm aus dem Auto, Papa, das ist die Judenrampe!“
„Lasst mich in Ruhe!“
„Fünfhunderttausend Deportierte sind hier angekommen!“
„Mir egal.“
„Das ist der schlimmste Ort der Welt, Papa!“
„Ich werde hier von irgendwelchen Viechern angefallen.“
[…]
Ich setze mich wieder hinters Lenkrad. Serge raucht. Ich sage, das ist die Judenrampe.
„Was soll das sein, die Judenrampe? Ihr geht mir auf den Sack mit eurerer Judenrampe.“
„Hier sind die meisten Juden angekommen.“
„Aha. Ich seh’s. Ich sehe das alles vom Auto aus.“

Jean denkt:

Vergesst nicht. Aber warum? Um es nicht wieder zu tun? Aber du wirst es wieder tun. Ein Wissen, das nicht zutiefst mit einem selbst verbunden ist, bleibt folgenlos. Von der Erinnerung ist nichts zu erwarten. Dieser Fetischismus der Erinnerung ist bloßer Schein.

Serge bezweifelt ebenfalls, dass die Besichtigung der Gedenkstätte und der Museen in Auschwitz etwas gebracht habe.

„Was für Lehren? Aus alldem sind überhaupt keine Lehren zu ziehen, das ist es ja“, sagt Serge.

„War dieses Auschwitz wirklich nötig? Sag mal ehrlich. Haben wir diese Expedition gebraucht? Wenn es schlimm kommt, endet sie noch mit einer Katastrophe.“

Victor

Als Serge vor der Trennung mit Valentina in der Schweiz war, aßen sie im Hotel Walser House, und anschließend sprach Serge den Küchenchef auf seinen Neffen Victor an. Von der Émile-Poillot-Schule hörte der Koch zum ersten Mal, aber er erklärte sich bereit, eine Bewerbung des Absolventen zu prüfen. Wochen später hat Victor noch immer keine Antwort erhalten. Deshalb erinnert Serge den Schweizer Küchenchef mit einer Mail an die Bewerbung seines Neffen. Nach dem Besuch in Auschwitz findet Serge in Krakau eine Antwort auf seinem Handy. Er ist begeistert, aber als Victor sich telefonisch bei den Reisenden meldet, gesteht er nicht nur, in den letzten Stunden nicht auf Mails geachtet zu haben, sondern erklärt seinem Onkel außerdem, dass er nicht mehr an einer Saison als Koch in der Schweiz interessiert sei, sondern selbst etwas mit Fast Food aufziehen wolle. Serge schreit wütend:

„Ich reiß mir den Arsch auf und finde dir einen Job, der dir alle Türen öffnen wird, und du verkündest seelenruhig, du hast was anderes vor? …“

Kurz darauf ruft Victor noch einmal an. Inzwischen hat er die Mail gelesen. Der Küchenchef des Walser House bietet ihm gerade einmal ein zweiwöchiges Praktikum an. Das empfindet Victor als Beleidigung, und er wirft seinem Onkel vor, die Mail des Schweizers gar nicht richtig gelesen zu haben. Nach diesem Streit erwartet Serge von seinem Neffen eine Entschuldigung, und weil die ausbleibt, redet er nicht mehr mit ihm und Nana.

Maurice

Vor der Reise nach Auschwitz besuchte Jean einen als „Cousin“ bezeichneten entfernten Verwandten aus dem russischen Zweig der väterlichen Familie: Maurice Sokolov. Der 99-Jährige ist seit einem Schlaganfall bettlägerig und wird von Paulette, der zweiten seiner drei Ex-Frauen, umsorgt.

Nachdem Serge den Leihwagen in Krakau abgegeben hat, berichtet Paulette freudig am Telefon, dass Maurice gelacht habe.

„Stell dir vor, er hat sich schiefgelacht! Jetzt trinkt er sein Gläschen Champagner. Seid ihr immer noch in Auschwitz?“
„In Krakau.“
„Aha. Viel Spaß, Leute!“

Die Geschwister und Joséphine sind schon ein paar Tage wieder in Paris, als sie erfahren, dass Maurice gestorben ist.

