Françoise Sagan : Bonjour tristesse
Inhaltsangabe
Kritik
Raymond und Elsa, Cécile und Cyril
Raymonds Ehefrau starb vor fünfzehn Jahren. Der reiche und großzügige, charmante und gut aussehende vierzigjährige Franzose ist „immer begierig nach neuen Erlebnissen und schnell ihrer überdrüssig“. Alle paar Monate wechselt er die Geliebte. Seine siebzehnjährige Tochter Cécile, kann sich „keinen besseren und unterhaltenderen Freund vorstellen“ als ihren leichtsinnigen Vater, der sich liebevoll um sie kümmert und sie niemals wegen einer Affäre vernachlässigt. Cécile schätzt dieses unbeschwerte Leben und behauptet von sich selbst:
„Ich war es nicht gewohnt, nachzudenken, es ging mir auf die Nerven.“
Für diesen Sommer hat Raymond eine große, weiße, hinter einem Fichtenwald verborgene Villa an einer Bucht an der Côte d’Azur gemietet und ist mit Cécile und der 29 Jahre alten Elsa Mackenbourg hingefahren.
Nach einer Woche begegnet Cécile dem sieben Jahre älteren Jurastudenten Cyril, der die Ferien mit seiner Mutter in einer benachbarten Villa verbringt.
Im allgemeinen mied ich die Universitätsstudenten. Sie waren brutal, zu sehr mit sich selbst und vor allem mit ihrem Jungsein beschäftigt, in dem sie den Stoff für ein Drama oder den Vorwand für ihre Lebensmüdigkeit sahen. Ich hatte nicht viel übrig für die Jugend. Ich zog die Freunde meines Vaters vor, Männer von vierzig, die mich mit ausgesuchter, fast gerührter Höflichkeit behandelten und mir mit einer Zartheit begegneten, in der etrwas von einem Vater und etwas von einem Liebhaber war.
Bei Cyril macht sie eine Ausnahme. Er nimmt sie in seinem Segelboot mit; sie küssen und verlieben sich.
Anne
Unvermittelt kündigt Raymond den Besuch der Modedesignerin Anne Larsen an. Die zweiundvierzig Jahre alte schöne und niveauvolle Dame war eine gute Freundin von Céciles Mutter gewesen. Als das Mädchen vor zwei Jahren aus dem Pensionat kam und der Vater zuerst nicht wusste, was er mit ihr anfangen sollte, schickte er sie zu Anne Larsen.
Innerhalb einer Woche hatte sie mich mit Geschmack angezogen und mir Manieren beigebracht.
Sie stellte Regeln für guten Geschmack und gutes Benehmen auf, von denen man, ob man wollte oder nicht, Notiz nehmen musste, wenn sie einen auf eine bestimmte Art anblickte, wenn sie verletzt schwieg oder sich plötzlich in sich zurückzog.
Während Raymond und Elsa zum Bahnhof fahren, um Anne zu empfangen, taucht diese mit ihrem Auto vor der Villa auf. Cécile ahnt, dass diese Frau für ihren Vater mehr bedeuten könnte als seine jüngeren Geliebten.
Ich beruhigte mich mit der sehr törichten Idee, dass sie sich ja schon seit fünfzehn Jahren kannten, und wenn es ihnen bestimmt gewesen wäre, sich zu lieben, so hätten sie schon früher damit angefangen.
Zu viert fahren sie nach Cannes zum Tanzen. Nach einer Stunde fragt Elsa, ob Cécile wisse, wo ihr Vater sei. Das Mädchen sucht ihn und findet ihn auf dem Parkplatz, mit Anne im Auto. Cécile soll Elsa sagen, Anne habe sich nicht wohlgefühlt und sei deshalb von Raymond nach Hause gefahren worden. Elsa ist zwar nicht besonders intelligent und gebildet, aber sie begreift, was geschieht, tröstet sich mit einem anderen Mann und bleibt tagelang fort.
Beim Frühstück nach dem Besuch in Cannes wendet sich Anne an Cécile: „Dein Vater und ich würden gerne heiraten.“ Cécile denkt:
Das würde unser ganzes Leben ändern. Unsere Unabhängigkeit war verloren. Ich sah es schon vor mir, unser Leben zu dritt: An der Seite der intelligenten und kultivierten Anne würden wir plötzlich ausgeglichene Menschen werden und jenes Leben führen, um das ich sie bisher beneidet hatte. Mit klugen, feinsinnigen Freunden, ruhigen, glücklichen Abenden …
Sie hatte meinen Vater gewollt, sie hatte ihn gekriegt – nach und nach würde sie aus uns den Ehemann und die Stieftochter von Anne Larsen machen. Das heißt mit anderen Worten: gesittete, wohlerzogene und glückliche Wesen.
