Jussi Adler-Olsen : Erbarmen
Inhaltsangabe
Kritik
Sie kratzte sich an den glatten Wänden die Fingerspitzen blutig und hämmerte mit den Fäusten an die dicken Scheiben, bis sie ihre Hände nicht mehr spürte. Immer wieder tastete sie sich in der vollständigen Dunkelheit bis an die Stahltür heran und bohrte ihre Nägel in den Spalt. Aber die Tür ließ sich keinen Millimeter bewegen, und die Kante war scharf. (Seite 5)
So beginnt Jussi Adler-Olsen seinen Kriminalroman „Erbarmen“. Bei der eingesperrten Frau handelt es sich um Merete Lynggaard, die stellvertretende Vorsitzende der Demokratischen Partei Dänemarks. Sie verschwand vor fünf Jahren, am 2. März 2002, von einer Fähre während der Überfahrt von Rødby nach Puttgarden. Die damals zweiunddreißigjährige Politikerin war mit ihrem drei Jahre jüngeren, geistig behinderten Bruder Uffe unterwegs nach Berlin. Weil Zeugen eine Rangelei zwischen ihr und Uffe an der Reling beobachtet hatten, verdächtigte man ihn zunächst, seine Schwester ins Meer gestoßen zu haben. Aber das ließ sich nicht beweisen, und die Polizei legte den Fall nach einiger Zeit zu den Akten. Merete Lynggaard wurde für tot erklärt.
Uffe Lynggaard fand man einige Tage nach der Überfahrt auf Fehmarn, wo er herumirrte. Inzwischen lebt er im Pflegeheim Egely in Frederikssund.
Seit einem Unfall am 24. Dezember 1986 ist Uffe autistisch und stumm. Er war dreizehneinhalb Jahre alt und tollte mit Merete im Fond des Familienautos herum, als der Vater, der am Steuer saß, bei einem Überholmanöver auf glatter Fahrbahn ins Schleudern kam und den anderen Wagen abdrängte, sodass dieser gegen einen Baum prallte. Der Großhändler Alexander Lynggaard und seine Frau Lotte waren sofort tot. Im anderen Fahrzeug kamen der Ingenieur Henrik Jensen und seine achtjährige Tochter ums Leben. Deren sechs Jahre älterer Bruder Lars Henrik blieb ebenso wie Merete nahezu unverletzt. Ulla Jensen, der beide Beine zertrümmert worden waren, gebar noch an der Unfallstelle Zwillinge, von denen aufgrund der Umstände nur einer überlebte, wenn auch mit einer Gehirnschädigung und schweren Verbrennungen.
Merete Lynggaard wurde auf der Fähre kurz vor der Ankunft in Puttgarden von hinten überwältigt und entführt. Man sperrte sie in einen lichtlosen Raum mit Betonwänden. Nach einer Woche öffnet sich erstmals eine Schleuse, und sie bekommt einen Toilettenkübel und einen zweiten Eimer mit Wasser und Essen. Nach 126 Tagen und 119 Eimerwechseln schaltet jemand plötzlich Licht ein und gratuliert ihr über Lautsprecher zum 32. Geburtstag. Der Druck in ihrem hermetisch abgedichteten Gefängnis wird um 1 bar erhöht. Ein Jahr lang herrscht wieder Schweigen, während die Neonröhren ununterbrochen leuchten. Dann, an Meretes 33. Geburtstag, wird der Druck auf 3 bar verstärkt. Verzweifelt fragt Merete, warum man sie so quält, aber die Person, die nur an ihren Geburtstagen ein paar Worte an sie richtet, beantwortet keine Fragen.
Am 6. Juli 2005, ihrem 35. Geburtstag, erhöhen der oder die Entführer den Druck auf 5 bar. In Meretes Ohren beginnt es zu peifen, und das hört monatelang nicht auf. Mit einem Hungerstreik will sie eine Änderung erzwingen. Nach einer Woche klemmt offenbar der Knopf zum Ein- und Ausschalten der Gegensprechanlage, und sie hört eine Frau und einen Mann.
„Sie ist bestimmt wieder zwischen die Scheiben gekrochen“, fuhr die Frau fort.
