Olaf Jahnke : Patientenrache

Patientenrache
Patientenrache Originalausgabe: Größenwahn Verlag, Frankfurt/M 2016 ISBN: 978-3-95771-104-5, 295 Seiten ISBN: 978-3-95771-105-2 (eBook)
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Eine Versicherungsgesellschaft beauftragt den Privatdetektiv Roland Bernau mit Nach­forschungen über Prügel­attacken gegen zwei Sach­bearbeiter. Er hat noch kaum damit angefangen, als ein Mediziner, den die Opfer mehrmals als Gutachter beauf­tragt hatten, zusam­men­geschlagen wird und stirbt. Die Angreifer kamen jeweils zu zweit auf einem Motorrad. So ist es auch, als ein Vorderreifen einer auf der Autobahn fahrenden Staatsanwältin zerschossen wird ...
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Kritik

Mit dem lebendigen Thriller "Patientenrache" will Olaf Jahnke nicht nur unterhalten. Er weist auch auf Missstände hin und prangert Ver­sicherungen, Gutachter und Juristen an, die versuchen, be­rech­tig­te Patienten-Forderungen abzuwehren.
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Roland Bernau arbeitete früher fürs Bundeskriminalamt in Wiesbaden. Inzwischen führt er eine Privatdetektei in Kelkheim und wird dabei von seiner Assistentin Susanne Söllner unterstützt. Seine Freundin Julia Zeiss wurde bei seinem letzten Einsatz entführt und schwer verletzt. Sie erholt sich noch in einer Reha-Einrichtung in Bad Camberg.

Nicole Helms, eine Abteilungsleiterin einer Versicherungsgesellschaft in Wiesbaden, wendet sich an den Privatdetektiv. Innerhalb von einer Woche wurden zwei ihrer Mitarbeiter zusammengeschlagen: Tobias Güthling aus Wiesbaden-Bierstadt und Johannes Schneider aus Bad Homburg. Der erste mit einer Dachlatte, der zweite mit einem Ast. In beiden Fällen kamen die beiden Täter mit einem Motorrad.

Nicole Helms Abteilung ist für Schadensfälle bei kommunalen Eigenbetrieben zuständig, und die beiden betroffenen Mitarbeiter beschäftigten sich mit Klagen von Patienten gegen Ärzte und Kliniken. Roland Bernau fällt auf, dass die beiden des Öfteren den inzwischen über 70 Jahre alten Prof. Dr. Krahe, einen früheren Chefarzt für Geburtshilfe, als Gutachter beauftragten. Als er dessen Fest­netz­anschluss in Künzell bei Fulda wählt, erfährt er von der Ehefrau Rita, dass der Arzt gerade in Frankfurt ist und erhält dessen Handy­nummer. Roland Bernau hinterlässt ihm eine Nachricht auf der Mailbox. Als er wenig später zurückgerufen wird, ist jedoch nicht Krahe am Apparat, sondern ein Polizist:

„Hier ist Hauptkommissar Meyerholz. Ich habe gesehen, dass Sie der letzte Anrufer auf dem Handy des Professors waren, sogar dreimal hintereinander. Man hat ihn gerade überfallen.“

Wie die beiden Mitarbeiter der Versicherungsgesellschaft wurde der Gutachter von zwei behelmten Personen auf einem Motorrad angegriffen, und zwar vor dem Bordell „Paradies der Lust“ im Bahnhofsviertel. Dieses Mal benutzten sie ein Moniereisen, dessen scharfe Kanten dem Opfer den Rücken aufrissen. Prof. Krahe ist tot.

Als die Polizei abgezogen ist, wendet sich der Privatdetektiv an einen marokkanischen Obst- und Gemüsehändler, von dem er annimmt, dass er die Tat beobachtete. Der berichtet, dass der Fahrer des Motorrads die Passanten mit einer abgesägten Schrotflinte auf Distanz hielt, während der Sozius auf das Oper einschlug. Der Professor lebte noch, als die Täter davonrasten. Er erhob sich und taumelte auf Hauseingänge zu, aber niemand half ihm. Es dauerte noch eine ganze Weile, bis er zusammenbrach. Erst dann rief jemand die Polizei und den Notarzt, der allerdings nur noch den Tod des Opfers feststellen konnte.

Roland Bernau gelingt es, mit der Prostituierten Anna im „Paradies der Lüste“ zu sprechen, bei der Krahe unmittelbar vor dem Überfall war. Sie hatten sich vor einigen Jahren, als Anna noch für einen Escort-Service arbeitete, auf einer Ärzte-Tagung kennengelernt. Seither kam der Professor immer wieder zu ihr.

Von Claudia Breker, der Chefpathologin des gerichtsmedizinischen Instituts in Frankfurt, erfährt Roland Bernau, dass Krahe nicht an den Schlägen starb, sondern kurz nach dem Angriff einem Herzinfarkt erlag. Er trug schon länger einen Herzschrittmacher.

Hauptkommissar Ralf Schmitz, der Leiter der Mordkommission in Bad Homburg, ruft den mit ihm befreundeten Privatdetektiv an und fordert ihn auf, zu einer bestimmten Stelle der Autobahn bei Bad Homburg zu kommen: Die Staatsanwältin Katrin Wetzel war hier mit 120 Stundenkilometern unterwegs, als sie nach Zeugenaussagen von einem Motorrad überholt wurde und der Sozius einen ihrer Vorderreifen zerschoss.

Kriminalrat Rauschenberger vom Landeskriminalamt übernimmt die Leitung der Ermittlungen.

Gibt es zwischen den Angriffen gegen die beiden Versicherungs-Sachbearbeiter, den Gutachter und die Staatsanwältin einen Zusammenhang, abgesehen davon, dass sie alle von zwei Personen auf einem Motorrad verübt wurden? Katrin Wetzel hat einige Klagen von Patienten gegen Ärzte bzw. Kliniken aufgrund von Gutachten gar nicht erst zugelassen. Zwei Kläger unterlagen vor Gericht, einer starb während des Prozesses. Kann es sein, dass es um Patientenrache geht? Handelt es sich bei einem der Täter um einen Patienten, der überzeugt ist, Opfer eines ärztlichen Kunstfehlers zu sein, der jedoch mit seiner Klage erfolglos blieb und auch nichts oder nur wenig von der Versicherung bekam? Anstelle eines Patienten könnte auch ein Angehöriger der Täter sein. Roland Bernau findet sechs Fälle, in denen Klagen gegen bei seinem Auftraggeber versicherte Ärzte bzw. Kliniken an Gutachten Krahes scheiterten.

Julia Zeiss‘ Reha ist zwar noch nicht abgeschlossen, aber sie möchte den Abend mit ihrem Freund verbringen. Roland Bernau kauft für das gemeinsame Essen ein. Er trägt die Tüten vom Auto zu seiner Haustür und gibt ihr den Schlüsselbund, aber bevor sie aufsperren kann, taucht ein Motorrad auf, und der Sozius schießt mit einer abgesägten Schrotflinte. Der Privatdetektiv reißt Julia zu Boden und schirmt sie mit seinem Körper ab. Sie werden beide nur leicht von Splittern verletzt. Roland Bernau verfolgt das Motorrad mit dem Auto, aber es gelingt ihm nicht, es einzuholen. Als er zurückkommt, kümmern sich bereits Sanitäter um Julia.

„Es ist denkbar schlecht gelaufen. Solche Typen besuchen mich zum Glück sehr selten. Eher nie, war heute das erste Mal.“
Julia drehte sich zu mir um.
„Das klingt wirklich positiv. Überzeugt mich. Nur meinen Körper nicht, der zittert nämlich immer noch. Er hat sich von der ersten Nummer noch nicht erholt und bekommt jetzt die nächste Schießerei. Wer braucht das? Ich nicht. Sag Bescheid, wenn du einen anderen Job hast. Irgendetwas Ruhiges, ohne gewalttätige Kundschaft. Wetterbeobachter oder Bibliothekar.“

