Deb Olin Unferth : Happy Green Family
Inhaltsangabe
Kritik
Janey
An ihrem 15. Geburtstag erfährt Janey von ihrer Mutter Olivia Flores, dass sie einen Vater im südlichen Iowa hat, den die 18-jährige schwangere Tochter eines aus Mexiko eingewanderten Farmarbeiters damals in der Kleinstadt sitzen ließ, als sie nach New York zog.
Bis dahin war sie mit der alten Samenbankstory abgespeist worden, und Janey hatte sie geglaubt, obwohl es unfassbar war, wie sie so einen Schwachsinn hatte glauben können. Schon als sie alt genug fürs Zählen gewesen war, hätte sie sich ausrechnen können, dass sie kein Reagenzglaskind war. Welche Frau gibt denn mit achtzehn schon auf, in der Hoch-Zeit von Liebe und Abtreibung, und lässt sich künstlich befruchten?
Obwohl das Schuljahr noch nicht zu Ende ist, sitzt Janey fünf Tage später im Überlandbus – und zuckt kurz zusammen, als das erschrockene Gesicht ihres Vaters an der Wohnungstür auftaucht. Dabei hat sie sich angekündigt!
„Überraschung!“, sagte sie und hob die Arme. „Es ist ein Mädchen.“
Sie hörte ihn (ihren Vater?) sprechen: „Du bist früh dran.“
Sie zog eine Scheinschnute. „Hätte ich warten sollen, bis ich dreißig bin?“
Rasch begreift Janey, dass es falsch war herzukommen. Nach zwei Monaten glaubt sie, dass sie es bei ihrem irgendetwas auf einem Geflügelhof mit Massentierhaltung arbeitenden Vater nicht länger erträgt, überwindet ihren Stolz und wählt die Nummer ihrer Mutter in New York ‒ und erfährt von der Nachbarin, dass ihre Mutter einen tödlichen Autounfall hatte.
Zur Beerdigung fliegt sie nach New York, aber dort kann sie nicht bleiben.
Sie war immer noch eingefroren, hatte auch zwei Wochen später nicht zu tauen begonnen, als das Jugendamt sie umdrehte und zurückschickte – zu ihrem Vater. Er war schließlich ihr Vater, und er hatte gesagt, er nähme sie auf. Sie hatte zum Zeitpunkt des Unfalls bei ihm gelebt (dieser Umstand erwies sich als Todesurteil: sie hatte bei ihm gelebt), und sie stimmte zu, notgedrungen, es gab ja sonst niemanden, keine weiteren Angehörigen.
Janey kehrt also in das Kaff in Iowa zurück und wird dort in der Highschool aufgenommen.
Die neue Janey hatte eine lange Liste mit Dingen, die ihr scheißegal geworden waren: das Debattierteam, der Schachclub, Clubs jeglicher Art, Mitschüler jeglicher Art, Sport und alle Unterkategorien, das College, die Zukunft im Allgemeinen.
Cleveland
Nach dem Schulabschluss arbeitet Janey Flores einige Jahre als Disponentin in einer riesigen Spedition, aber nachdem ihr Chef gewechselt hat, feuert der Nachfolger sie.
[…] und jetzt scrollte sie sich durch die Stellenausschreibungen, durch alle denkbaren Scheißjobs, für die sie infrage kam, eine ungelernte, ungebildete Frau, zwanzig Jahre alt […]
Der Vater vermittelt seiner inzwischen 20 Jahre alten Tochter einen Job als Legehennenbetriebsprüferin. Die 34-jährige Chefin Cleveland Smith kannte Janeys Mutter, als diese noch hier lebte. Olivia Flores hatte fünf Jahre lang als Babysitterin auf das jüngere Mädchen aufgepasst.
Als Cleveland von der Happy Green Family Farm nach Hause fahren will, entdeckt sie ein entlaufenes Huhn.
Bwwaauk war in Stall 8 aufgewachsen, einer A-förmigen Anlage alter Bauart, bei der die Käfige so übereinander gestaffelt sind, dass die Scheiße beim Fallen durch den Draht (meistens) an den Hennen in den unteren Etagen vorbei fällt. Bwwaauk hatte in der untersten Reihe gelebt […]
Stall 8 war das älteste Stallgebäude der Farm, erbaut im Jahr 1990. Die Käfige rosteten. Stellenweise war der Draht so korrodiert, dass er Löcher in Huhngröße hatte. Wenn eine Henne durch so ein Loch abstürzte, landete sie meist eine Käfigreihe tiefer. Die dort Ansässigen hackten sie dann als Eindringling tot und stellten sich auf die sterbende oder schon tote Henne, um ihren Füßen eine kurze Erholung vom Drahtgeflecht zu gönnen. In Bwwaauks Fall jedoch befand sich das Loch, das entstand, als das Ammoniak dem Rost den Rest gab, eben in einem Käfig der untersten Reihe, so dass sie, als sie fiel, in einen anderthalb Meter hohen Kothaufen plumpste.
