Oliver Buslau : Die 5. Passion

Die 5. Passion
Die 5. Passion Originalausgabe: Wilhelm Goldmann Verlag, München 2009 ISBN: 978-3-442-46511-8, 542 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Die Sopranistin Gwendolyn Fischer steht vor dem Beginn einer Weltkarriere, als sie über den Tod ihres Vaters benachrichtigt wird. Angeblich nahm Prof. Dr. Adrian Fischer sich das Leben, aber Kommissar Tobias Brandt geht von einem Mord aus, und als sich sein Verdacht bestätigt, lässt er die Leiche exhumieren. Im Sarg werden Noten der verschollenen 5. Passion von Johann Sebastian Bach gefunden ...
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Kritik

In dem Thriller "Die 5. Passion" entwickelt Oliver Buslau aus Tatsachen der Musikgeschichte und fiktiven Handlungselementen eine spannende Handlung, deren Figuren allerdings schemenhaft bleiben.
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Die siebenundzwanzigjährige, in Köln wohnende Sopranistin Gwendolyn Fischer steht vor dem Beginn einer Weltkarriere. Sie kann zwar keine Noten lesen, verfügt jedoch über ein ausgezeichnetes Gedächtnis und studiert ihre Partien ein, indem sie Aufnahmen davon anhört. Zur Vorbereitung für ihren nächsten Auftritt wird das allerdings nicht möglich sein, denn es handelt sich um die Uraufführung eines von Christopher Leonard komponierten Zyklus von orchesterbegleiteten Lieder nach Texten von Rainer Maria Rilke. Leonard wird Gwendolyn die Lieder am Klavier vorspielen müssen, und sie freut sich auf die gemeinsame Arbeit mit dem Musiker, der auch ihr Geliebter ist.

Am Abend vor dem Beginn der Proben in Berlin erhält Gwendolyn einen Anruf des Notars Johansen aus Leipzig. Er teilt ihr mit, dass ihr Vater starb und drängt sie, trotz ihrer Verpflichtungen an der Bestattung und der anschließenden Testamentseröffnung am nächsten Morgen in Leipzig teilzunehmen. Obwohl Gwendolyn seit Jahren keinen Kontakt mehr zu ihrem Vater hatte, lässt sie sich dazu überreden.

Professor Dr. Adrian Fischer wurde am 24. September 1932 in Weimar geboren. Er promovierte 1956 in Köln über „Johann Sebastian Bach und das pythagoräische Weltbild“. 1965 wurde er Professor. Seine Habilitationsschrift trug den Titel „Kompositionstheorie in der Bachzeit“. Nach der Emeritierung zog er sich 1999 in ein Haus in Leipzig-Leutzsch zurück. Seine Ehefrau, eine Amerikanerin, hatte sich von ihm getrennt, als Gwendolyn vier oder fünf Jahre alt gewesen war. Sie starb inzwischen in den USA an Krebs.

Während Musik für Gwendolyn nichts als Klang und Emotion bedeutet, beschäftigte sich ihr Vater vor allem intellektuell damit.

Es waren einfach zwei verschiedene Dinge, Musik rational zu verstehen oder sich voll und ganz in die elektrisierende Kraft einer Opernarie zu stürzen – einfach zu singen und dabei die ganze Leidenschaft, die Komponisten wie Verdi oder Puccini hineingelegt hatten, zum Ausdruck zu bringen […] Die […] Reduzierung von Musik auf Mathematik lähmte sie nur. Eine Welt der Zahlen konnte keine Welt der Musik sein. Zahlen hatten kein Gefühl. (Seite 31f)

In Leipzig erfährt Gwendolyn, dass ihr Vater sie als Alleinerbin eingesetzt hatte. Bevor sie nach Berlin weiterreist, ruft Christopher Leonards Sekretärin an und sagt das für den Abend geplante Treffen ab. Der Komponist müsse vor dem Beginn der Proben noch an der Partitur arbeiten.

Adrian Fischer stürzte von einer Autobahnbrücke vor einen Lastwagen. Der zuständige Dezernatsleiter der Polizei geht von einem Suizid aus, zumal der Musikprofessor unheilbar an Leukämie erkrankt war, aber Hauptkommissar Tobias Brandt glaubt nicht, dass sich ein Lebensmüder von einer weniger als zehn Meter hohen Brücke stürzt. Als Zeugenaussagen seinen Verdacht erhärten, dass es sich um einen Mord gehandelt haben könnte, beantragt der Achtundvierzigjährige eine Exhumierung der Leiche und informiert darüber die Sopranistin.