Der Privatdetektiv nimmt sich die sechs Adressen auf der Liste mit an Gutachten Krahes gescheiterten Klagen vor. Als Erstes fährt er bei dem Ehepaar Nieding im Frankfurter Nordend vorbei. Der rothaarige Rechtsanwalt Gregor Nieding betreibt eine Wirtschaftskanzlei. Seine Frau Viola Nieding-Roth, eine Studienrätin, erlitt im Kreißsaal einer Klinik eine Uterusruptur. Die Ärzte griffen zu spät ein. Viola Nieding-Roth wäre beinahe gestorben, und das Gehirn des Neugeborenen war durch den Sauerstoffmangel so schwer geschädigt, dass eine Ethikkommission nach zehn Tagen der Abschaltung der lebenserhaltenden Geräte zustimmte.

Yasar Kilic wohnt in Offenbach. Seine Tochter Safiye Kilic, eine Lyrik-Preisträgerin, beantwortet die Fragen des Privatdetektivs. Bei der Familie handelt es sich um Tscherkessen. Die Mutter Gülay, eine Zahnarzthelferin, starb bei der Geburt des zweiten Kindes, und der Witwer, ein selbstständiger Maschinenbau-Ingenieur, kann seither seinen Beruf wegen einer schweren Depression nicht mehr ausüben.

Gabriele Vollmer wohnt in Bad Soden. Sie bestätigt, dass ihr an einer seltenen Krankheit leidender Ehemann mit einer Klage auf Kostenübernahme einer speziellen Behandlung vor Gericht scheiterte. Vor einem Monat musste seine Frau ihn von einem Pflegeheim aufnehmen lassen.

In Königstein-Johanniswald trifft der Privatdetektiv Katharina Stein an, die erwachsene Tochter des Patienten Viktor Stein, der sich in einer Klinik eine Infektion mit multiresistenten Keimen zugezogen hatte und dessen Klage von Katrin Wetzel abgewiesen wurde. Als Roland Bernau erklärt, um was es geht, fragt Katharina Stein:

„Sind es viele Prozesse, die Sie durchackern müssen?“
„Sechs.“
„Das ist überschaubar. Meine Eltern können jedenfalls nicht geschossen haben. Vor zwei Wochen haben die beiden gemeinsam Suizid begangen.“

Der IT-Techniker Sebastian Dietz wohnt in Hofheim-Vorderheide.

Er litt unter einer seltenen Krankheit, hervorgerufen durch eine Infektion. Das Krankenhaus bestritt, dass er sich bei ihnen infiziert hatte. Dafür existierten überhaupt keine Beweise, folglich auch kein Schmerzensgeld. Seine Krankenkasse wiederum lehnte es ab, eine Behandlungsmethode zu bezahlen, die zwar eventuell Heilung versprach, aber nicht als Kassenleistung zugelassen war.

Sebastian Dietz ist inzwischen auf Krücken angewiesen, und sein Gesund­heits­zustand verschlechtert sich weiter.

Michael Fischer war früher Sicherheitsingenieur am Flughafen. Seit zwei Jahren ist er arbeitsunfähig, weil bei einer Hüftoperation versehentlich Nerven durchtrennt wurden. Seine strafrechtliche Klage gegen den Chirurgen wegen Körperverletzung wurde von Katrin Wetzel gar nicht erst zugelassen. In einem Zivilprozess verlangte er einen Ausgleich für seine Einbußen bei der Altersrente, aber das Gericht sprach ihm gerade einmal 150 Euro pro Monat zu.

Bei den wenigsten der sechs Befragten kann Roland Bernau sich vorstellen, dass sie zu Gewalttaten fähig wären, und fast alle haben Alibis für die Tatzeiten.

Als Roland Bernau von seiner Auftraggeberin Nicole Helms wissen möchte, wie das Versicherungsunternehmen bei der Festlegung von Entschädigungssummen vorgeht, verweist sie ihn an den Vorstandsvorsitzenden Thomas Schrader, und von dessen Sekretärin erhält er einen Termin im Dorint Hotel am Main-Taunus-Zentrum in Sulzbach.

Der Privatdetektiv erkennt den CEO anhand von Fotos aus dem Internet in einer Gruppe von Herren, die in der Hotelhalle auf den Beginn einer Sitzung warten. Um kurz ungestört reden zu können, gehen sie ins Freie. Der Manager spult seine Routine-Erklärung ab:

„Wir sind unseren Kunden verpflichtet. Die Kliniken tragen eine mehrfache Last. Nach Einführung der Fallpauschalen­regelung knapsen zahlreiche Krankenhäuser am Existenzminimum. Deswegen sehen wir ja gerade diese Fusionswelle bei den Klinikverbünden. Früher hatte man abgerechnet wie ein Hotel mit Extras. Diese Zeiten sind vorbei. Festpreise für Blinddarm, Armbruch oder Hüfte. Die Kosten für die Haftpflichtversicherungen steigen überproportional. Immer häufiger klagen die Patienten vor Gericht. Sie informieren sich im Internet, schließen sich zu Interessenvertretungen zusammen. Das wirkt sich aus. Klettern die Ausgaben für die Versicherung, nehmen sich viele Kliniken das Geld aus dem Budget für das Personal. Es gibt sonst keine Puffer, auf der Einnahmenseite schon gar nicht. Es ist im Interesse aller, auch der Patienten, dass die Entschädigungen nicht durch die Decke gehen. Niemand will amerikanische Verhältnisse. Machen Sie das den Leuten mal klar. Eine schwierige Aufgabe.“

Sie haben sich gerade verabschiedet, als Roland Bernau ein Motorrad bemerkt. Er ruft Thomas Schrader eine Warnung zu. Die beiden Personen auf dem Motorrad holen Pistolen aus ihren Lederjacken.

Beide schossen gleichzeitig. Aus zehn Metern hatte Schrader keine Chance. Der Sozius zielte genau. Durch das geöffnete Visier des Helms, die Waffe in beiden Händen. Er streckte die Arme und drückte ab. Der Fahrer feuerte ohne Unterlass.
Das weiße Hemd färbte sich rot. Schrader riss den Mund auf. Wie in Zeitlupe. Er schrie. […]
Der Fahrer steckte die Pistole zurück in die Jacke, der Beifahrer zielte auf mich. Ich warf mich auf den Boden. Der Motor drehte hoch, der erste Gang schlug in das Getriebe, sie rollten los. Zuerst langsam, dann gaben sie Gas, rasten um die Kurve in Richtung Sulzbach. […]
Schrader drückte seine Hände auf die Schusswunden, sah mich an. Rot quoll es zwischen seinen Fingern hindurch. Er schwankte.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


Jemand sagt, er habe die Polizei und den Notarzt alarmiert. Thomas Schrader fängt zu lachen an. Er ist unverletzt, wurde nur von Farbkugeln getroffen. Der Sozius benutzte eine Paintballpistole. Bei der Waffe des Fahrers handelte es sich um eine Schreckschusspistole.

Nach diesem Vorfall ordnet der Vorstandsvorsitzende an, die Aufklärung der Fälle der Polizei zu überlassen und den Einsatz des Privatdetektivs zu beenden. Gleichzeitig stellt er ihn als Leibwächter ein.

Ein Anruf des Hauptkommissars Ralf Schmitz veranlasst Roland Bernau, zu den Eschbacher Klippen bei Usingen zu fahren. Dort stürzte eine Stunde zuvor eine in der Geburtsstation der Taunusklinik praktizierende Ärztin beim Klettern ab. Jemand hatte ihr Seil am obersten Haken durchgeschnitten. Sie wurde schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht. Weil die Ärztin ihren Ausflug auf Facebook angekündigt hatte, wussten der oder die Täter davon.

Am nächsten Morgen holen Roland Bernau und der Chauffeur Luis Helmholtz Thomas Schrader von seiner Villa in Wiesbaden ab. Der Vorstandsvorsitzende hat in Darmstadt, Gießen, Bad Nauheim und Hanau zu tun. Der Personenschützer steigt jeweils als Erster aus, und erst wenn er sich umgesehen hat, öffnet er seinem Auftraggeber die Tür. Als sie am Abend vor dem Bürogebäude der Versicherung halten, verlässt Thomas Schrader vor den anderen die Limousine – und wird vom Sozius eines Motorrads erschossen.

