Fargo

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Fargo

Fargo - Originaltitel: Fargo - Regie: Joel Coen - Drehbuch: Joel und Ethan Coen - Kamera: Roger A. Deakins - Schnitt: Ethan und Joel Coen alias Roderick Jaynes - Musik: Carter Burwell - Darsteller: Frances McDormand, William H. Macy, Steve Buscemi, Peter Stormare, Harve Presnell u.a. - 1996; 95 Minuten

Inhaltsangabe

Jerry Lundegaard ist Verkaufsleiter im Autosalon seines Schwiegervaters. Um ein Grundstück kaufen und einen eigenen Betrieb eröffnen zu können, benötigt er Geld. Heimlich trifft er sich mit zwei Ganoven, die bereit sind, seine Frau zu entführen und von seinem Schwiegervater Lösegeld zu erpressen. Als dieser unerwartet bereit ist, Geld in das geplante Geschäft zu investieren, ist es zu spät, die Entführung abzusagen ...
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Kritik

"Fargo oszilliert zwischen Idylle und Monstrosität, zwischen Komik und Horror, zwischen Heimeligkeit und Wildnis. Man lacht über den Schrecken, und dann bleibt einem das Lachen wieder im Halse stecken." (Hans Schifferle)

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Minneapolis, Minnesota: Es ist Winter. Da bleibt man entweder in der Wohnung oder im warmen Auto.

Jerry Lundegaard (William H. Macy) ist Verkaufsleiter im Autosalon seines Schwiegervaters Wade Gustafson (Harve Presnell). Um ein Grundstück kaufen und einen eigenen Betrieb eröffnen zu können, benötigt er Geld. Er verschafft sich 320.000 Dollar als Kredit, aber die Bank droht mit juristischen Schritten, weil er die Angabe der Fahrgestellnummern der beliehenen Neuwagen schuldig bleibt. Da die Autos seinem Schwiegervater gehören, kann er diesen nun erst recht nicht um Hilfe bitten. Von einem vorbestraften Automechaniker erhält er die Telefonnummer eines Gauners, mit dem er sich in Fargo, North Dakota, verabredet. Carl Showalter (Steve Buscemi) hat noch einen Komplizen mitgebracht: Gaer Grimsrud (Peter Stormare). Die beiden sollen Jerrys Frau Jean entführen und von seinem Schwiegervater Lösegeld erpressen. Als Anzahlung auf das Honorar für das vorgetäuschte Kidnapping hat ihnen Jerry schon mal einen nagelneuen schwarzen Sierra mitgebracht. 80.000 Dollar will er später zahlen.

Jerrys misstrauischer Schwiegervater und dessen Finanzberater sind plötzlich doch bereit, sein Projekt zu unterstützen und sich finanziell daran zu beteiligen. Aber es ist zu spät, die Entführung abzusagen: Die Gauner sind schon unterwegs. Mit Jerrys wimmernder Frau im Fond des Wagens werden sie von einer Polizeistreife angehalten, weil sie vergessen haben, Überführungskennzeichen an das neue Auto zu montieren. Während der tolpatschige Carl vergeblich versucht, den Beamten zu bestechen, schießt Gaer ohne ein Wort zu sagen. Ein Paar, das gerade mit dem Auto vorbeifährt, sieht, wie Carl die Leiche des Polizisten von der Straße zieht. Gaer verfolgt sie, bis sie sich in einer Kurve überschlagen. Dann erschießt er die beiden Zeugen.

Im Morgengrauen wird die im siebten Monat schwangere Marge Gunderson (Frances McDormand) wegen des dreifachen Mordes gerufen. Nach einem kräftigen – von ihrem liebevollen Mann Norm zubereiteten – Frühstück beginnt die Chefin des zwischen Fargo und Minneapolis gelegenen Polizeipostens von Brainerd mit den Ermittlungen und stößt bald auf den vorbestraften Mechaniker in Wade Gustafsons Autosalon. Ob ihm ein Wagen fehle, fragt sie Jerry, aber der beteuert, es sei alles in Ordnung.

Carl und Gaer verstecken sich mit ihrer Geisel in einem abgelegenen Blockhaus und verlangen nun Geld. In gespielter Verzweiflung wendet sich Jerry an seinen Schwiegervater. Er überredet ihn zwar, keine Polizei einzuschalten, aber er kann ihn nicht davon abhalten, das Lösegeld selbst zu überbringen. Carl wartet bereits auf dem Deck eines Parkhauses. Er ist verwirrt, als statt Jerry ein alter Mann auf ihn zukommt, der ihm den Geldkoffer nur im unmittelbaren Austausch gegen seine Tochter übergeben will. Das Nervenbündel Carl schießt; Wade Gustafson sinkt zu Boden. Aber er hat auch einen Revolver eingesteckt und verletzt Carl mit einem Streifschuss an der Wange, bevor dieser ihn wütend totschießt und den Koffer an sich reißt. Der Mann an der Ausfahrt, der sich über sein blutüberströmtes Gesicht wundert und zögert, die Schranke zu öffnen, erschießt er ebenfalls.

Jerry, der seinem Schwiegervater gefolgt ist, findet die Leichen. Bald darauf kommt Marge Gunderson erneut in sein Büro. Jerry will jetzt angeblich doch nach den Autos sehen – und flieht.

Unterwegs nimmt Carl 80.000 Dollar aus dem Koffer und vergräbt den Rest. Gaer sitzt vor dem Fernsehgerät, als Carl in die Blockhütte kommt. Jean liegt tot am Boden. Sie habe angefangen, herumzukreischen, erklärt Gaer trocken. Carl packt 40.000 Dollar aus und will sich mit dem neuen Sierra entfernen, doch Gaer fühlt sich dadurch übervorteilt, läuft ihm nach und erschlägt ihn mit einer Eisenstange.

Marge fährt mit dem Streifenwagen durch die Gegend – bis sie den schwarzen Sierra in der Nähe einer Blockhütte im Wald entdeckt. Vorsichtig nähert sie sich. Gaer ist gerade dabei, die letzten Reste seines toten Komplizen zu häckseln. Er läuft weg, aber die Polizistin trifft ihn in den Oberschenkel und verhaftet ihn.

Jerry Lundegaard wird in einem Hotelzimmer in North Dakota verhaftet.

Die hochschwangere Marge kriecht zu ihrem Mann Norm ins Bett, kuschelt sich an ihn und tröstet ihn: Auch wenn eines seiner Wildenten-Gemälde nur für eine 3-Cents-Briefmarke ausgewählt wurde, sei das doch ein schöner Erfolg.

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Die Biederkeit und menschliche Wärme im Umgang von Marge Gunderson mit ihrem Mann und ihren Kollegen wird nur einmal kurz gefährdet: Im Zusammenhang mit den Mordfällen hört ein ehemaliger Schulfreund von ihr im Fernsehen und verabredet sich mit ihr in einem Restaurant. Er habe die Mitschülerin Linda geheiratet, behauptet Mike, aber seit sie an Leukämie gestorben sei, fühle er sich sehr einsam. Marge bleibt freundlich, lässt sich aber auf keinen Flirt ein. Später erfährt sie, dass Mike nie verheiratet war, Linda aber belästigte und nun wieder bei seinen Eltern wohnt: ein Psychopath! Die banale Menschlichkeit der schwangeren Marge Gundersons kontrastiert mit der Kälte des erfolgreichen Geschäftsmannes Wade Gustafson, der Skrupellosigkeit des Versagers Jerry Lundegaard und der Gefühllosigkeit der beiden idiotischen Ganoven, die alle eines gemeinsam haben: Geldgier.

So einfach diese Geschichte ist, so genial ist ihre Umsetzung; so vage wie sich die Schemen des Autos aus dem Schneetreiben lösen, so beiläufig wächst die Gewalt aus der Landschaft hervor […] Es braucht keine großen Affekte und Leidenschaften, lehren die Brüder Coen, damit es zu einem Gemetzel kommt […] (Thomas Steinfeld in Süddeutsche Zeitung, 23. Mai 2006)

Im Vorspann wird behauptet, der Film „Fargo“ beruhe auf einer wahren Begebenheit, die sich 1987 in Minnesota zugetragen habe. Wie dem auch sei, die Drehbuchautoren Joel und Ethan Coen inszenieren den Kriminalfall als wahnwitzige Groteske. Die makaberste Szene in „Fargo. Blutiger Schnee“ ist sicher die: Marge Gunderson nähert sich vorsichtig der Blockhütte. Gaer Grimsrud steht am laufenden Gartenschredder. Vor dessen Auswurf ist der Schnee blutrot. Ein Fuß des Opfers ragt noch aus dem Einfüllstutzen.

Die Komik des breiten Dialekts in Minnesota – der Heimat der Gebrüder Coen – geht leider in der Synchronisation verloren. Aber auch die deutsche Fassung ist eine schrecklich unterhaltsame bizarre Mischung aus Komödie und Alptraum. „Fargo oszilliert zwischen Idylle und Monstrosität, zwischen Komik und Horror, zwischen Heimeligkeit und Wildnis. Man lacht über den Schrecken, und dann bleibt einem das Lachen wieder im Halse stecken.“ (Hans Schifferle in „Süddeutsche Zeitung“, 14. November 1996)

Mit „Oscars“ ausgezeichnet wurden die Hauptdarstellerin Frances McDormand und die Drehbuchautoren Joel und Ethan Coen. „Einen feineren und intelligenteren Film werden wir so bald nicht zu sehen kriegen“, schreibt Urs Jenny in „Der Spiegel“ (46/1996, S. 203).

Außer der Filmmusik von Carter Burwell und Songs von Burt Bacharach, Lee Hazlewood, Chuck Mangione und Jimmy Webb sind folgende Titel in „Fargo. Blutiger Schnee“ zu hören:

  • L. Russell Brown: „Tie a Yellow Ribbon Round the Old Oak Tree“
  • Johnny Carson, Paul Anka: „Johnny’s Theme“
  • Merle Haggard, Dean Holloway: „Big City“
  • Stephen Katz: „Sometimes in Winter“
  • José Feliciano: „Let’s Find Each Other Tonight“

2014 wurde damit begonnen, „Fargo“ zu einer Fernsehserie auszuweiten.

Originaltitel: Fargo – Regie: Adam Bernstein, Colin Bucksey, Randall Einhorn, Matt Shakman, Scott Winant – Drehbuch: Noah Hawley – Kamera: Dana Gonzales, Matthew J. Lloyd – Schnitt: Skip Macdonald – Musik: Jeff Russo – Darsteller: Billy Bob Thornton, Allison Tolman, Colin Hanks, Martin Freeman, Bob Odenkirk, Keith Carradine, Joey King, Russell Harvard u.a.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2002 / 2014

Joel und Ethan Coen (Kurzbiografie / Filmografie)

Ethan und Joel Coen: Blood Simple. Eine mörderische Nacht
Ethan und Joel Coen: Arizona Junior
Ethan und Joel Coen: Miller’s Crossing
Ethan und Joel Coen: Barton Fink
Ethan und Joel Coen: Hudsucker. Der große Sprung
Ethan und Joel Coen: The Big Lebowski
Ethan und Joel Coen: O Brother, Where Art Thou? Eine Mississippi Odyssee
Ethan und Joel Coen: Der unauffällige Mr Crane / The Man Who Wasn’t There
Ethan und Joel Coen: Ein (un)möglicher Härtefall
Ethan und Joel Coen: Ladykillers
Ethan und Joel Coen: No Country for Old Men
Ethan und Joel Coen: Burn After Reading
Ethan und Joel Coen: A Serious Man
Ethan und Joel Coen: True Grit. Vergeltung
Ethan und Joel Coen: Inside Llewyn Davis

Andreas Maier - Kirillow
In seinem Roman "Kirillow" protokolliert Andreas Maier das Geschwafel der Studenten und das Getuschel von Spießbürgern. Indem er die Perspektive von Figur zu Figur springen lässt, vermeidet er es, sich auf einen Blickwinkel bzw. eine Meinung festzulegen.
Kirillow