Cleveland fängt das Tier ein. Aber was soll sie nun damit anfangen? Nachdem das Huhn mit der Außenwelt in Kontakt gekommen war, kann es nicht mehr in einen der acht Ställe zurück.
Im Stall war Irrtum gleichbedeutend mit Kollaps. Wenn eine Henne hinauskann, können andere Tiere hinein, können Krankheiten verbreiten, die Hälfte der nordamerikanischen Eierkonsumenten umbringen und so weiter.
Kurzerhand fährt Cleveland mit „Bwwaauk“ auf dem Rücksitz davon, packt das Huhn in eine Schachtel und stellt diese vor die Tür des Tierschutzbüros.
Der Vorfall bringt sie auf eine Idee. Sie raubt zwei Hühner von der Anderson Family Egg Farm, zwei Nächte später sechs Hennen von der Spillman Egg Family Farm, bringt sie alle zum Tierschutzbüro und legt einen Zettel dazu:
„Wo die herkommen, gibt’s noch zwei Millionen. Ich mache hier euren Job. Auf wessen Seite steht ihr eigentlich?“
Bald nachdem Janey als Betriebsprüferin angefangen hat, beobachtet sie, wie Cleveland heimlich und verbotenerweise mit ihrem Handy filmt. Sie hilft schließlich ihrer Chefin, Hühner zu „entnehmen“.
Cleveland protokollierte mit Ingrimm „Zuwiderhandlungen“ wie verklemmte Förderbänder, überfüllte Käfige, eine durch einen Gang trottende Katze. Wenn sie erwischt würden, sagte Cleveland, solle sie das Reden ihr überlassen. „Unbedingt“, sagte Janey. Ach, wie gern würde sie das erleben. Es wäre die Zeit im Knast wert. Sie ließen jedes Mal ein Dutzend dürre Vögel mitgehen, sechs Hennen pro Jutesack, setzten sich abwechselnd ans Steuer, zogen um drei Uhr morgens wieder ab, die Hennen auf der mit Handtüchern abgedeckten Rückbank.
Diese Hühner waren derart überzüchtet, dass sie keinen natürlichen Lebensraum mehr hatten. „Um befreit zu werden, brauchst du einen Ort, an dem du frei sein kannst“, sagte Cleveland. Aber Janey war nicht so sicher. Diese Hühner, diese geflügelten Tiere, die immerhin kurze Strecken fliegen können, diese Vögel waren nicht frei wie ein Vogel, sondern vogelfrei, rechtlos, und taugten nicht zur Freiheit.
Eine andere Janey
Janey konnte es natürlich nicht wissen, aber wenn sie geblieben wäre, ihre Mutter nicht verlassen hätte, sich nicht in den Kopf gesetzt hätte, davonzulaufen und ihren Vater zu suchen, wäre ihre Mutter trotzdem an jenem Tag bei einem Autounfall gestorben. Janey hätte neben ihr gesessen. Sie wären auf dem Weg zu Ikea gewesen, um Blumentöpfe und Stühle für die Veranda zu kaufen, doch hätte Janey ihre Mutter sterben sehen und selbst weitergelebt. Sie wäre nicht nach Iowa gezogen (hätte ihren Vater aber schließlich doch noch kennengelernt, und sie wären beide – als Janey bereits dreißig war – zweimal miteinander in einem IHOP essen gegangen, das eine Mal so peinlich wie das andere), sondern zur besten Freundin ihrer Mutter, zu Judy, die keine Tochter hatte, und es hätte nicht Wut, sondern eine große Trauer alles eingefärbt, was sie tat. Sie hätte an Schachwettkämpfen teilgenommen und wäre bis zum Highschool-Ende im Debattierteam geblieben, dann ans College gegangen, hätte Politikwissenschaften und Philosophie studiert und sich schließlich fürs Jurastudium beworben.