„Meinst du, sie ist tot? Inzwischen ist eine Woche vergangen.“ Das war der Mann, der sprach […]
„Das könnte ihr ähnlich sehen, dieser Sau.“
„Sollen wir den Druck ausgleichen und nachschauen?“
„Und was willst du dann mit ihr machen? Alle Zellen in ihrem Körper sind an fünf bar Überdruck angepasst. Es dauert eine Woche, um ihren Körper herunterzufahren. Wenn wir jetzt aufmachen, explodiert sie auf der Stelle! Du hast ja ihren Stuhlgang gesehen, wie der sich hier draußen ausdehnt. Und der Urin, der brodelt doch förmlich. Sie hat jetzt drei Jahre in dieser Druckkammer gelebt, vergiss das nicht.“ (Seite 200f)
Zahnschmerzen bringen Meret fast um den Verstand. Die Bewacher schicken ihr durch die Schleuse eine Zange, mit der sie sich den eitrigen Zahn in dreitägiger Anstrengung zunächst lockert und dann zieht.
Vizekriminalkommissar Carl Mørck ist seit fünfundzwanzig Jahren bei der Mordkommission in Kopenhagen. Seine Ehefrau Vigga verließ ihn 2005, also vor zwei Jahren, und zog ins Gartenhaus in Islev, aber von einer Scheidung will sie nichts hören. Stattdessen soll Carl zwei Drittel ihrer neu eröffneten Kunstgalerie übernehmen. Er wohnt mit dem Sohn Jesper nach wie vor in seinem Haus in Allerød und hat den dreiunddreißig Jahre alten Studenten Morten Holland als Untermieter.
Als Carl mit seinen Kollegen Anker und Hardy zum Tatort eines Mordes gerufen wird und sie sich in der Wohnung des Opfers Georg Madsen umsehen, stürmt der Täter plötzlich herein und eröffnet das Feuer auf die Polizisten. Anker kommt dabei ums Leben, Hardy wird querschnittgelähmt in die Klinik in Hornbæk gebracht; nur Carl kommt mit einem Streifschuss an der Schläfe davon.
Zwei Monate später geht er wieder zum Dienst. Aber der Einzelgänger ist aufgrund des traumatischen Erlebnisses deprimiert und noch zynischer als zuvor. Weil sich die Kollegen reihenweise über ihn beschweren, übertragen ihm Marcus Jacobsen, der Chef der Mordkommission, und dessen Stellvertreter Lars Bjørn den Aufbau eines neuen Dezernats mit der Bezeichnung Q, das alte, nie aufgeklärte Fälle neu aufrollen soll. Im Keller des Polizeipräsidiums wird dem abgeschobenen Vizekriminalkommissar ein Büro eingerichtet.
Statt in den Akten zu blättern, löst Carl Sudoku und döst vor sich hin. Damit ist es vorbei, als er einen Assistenten erhält. Hafez el-Assad kam 1998 mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern nach Dänemark, lebte bis 2000 im Flüchtlingslager Sandholm und erhielt dann Asyl. Angeblich stammt er aus Syrien, aber im Lauf der Zeit beginnt Carl Mørck daran zu zweifeln. Assad gibt sich nicht damit zufrieden, das Büro sauber zu halten und Kaffee zu kochen, sondern er bittet darum, sich ein paar der Akten ansehen zu dürfen.
So stößt er auf den Fall der inzwischen für tot erklärten Politikerin Merete Lynggaard. Er kann sich gut an die Presseberichte über ihr Verschwinden erinnern, denn in dem Dänischkurs, an dem er 2002 teilnahm, lasen sie Zeitung. Notgedrungen beschäftigt sich auch Carl Mørck mit der Akte. Rasch stellt er fest, dass die Ermittlungen seines Kollegen Børge Bak nachlässig waren.
In den Unterlagen steht, dass Merete Lynggaard am 20. Februar 2002 in Christiansborg eine Delegation empfing, zu der auch ein gewisser Daniel Hale gehörte. Daniel Hale verbrannte am Tag nach Meretes Verschwinden nach einem Verkehrsunfall in seinem Auto. Carl Mørck besorgt sich ein Foto Hales, aber der Delegationsleiter Bille Antvorskov versichert ihm, den Abgebildeten nicht zu kennen. Børge Bak übersah damals, dass Daniel Hale am 20. Februar 2002 im Ausland war. Dennis Knudsen, der Autofahrer, mit dem Daniel Hale am 3. März 2002 zusammenstieß, starb bald darauf im Haus seiner Eltern in Skævinge an einer Überdosis Alkohol und Tabletten. Angeblich handelte es sich um einen Suizid. Die Spuren am Unfallort bestärken Carls Verdacht, dass Daniel Hale absichtlich so abgedrängt wurde, dass er mit seinem Wagen gegen eine Mauer prallte. Knudsens Schwester Camilla hält es für möglich, dass ihr Bruder von jemandem gezwungen wurde, den Unfall herbeizuführen, und sie glaubt, dass ihn der Auftraggeber anschließend ermordete. Als Täter verdächtigt sie Dennis‘ Jugendfreund, den sie allerdings nur unter dem Spitznamen Atomos kennt. Sie gibt Carl Mørck ein Foto mit, auf dem Dennis und Atomos als Jugendliche zu sehen sind.
