Ana Paula Maia : Krieg der Bastarde

Krieg der Bastarde
Originalausgabe: A guerra dos bastardos Lingua Geral, Rio de Janeiro 2007 Krieg der Bastarde Übersetzung: Wanda Jacob A1 Verlag, München 2013 ISBN: 978-3-940666-42-0, 223 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Als der Pornodarsteller Amadeu um einen Vorschuss bitten will, um die Schulden der befreundeten Boxerin Gina übernehmen zu können, stößt er auf zwei Tote und eine mit Kokain gefüllte Tasche. Die nimmt er mit. Ein Bekannter hilft ihm gegen 30% Provision beim Verkauf der Drogen. Das Geld versteckt Amadeu erst einmal. Kurz darauf stirbt er bei einem Verkehrsunfall. Aber die Jagd nach ihm und dem gestohlenen Stoff geht weiter, und Gina fühlt sich in ihrer Meinung bestätigt, dass auf Männer kein Verlass sei ...
mehr erfahren

Kritik

Rasant und mit überbordender Fabulierlaune entwickelt Ana Paula Maia eine Reihe miteinander verknüpfter Handlungsstränge. "Krieg der Bastarde" ist eine intelligente und unterhaltsame Persiflage auf das Genre des Schundromans.
mehr erfahren

Amadeu fiel zwar in der Schauspielschule durch, arbeitet jedoch seit zwei Jahren als Pornodarsteller für Zeferino Manches in Rio de Janeiro. Er ist unterwegs zu Zeferinos Vertrauensmann Salvatore, um einen Vorschuss zu erbitten, denn er hat seiner überschuldeten Freundin Hilfe versprochen. Als er vor der Tür steht, hört er, dass Salvatore Besuch hat.

Aluísio ist bei ihm. Dass ihn seine Frau Greice Sally mit Zeferino betrügt, ahnt er nicht. Graice Sally ist Pornodarstellerin. Ihr neuester Film trägt den Titel „Die unglaubliche feuerspuckende Muschi“. Sie verfügt über Pompoir-Techniken und schießt sowohl mit ihrer vaginalen als auch mit ihrer analen Körperöffnung flammende Kugeln zwei Meter weit. Außerdem hat sie darin bereits Edelsteine, Mikrofilme und Computerchips für Aluísio geschmuggelt.

Salvatore erzählt Aluísio von einem Auftragskiller, der eine Frau mit zwei Schüssen in Kopf und Brust tötete und dann ihren Partner zwang, das auslaufende Silikon mit dem Mund aufzusaugen. Vermutlich vergiftete sich der Mann dabei und starb dann später.

Der Alukoffer, in dem Aluísio das Geld für die mitgebrachten Drogen vermutet, ist leer.

Salvatore zieht die Augenbrauen hoch und spitzt zynisch die Lippen. „Nanu, er ist leer? Diese verdammten Tauben“, er zeigt zum Fenster, „sie müssen dein Geld gefuttert habe. Dachten wohl, es wären Brotkrümel. Die kriegen nie genug, diese Hungerleider.“
Er steht auf und bröselt etwas Orangenkuchen aufs Fensterbrett, dabei gurrt er die Vögel an.“

Da weiß Aluísio, dass sein Betrug aufgeflogen ist, und er fürchtet um sein Leben. Salvadore meint:

„Sehr schade, Aluísio, wo du doch so gut bist. Aber du kannst es einfach nicht lassen, dich diesen verdammten Vögeln gleichzumachen. Frisst uns aus der Hand und scheißt uns auf den Kopf.“

Dann erschießt er seinen Besucher. Amadeu, der noch immer vor der Türe steht, hört den Schuss ebenso wie kurz darauf das Geräusch eines zweiten Aufpralls. Er geht hinein. Am Boden liegen zwei Männer: einer mit einem Schussloch in der Stirn, der andere ist mit schreckverzerrtem Gesicht zusammengesunken und ebenfalls tot. Vermutlich erlag er einem Herzanfall.

Amadeus Blick fällt auf eine halb geöffnete Sporttasche aus rotem Nylon, die mit Kokain-Päckchen gefüllt ist. Ohne lange nachzudenken, nimmt er die Tasche an sich und verlässt die Wohnung. Im Treppenhaus kommt ihm ein Mann entgegen, der ihn misstrauisch anblickt, ihn jedoch nicht aufhält. Amadeu fährt mit einem Taxi los.

Er weiß, dass er nun vorsichtig sein muss. Deshalb sucht er ein Versteck. Auf dem Weg zu einer in der Zeitung inserierten Wohnung begegnet er Horácio. Sie kennen sich aus dem Filmgeschäft. Horácio, der als Produktionsassistent der eigenwilligen Autorenfilmerin Edwiges D’Lambert arbeitet, erklärt Amadeu, wo die in der Zeitung angebotene Dachkammer zu finden ist. Er selbst wohnt im Haus gegenüber. Erst als sie sich bereits wieder verabschiedet haben, fällt Horácio ein, dass er selbst aus finanziellen Gründen dringend einen Untermieter sucht. Er läuft Amadeu nach und überredet ihn, sich das Zimmer anzuschauen. In der Wohnung riecht es nach Schimmel, und an einer Stelle tropft es aus der Decke. Offenbar ist ein Abfluss in der Wohnung darüber nicht in Ordnung, aber der Mieter, ein Musiker, ist zur Zeit verreist, und Horácio fängt das Wasser in einer Schüssel auf, die er regelmäßig leert.

Amadeu nimmt das Zimmer, aber als Horácio zur Arbeit gefahren ist, geht er hinüber zu Stefano Lozonni, dem Vermieter der Dachkammer.

Lozonni ist ein in der Nachbarschaft verhasstes Scheusal. Auf Horácio ist er nicht gut zu sprechen, weil dieser in Ermangelung einer Geige auf einer Säge musiziert. Lozonni wohnt in einem baufälligen Haus und leidet an einer Blutkrankheit, die er sich zuzog, als er eine Ratte fraß. Die hatte zuvor einem Schäferhund die Kehle zerfleischt, und als Lozonni ihr auflauern wollte, schlief er ein.

Beim Aufwachen hing sein [verkrüppelter und gefühlloser] Unterarm in Fetzen, die Zähnchen hatten sich bis auf die Knochen in das Fleisch gebohrt, die Äuglein der blutverschmierten Ratte blitzten am Rand der Finsternis, in der offenen Wunde Fäkalien, Blut und Spucke, angefressene und zerplatzte Venen troffen aus Rasputins Rachen.

Lozonni setzte die Ratte zwar mit einem Molotowcocktail in Brand, aber sie überlebte und verkroch sich. Als sie sich dann aber von einer Banane anlocken ließ und an einer wertvollen Ausgabe des „Don Quijote“ knabberte, schnappte Lozonni sich das Biest und – zerbiss es hasserfüllt.

In der schäbigen Dachkammer des abbruchreifen Hauses reißt Amadeu ein paar Dielenbretter heraus, versteckt in dem Hohlraum die Tasche mit dem Kokain, befestigt die Bretter wieder und stellt den Tisch und zwei Stühle darauf.

Dann ruft er Guilherme Benigno an, von dem er weiß, dass er in der Lage ist, einen Abnehmer für die Drogen zu finden. Sie einigen sich auf 30 Prozent Provision.

Vor dem mit Guilherme verabredeten Treffen holt Amadeu die Tasche aus dem Versteck, nimmt aber drei Päckchen heraus und legt sie zurück, denn er weiß, dass die Besitzer nach der Ware suchen und hält es deshalb für zu riskant, die identische Menge zu verkaufen. Im Taxi fragt Guilherme, woher er das Zeug habe. Dazu hat Amadeu sich noch gar nichts ausgedacht. Aber als Schauspieler versteht er sich auf Improvisation. Die Tasche habe er in einem Waschsalon gefunden und an sich genommen, lügt er.