Als Studentin an der Environmental Law Clinic der Columbia University hätte sie an einer Klage gegen die EPA mitgearbeitet, die Umweltschutzbehörde, die es verabsäumt hatte, vier Legehennenfarmen in Iowa zur Einhaltung der Bestimmungen des Gesetzes zur Wasserreinhaltung zu zwingen. Diese Betriebe blasen mit mannshohen Ventilatoren für die industrielle Landwirtschaft massive Mengen Kot und Federstaub und Chemikalien in die Bäche und Flüsse der Umgebung und verseuchen das lokale Wasser. Unter den Farmen, gegen die sich die Klage richtete, sind – Zufall, Schicksal oder göttliche Fügung – drei Betriebe, die Janey und Cleveland bei ihren nächtlichen Streifzügen aufgesucht haben. Daher wäre Janey, allen anderslautenden Behauptungen zum Trotz, auch ohne ihre jugendliche Flucht nach Iowa am Ende vermutlich eine mehr oder weniger ähnliche Person geworden. Und so oder so hätte sie diese Farmen nicht in Ruhe gelassen.
Die Klage gegen die Umweltschutzbehörde ging auch ohne Janey ihren Gang. Die Kläger verloren den Prozess. Weitere Verfahren folgten. Und es werden immer weitere folgen. Gewonnen wird kein einziges. Diese Ventilatoren bezwingt niemand.
Dill
Cleveland und Janey bringen die geraubten Hühner zu Dill, der sich in der Scheune neben dem Wohnhaus des Bankers Dev einquartiert hat. Seit er vor einigen Wochen als Chef der Undercover-Ermittlungen einer Organisation von Gegnern der Massentierhaltung abgelöst wurde, ist er arbeitslos.
„Sieben Jahre bevor Cleveland die Henne mitnahm“ war Dill zu Dev gezogen, den er nur „Banker“ nennt. Aber bevor der Banker jetzt für sechs Monate nach Ägypten reiste, um eine neue Niederlassung aufzubauen, erklärt er seinem Lebensgefährten, dass dieser sich während seiner Abwesenheit eine neue Bleibe suchen und verschwinden solle.
Jonathan
Dreizehn Jahre bevor Cleveland die Henne mitnahm, begegneten Jonathan Jarman jun. (24) und Annabelle Green (18) einander zum ersten Mal, und zwar als er mit seiner neuen Erfindung auf die Farm ihres Vaters kam.
Jonathan Jarman junior, der einzige Sohn der Jarman-Egg-Farm-Familie, erfand damals ein Star Cage System, das die konventionellen, als Legebatterien bezeichneten Käfige der Eierproduzenten ersetzen sollte, aber nicht einmal sein Vater wollte auf die neuen Modelle umsteigen. Der Junior zog hausierend von Farm zu Farm und kam auch zu Robert Green senior, der ihn zwar begrüßte, das Gespräch jedoch seiner Tochter Annabelle überließ. Bald darauf heirateten die beiden jungen Leute, und die Eltern freuten sich über den Zusammenschluss der beiden Betriebe.
Diese beiden, Jonathan und Annabelle, setzten eine beachtliche und kostspielige Bewegung in Gang, hin zu erst bereicherter Käfig-, dann Boden-, dann Freilandhaltung, die, als die Jungfarmer erwachsen wurden und die Betriebe übernahmen, über das Land hinwegfegte. Einige Söhne und Töchter kehrten dem Geschäft angewidert den Rücken.
Drei Jahre lang dauerte das kinderlose Eheglück. An dem Tag, an dem Jonathan Jarman junior seiner Frau sagen wollte, dass man bei ihm Krebs diagnostiziert hatte, kam sie ihm zuvor und erklärte, sie werde sich von ihm trennen. Die Ehe wurde geschieden, aber Jonathan starb nicht, denn der Befund erwies sich als falschpositiv.
Annabelle Green Jarman, die Tochter eines großen Eierproduzenten, ist inzwischen zur Aktivistin gegen Massentierhaltung mutiert.
Die Greens
Großvater Green war damals einfach Leo Green gewesen. Dekoriert und voller Tatendrang aus dem Krieg zurück und im Besitz einer Kriegsteilnehmervorzugshypothek. Er erwarb landwirtschaftlichen Grund drei Meilen außerhalb seines Heimatdorfs […]. Er baute kein Haus auf diesem Land, das machte man jetzt nicht mehr. Stattdessen baute er einen gigantischen Stall. […]
Leo Greens erster Stall fasste dreißigtausend Hennen.
Im Lauf der Jahrzehnte rüstete er seine Farm zweimal auf, einmal vor und einmal nach dem Vietnamkrieg, und brachte ihn auf den jeweils neuesten Stand der Technik. Die erste Aufrüstung schuf Platz für fünfzigtausend Vögel, die zweite für siebzigtausend. Dann riss er alles ab und ersetzte es durch das Neueste, was die Achtzigerjahre zu bieten hatten: eine Legehennenbatterie für einhundertzehn tausend Tiere. Die USA waren mittlerweile im Zeitalter der Shopping Malls, der leeren Innenstädte, des ausblutenden ländlichen Raums und der Masseninhaftierung angekommen.