Bei dem Toten wird ein großformatiger Brief gefunden. Der Notar bestätigt, dass er das Kuvert in den Sarg legen ließ, um dem letzten Willen des Verstorbenen zu entsprechen. Brandt erklärt Gwendolyn, sie müsse entscheiden, was mit dem Fundstück geschehen soll. Als sie die Hülle aufreißt, kommt ein weiterer Umschlag zum Vorschein, auf den ihr Vater in fünfzehn Sprachen geschrieben hat: „Nicht vor dem Jüngsten Tage öffnen!“ Gwendolyn missachtet die unsinnig erscheinende Mahnung. Das Kuvert enthält vierzehn Blätter einer Partitur von Johann Sebastian Bach mit der Überschrift „Passio“. Es handelt sich um eine vierstimmige Fuge für Streicher. Warum wollte Adrian Fischer diese Noten mit ins Grab nehmen?

Brandts Verdacht, dass Andrian Fischer ermordet wurde, wird durch die gerichtsmedizinische Untersuchung der exhumierten Leiche bestätigt: Der Musikprofessor starb an einem Herzinfarkt und war offenbar bereits tot, als ihn jemand von der Brücke warf.

Von ihrer Agentin Maria Winkler erhält Gwendolyn die Nachricht, dass ihr bevorstehendes Engagement an der Mailänder Scala abgesagt wurde. Obwohl Melinda Cortez sich als Sängerin nicht mit Gwendolyn Fischer messen kann, soll sie nun die Rolle der Violetta Valery in „La Traviata“ übernehmen.

Ein seltsamer Mann, der sich Matthias Lenau nennt und offenbar mehr über die im Sarg entdeckte Partitur weiß, macht sich an Gwendolyn heran. Zunächst glaubt sie, er stehe mit einem Anrufer in Verbindung, der die Partitur haben möchte, aber es wird ihr rasch klar, dass Lenau zwar ahnt, um wen es sich bei dem Interessenten handelt, aber nicht mit ihm zusammenarbeitet.

Lenau erklärt Gwendolyn, Johann Sebastian Bach habe in seine Musik geheime Botschaften integriert. Seit Lorenz Christoph Mizler von Kolof (1711 – 1778) gibt es immer wieder Versuche, in den Noten versteckte Nachrichten zu entschlüsseln.

Der Anrufer, der seinen Namen nicht nennt, an dessen Stimme sich Gwendolyn jedoch dunkel im Zusammenhang mit einem traumatischen Erlebnis in ihrer Kindheit erinnert, fordert sie auf, die Partitur am Eingang zum Völkerschlachtdenkmal abzulegen. Die Sängerin, die davon ausgeht, dass der geheimnisvolle Interessent die Absage aus Mailand veranlasst hat, ist zu allem bereit, wenn nur ihre Karriere nicht weiter behindert wird. Nachdem sie die Anordnungen befolgt hat, erhält sie jedoch die Nachricht, die Übergabe sei gescheitert.

Als Christopher Leonard von Berlin nach Torgau fährt, um sich dort in seinem Wochenendhaus mit Gwendolyn zu treffen, muss er wegen eines auf der Straße stehenden Kinderwagens anhalten. Er steigt aus – und wird erschossen. Durch seinen Tod platzt auch Gwendolyn Engagement in Berlin.

Lenau sieht sich mit Gwendolyn im Haus ihres Vaters um. Aus den Noten, die Adrian Fischer auf einer Tafel notierte, decodiert Lenau durch Gematrie die Buchstabenfolge DAIPEOZKAAHLDLERYTPASGEE. Daraus liest er DIEZAHLDERTAGE und APOKALYPSE. Kannte Johann Sebastian Bach das Datum des Weltuntergangs und baute er es verschlüsselt in seine Musik ein?

Ein Mann, von dem sich Gwendolyn seit dem Tod ihres Vaters verfolgt fühlt, überrascht die beiden und schießt Lenau nieder. Gwendolyn entkommt ihm.

