Alexandre Corréard und Jean-Baptiste Henri Savigny : Der Schiffbruch der Fregatte Medusa

Der Schiffbruch der Fregatte Medusa
Naufrage de la frégate la Méduse, faisant partie de l'expédition du Sénégal en 1816 Originalausgabe: 1818 Der Schiffbruch der Fregatte Medusa überarbeitete anonyme Übersetzung Vorwort: Michel Tournier Nachwort: Johannes Zeilinger Bildessay: Jörg Trempler Matthes & Seitz, Berlin 2005 ISBN 3-88221-857-6, 253 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Die französische Fregatte "Medusa" strandete am 2. Juli 1816 auf der Arguin-Sandbank vor der westafrikanischen Küste. Weil die Rettungsboote für die vierhundert Schiffbrüchigen nicht ausreichten, ließ der Kapitän ein Floß zimmern, auf dem sich dann 147 Menschen drängten. Nach 13 Tagen wurde das Floß, auf dem zu diesem Zeitpunkt noch 15 Männer lebten, von einer anderen Schiffsbesatzung entdeckt.
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Kritik

"Der Schiffbruch der Fregatte Medusa" ist ein verstörendes Dokument über die Brüchigkeit von Humanität, über die Abgründe hinter den in Grenzsituationen zusammenbrechenden Fassaden unserer Zivilisation.
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1659 hatten die Franzosen Handelsniederlassungen an der Mündung des Senegal errichtet. Die französische Regierung entsandte 1816 Gouverneur Julien-Desiré Schmaltz mit Forschern, Verwaltungsbeamten und Soldaten nach Westafrika, um dort die Bildung der Kolonie Senegal vorzubereiten.

Eine der vier Fregatten, mit denen die Männer unterwegs waren, hieß „Medusa“; sie stand unter dem Kommando des Kapitäns Hugues Du Roy de Chaumareys. Statt mit den anderen drei Schiffen im Konvoi zu segeln, eilte die „Medusa“ voraus – und strandete am 2. Juli 1816 auf der Arguin-Sandbank vor der westafrikanischen Küste, obwohl diese in den Seekarten verzeichnet und die Sicht nicht eingeschränkt war.

Weil die sechs vorhandenen Rettungsboote nicht ausreichten, um alle vierhundert Schiffbrüchigen aufzunehmen, ließ der Kapitän aus Schiffsplanken der „Medusa“ ein 8 mal 15 Meter großes Floß zimmern, auf dem sich dann 147 Personen drängten, wobei die Offiziere die besser geschützten Plätze in der Mitte beanspruchten. Als sich nach wenigen Stunden herausstellte, dass die Männer in den Ruderbooten mit dem daran vertäuten Floß nicht vorankamen, wurden die Taue gekappt, und die Insassen der Boote überließen die Menschen auf dem manövrierunfähigen Floß ihrem Schicksal.

Wir konnten nicht glauben, dass wir verlassen waren, bis die Boote unseren Blicken entschwanden, doch dann verfielen wir in eine tiefe Verzweiflung.

In der ersten Nacht fielen zwanzig Männer von den Rändern des Floßes ins Meer. Panisch vor Angst drängten alle in die Mitte, die jedoch von den Offizieren gehalten wurde. Fünfundsechzig Menschen kamen bei den Kämpfen um. Die anderen stritten sich um das bisschen Wein und Zwieback auf dem Floß. Als die Ersten starben, stürzten andere sich auf sie und schnitten sich Fleisch aus ihren Körpern, um es zu verschlingen. Einige entsetzten sich zuerst vor dem Kannibalismus, machten dann aber auch mit, um zu überleben. Am dreizehnten Tag wurde das Floß von der Besatzung der Fregatte „Argus“ entdeckt. Zu diesem Zeitpunkt lebten noch fünfzehn der Schiffbrüchigen. Für zwei von ihnen kam die Rettung zu spät: Sie starben kurz danach.

Ein Gericht verurteilte Kapitän Hugues Du Roy de Chaumareys im März 1817 zu drei Jahren Festungshaft. Gouverneur Julien-Desiré Schmaltz wurde rasch wieder aus dem Senegal abberufen.

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Der Schiffsarzt Jean-Baptiste Henri Savigny, der auf dem Floß gewesen war, schrieb einen Bericht für das französische Seeministerium. Den erweiterte er einige Monate später zusammen mit seinem Leidensgefährten, dem Geographen Alexandre Corréard, zu einem Buch, das großes Aufsehen erregte.

2005 ließ der Verlag Matthes & Seitz eine alte anonyme deutschsprachige Übersetzung vorsichtig überarbeiten. Unter dem Titel „Der Schiffbruch der Fregatte Medusa. Ein dokumentarischer Bericht aus dem Jahr 1818“ erschien das Buch von Alexandre Corréard und Jean-Baptiste Henri Savigny mit einem Vorwort von Michel Tournier, einem Nachwort von Johannes Zeilinger und einem Essay von Jörg Trempler über das Gemälde „Floß der Medea“ von Théodore Géricault.

Alexandre Corréard und Jean-Baptiste Henri Savigny bemühten sich trotz ihrer persönlichen Betroffenheit um eine objektive Darstellung, aber ihr Buch ist nicht nur ein sachlich nüchterner Bericht, sondern verfügt auch über die Anschaulichkeit und Faszination eines Abenteuerromans. „Der Schiffbruch der Fregatte Medusa“ ist ein verstörendes Dokument über die Brüchigkeit von Humanität, über die Abgründe hinter den in Grenzsituationen zusammenbrechenden Fassaden unserer Zivilisation.

Der französische Romantiker Théodore Géricault (1791 – 1824) malte 1819 „Das Floß der Medusa“ („Le radeau de la Méduse“), stellte das rund 7 mal 5 Meter große Ölgemälde beim Pariser Salon 1819 allerdings unter dem unauffälligeren Titel „Szene eines Schiffbruchs“ aus. Heute hängt das Bild im Louvre.

1968 schrieb der Komponist Hans Werner Henze (*1926) ein Oratorium über „Das Floß der Medusa“.

Der Regisseur Iradj Azimi arbeitete von 1987 bis 1991 an einem Film über die Schiffskatastrophe: „Le radeau de la Méduse“ („Das Floß der Medusa“), der 1998 in die französischen Kinos kam.

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2006
Textauszüge: © Matthes & Seitz

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