Bille Antvorskov erkennt in Atomos das Mitglied der Delegation, das sich Daniel Hale nannte. Carl Mørck fährt nach Frederikssund und zeigt das Foto Uffe Lynggaard. Der Autist starrt Atomos an und schreit entsetzt.
Camilla meint, Atomos sei Anfang der Achtzigerjahre in einem Erziehungsheim in Godhavn gewesen. Der inzwischen pensionierte Erzieher John Rasmussen erinnert sich an den Jungen. Atomos nannten ihn seine Kumpel, weil sein Vater Ingenieur auf der Atomversuchsstation der Insel Risø war. Sein bürgerlicher Name lautet Lars Henrik Jensen.
Trotz des verspiegelten Glases in den Bullaugen ihres Gefängnisses gelingt es Merete Lynggaard, das Gesicht des Peinigers zu sehen, den die Frau und der andere Mann Lasse nennen. Und sie erkennt ihn.
An Silvester 2006 kündigt Lasse ihr an, sie werde am 15. Mai 2007 sterben. An diesem Tag will er den inzwischen auf 6 bar erhöhten Luftdruck innerhalb von Minuten auf 1 bar senken.
„Das wird wehtun, Merete, aber es wird sicher auch schnell gehen. Der Stickstoff hat sich in deinem Fettgewebe angesammelt. Du ist zwar sehr dünn, aber du kannst davon ausgehen, dass sich überall in deinem Körper Luftblasen abgelagert haben. Wenn sich deine Knochen ausdehnen und die Knochensplitter erst anfangen, sich ins Gewebe zu sprengen, wenn der Druck unter deinen Plomben so groß wird, dass er sie in einem Mund explodieren lässt, wenn du merkst, wie die Schmerzen durch deine Schulter- und Hüftgelenke schießen, dann weißt du, dass die Zeit gekommen ist.“ (Seite 315)
Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.
Bei Lasse handelt es sich um Lars Henrik Jensen, den Mann, der im Alter von vierzehn Jahren zusehen musste, wie sein Vater, seine Schwester und einer der beiden neugeborenen Zwillinge ums Leben kamen. Seine Mutter sitzt seither im Rollstuhl, und Hans, der überlebende Zwilling, ist aufgrund des Sauerstoffmangels bei der Geburt geistig behindert und durch Brandverletzungen entstellt. Lasse kam damals zu Pflegeeltern. Dafür, dass sein Pflegevater ihn mehrmals verprügelte, rächte er sich, indem er ihn erschlug und die Leiche ins Schneidwerk eines Mähdreschers warf. Nun ist Merete das Objekt seiner Rache. Daniel Hale musste nur sterben, weil Lasse sich unter seiner Identität an Merete heranmachte und dies nicht aufgedeckt werden sollte. Dennis Knudsen ermordete er, um das versprochene Honorar für den Mord an Daniel Hale zu sparen und einen Zeugen zu beseitigen.
Carl Mørck, der inzwischen weiß, dass Lars Henrik Jensen und Merete Lynggaard zu den Überlebenden des Autounfalls am 24. Dezember 1986 gehören, fährt mit Hafez el-Assad nach Greve. Dort, auf dem Gelände des bankrotten Unternehmens HJ Industries, soll Ulla Jensen wohnen. Ein Mann Anfang zwanzig mit einem offenbar durch Verbrennungen entstellten Gesicht lässt sie zögernd in das Gebäude, in dem seine Mutter wohnt. Lasse sei Schiffssteward und noch etwa einen Monat auf See, behauptet sie. Die beiden Besucher glauben ihr zwar nicht, aber es bleibt ihnen nichts anderes übrig, als sich zu verabschieden.
Assad entging nicht, dass neben dem Bett der Frau drei oder vier eingeschaltete Monitore stehen, die zwar abgedeckt waren, deren Licht jedoch durch den Stoff schimmerte.