Maurice Sokolov hat seine kleine Rundreise von der Wiege bis zur Bahre vollendet, ohne dass irgendwer jemals ihren Sinn und Zweck gekannt hätte, auch er selbst nicht.

Cyril Sokolov, der Sohn des Gestorbenen, der nach seiner Scheidung von der Israelin Sabra nach Massachusetts gezogen ist, reist an zur Trauerfeier an.

Nichts an ihm erinnert an seinen Vater, er ist ein banales, dickbäuchiges Wesen ohne Herkunft.

„Und Auschwitz?“, ruft Paulette […]. „Ihr habt noch gar nichts von Auchwitz erzählt! […] Wie war’s, Kinder? Grässlich, oder?“
„Ah, ihr wart auch dort!“, sagt Cyril. „Das müsste zur Pflicht gemacht werden. Ich war danach wie verwandelt.“

Serge

Weil Valentina Serge hinausgeworfen hat, mietet er von Patrick Seligmann eine möblierte Zwei-Zimmer-Wohnung am Champ-de-Mars. Als Jean ihn besucht, ekelt er sich vor einer wuchernden Kletterpflanze, von der eine Art Sirup aufs Parkett tropft und rät seinem Bruder, sie hinauszuwerfen.

„Ausgeschlossen.“
„Warum?“
„Sie hat schützende Kräfte.“

Serge wagt es nicht, der Pflanze etwas anzutun, denn Patrick Seligmann, der hier zuletzt mit seiner Lebensgefährtin Lucie Lapiower wohnte, versuchte es heimlich mit kochendem Wasser, Chlorreiniger und Abflussfrei, aber die Pflanze überstand alles und wuchs weiter.

Zur Feier des zehnten Geburtstags ihres Sohnes lädt Valentina Serge ein, der immerhin fünf Jahre lang eine Art Stiefvater für Marzio war. Jean hält es für eine gute Idee, Marzio bei dieser Gelegenheit mit Marions gleichaltrigem Sohn zusammenzubringen und begleitet Luc und Serge zum Kindergeburtstag. Aber der Besuch endet mit einem Desaster.

Serge hat bereits vor der Reise nach Auschwitz angefangen, nach einem Apartment für seine Tochter Joséphine zu suchen, allerdings mit dem Hintergedanken, sich einen Wohnsitz fürs Alter zu besorgen. Stolz zeigt er seinem Bruder nun ein 35 Quadratmeter großes Apartment, das Patrick Seligmann zu einem Preis verkauft, der 30 Prozent unter dem Marktwert liegt. Jean ist entsetzt:

Kein einziger Laden. Ein irgendwie düsteres Viertel, das mir wenig zu Joséphines Temperament zu passen scheint. Das eröffne ich Serge. Hat dir jemand eine Wohnung geschenkt, als du fünfundzwanzig warst?, fragt er. Da kann sie sich nicht auch noch das Viertel aussuchen!

Bei Serge werden ein Aneurysma der Bauchschlagader und ein Knoten in der Lunge diagnostiziert. Jean begleitet ihn zum PET-CT im Madeline-Brès-Gebäude des Avicenne-Krankenhauses im Pariser Vorort Bobigny. Der Roman endet, als Serge von einer Krankenschwester im Warteraum aufgerufen wird und Jean zurückbleibt.

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Ins Zentrum ihres tragikomischen Romans „Serge“ stellt Yasmina Reza eine Besichtigung der Gedenkstätte Auschwitz. Dabei weiß sie, dass jeder Ansatz, den Holocaust zum Thema eines unterhaltsamen Films oder Buches zu machen, in der öffentlichen Diskussion zwiespältige Reaktionen auslöst.