Die Polizei verfolgt die beiden Täter mit einem Großaufgebot, bis die Gejagten schließlich in eine Hofeinfahrt preschen. Während die Polizei den Gebäudekomplex umstellt, fliegt das Motorrad regelrecht aus der Durchfahrt. Der Sozius schießt wild um sich. Die Polizei erwidert das Feuer. Die beiden Fliehenden haben keine Chance. Das Motorrad schlittert über den Boden. Bei den beiden Toten handelt es sich um Gabriele Vollmer und Sebastian Dietz. Sie fuhr, er schoss.

Es stellt sich heraus, dass Gabriele Vollmers Ehemann drei Tage zuvor im Pflegeheim starb.

Nach der Pressekonferenz des Innenministers über das Ende einer Serie von Gewalttaten schaut Roland Bernau sich in dem Innenhof in Wiesbaden um, in dessen Nähe Gabriele Vollmer und Sebastian Dietz im Kugelhagel starben. In einem von dort zugängigen Keller entdeckt er einen nagelneuen Motorradhelm, exakt das gleiche Modell wie es den Toten vom Kopf gezogen wurde.

Ein rotes Haar darin führt den Privatdetektiv noch einmal zu dem Wirtschaftsanwalt Gregor Nieding. Der gibt schließlich zu, in die Serie von Gewalttaten involviert gewesen zu sein. Angefangen hatte es mit einem Internetforum für die Rechte von Patienten.

„Ich sah, wie unverfroren sich Ärzte, Juristen und Versicherungen über die Nöte der Patienten, der Opfer hinwegsetzten. Aktenzeichen, Gespräche, Ablehnung, Klageabweisung. Gutachter, die im Nachhinein ihre Meinung änderten. Das stank gewaltig nach Korruption. Ein sich regelmäßig wiederholendes Muster. Die meisten Leute dort sind nicht blöd, viele erkannten dieses System. Im Forum entstand eine Untergruppe, jenseits aller Tipps zum richtigen Umgang mit den Institutionen. Besonders Frustrierte, deren Verzweiflung niemand mehr auffing. Wir gründeten ein neues Forum, eine eigene Internetseite. Unser Kreis sollte klein bleiben. Sicherer Datenaustausch und die absolute Anonymität untereinander hatten erste Priorität.“

Weil der Rechtsweg in vielen Fällen keine Lösung war, fing die Gruppe vor einem halben Jahr an, Entscheidungsträger einzuschüchtern. Daran beteiligte sich auch Gregor Nieding. Keine der Zielpersonen schaltete die Polizei ein. Aber dann schlug einer mit einer Dachlatte zu. Die meisten in der Gruppe waren schockiert; viele verließen sie nach endlosen Debatten. Gregor Nieding beteuert, er sei zwar dabeigeblieben, jedoch gar nicht fähig, eine Gewalttat zu begehen. Schon der Gedanke daran, dass Thomas Schrader erschossen wurde, bringe ihn zum Würgen. Er fuhr das Motorrad. Hinter ihm saß eine Frau. Ohne es Gregor Nieding vorher anzukündigen, ermordete sie den Vorstandsvorsitzenden. Die Mitglieder der Gruppe kannten nur ihre Decknamen, aber der Beschreibung nach vermutet Roland Bernau, dass es sich bei der Frau auf dem Sozius um Katharina Stein handelte. Abgesprochen war der Personenwechsel in dem Innenhof. Dort saßen Gabriele Vollmer und Sebastian Dietz auf und starteten zu ihrer selbst­mörde­rischen Fahrt. Sie wollten ohnehin nicht mehr leben und lenkten deshalb den Verdacht auf sich. Während die beiden auf dem Motorrad erschossen wurden, verstaute die Mörderin ihren Helm und die Lederkombination in einer Einkaufstüte, bevor sie sich absetzte. Gregor Nieding ließ den Helm im Keller liegen, um damit nicht von der Polizei gesehen zu werden.