Seit dem Schlaganfall seines gleichnamigen Vaters führt Leo Greens Enkel Robert („Rob“, „Robbie“), Annabelles Bruder, die Hühnerfarm der Familie. Er studierte Betriebswirtschaft, fing vor sechs Jahren mit 22 im väterlichen Betrieb an, ist verheiratet und hat ein kleines Kind.
Der Plan
Cleveland und Janey überreden Dill, Jonathan und Annabelle, sich an der Planung einer großen Aktion zu beteiligen. Sie beabsichtigen, alle Legehennen der Happy Green Family Farm aus den Ställen zu befreien.
Für den Abtransport einer Million Hühner werden sie 60 LKWs benötigen. Die bestellt Janey bei Manny, ihrem ersten Chef in der Spedition, der inzwischen den Betrieb „Noy’s Trucks“ führt und zunächst von ihren Weltverbesserungsplänen nichts wissen will. Aber Janey hat noch ein Ass im Ärmel.
Sie trat einen Schritt vor. Ihr Gesicht hatte sich anscheinend schon verändert, denn er wich vor ihr zurück. „Hast du gedacht, du bist aus dem Schneider, weil du ein paarmal das Motelzimmer gezahlt hast? Was würde Carol wohl denken?“ Sie verschränkte die Arme.
Er erbleichte.
Die beiden einigen sich auf 6000 Dollar Miete. Das Geld kann Dill besorgen.
„Ich hab Zugriff aufs Notfallkonto [des Bankers]“, sagte er. „Danach natürlich nicht mehr, ist klar.“
Annabelle trommelt Gleichgesinnte zusammen. Darunter ist Carl, Deckname Zee.
Er hatte innerhalb von sechs Jahren einunddreißig Ermittlungen in zwölf Staaten absolviert. Das Auto hatte er in der Zeit fünfmal gewechselt, die Gesichtsbehaarung andauernd, den Akzent ebenso, den Namen zweimal legal und seinen Decknamen so oft, dass er den Überblick verloren hatte.
Eines ferneren Tages würde er Janey Flores heiraten, aber an dem Tag, an dem er den Ruf erhielt, wusste er nichts von ihrer Existenz.
Am Ende werden 507 Männer und Frauen bei der Aktion mitmachen „(natürlich waren es nicht nur Ermittler – sie hatten auch Tierheimmitarbeiter, Tattookünstler, vegane Tellerwäscher, jüngere Brüder dabei)“.
Die Aktion
Am dritten Samstag im Juni 2028 betritt Annabelle Green Jarman die Happy Green Family Farm und vergewissert sich, dass niemand außer dem Nicaraguaner Alejandro Muñoz von Price Securities da ist, bevor sie den Aushilfswachmann unter einem Vorwand in einen Abstellraum lockt und dort einschließt.
Die weißen Leghorn-Hühner sind eine hibbelige Rasse. Ja, Bwwaauk war cool und wie selbstverständlich aus Platons Höhle spaziert, aber den Hennen hier fehlte die Wanderlust, der unbekümmerte Abenteuersinn dieser einen kauzigen Kollegin. Diese Hennen hatten Angst.
Nein, danke. Wir bleiben drinnen. Hier ist es gut.
Aber plötzlich entschied jemand für sie, wie immer in ihrem Leben.
Sieben Ställe der Happy Green Family Farm sind leergeräumt und 59 von 60 LKWs weggefahren, als Stall 8 in Brand gerät. Der sollte eigentlich leer sein und war zum Abriss vorgesehen. Ein paar der Feuermelder funktionieren noch. Der Alarm wird allerdings noch Robert Green senior gemeldet, und dessen Sohn erfährt erst nach einer Stunde von dem Feuer.
Nicht nur die Legehennen im Stall 8 kommen um, sondern auch alle anderen, insgesamt eine Million, denn die Polizei verfolgt die Lastwagen und dirigiert sie dann auf den Parkplatz vor einer Kirche, wo die an die Ventilatoren der Farm gewohnten Hühner ersticken.
Von den Menschen stirbt niemand. Schwer verletzt wurde nur Annabelle, die durch ein morsches Dach stürzte.
Die Folgen
Mit wenigen Ausnahmen kommen die an der Aktion Beteiligten mit Bewährungsstrafen bzw. gemeinnütziger Arbeit davon. Das liegt zum einen an einem von der Tierschutzorganisation Humane Society of the United States beauftragten Team von Verteidigern, zum anderen an den Greens, die Annabelle nicht im Gefängnis sehen möchten. Nur um Schadenersatz von der Feuerversicherung zu bekommen, erstattet man eine Anzeige wegen Brandstiftung.