Martin Walser sagte anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels am 11. Oktober 1998 in der Frankfurter Paulskirche:

Auschwitz eignet sich nicht dafür, Drohroutine zu werden, jederzeit einsetzbares Einschüchterungsmittel oder Moralkeule oder auch nur Pflichtübung. Was durch Ritualisierung zustande kommt, ist von der Qualität des Lippengebets. Aber in welchen Verdacht gerät man, wenn man sagt, die Deutschen seien jetzt ein ganz normales Volk, eine ganz gewöhnliche Gesellschaft?

Auch Yasmina Reza lehnt die Gedenkroutine illusionslos ab und veranschaulicht auf groteske Weise die Gedankenlosigkeit der Touristen, die in Shorts durch das ehemaligen Vernichtungslager schlendern, Schnappschüsse knipsen und sich anschließend erschüttert zeigen.

„Serge“ dreht sich zugleich um eine assimilierte jüdische Familie in Paris. Es ist ein Roman über Identitätssuche, Verständnislosigkeit und Orientierungsverlust. Die Menschen werden krank und sterben, ohne einen Sinn des Lebens gefunden zu haben.

Yasmina Reza konfrontiert uns rasch mit der Titelfigur Serge, seinen Geschwistern und vielen Bezugspersonen. Auf den ersten Seiten ist es deshalb nicht einfach, den Überblick zu gewinnen, zumal die ambivalenten Charaktere auch nicht tiefer ausgeleuchtet werden.

Das Wort überlässt Yasmina Reza dem orientierungslosen Ich-Erzähler Jean.

„Serge“ setzt sich aus einer Folge von schrägen Szenen zusammen. Kunstvoll sind dabei Wiederholungen und Spiegelungen. Und vor allem in den pointierten Dialogen funkeln Witz und Sarkasmus.

Auch wenn ich seine Begeisterung für „Serge“ nicht ganz teile, möchte ich aus Nils Minkmars Buchbesprechung in der Süddeutschen Zeitung zitieren:

Reza gelingt ein Meisterwerk: Die tröstlich gemeinten, oft allzu naiven Erzählungen, mit denen wir uns über den Alltag retten, dekonstruiert sie komisch, aber gründlich. Es gibt keine dem Grauen der Shoah angemessene moralische Empfindung, keine Lebensreform, die davon entbinden würde, sich immer wieder an eine Interpretation der Taten und ihrer Folgen wagen zu müssen. […] „Serge“ hat für sein Publikum keinen Ausweg parat, keine zehn tollen Tipps für ein Leben nach dem Holocaust und dem Versterben der Zeitzeuginnen, aber gerade indem Yasmina Reza lustvoll die Vergeblichkeit aller Strategien, damit klarzukommen demonstriert, indem sie alle postmodernen Identitätssuchen souverän im Abseits enden lässt, eröffnet sie einen eigenen Weg, den der Literatur. Dieses meisterliche Buch über eine belastete, verwirrte und sympathische Familie gehört zum Besten, was es derzeit zu lesen gibt. Reza erinnert an unsere irdische Unbeholfenheit, unsere Überforderung und Ratlosigkeit und indem sie das tut, mit den Mitteln der Sprache ‒ kongenial ins Deutsche übertragen von Frank Heibert und Hinrich Schmidt-Henkel ‒ spendet sie Trost: Es geht allen so, du bist nicht allein.

Den Roman „Serge“ von Yasmina Reza gibt es auch als Hörbuch, gelesen von Peter Jordan.

Veranschaulichung der Beziehungen

Zur Verfügung gestellt von © Gerhard Günther

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2022
Textauszüge: © Carl Hanser Verlag

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"Ich stelle mich schlafend" lässt sich als Coming-of-Age-Roman lesen, aber Deniz Ohde geht es um mehr. Sie lässt uns das Gefühlschaos der Protagonistin miterleben und beendet die Geschichte mit einer Befreiung. Ihr gelingen bildstarke Szenen, aber in der Rolle der allwissenden Autorin erläutert und kommentiert sie unnötig viel.
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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon einen Monat, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte. Aus familiären Gründen reduziere ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik.