Katherine Mansfield : Das Gartenfest

Das Gartenfest
Originalausgabe: The Garden Party Saturday Westminster Gazette, 4. Februar 1922 Das Gartenfest in: Glück und andere Erzählungen Übersetzung: Heide Steiner Insel-Verlag Anton Kippenberg, Leipzig 1980 Insel Verlag, Berlin 2012 ISBN: 978-3-458-35849-7, 245 Seiten Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt/M 1982 ISBN 978-3-596-25718-8, 199 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Wegen eines Todesfalls in einer benachbarten Siedlung armer Leute brauche man nicht auf das anberaumte Gartenfest zu verzichten, meint Mrs Sheridan. Außerdem dürfe man den Gästen die Freude nicht verderben. Nach der Party schickt sie ihre jüngste Tochter mit übrig gebliebenem Essen, das sie sonst weggeworfen hätte, zur Witwe des tödlich verunglückten Fuhrmanns ...
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Kritik

Die Erzählung beginnt heiter und unbeschwert. Unvermittelt erhält die Geschichte eine andere Wendung. "Das Gartenfest" ist eine böse Abrechnung mit dem Snobismus reicher Leute und ihrer Herzlosigkeit gegenüber einfachen Menschen.
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Meg, Jose und Laura, die Töchter der Familie Sheridan, bereiten ein Gartenfest vor. Ein paar Arbeiter kommen, um ein Zelt aufzustellen. Die Köchin hat viel zu tun. Obwohl der Garten voller Blumen ist, werden von Mrs Sheridan bestellte blassrote Lilien aus einer Gärtnerei gebracht.

Der Lieferant von Windbeuteln der Firma Godbers berichtet von einem Todesfall: Am Morgen scheute das Pferd des jungen Fuhrmanns Scott vor einer Zugmaschine, und er stürzte so unglücklich auf den Hinterkopf, dass er starb. Er wohnte in einer kleinen Siedlung entlang der Straße, die zum Anwesen der Familie Sheridan führt. Als Laura, ihre Schwestern und ihr Bruder Laurie noch klein waren, verboten ihnen die Eltern den Umgang mit den Bewohnern, denn Mr und Mrs Sheridan befürchteten, dass ihre Kinder etwas von der anstößigen Sprache der Waschfrauen, Straßenkehrer und Flickschuster übernehmen oder sich eine Krankheit holen könnten. Als der Windbeutel-Lieferant vorhin durch die Siedlung kam, wurde die Leiche des Fuhrmanns gerade gebracht. Er hinterlässt eine Witwe mit fünf kleinen Kindern.

Laura findet, dass das Gartenfest wegen des Todesfalls ausfallen müsse, aber ihre Mutter entgegnet, sie hätten doch nur zufällig davon erfahren. Außerdem sagt sie:

„Solche Leute erwarten keine Opfer von uns. Und es zeugt nicht gerade von sehr viel Mitgefühl, allen das Vergnügen zu verderben, wie du es jetzt tust.“

Nach dem Mittagessen trifft die Musikkapelle ein. Dann kommen die Gäste.

Als die letzten am Abend gegangen sind, sagt Mrs Sheridan:

„Ich bin erledigt. Ja, es war ein voller Erfolg. Aber, ach, diese Parties, diese Parties! Warum besteht ihr Kinder immer darauf, Parties zu geben?“

Dann fällt ihr Blick auf den Tisch voller belegter Brote und Kuchen. Normalerweise würde Mrs Sheridan die übrig gebliebenen Sachen wegwerfen, aber diesmal lässt sie einen Korb damit füllen und beauftragt Laura, ihn der Witwe zu bringen. Die Lilien nimmt sie wieder heraus, denn die Stiele könnten Lauras Kleid verderben.

Laura will nur kurz den Korb an der Haustüre abgeben, doch eh sie sich versieht, wird sie von der Schwägerin des Toten hineingebeten. Nachdem Laura der Witwe den Korb hingestellt hat, führt deren Schwester sie ins Schlafzimmer, wo der Tote liegt. Es sieht aus, als schlafe er. Seine Gesichtszüge wirken glücklich. Laura weint und rennt los.

Unterwegs trifft sie ihren Bruder Laurie.

„Weine nicht“, sagte er mit seiner warmen, zärtlichen Stimme. „War es schrecklich?“
„Nein“, schluchzte Laura. „Es war einfach wundervoll. Aber Laurie –“, sie blieb stehen und sah ihren Bruder an. „Ist das Leben nicht“, stammelte sie, „ist das Leben nicht …“ Doch wie das Leben war, konnte sie nicht erklären. Es machte nichts. Er verstand sie.

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Die Erzählung „Das Gartenfest“ beginnt heiter und unbeschwert. Unvermittelt erhält die Geschichte eine andere Wendung. Wegen eines Todesfalls in einer benachbarten Siedlung armer Leute brauche man nicht auf das anberaumte Gartenfest zu verzichten, meint Mrs Sheridan. Außerdem dürfe man den Gästen die Freude nicht verderben. Nach der Party schickt sie ihre jüngste Tochter mit Kuchen und belegten Broten, die übrigblieben und die sie sonst weggeworfen hätte, zur Witwe des tödlich verunglückten Fuhrmanns. „Das Gartenfest“ ist eine böse Abrechnung mit dem Snobismus reicher Leute und ihrer Herzlosigkeit gegenüber einfachen Menschen.

Katherine Mansfield gelingt es in „Das Gartenfest“, auf wenigen Seite eine eindrucksvolle Gesellschaftsstudie zu entwickeln. Die kurz umrissenen, von Dialogen geprägten Szenen sind prägnant und schaffen zugleich eine dichte Atmosphäre.

Die Erzählung „The Garden Party“ erschien zunächst am 4. Februar 1922 in der „Saturday Westminster Gazette“ in London, dann in einer Sammlung von Geschichten in Buchform unter dem Titel „The Garden Party and Other Stories“ („Das Gartenfest und andere Geschichten“, 1938). „Das Gartenfest“ gehört neben „Glück“ zu den bekanntesten Kurzgeschichten bzw. Erzählungen der neuseeländischen Schriftstellerin Katherine Mansfield.

M. lässt […] ihre Fähigkeit erkennen, den Vorgängen im menschlichen Leben, auch den Alltagsepisoden, tiefere Bedeutung zu unterlegen. Mit großem Einfühlungsvermögen enthüllt M. die seelischen Prozesse ihrer Charaktere in scheinbar belanglosen Situationen. Diese Technik, durch kurze Prosaeindrücke ein Schlaglicht auf das Innenleben der Charaktere zu werfen (Epiphanie), erinnert an J. Joyces Kurzgeschichten in Dubliners. […] So schmal ihr Werk ist, so groß ist andererseits seine Vielseitigkeit. Impressionistisches, Tragisches, Komisches, Erlebtes und Beobachtetes sind die Quellen, aus denen sich M.s Kurzgeschichten speisen. Ihre Stärke liegt in der Pointierung der Handlung. (Harenbergs Lexikon der Weltliteratur, Band 3, Dortmund 1989, S. 1907f)

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2013
Textauszüge: © Insel-Verlag Anton Kippenberg

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.