Guilherme nimmt Amadeu mit in die São-Sebastião-Kirche, in der Edwiges D’Lambert gerade einen Film dreht. Horácio wundert sich, als er seinen Untermieter mit einer roten Nylontasche hereinkommen sieht. Die Produzentin zieht sich mit den beiden Besuchern in einen Beichtstuhl zurück. Sie ist misstrauisch, weil Guilherme sich auf Pablo Sasaki berief, als er sie anrief. Pablo arbeitet ebenso wie sie für Zeferino Manches, aber statt dieser Vertrauensperson bringt Guilherme einen Unbekannten mit. Edwiges steht allerdings unter Druck, denn sie hat die Aufgabe übernommen, das Salvatore gestohlene Kokain zu ersetzen. Als sie sich nach der Herkunft der Ware erkundigt, antwortet Guilherme anstelle von Amadeu, denn er befürchtet, dass Edwiges an dessen Darstellung zweifeln könnte. Sein Begleiter arbeite für einen Rechtsanwalt, erklärt er, und der sei von einem mittellosen kriminellen Mandanten mit Stoff bezahlt worden. Unversehens hat Edwiges ihr Bein in der Hand. Seit einem Skiunfall trägt sie eine Prothese. Sie holt das Geld aus dem Hohlraum und packt das Kokain hinein.

Horácio beobachtet, wie Amadeu und dessen Begleiter aus dem Beichtstuhl kommen und die Kirche verlassen. Er nimmt sich vor, seinen Untermieter am Abend zu fragen, was er mit Edwiges zu tun habe.

Amadeu versteckt die Tasche mit dem Geld ebenso wie die drei verbliebenen Kokain-Päckchen unter den Dielen in der Dachkammer.

Bevor Horácio Gelegenheit hat, mit Amadeu zu reden, ist er verspätet unterwegs zum Set und drängt den Taxifahrer zur Eile.

Der Fahrer gibt Gas, prescht vor, überholt. Plötzlich ein Aufprall, Horácio wird mit voller Wucht vor- und zurückgeschleudert. In seinem Hals knackt es, und die Schmerzen der üblen Nacht sind verschwunden.

Der Wagen hat einen Fußgänger erfasst und umgerissen. Während Horácio wie erstarrt im Fond sitzen bleibt, helfen zwei Passanten dem Taxifahrer, den Schwerverletzten in den Wagen zu heben. Der aufgerissene Oberkörper des Mannes kommt auf Horácios Schoß zu liegen. Es ist Amadeu! Der Taxifahrer schabt ein abgerissenes Ohr vom Scheinwerfer und beteuert, der Mann habe sich vors Auto geworfen. Nun eilt er zum Krankenhaus, aber bei der Ankunft ist Amadeu bereits tot.

Zur gleichen Zeit sind auch die beiden für Zeferino Manches arbeitenden Geldeintreiber und Profikiller Edgar Wilson und Pablo Sasaki mit einem Wagen unterwegs. Edgar sitzt hinter dem Lenkrad. Die Sitze des schwarzen, mit Einschlaglöchern übersäten Santana sind mit Plastik überzogen. Pablo beschwert sich darüber:

„Diese verdammten Sitze lassen meinen Arsch schwitzen. Alles klatschnass! Wofür das Ganze eigentlich? Es ist lächerlich, Edgar.“ „Aber wirksam. Wenn du Leichen durch den Urwald schleppen und dann in deiner sauberen und duftenden Karre verstauen müsstest, wüsstest du, wovon ich rede. Blut versaut alles“, sagt Edgar Wilson. „Die Trockenreinigung hat mich fast pleitegehen lassen.“

Zur Beruhigung hat Edgar eine CD mit dem Titel „Knistervariationen Schweizer Kaminfeuer“ eingelegt. Die beiden Männer suchen den Mann, der Aluísio erschoss, bei Salvatore auf irgendeine Weise einen tödlichen Herzanfall auslöste und das Kokain raubte. Edgar sah ihn kurz auf der Treppe, als er er zu Salvatore hinaufging. Nun wird er von der Sonne geblendet. Im letzten Augenblick weicht er einem Fußgänger aus, der die Straße überqueren will. Der Mann springt erschrocken zurück, wird in der Nebenspur von einem Taxi erfasst und zu Boden geworfen. Edgar fährt weiter. Mit der Polizei wollen weder er noch Pablo etwas zu tun haben.

Durch die Vollbremsung wurde Pablo mit dem Kopf gegen die Windschutzscheibe geschleudert. Seine gepiercte Augenbraue ist aufgeplatzt. Um die Wunde nähen zu können, fährt Edgar mit ihm zur Videothek Kumbuca, in der sein Ziehbruder Dimitri Callaros stellvertretender Geschäftsführer ist. Pablo hält die herausgenommene Piercing-Verzierung in der Hand, als sich die Mutter des Ladenbesitzers mit ihrem Chihuahua im Arm nähert. Der Hund schnappt den Schmuck und verschlingt ihn. Pablo entreißt daraufhin der Frau das Tier und nimmt es mit. Er will es so lange behalten, bis es das silberne Teil wieder ausscheidet.

Edgar glaubt, dass der Schwerverletzte der Mann war, den er im Treppenhaus sah. Nachdem er ihn als Darsteller in einem Porno identifiziert hat, führen er und Pablo das Video Zeferino Manches vor. Zu sehen sind Graice Sally und Amadeu. Edwiges D’Lambert kommt herein. Sie hebt die DVD-Hülle auf, deutet auf Amadeus Fotos und erklärt, das sei der Mann, der ihr das Kokain verkaufte. Guilherme Benigno habe ihn mitgebracht und sich auf Pablo berufen. Der beteuert sogleich, Guilherme Benigno nicht zu kennen.

Pablo und Edgar suchen Guilherme auf und versuchen, mehr über Amadeu herauszufinden. Aber Guilherme kann ihnen nicht sagen, wo das Geld und die restlichen Drogen versteckt sind. Zwei Tage später wird er tot in seiner Wohnung aufgefunden. Es sieht so aus, als habe er sich mit Gas vergiftet.

Horácio durchsucht die Sachen seines Untermieters. Und weil Amadeu im Sterben von einer Dachkammer sprach, geht er zu Stefano Lozonni, behauptet, eine Bleibe für einen Freund zu suchen und schaut sich in der Dachkammer um. Aber er findet nichts, was ihm weiterhelfen könnte. Amadeus Sachen wirft er ins Meer.

Amadeus Freundin, die Boxerin Gina Trevisan, ahnt weder, dass er viel Geld für sie besorgte, noch dass er tot ist. Sie lieh sich von Edwiges D’Lambert eine größere Summe und ist nun außerstande, die Wucherzinsen aufzubringen, geschweige denn den Kredit zu tilgen. Amadeu versprach, ihr zu helfen, aber nun fühlt sie sich in ihrer Meinung bestätigt, dass auf Männer kein Verlass sei. Es bleibt ihr nichts anderes übrig, als sich von Zeferino Manches für einen illegalen Vale Tudo-Kampf einteilen zu lassen. Dafür verspricht er ihr einen Schuldenerlass und die Kostenübernahme für die nach dem Kampf voraussichtlich erforderliche medizinische Versorgung.

Drei junge Frauen sollen zum Gaudium des Publikums gegen den 25-jährigen Boxer Hugo Valentino antreten. Zeferino Manches erhält einen Anteil von den Wetteinsätzen. Clara Ribeirinha wird von Hugo Valentino innerhalb von drei Minuten so zusammengeschlagen, dass sie wahrscheinlich nie wieder in einen Ring steigen kann. Eigentlich wollte sie mit dem Geld eine Operation für ihren jüngeren Bruder bezahlen, aber nun wird sie das Geld für zwei Operationen aufbringen müssen, weiß aber nicht, woher sie es nehmen soll. Anita Santiago übersteht den Kampf ohne bleibende Verletzungen, aber Hugo Valentino wird auch in diesem Fall zum Sieger erklärt. Bevor Gina hinausgeht, verlangt sie von Zeferino zusätzlich zur Vereinbarung Bargeld auf die Hand, und weil er das Publikum nicht enttäuschen möchte, gibt er es ihr. Wider Erwarten schlägt Gina den Champion so zusammen, dass er ins Koma fällt und ins Krankenhaus gebracht werden muss. In dem Tumult entkommt Gina. Obwohl Elvis Wanderley zu Zeferinos Bande gehört, nimmt er sie im Auto mit und verschafft ihr über Freunde ein Versteck: ein Zimmer in Horácios Wohnung. Dass Amadeu vorher hier wohnte, kann sie nicht wissen.

Als Horácio den nackten Rücken seiner Untermieterin sieht, fällt ihm ein Drachen-Tattoo auf, das genauso aussieht wie die Verzierung auf Amadeus Feuerzeug. Was bedeutet das? Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Amadeu, Gina und der Dachkammer? Horácio nimmt sich vor, es herauszufinden. Bald entdeckt er auch Boxershorts und Bandagen. Als Gina nach Streichhölzern greift, um sich eine Zigarette anzuzünden, hält er ihr das Feuerzeug mit dem Drachen hin. Er ahnt bereits, dass sie die Boxerin ist, von der in den Nachrichten berichtet wurde, dass sie Hugo Valentino zusammengeschlagen hatte. Er sagt ihr, dass Amadeu tot sei.

Inzwischen suchen Edgar Wilson und Pablo Sasaki einen Musiker auf, der bei Zeferino Manches in der Kreide steht und mit seinen Zahlungen in Verzug geraten ist. Seine Frau zieht sich mit den beiden drei bzw. vier Jahre alten Töchtern ins Bad zurück. Der Mann ist verzweifelt: Er weiß nicht, woher er das Geld nehmen soll. Pablo muss zwischendurch mal zur Toilette und entschuldigt sich anschließend bei der Frau wegen des Gestanks. Der Familienvater gibt den Geldeintreibern einen Tipp: In dem Orchester, in dem er Flöte spielt, gibt es einen Kollegen, von dem er weiß, dass er in seinem hinter einem abstrakten Gemälde versteckten Wandsafe eine große Geldsumme aufbewahrt. Mit diesem Hinweis rettet der Schuldner sein Leben, aber Edgar knebelt ihn und schneidet ihm einen Daumen ab. Er wird nie wieder Flöte spielen können. Der Chihuahua, den Pablo noch immer bei sich hat, schnüffelt an dem Blut. Edgar wirft den abgetrennten Daumen zu den Schweinefüßen, -ohren und -rippchen in den auf dem Herd köchelnden Bohneneintopf. Die beiden Killer nehmen auch noch die Minibar des Schuldners mit, denn die ihres Auftraggebers ist kaputt, und er erwartet von ihnen, dass sie ihm Ersatz besorgen.

Zeferino Manches schickt Elvis Wanderley und Gerson Mariano zu dem Musiker mit dem Safe. Die Adresse haben sie auf einem Zettel notiert.

Als sich die Wohnungstüre nicht ohne weiteres öffnen lässt, weil sie offenbar von innen verriegelt ist, ahnen Elvis und Gerson, das die Sache komplizierter als erwartet wird. Sie treten die Türe ein. Die Wohnung sieht überhaupt nicht wie die eines Musikers aus, und an der Wand hängen keine Gemälde, sondern Poster. Es riecht nach Schimmel. Vorsichtshalber schauen sie noch einmal auf den Zettel und stellen fest, dass sie sich im Stockwerk geirrt haben. Aber da entdecken sie Gina. Gerson hält sie mit einer Pistole in Schach, Elvis zerfetzt ihr T-Shirt, und nachdem er sie damit geknebelt hat, fesselt er sie und schlägt sie mit dem Pistolenknauf bewusstlos.

Die Türe in der Etage darüber lässt sich leicht aufbrechen. Elvis und Gerson warten in der Wohnung, bis sie Schlüssel klappern hören. Dann ziehen sie ihre Masken herunter, empfangen den heimgekehrten Bewohner mit vorgehaltener Waffe und machen ihm klar, dass er den Safe öffnen soll. Der Musiker hat 30 Jahre lang gespart, um sich vorzeitig zur Ruhe setzen und Reisen unternehmen zu können. Er öffnet den Safe, nimmt einen mit Edelsteinen verzierten Dolch heraus und sticht Elvis nieder. Gerson tötet ihn daraufhin mit 32 Stichen, sammelt das herausgefallene Geld auf, legt Elvis in die Badewanne und geht.

Gina kommt zu sich, und es gelingt ihr, sich von den Fesseln zu befreien. Ihr fällt auf, dass das von der Decke tropfende Wasser rötlich verfärbt ist. Sie geht nach oben. Der Musiker liegt tot am Boden. Elvis lebt noch. Gina ruft einen Krankenwagen. Dann verlässt sie das Haus.

Dimitri Callaros, der inzwischen die Dachkammer in dem baufälligen Haus von Stefano Lozonni bezogen hat, wartet auf seinen Ziehbruder Edgar Wilson. Sie haben vor, die Mutter zu besuchen. Um sich die Zeit zu vertreiben, schiebt er Tisch und Stühle weg und spielt mit einem Basketball, den er geschenkt bekam.

Als Horácio von der Arbeit nach Hause kommt, muss er sich ausweisen, bevor die Polizei ihn ins Haus lässt. In seiner Wohnung findet er einen Zettel, auf den Gina geschrieben hat: „Ich werde auf den Typen vom Dachboden warten und mit ihm sprechen.“ Horácio geht hinüber. Gina ist da, und Edgar trifft in Begleitung Pablos ein.

Gina wirft Edgar Wilson vor, er habe sie zu dieser Wucherin geschickt und dann mit einem riesigen Schuldenberg alleine gelassen. Edgar seinerseits wirft ihr vor, ihn für einen gewissen Amadeu verlassen zu haben. „Ich wusste doch gar nichts über die Kämpferinnen. Als ich dich da gesehen habe, habe ich mir wirklich Sorgen gemacht. Alles, was ich tun konnte, war, dich laufen zu lassen“, sagt Edgar.

Plötzlich verschwindet der Chihuahua, der offenbar unter einer Verstopfung leidet, zwischen den Dielen. Pablo sucht nach ihm. Dabei bricht ein Teil des Bodens ein. Durch das Loch schaut Stefano Lozonni verwundert herauf. Er ist weiß gepudert. Geldscheine schweben durch die Luft. Der Basketball fällt Lozonni auf den Kopf. Gina und die Männer gehen hinunten. Der Hausbesitzer liegt tot auf dem Boden. Der Hund stürzt herab. Pablo fängt ihn auf. In diesem Augenblick entspannt sich der Darm des Tieres, und der Chihuahua scheidet den Piercing-Schmuck, ein Goldarmband, eine Füllerkappe, die Antenne eines Telefons und Edgars Rosenkranz aus.

Da pocht es gegen die Außentüre, und jemand ruft „Polizei! Aufmachen!“ Pablo packt rasch das Geld in einen Müllsack und versteckt ihn im Herd. Edgar und Gina verkriechen sich mit der Leiche hinter einer Bücherwand in Stefano Lozonnis Bibliothek. Horácio zieht sich in die Küche zurück. Dimitri tut so, als habe er gerade geduscht und öffnet die Tür. Vor dem Haus gegenüber stehen noch die Streifenwagen. Die Beamten sind nun ausgeschwärmt, um Nachbarn zu fragen, ob sie etwas beobachtet hätten, das bei der Aufklärung des Verbrechens weiterhelfen könnte. Polizeileutnant Miranda, der vor Dimitri steht, wundert sich außerdem über den Krach in diesem Haus. Dimitri gibt sich als Alex Reginaldo aus und Pablo als seinen Cousin Douglas. Sie seien gerade mit Umbaumaßnahmen beschäftigt, erklären sie.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


Miranda sieht sich um, und als er die Bibliothek entdeckt, kommt er ins Schwärmen, zieht einzelne Bücher aus dem Regal, schwadroniert über „Verbrechen und Strafe, vom Russen […] Heiligemuttergottesimhimmel! Das beste von allen. […] Die Geschichte handelt von einem Kerl, der eine alte Frau mit dem Beil abmurkst, um sie auszurauben. […] Aber er muss für sein Verbrechen zahlen, am Ende zahlen sie alle, nicht wahr, mein Junge?“ Während Pablo sich mit einem Hackmesser bewaffnet, versucht Dimitri den Bücherliebhaber aus dem Raum zu locken und bietet ihm Kaffee an, aber Miranda leidet unter Sodbrennen.

Da bemerke ich verwundert einen nostalgischen Ausdruck auf einem Gesicht und einen Tropfen Blut, der träge über die Stirn rinnt, an der Kartoffelnase vorbei, langsamer wird und schließlich eine kleine, vertikale Pfütze in der tiefen Kerbe des Mundwinkels formt. Dann quillt noch mehr Blut zwischen den dünnen Haaren hervor, und Leutnant Miranda fällt mit nachdenklichem Blick tot in meine Arme, das Hackmesser steckt tief in seinem Schädel.

Um beide Leichen im Kofferraum unterbringen zu können, zerstückeln sie die des Polizisten. Dann geht Dimitri hinaus, holt Edgars Wagen und fährt ihn direkt vors Haus. Pablo öffnet den Kofferraum, damit Horácio und Edgar den Toten und die Leichenteile hineinheben können.

Edgar setzt sich hinters Lenkrad. Erst unterwegs fällt ihm, Gina, Pablo und Dimitri auf, dass Horácio und der Chihuahua fehlen.

Horácio klemmte sich einige der Banknotenbündel aus dem Sack im Herd in den Hosenbund. Aber als er sich davonschleichen will, wird er von zwei Polizisten überrascht. Sie stoßen ihn gegen die Hauswand und ziehen ihm das Geld aus der Hose. 27 000 Real zählen sie. Die beiden wollen es unter sich aufteilen, geraten jedoch in Streit, weil der eine dem anderen noch 2000 Real schuldet und diese Summe nun zusätzlich zu seinem Anteil beansprucht. Schließlich erschießt einer den anderen. Horácio will fliehen, wird aber ebenfalls erschossen.

Ein Pick-up setzt sich neben den von Edgar gesteuerten Wagen. Der Fahrer gibt Zeichen, dass sie anhalten sollen. Es handelt sich um einen pensionierten Streifenpolizisten. Er macht Edgar darauf aufmerksam, dass etwas aus dem Kofferraum gefallen und über die Straße gerollt sei. Pablo geht um den Wagen herum und drückt so unauffällig wie möglich den aufgesprungenen Deckel des Kofferraums zu. Ein zufällig vorbeikommender Streifenwagen hält ebenfalls. Edgar zeigt seine Papiere, und als er den Kofferraum öffnen soll, bricht er den Schlüssel ab. In diesem Augenblick erhält die Besatzung des Streifenwagens einen Notruf und rast davon. Auch der Pick-up fährt weiter.

Edgar und seine Begleiter finden den aus dem Kofferraum gerutschten und über die Straße gerollten Schädel des Polizisten. Um ihn wieder zurücklegen zu können, brechen sie den Kofferraum auf. Da fällt ihr Blick auf den Chihuahua, der an den Leichenteilen herumnagt.

Sie fahren zu dem Krankenhaus, in dem Amadeus Leiche liegen soll. Dimitri geht hinein und erkundigt sich nach einem überfahrenen Mann ohne Papiere.

Hinter mir öffnet sich eine Tür, und ein Mann fordert mich auf, ihm zu folgen. […] Der Mann hat ein Klemmbrett in der Hand, zieht eine der Schubladen auf und öffnet den schwarzen Sack am Reißverschluss.
„Das Ohr ist einzeln aufbewahrt, hier“, sagt er und hält ein durchsichtiges Tütchen hoch, das er dem Sack entnommen hat.

Dimitri verspricht, für ein angemessenes Begräbnis zu sorgen und geht.