Roland Bernau beabsichtigt nicht, Gregor Nieding anzuzeigen. Er glaubt dessen Beteuerung, er sei von dem Schuss auf Thomas Schrader überrascht worden, und er hält eine Zeugenaussage des Motorradfahrers gegen Katharina Stein für zwecklos, weil man ihr den Mord dennoch nicht nachweisen könnte.

Roland Bernau übernachtet bei Julia Zeiss und verbringt auch den nächsten Tag mit ihr. Am Abend will er das Ladegerät für sein Handy aus dem Auto holen. Als er die Tür öffnet, explodiert eine Bombe.

Vier Stunden dauert die Operation im Krankenhaus.

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Mit dem Thriller „Patientenrache“ knüpft Olaf Jahnke an die Handlung seines Debütromans „Tod eines Revisors“ an, aber man kann die Fortsetzung auch ohne Verständnisschwierigkeiten lesen, wenn man Roland Bernaus ersten Fall nicht kennt. Wieder überlässt Olaf Jahnke dem Protagonisten das Wort, und als Leser wissen wir nie mehr als der Ich-Erzähler. Die Handlung spielt zwischen Gießen, Darmstadt und Wiesbaden, vorwiegend im Taunus. Dieses Lokalkolorit bietet einen zusätzlichen Reiz, aber auch Leserinnen und Leser aus anderen Gegenden wird mit „Patientenrache“ ein spannender, lebendiger und temporeicher Thriller mit überraschenden Wendungen geboten. Bereits weit vor der letzten Buchseite sieht es so aus, als sei der Fall abgeschlossen. Nach diesem Kulminationspunkt fällt die Spannung ab, obwohl die eigentliche – und nicht in allen Einzelheiten über­zeugende – Auflösung erst am Schluss erfolgt.

Olaf Jahnke will die Leserinnen und Leser mit „Patientenrache“ nicht nur unter­halten, sondern sie auch auf Missstände hinweisen, die er im Anhang erläutert: Obwohl die Zahl der anerkannten Behandlungsfehler in Deutschland im Vergleich zur Gesamtzahl der Behandlungen niedrig erscheint, handelt es sich doch um Tausende von Fällen. Olaf Jahnke sieht eine Ursache in dem finanziellen Druck, unter den die Krankenhäuser durch die Einführung der Fallpauschalen geraten sind.

Kliniken, die früher ihre Betten teilweise mit simplen Übernachtungen, Wartezeit auf Operationen oder Untersuchungen wie ein Hotel belegt haben, leiden heutzutage unter der sogenannten Fallpauschale. […] Der Patient soll die Klinik so schnell wie möglich verlassen, weil er sonst weitere Kosten verursacht, die von der Krankenkasse möglicherweise nicht übernommen werden. […]
Wenn man aber überall nur potentielle Behandlungsfehler und Risiken sieht, besteht die Gefahr, dass Ärzte zur Risikominimierung und Vermeidung von Haftungsklagen entweder sinnvolle Behandlungen unterlassen – oder sich mit Überdiagnostik absichern.

Im Roman selbst prangert Olaf Jahnke Versicherungen, Gutachter und Juristen an, die versuchen, finanzielle Forderungen von Patienten entweder komplett abzuwehren oder die am Ende auszuzahlenden Beträge so gering wie möglich zu halten. Die von Olaf Jahnke in „Patientenrache“ skizzierten Fälle veranschaulichen, dass da großes Leid der Betroffenen – sowohl der Patienten als auch der Angehörigen – in Kauf genommen wird.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2016
Textauszüge: © Größenwahn Verlag

Olaf Jahnke: Tod eines Revisors

Toni Morrison - Rezitativ
Warum wollen wir unbedingt wissen, wer welche Hautfarbe hat? Warum können wir uns von dieser Frage nicht frei machen?  Beim Lesen der Erzählung "Rezitativ" von Toni Morrison wird uns bewusst, wie wir in stereotypen Kategorien denken. Ein Meisterwerk!
Rezitativ

 

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.