Volpone – so heißt der aus Mailand stammende Angreifer – wurde als Kind von seinen Eltern vernachlässigt. Die Mutter war meistens betrunken, der Vater entweder im Gefängnis oder bei einer anderen Frau. Als Halbwüchsiger lief Volpone von zu Hause fort und trieb sich zunächst als Taschendieb auf dem Petersplatz in Rom herum. Mit neunzehn – inzwischen arbeitete bereits eine ganze Bande von Taschendieben für ihn – stieg er in den Waffenhandel ein, und später kam Autodiebstahl dazu. Bei einem verbotenen Autorennen rammte er den Wagen eines Priesters. Sie wurden beide schwer verletzt. Volpone musste für drei Jahre ins Gefängnis. Zwei Monate vor der Entlassung besuchte ihn der aufgrund des Unfalls erblindete Geistliche. Als Volpone seine Strafe verbüßt hatte, musste er feststellen, dass an der Stelle, an der er 200 000 Euro vergraben hatte, ein Bürohaus gebaut worden war. – Seit damals tut Volpone, was der Padre ihm aufträgt, denn obwohl dazu beispielsweise auch die Ermordung des Dirigenten Christopher Leonard gehörte, ist er überzeugt, auf diese Weise sein Seelenheil sichern zu können. Der Padre, der Opernmusik für sündig hält, will Gwendolyn Fischers Karriere mit allen Mitteln zerstören, und Volpone soll ihm die Partitur beschaffen, die Adrian Fischer mit ins Grab nahm.

Maria vermittelt Gwendolyn ein neues Engagement, als eine Sopranistin ausfällt. Das heißt allerdings, dass Gwendolyn bereits am übernächsten Abend in der Pariser Opéra Garnier die Rolle der Margarete in „Faust“ von Charles Gounod übernehmen soll.

Volpone folgt Gwendolyn nach Paris, überfällt sie dort auf der Straße und zerrt sie in ein Auto. Gefesselt und mit einem Sack über dem Kopf nimmt sie wahr, wie er mit ihr die französische Hauptstadt verlässt. Die Fahrt endet offenbar bei einer Kirche – vermutlich der Kathedrale von Chartres –, denn im Gebäude dröhnt eine Orgel. Als Gwendolyn im Kirchenraum erneut die bayerisch oder österreichisch klingende Stimme des mysteriösen Anrufers hört, erinnert sie sich, dass der Mann Leopold Haas heißt. Als sie zwölf oder dreizehn Jahre alt war und am Flügel übte, wurde sie von dem in den vatikanischen Archiven arbeitenden Besucher ihres Vaters missbraucht. Nach der Vergewaltigung weigerte Gwendolyn sich, weiter Klavier zu spielen und wurde stattdessen Sängerin.

Offenbar sollte Gwendolyn nur eingeschüchtert werden, denn ihr Entführer bringt sie wieder zurück nach Paris und lässt sie dort frei.

Obwohl es den Mitwirkenden verboten ist, die Stadt vor der Aufführung zu verlassen, fliegt Gwendolyn heimlich mit der ersten Maschine nach Leipzig und bricht in Lenaus Wohnung ein, um sie zu durchsuchen. Dabei wird sie von Tobias Brandt überrascht und kann gerade noch fliehen. Der Kommissar ist überzeugt, dass Gwendolyn vor ihm in der auf den Namen Matthias Kofsky gemieteten Wohnung war, obwohl sie am Abend in Paris singen soll.

Auf der Suche nach Matthias Lenau fährt Gwendolyn zu Cordelia Blau, der Besitzerin eines Esoterikladens und eines Antiquariats, deren Wagen er einmal mit ihr zusammen benutzte. Die Hässlichkeit der Frau erschreckt sie. Lenau ist tatsächlich dort. Obwohl er schwer verletzt ist, will er nicht ins Krankenhaus. Cordelia Blau übergibt der Besucherin die vor dem Völkerdenkmal in Leipzig verschwundene Partitur. Offenbar hatte Lenau sie weggenommen, bevor Haas‘ Beauftragter sie abholen konnte.

Gwendolyn eilt mit einem Taxi nach Berlin, um von dort nach Paris zurückzufliegen.

Inzwischen bat Brandt eine Kollegin in Paris, mit der er vor zehn Jahren in Spanien eine Affäre hatte, um Amtshilfe. Dominique Michel fängt Gwendolyn am Flughafen ab und will sie vernehmen, obwohl die Sopranistin längst in ihrer Garderobe sein müsste. Einen Augenblick der Unachtsamkeit nutzt Gwendolyn, um zu einem Motorradfahrer zu rennen. Für 300 Euro rast er mit ihr zur Place de l’Opéra.

Vor der Opéra Garnier warten jedoch auch bereits Polizisten auf Gwendolyn. Eine SMS rät ihr, in die Metrostation Place de l’Opéra zu laufen. Dort wird sie von Lenau erwartet, der innerhalb weniger Stunden von seinen schweren Verletzungen genesen zu sein scheint. Er verschwindet mit ihr durch eine für die Öffentlichkeit verbotene Türe in den Pariser Untergrund. Nach einem Kampf mit Volpone, der ihnen gefolgt ist, läuft Lenau mit Gwendolyn weiter durch die unterirdischen Gänge. Unter der Oper weist er sie auf den 1910 von Gaston Leroux veröffentlichten Roman „Das Phantom der Oper“ hin, aus dem Andrew Lloyd Webber und Richard Stilgoe ein Musical machten. Durch die Metrostation Chatelet kommen sie wieder ans Tageslicht. Lenau hat Volpone das Handy geraubt, und Gwendolyn knackt die PIN, in dem sie 2, 1, 3, 8 eingibt – BACH. Die gespeicherten Listen zeigen, dass Volpone immer nur ein und dieselbe Nummer in Deutschland anrief.

Lenau und Gwendolyn fahren nach Orly. Zu Gwendolyns Überraschung steht dort Lenaus Privatflugzeug. Damit fliegen sie nach Westen, und zwar zu dem Punkt, an dem sich die Linien der Orte kreuzen, an denen Johann Sebastian Bach lebte: Eisenach, Ohrdruf, Lüneburg, Weimar, Mühlhausen, Köthen, Leipzig. Außerdem wurde dort 1999 die Himmelsscheibe von Nebra gefunden. Es ist bereits Nacht, als sie auf einem Acker landen und einen Hügel erklimmen, auf dem eine Burg steht.

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Während die beiden sich nähern, ruft der blinde Burgherr Leopold Haas Kardinal Trazzini im Vatikan an. Obwohl es mitten in der Nacht ist, begibt dieser sich nach dem Telefongespräch zu den Privatgemächern des Papstes und verlangt ihn zu sprechen.

In der Burg stoßen Lenau und Gwendolyn auf einen Computer. Darauf sind Analysen aller Werke von Johann Sebastian Bach gespeichert. Die entsprechenden Links bilden einen Kreis. Die Matthäus-Passion kann oben in der Mitte angeklickt werden, die Johannes-Passion genau darunter, die Markus-Passion rechts, die Lukas-Passion links. Das ergibt ein Kreuz. Wo sich dessen Balken überschneiden, geht es zur 5. Passion, der Weimarer Passion. Den Angaben zufolge besteht die 5. Passion aus 733361 Noten. Lenau durchschaut rasch, was das bedeutet: Bach kündigte damit das Jüngste Gericht 733361 Tage nach der Kreuzigung Christi am 7. April 33 an, also für den 6. November 2008. Heute ist allerdings bereits der 16. November.

Haas, der inzwischen hereingekommen ist, weist Lenau darauf hin, dass bei der Umstellung vom Julianischen auf den Gregorianischen Kalender ab Oktober 1582 zehn Tage übersprungen wurden. Der Weltuntergang wird also am heutigen Tag stattfinden!

Volpone trifft ein. Mit vorgehaltener Pistole zwingt er die beiden ungebetenen Besucher, dem Blinden auf dem Weg hinauf zur Plattform des Turmes zu folgen.

Haas erklärt Gwendolyn, er habe fünfundzwanzig Jahre lang mit ihrem Vater zusammen in Bachs Werken nach einem Hinweis auf die Apokalypse gesucht. Als Adrian Fischer nicht mehr weitermachen wollte, schickte ihm Haas die Kopie einer von ihm selbst gefälschten Bach-Partitur mit einem Stempel der vatikanischen Archive. Weil es als Sünde gilt, das Datum des Jüngsten Tages herausfinden zu wollen, geriet Fischer am Ende in Gewissensnot und weigerte sich nicht nur weiterzumachen, sondern versuchte auch, sein Lebenswerk zu zerstören.

Als Volpone begreift, dass er sich erneut als Verlierer erwiesen hat, weil es in Johann Sebastian Bachs Musik keine Geheimbotschaft gibt, erschießt er Haas und greift Lenau an. Gwendolyn flieht ins Freie und sieht, wie Volpone vom Turm stürzt.

Nach drei Tagen kommt Gwendolyn in einem Krankenhaus wieder zu sich. Sie war in der Aufregung vor ein Auto gelaufen.

