Françoise Sagan : Ein verlorenes Profil

Ein verlorenes Profil
Originalausgabe: Un profil perdu, 1974 Ein verlorenes Profil Übersetzung: Margaret Carroux Verlag Herrnberger, München 1974 Ullstein Verlag, Berlin / Frankfurt / Wien 1975 ISBN 3-550-16246-4, 191 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Josée entflieht dem Gefängnis ihrer Ehe mit einem eifersüchtigen Amerikaner. Bald darauf findet die naive Pariserin eine Stelle bei einer Zeitschrift und glaubt, endlich selbst über sich zu bestimmen. In Wirklichkeit bezahlt der Industrielle Julius A. Cram heimlich ihr Gehalt und einen Teil ihrer Miete. Josée hält ihn für einen uneigennützigen Freund, aber dem reichen Menschenverächter kommt es darauf an, sie zu besitzen. Erst als Josée von einem Tierarzt schwanger wird, zeigt er sein wahres Gesicht ...
mehr erfahren

Kritik

Françoise Sagan erzählt die Geschichte stringent, chronologisch und mit außergewöhnlicher Leichtig­keit. "Ein verlorenes Profil" ist ein leiser, melancholischer Roman über Freiheit und Emanzipation, Besitz­ansprüche und Lebenslügen.

mehr erfahren

Josée wurde zwar in Paris geboren, wuchs jedoch in New York auf und kam erst vor zwei Jahren mit ihrem amerikanischen Ehemann zurück. Alan Ash, mit dem sie seit vier Jahren verheiratet ist, quält sie mit seiner übersteigerten Eifersucht so, dass sie lieber tot oder zumindest betrunken wäre.

Bei der Vernissage des Geliebten einer Bekannten namens Pamela Alfern begegnet Josée dem Industriellen Julius A. Cram. Der verabredet sich in aller Offenheit mit ihr für den nächsten Tag in einer Teestube. Alan sperrt seine Frau daraufhin in der Wohnung ein und vereitelt zwei Fluchtversuche, indem er sie im Treppenhaus einholt. Unerwartet steht Julius Cram mit seinem kräftigen Chauffeur in der Tür und nimmt die junge Frau mit. Sie fahren in sein Landhaus in der Nähe von Mantes-la-Jolie nordwestlich von Paris.

Es war wieder „ich“ und nicht mehr „wir“.

Irène Debout, die seit 20 Jahren mit Julius Cram befreundet ist, stellt Josée das Pariser Apartment einer ihrer Schwiegertöchter, die sich vorübergehend in Argentinien aufhält, zur Verfügung. Aber die junge Frau will nach der Befreiung von Alan eine eigene Wohnung mieten und ihren Lebensunterhalt selbst verdienen. Ihr Freund Alain Maligrasse rät ihr, sich bei der Zeitschrift „Reflets des Arts“ zu bewerben, deren Herausgeber er gut kennt, und Josée wird mit einem unerwartet guten Gehalt eingestellt. Julius Crams Sekretärin findet auch noch rasch ein ungewöhnlich günstiges Apartment für Josée.

Auf diese Weise ermutigt, wagt Josée es, sich mit Alan zu verabreden, um ihm ihre Scheidungsabsicht persönlich mitzuteilen. Julius Cram hat bereits seinen Rechtsanwalt Dupont-Corneil beauftragt, Josée zu vertreten. Alan hält Josée für Julius Crams Mätresse und glaubt ihren Beteuerungen nicht, dass der Industrielle ihr uneigennützig geholfen habe.

„Durch welches Wunder hast du dann Arbeit gefunden, du, die du nichts kannst? Und ein Appartement, du, die du nie allein fertig geworden bist? Du verschwindest ohne einen Franc, und nach zwei Tagen tauchst du wieder auf mit Wohnung und Gehalt und triumphierend. Und das soll ich dir glauben?“

Julius Cram vertraut Josée an, dass er aus einfachen Verhältnissen stammt. Er ist unverheiratet geblieben. Die einzige Frau, die er liebte, war Harriet, eine für ihn damals unerreichbare englische Aristokratin. Der inzwischen steinreiche Unternehmer trinkt keinen Alkohol, gilt als Misanthrop und wird allseits gefürchtet. Josée entgeht nicht, dass er Unmengen verschiedener Pillen schluckt.