Gina nimmt ein Taxi und lässt sich zum Busbahnhof bringen.

Die Männer fahren weiter, bringen die sterblichen Überreste von Stefano Lozonni und Leutnant Miranda zu einem von Edgar nebenher betriebenen Schweinestall. Von den Leichen wird nichts übrigbleiben.

Pablo bleibt zurück, aber Edgar und Dimitri verlassen Brasilien und flüchten nach Ushuaia, in die südlichste Stadt Argentiniens.

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

„Krieg der Bastarde“ ist eine intelligente und unterhaltsame Persiflage auf das Genre des Schundromans.

Mit überbordender Fabulierlaune entwickelt Ana Paula Maia eine ganze Reihe von Handlungssträngen parallel und verknüpft sie dann alle miteinander. Es gibt zwar einen Ich-Erzähler, aber der hat mit dem Geschehen nur am Rande zu tun. Auch keine der anderen Figuren dominiert. Die Drogendealer, Geldeintreiber, Auftragsmörder, Pornodarsteller, Boxer und korrupten Polizisten, um die es in „Krieg der Bastarde“ geht – gute Menschen sind nicht darunter – träumen alle davon, irgendwie an Geld zu kommen, um ein besseres Leben führen zu können. Aber sie gehören alle zu den Verlierern. Gewidmet hat Ana Paula Maia ihren Roman denn auch „den Verkommenen, Maßlosen und Abtrünnigen“.

Das Geschehen wird in „Krieg der Bastarde“ aus wechselnden Perspektiven im Präsens dargestellt. Dabei wiederholt sich beispielsweise die Szene, in der Amadeu überfahren wird, und wenn wir sie im zweiten Durchgang aus einem anderen Blickwinkel noch einmal erleben, vervollständigt sich das Bild.

Ana Paula Maia erzählt rasant und stringent. Auf 220 Seiten bringt sie unglaublich viel unter. Immer wieder überrascht sie uns mit einer neuen Wendung oder einer zusätzlichen Verwicklung. So wie in einem Musikstück ein Thema variiert wird, kommt Ana Paula Maia auf die eine oder andere Einzelheit auch nach vielen Seiten noch einmal zurück („Das Ohr ist einzeln aufbewahrt“). Und ein Chihuahua sorgt für einen Running Gag.

Ana Paula Maia schreckt nicht vor Ekel und Gewalt zurück, bricht die Grausamkeit aber nach dem Vorbild Quentin Tarantinos und der Coens („Fargo“), indem sie die Situationen ins Absurde bzw. Groteske umschlagen lässt. Wie Jules Winnfield und Vincent Vega in „Pulp Fiction“, unterhalten sich die Geldeintreiber Edgar Wilson und Pablo Sasaki bzw. die Auftragskiller Elvis Wanderley und Gerson Mariano in „Krieg der Bastarde“ über Belanglosigkeiten, während sie gleichgültig zur Tat schreiten.

Nicht nur zu Quentin Tarantino, Joel und Ethan Coen gibt es Bezüge in „Krieg der Bastarde“, sondern auch zu Diogenes und Dostojewski („Verbrechen und Strafe, vom Russen“).

Ana Paula Maia wurde 1977 in Nova Iguaçu geboren, einer Millionenstadt am Rand von Rio de Janeiro. Als Schülerin spielte sie in einer Punkband. Später studierte sie Publizistik. 2003 veröffentlichte sie ihren ersten Roman: „O habitante das falhas subterrâneas“. 2007 folgte „A guerra dos bastardos“.

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2013
Textauszüge: © A1 Verlag

Salman Rushdie - Zwei Jahre, acht Monate und achtundzwanzig Nächte
Mit überbordender orientalischer Fabulierlaune erzählt Salman Rushdie in "Zwei Jahre, acht Monate und achtundzwanzig Nächte" die Geschichte vom Kampf zwischen Gut und Böse neu. Der Plot ist eher simpel, aber es wimmelt von Einfällen, Pointen, Aphorismen, Anspielungen und Verweisen.
Zwei Jahre, acht Monate und achtundzwanzig Nächte