Einige Monate später singt sie in der Kölner Philharmonie bei der Uraufführung der 5. Passion, deren Partitur sie in der Burg fand. Tobias Brandt sitzt im Publikum. Nach dem Konzert erzählt er Gwendolyn, dass er den Polizeidienst quittiert habe und jetzt in Leipzig eine Kneipe betreibe. Der Mann, der sich Matthias Lenau nannte, sei ebenso verschwunden wie Cordelia Blau. Aber in einer Klinik in Hessen befindet sich seit einem halben Jahr ein Patient ohne Papiere, auf den die Beschreibung des Mannes passt. Er scheint vor zwei Jahren aus einer psychiatrischen Anstalt in Österreich ausgebrochen zu sein, und es handelt sich vermutlich um einen Savant. Brandt fährt mit Gwendolyn nach Hessen, um den Patienten zu identifizieren, doch bevor sie dessen Zimmer betreten, flieht dieser trotz der Gitter durchs Fenster.

Auf dem Tisch liegt ein Brief für Gwendolyn, unterzeichnet mit „Ahasver“.

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Dass ein Autor einen Thriller aus historischen Tatsachen und fiktiven Handlungselementen entwickelt, ist nicht neu, aber Oliver Buslau hat für seinen Krimi „Die 5. Passion“ ein ungewöhnliches Thema gewählt: die Musikgeschichte, im Speziellen die Passionen von Johann Sebastian Bach. Auf diesem Gebiet kennt sich der Musikjournalist aus.

Oliver Buslau hat sich zwar viel Mühe gemacht, die Handlung aus mehreren Strängen parallel aufzubauen und mit Cliffhangern Spannung zu erzeugen, aber die einzelnen Teile greifen nicht wie gut geölte Zahnräder ineinander. Einige Wendungen sind nicht nachvollziehbar. Offenbar hat Oliver Buslau in „Die 5. Passion“ vor allem darauf geachtet, eine spannende Geschichte zu erzählen, denn die Figuren hat er nicht wirklich charakterisiert. Von Christopher Leonard, Maria Winkler, Tobias Brandt, Leopold Haas, Volpone und anderen erfahren wir kaum mehr als die Namen. Dass Tobias Brandt vor zwölf Jahren seine jüngere Schwester bei einem Verkehrsunfall verlor, trägt nicht dazu bei, dass wir ihn uns besser vorstellen können. Selbst Gwendolyn Fischer und ihr Vater Adrian bleiben schemenhaft; der Gegensatz zwischen einer Frau, die Musik als Klang erlebt und einem Mann, der sich intellektuell mit Partituren beschäftigt, reicht allenfalls aus, den beiden Figuren Konturen zu geben; farbig werden sie dadurch nicht.

Übrigens passen die Zeitangaben in „Die 5. Passion“ nicht zusammen: Adrian Fischer wurde am 24. September 1932 geboren (Seite 48f, 156) und stirbt mit dreiundsiebzig Jahren (Seite 38) im Monat November (Seite 63). Gwendolyn Fischer war im Mai 1981 drei Jahre alt (Seite 501f) und ist jetzt siebenundzwanzig (Seite 229). Während sich daraus ergibt, dass die Handlung im Jahr 2005 spielt, wird jedoch der 16. November 2008 als aktuelles Datum genannt (Seite 489).

Johann Sebastian Bach soll fünf Passionen komponiert haben. Vollständig erhalten sind die Johannes-Passion (Uraufführung: Leipzig, 7. April 1724) und die Matthäus-Passion (Uraufführung: Leipzig, 15. April 1729, oder früher). Von Bachs Markus-Passion kennen wir nur das Libretto. Bei einer in Johann Sebastian Bachs Handschrift gefundenen Partitur einer Lukas-Passion handelt es sich vermutlich nicht um eines seiner eigenen Werke, sondern um eine Abschrift. Die fünfte Passion soll Johann Sebastian Bach an Ostern 1717 in Gotha aufgeführt haben. Weil er damals im Dienst der Weimarer Herzöge stand, wird diese verloren gegangene Passion, die eigentlich seine erste war, „Weimarer Passion“ genannt. In „Die 5. Passion“ sieht es so aus, als habe Johann Sebastian Bach den fehlenden Schlussteil des aus vierzehn Fugen und vier Kanons bestehenden Zyklus „Die Kunst der Fuge“ zugleich als Vorspiel der fünften Passion verwendet. Das ist Fiktion.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2010
Textauszug: © Wilhelm Goldmann Verlag

Oliver Buslau: Feuer im Elysium

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