Zwei Monate nach ihrer Trennung von Alan geht Josée zu einer Verabredung mit ihrem schwulen Freund Didier Dalet in ein Café. Sie ist zu früh da, und während sie auf Didier wartet, kommt sie mit einem anderen Gast ins Gespräch. Als Didier eintrifft, plaudern die beiden bereits angeregt, und es stellt sich heraus, dass es sich bei Josées sympathischen Gesprächspartner um Didiers Bruder Louis Dalet handelt, der als Tierarzt in der Sologne praktiziert, und mit dem er sie bekannt machen wollte. Sobald Louis Dalet erfährt, wer die junge Frau ist, äußert er sich beleidigend über sie und Julius Cram.

Ein paar Wochen später erhält Josée ein Telegramm von ihrer Schwiegermutter aus New York: Alan ist krank, und seine Mutter hat in Orly ein Erste-Klasse-Flugticket für Josée hinterlegen lassen. Julius bringt Josée zum Flughafen. Nachts sitzt Josée einsam an der Bar des Flugzeugs.

In New York zieht sie es vor, in Julius‘ Suite im Hotel Pierre zu wohnen, statt bei ihrer feindseligen Schwiegermutter. Alan befindet sich in einer psychiatrischen Klinik. Offenbar geht es um Depression, Alkoholexzesse und den Missbrauch von Aufputsch- und Betäubungsmitteln. Als Josée ihren Noch-Ehemann besucht, wird er so aggressiv, dass ihn die Pfleger mit einer Injektion beruhigen müssen.

Julius kommt mit seiner Sekretärin ebenfalls nach New York. Zu dritt reisen sie weiter nach Nassau, wo der Industrielle geschäftlich zu tun hat.

Als er nach einem Zusammenbruch am Strand in einer Hängematte liegt und sich von dem Hitzschlag erholt, erschreckt er Josée mit einem Heiratsantrag. Statt darauf zu antworten, schläft sie an diesem Abend mit dem Barpianisten.

Zurück in Paris, trifft Josée in einem Blumenladen zufällig Louis. Sie unterhalten sich ungezwungen wie bei der ersten Begegnung, bevor Louis erfuhr, wem er gegenübersaß und sich darüber ärgerte, dass die sympathische Frau sich von einem reichen Mann aushalten ließ. Zwei Tage später schenkt er Josée einen Hundewelpen und meint, es sei gut für sie, Verantwortung für eine andere Kreatur zu übernehmen. Sie sagt Julius für den Abend ab, und als er beunruhigt ankündigt, er werde vorbeikommen, erzählt sie ihm, sie sei nicht da, sondern führe einen Hund aus. Louis bleibt bei ihr und schläft mit ihr.

Als Louis bald darauf übers Wochenende nach Paris kommt, sagt Josée dem Industriellen erneut ab. Sie fliegt auch nicht, wie geplant, mit ihm nach London.

Ihre Schwiegermutter ruft aus New York an, weil es sie irritiert, dass Josées Scheidungsanwalt Dupont-Corneil nicht versucht, möglichst viel für seine Mandantin herauszuschlagen. Im Gegenteil, er zeigt nicht einmal Interesse an der von Alan Ash bzw. seiner Mutter angebotenen Alimente. Josée, die alles dem von Julius bezahlten Anwalt überlassen hat, kann sich das auch nicht erklären.

Ducreux, der Chefredakteur von „Reflets des Arts“, überrascht Josée mit der Nachricht, dass Julius A. Cram sich an der defizitären Zeitschrift beteiligt und es dadurch ermöglicht, „Reflets des Arts“ nicht nur zu erhalten, sondern sogar den Umfang zu verdoppeln. In der erweiterten Ausgabe soll Josée den Bereich Malerei und Skulptur übernehmen.