Dill sitzt deshalb 29 Tage lang in Untersuchungshaft, bis er von einer Grand Jury freigesprochen wird. Zum Glück für die Green Family verlangt die Versicherung nur eine Anklage und keine Verurteilung, bevor sie zahlt.
Den beiden Anführerinnen ergeht es weniger gut. Janey wird zu fünf Jahren, Cleveland zu zehn Jahren Haft verurteilt. Sie kommen nach zwei bzw. viereinhalb Jahren wieder frei.
Janey heiratet den vier Jahre älteren Carl („Zee“) und gewinnt Cleveland als Trauzeugin. Ihr erstes Kind stirbt im Alter von knapp drei Monaten, aber Zee und Janey bekommen noch eine Tochter, die sie dann Olive nennen.
Rob Green beendet seine ungeliebte Tätigkeit als Eierproduzent und spielt mit dem Gedanken, ein Fahrradgeschäft zu eröffnen.
Alejandro Muñoz, der ja nur als Urlaubsvertretung für den fest angestellten Wachmann auf der Happy Green Family Farm zu tun hatte, wartet nach den Ereignissen auf Anweisungen von Price Securities.
Ich hörte nichts. Wochen vergingen. Ich kam weiter zum Dienst – ich war für die Nachtschicht eingeteilt, was vermutlich der Grund war, wieso mich niemand bemerkte. Jeden zweiten Montag war mein Gehalt auf dem Konto. Ich schrieb an Price Securities und erhielt keine Antwort. Ich schrieb noch mal, teilte ihnen mit, dass ich gern die Tagschicht hätte – technisch gesehen bestand keine Notwendigkeit, die Hennen nachts zu bewachen, es waren schließlich keine mehr da.
[…]
Im zweiten Jahr gingen die Lichter aus. Kein Strom mehr. Monate zogen ins Land, ohne dass ein Auto vorfuhr, geschweige denn jemand auf dem Gelände erschien. Im dritten Jahr kam nur noch der Bruder [Rob Green] ab und zu, blieb im Auto sitzen, starrte durch die Windschutzscheibe und fuhr vor Einbruch der Dunkelheit wieder davon.
Das Ende
Die Hühner überleben die Menschen und alle anderen Vögel.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)Fünfzigtausend Jahre später unternahmen sie noch immer ihre alljährliche Wallfahrt durch den einstigen State Park zurück zum einstigen Stall, dem ersten von Großvater Green, und ihrem Ursprung.
Aber die Hühner der Zukunft werden nicht allein sein. Die unheilvollen Menschen werden für immer verschwunden sein, und die Hühner werden niemals Hände entwickeln und niemals in jene geistigen Höhen aufsteigen, wo Massenvernichtung möglich ist. Sie werden sich immer nur nehmen, was sie brauchen. Sie werden übers Land laufen und die erhaltenen, wiedererstandenen, prosperierenden Gräser und Insekten essen. Sie werden leben.
In ihrem Roman „Happy Green Family“ nimmt die amerikanische Schriftstellerin Deb Olin Unferth die Massentierhaltung am Beispiel von Eierproduzenten aufs Korn. Allerdings veranschaulicht sie kaum etwas von der Tierquälerei und beschränkt sich auf vegane Romanfiguren, statt über den Zusammenhang zwischen Verbraucherverhalten, Preisdruck und Agrarindustrie nachzudenken.
„Happy Green Family“ ist keine abstrakte, tiefernste Anklage, sondern eine in naher Zukunft spielende (und 50.000 Jahre später endende) Groteske. Deshalb darf man das Buch nicht mit der Erwartung lesen, es handele sich um eine realistische Geschichte. (Das gilt nicht zuletzt für die Anthropomorphisierung der aus dem Stall entwichenen Legehenne Bwwaauk.)
Deb Olin Unferth zerstückelt die flotte Darstellung – der es nicht an Sprachwitz, aber an Esprit fehlt – in kleine, rasch zu lesende Abschnitte und hält sich dabei nicht an die Chronologie, sondern springt locker vor und zurück, nimmt mitunter etwas vorweg, wie im folgenden Beispiel:
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)Eines ferneren Tages würde [Zee] Janey Flores heiraten, aber an dem Tag, an dem er den Ruf erhielt, wusste er nichts von ihrer Existenz.
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2022
Textauszüge: © Verlag Klaus Wagenbach