Als Merete am 4. April 2007 hört, wie Ulla und Hans Jensen aus irgendeinem Grund über die Sprengung des Gebäudes diskutieren, verklemmt sie die innere Türe der Schleuse mit der Taschenlampe, die sie vor Jahren bekam. Ein zischendes Geräusch weist darauf hin, dass Luft nach draußen entweicht. Ulla Jensen fordert Hans auf, einen Vorschlaghammer zu holen und die Bullaugen einzuschlagen. Um nicht durch den plötzlichen Druckausgleich zu sterben, sondern über ihr Ende selbst zu bestimmen, sticht Merete sich mit einem am Beton spitz geschliffenen Nylonstäbchen aus ihrer Kapuze in die Pulsadern. Hans Jensen versucht, die verspiegelten Scheiben zu zertrümmern, aber es gelingt ihm nicht. Das Panzerglas wird nur milchig.
Kurz darauf kommt Lasse. Seine Mutter unterrichtet ihn über den Besuch der Polizei. Sie befürchtet, dass die Männer zurückkommen. Durch einen Anruf bei seiner Reederei werden sie herausfinden, dass er seit längerer Zeit nicht mehr auf See war, sondern inzwischen in der Catering-Abteilung arbeitet. Nachdem Lasse vergeblich mit einer Schrotflinte auf die Bullaugen geschossen hat, schaltet er den Timer für den Druckausgleich im Gefängnis ein. In 50 Minuten wird sich der Luftdruck von 6 auf 1 bar reduziert haben.
Carl Mørck und Assad kehren unterwegs um und rasen mit Blaulicht zurück.
Obwohl sie keinen Durchsuchungsbefehl haben, brechen sie verschlossene Türen auf. In einem Raum hängen Fotos von Merete Lynggaard an der Wand. Sie hören einen Pfeifton, wie er von aus- oder einströmender Luft erzeugt wird. Zu den Fabrikanlagen, die HJ Industries – HJ für Henrik Jensen – von Daniel Hales Unternehmen Interlab gekauft hatte, gehört auch eine hermetisch abgedichtete Druckkammer. Carl ahnt, dass Merete sich darin befindet. Er ruft den Parlamentarier und Berufstaucher Kurt Hansen an und drängt ihn, so rasch wie möglich eine mobile Dekompressionskammer herbeizuschaffen.
Plötzlich werden Carl Mørck und Assad von Lasse Jensen mit einer Schrotflinte beschossen. Obwohl sie beide verletzt sind, gelingt es Assad, unbemerkt sein Springmesser herauszunehmen und es Lasse ins Bein zu rammen. Während er dem Verbrecher die Klinge an die Kehle drückt, schreit er:
„Wie halten wir den Scheiß an? Wie verschließt man die Ventile? Sag es!“ (Seite 392)
Da wird er von Hans Jensen mit einer Eisenstange niedergeschlagen. Ulla Jensen kommt im Rollstuhl. Ihre Söhne legen Carl Mørck bereits vorbereitete Sprengladungen um den Hals. Lasse rät seiner Mutter, sich ins Freie zu begeben. Als sie auf Assad zurollt, springt dieser plötzlich auf, packt ihre Knie und stürmt mit dem Rollstuhl als Rammblock gegen Lasse und Hans los. Während Ulla Jensen zu Boden stürzt und liegen bleibt, überwältigen Assad und Carl Mørck ihre Söhne. Die Sprengladungen wickeln sie nun Lasse um den Hals. Sie wollen ihn zwingen, die Ventile zu schließen. Doch er behauptet, im Handbuch nachschauen zu müssen, und während Assad geht, um es zu holen, rennt er nach draußen. Dabei reißt er den mit den Sprengladungen verbundenen Akku um, und als das noch lose Kabelende das andere berührt, zerfetzt ihn die Explosion.
Ulla Jensen wird zu acht Jahren Haft verurteilt, ihr Sohn Hans muss für drei Jahre ins Gefängnis.