Übers Wochenende fährt sie mit Didier zu Louis in die Sologne. Der versucht ihr klarzumachen, dass sie durch das finanzielle Engagement des Industriellen an der Zeitschrift zumindest indirekt von Cram bezahlt werde. Er findet das schlecht, aber Josée, die glaubt, endlich auf eigenen Füßen zu stehen, will es nicht wahrhaben.

Einige Wochen später gesteht Louis, dass er von Paris aufs Land zog, um seine Spielsucht zu überwinden, durch die er nicht nur sein eigenes Erbe, sondern auch das seines Bruders Didier verlor. Erst danach studierte er Tiermedizin. Josée erfährt außerdem, dass er sich vor einiger Zeit von Barbara Crift, der Tochter eines Filmregisseurs, trennte.

Josées Traum von einer eigenständigen Existenz zerstiebt, als Ducreux ihr bestätigt, dass sie nur eingestellt werden konnte, weil Julius A. Cram von Anfang an ihr Gehalt bezahlte. Irène Dubout fragt die naive junge Frau, ob diese sich nie über die unwahrscheinlich niedrige Miete ihres Apartments gewundert habe.

Den Sommer verbringt Josée bei Louis in der Sologne. Im August stellt sie fest, dass sie schwanger ist.

Während eines Aufenthalts in Paris läuft Julius Cram ihr über den Weg. Als sie ihm von der Schwangerschaft erzählt, rastet er aus. Sein Chauffeur hält ihn davon ab, Josée auf der Straße zu schlagen.

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

Zweifellos weist die Ich-Erzählerin Josée in dem Roman „Ein verlorenes Profil“ autobiografische Züge der Schriftstellerin Françoise Sagan auf. Die naive Pariser Müßiggängerin entflieht dem Gefängnis ihrer Ehe mit einem eifersüchtigen Amerikaner. Bald darauf blickt sie stolz auf ihr neues Leben, denn sie hat in Paris eine gut bezahlte Stelle bei einer Kunstzeitschrift gefunden und kann mit dem Gehalt ihren Lebensunterhalt bestreiten. Josée glaubt, endlich selbst über sich zu bestimmen. In Wirklichkeit zieht der Industrielle Julius A. Cram die Fäden. Er bezahlt heimlich ihr Gehalt und einen Teil ihrer Miete. Josée hält ihn für einen ebenso wohlmeinenden wie uneigennützigen Freund, aber dem reichen Menschenverächter kommt es darauf an, sie zu besitzen. Erst als Josée von einem nicht in Paris, sondern in der Provinz praktizierenden Tierarzt schwanger wird, zeigt er sein wahres Gesicht.

Françoise Sagan erzählt die Geschichte stringent, chronologisch und mit außergewöhnlicher Leichtigkeit. „Ein verlorenes Profil“ ist ein leiser, melancholischer Roman über Freiheit und Emanzipation, Besitzansprüche und Lebenslügen.

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2016
Textauszüge: ©Ullstein Verlag

Françoise Sagan (Kurzbiografie)
Bonjour Sagan (Kinofilm über Françoise Sagan)

Françoise Sagan: Bonjour tristesse
Françoise Sagan: In einem Monat, in einem Jahr
Françoise Sagan: Lieben Sie Brahms? (Verfilmung)
Françoise Sagan: Ein Schloss in Schweden (Verfilmung)

Frederick Forsyth - Die Akte Odessa
"Die Akte Odessa" von Frederick Forsyth ist ein komplexer und informativer, spannender und unterhaltsamer Roman, kein sprachliches oder gar literarisches Meisterwerk, aber ein unbedingt lesenswerter Politthriller.
Die Akte Odessa

 

(Startseite)

 

Nobelpreis für Literatur

 

Literaturagenturen

 

Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.