Merete Lynggaard wird zunächst in eine mobile Dekompressionskammer und dann ins Krankenhaus gebracht, wo die Ärzte sie in ein künstliches Koma versetzen. Sie befürchten, dass ihr Gehirn massiv geschädigt ist. Als sie die Patientin langsam aus dem Koma holen, sitzt ihr Bruder Uffe an ihrem Bett. Eine Oberschwester aus Egely ist bei ihm. Carl Mørck, der mit im Krankenzimmer steht, hört, wie Uffe mühsam den Namen seiner Schwester ausspricht und diese flüstert: „Danke, Uffe“.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)Die Grundidee des Plots von „Erbarmen“ ist ausgefallen: Jemand sperrt eine Frau jahrelang in eine hermetisch abgedichtete Kammer aus Beton und erhöht jeweils an ihrem Geburtstag den Druck um 1 bar, bis auf 6 bar. Er plant, die Luftventile nach fünfeinhalb Jahren zu öffnen. Der rasche Druckausgleich würde die Gefangene regelrecht explodieren lassen.
Jussi Adler-Olsen erzählt parallel von dem Opfer in der Druckkammer (2002 bis 2007) und den nach fünf Jahren wieder aufgenommenen polizeilichen Ermittlungen (2007) im Fall einer am 2. März 2002 spurlos verschwundenen Politikerin. Die Spannung entsteht aus der Frage, von wem und warum Merete Lynggaard in der Druckkammer gequält wird und ob die Polizei den Tätern noch rechtzeitig auf die Spur kommt.
Die Form des Romans „Erbarmen“ ist überzeugend. Für den Inhalt gilt das nicht: Jussi Adler-Olsen macht sich nicht die Mühe, Meretes Lage psychologisch auszuloten, sondern erfindet nur ein paar reißerische Episoden in der Druckkammer. Wie er damit die über fünf Jahre lange Gefangenschaft einer Frau in absoluter sensorischer Deprivation inszeniert, ist unreflektiert und unrealistisch. Der andere Erzählstrang des Romans „Erbarmen“ kann dieses Manko auch nicht ausgleichen, denn die polizeilichen Ermittlungen, die Jussi Adler-Olsen sich einfallen lässt, sind nicht besonders raffiniert. Der Autor baut offenbar mehr auf die amüsante Gegensätzlichkeit der Charaktere des Vizekriminalkommissars Carl Mørck und seines Assistenten Hafez el-Assad. Andererseits bläht Jussi Adler-Olsen den Roman „Erbarmen“ mit überflüssigen Nebenhandlungen auf und tippt zu viele Themen an, auf die er dann nicht weiter eingeht, zum Beispiel Korruption, die Rolle der Medien und Sterbehilfe.
Fazit: „Erbarmen. Der erste Fall für Carl Mørck, Sonderdezernat Q“ ist ein formal gelungener, inhaltlich anspruchsloser, aber durchaus spannender und unterhaltsamer Thriller.
Den Roman „Erbarmen“ von Jussi Adler-Olsen gibt es auch als Hörbuch, gelesen von Wolfram Koch und Ulrike Hübschmann (Bearbeitung: Annika Berns, Regie Frank Bruder, Berlin 2009, 5 CDs, ISBN: 978-3-89813-884-0).
Mikkel Nørgaard verfilmte den Roman „Erbarmen“ von Jussi Adler-Olsen. Die Dreharbeiten begannen im Oktober 2012. Der Film soll am 16. Januar 2014 ins Kino kommen.
Erbarmen – Originaltitel: Kvinden i buret – Regie: Mikkel Nørgaard – Drehbuch: Nikolaj Arcel, nach dem Roman „Erbarmen“ von Jussi Adler-Olsen – Kamera: Eric Kress – Schnitt: Martin Schade – Musik: Patrik Andrén, Uno Helmersson, Johan Söderqvist – Darsteller: Nikolaj Lie Kaas, Fares Fares, Sonja Richter, Mikkel Boe Følsgaard u.a. – 2013; 95 Minuten
Jussi Adler-Olsen wurde am 2. August 1950 in Kopenhagen geboren. 1997 erschien sein erster Roman: „Alfabethuset“. Es folgten die Kriminalromane „Firmaknuseren“ (2003) und „Washington Dekretet“ (2003). Mit „Kvinden i buret“ (2007) – „Erbarmen“ (2009) – schrieb Jussi Adler-Olsen einen Bestseller, und mit dem zweiten Roman über Vizekriminalkommissar Carl Mørck – „Fasandræberne“ (2008) bzw. „Schändung“ (2008) – konnte er den Erfolg fortsetzen.
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2010
Textauszüge: © Deutscher Taschenbuch Verlag
Jussi Adler-Olsen: Schändung
Jussi Adler-Olsen: Erlösung
Jussi Adler-Olsen: Verheißung. Der Grenzenlose