Ich konnte mich nicht frei machen von der Zwangsvorstellung, dass Anne unser Leben verwüsten würde.
Anne beginnt sich für Cécile verantwortlich zu fühlen. Wegen ungebührlichen Benehmens sperrt sie die Heranwachsende schon einmal in ihr Zimmer ein – was diese bis dahin noch nie erlebte. Ein anderes Mal schreckt sie Cécile und Cyril am Strand auf, und obwohl sich die beiden nur küssten, verbietet sie ihnen weitere Treffen. „Du solltest eigentlich wissen, dass diese Art von Vergnügen gewöhnlich in einer Klinik endet.“ Cécile muss nun jeden Tag ein paar Stunden lernen, damit sie ihr schulisches Examen wenigstens im zweiten Anlauf schafft. Anne ist zwar streng, aber sie benimmt sich stets liebevoll gegenüber Cécile und versucht sie zu verstehen.
Elsa
Nach einigen Tagen taucht Elsa in der Villa auf, um ihre Sachen zu packen. Ihr Sonnenbrand ist verheilt; braun gebrannt schaut sie besser denn je aus. Da sich Raymond und Anne für einen Nachmittagsschlaf zurückgezogen haben, empfängt Cécile die Geliebte ihres Vaters und verrät ihr, dass Anne und Raymond heiraten wollen:
„Wenn diese Ehe zustande kommt, Elsa, ist es mit unserem Leben zu dritt aus. Wir müssen meinen Vater beschützen, er ist ein großes Kind.“
Sie redet Elsa ein, dass Raymond in Wirklichkeit nur sie liebe, aber Anne es verstanden habe, sich ihm aufzudrängen. Cécile bringt Elsa dazu, sich bei Cyril und dessen Mutter einzuquartieren und mit dem Jurastudenten ein verliebtes Paar zu spielen, um Raymond eifersüchtig zu machen. Der ist zunächst nur verblüfft und wundert sich, wieso seine Tochter nicht gereizter auf Cyrils neues Verhältnis reagiert. Immer wieder richten Elsa und Cyril es so ein, dass Raymond sie sieht. Der hebt einmal an: „Wenn ich wollte …“, verstummt dann aber und schaut erschrocken seine Tochter an, die ihn bei Gelegenheit darauf hinweist, dass die beiden altersmäßig viel besser zusammenpassen als es bei ihm und Elsa der Fall war. So wird Elsa für ihn zum Symbol seiner Jugend, und er kommt allmählich nicht mehr von dem Gedanken an sie los.
Cécile und Cyril treffen sich heimlich. Sie lässt sich von ihm deflorieren. Cyril meint es ernst; er macht ihr einen Heiratsantrag, aber sie kann es sich nicht vorstellen, ihn oder einen anderen Mann zu heiraten.
Raymond verabredet sich mit Elsa im Dorf. Er wolle sich nur vergewissern, dass sie ihm nichts nachträgt, behauptet er. Als die beiden durch den Fichtenweg zurückkommen, werden sie von Anne bei einem Kuss ertappt.
Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.
Unglück?
Anne läuft zur Garage, startet ihren Wagen. Cécile bestürmt sie, nicht zu fahren.
Da richtete sie sich auf, ihr Gesicht war verzerrt. Sie weinte. Und da begriff ich plötzlich, dass ich mich an einen Menschen herangewagt hatte, an einen lebendigen, empfindenden Menschen und nicht an ein abstraktes Wesen. … Sie war vierzig Jahre alt, sie war allein, sie liebte einen Mann, und sie hatte gehofft, zehn, vielleicht zwanzig Jahre mit ihm glücklich zu sein. Und ich … dieses Gesicht, dieses Gesicht – das war mein Werk.
Das Mädchen kann die gekränkte und enttäuschte Frau nicht zurückhalten.
Während des Abendessens mit ihrem Vater raucht Cécile eine Zigarette. Das hätte Anne nicht erlaubt. Dann schreiben sie Briefe an Anne, um sich zu entschuldigen und sie zu bitten, sich wieder mit ihnen zu versöhnen. Da klingelt das Telefon. An einer besonders gefährlichen Stelle auf der Straße durch den Estérel, wo es in diesem Sommer bereits sechs Unfälle gab, stürzte Anne mit ihrem Wagen 50 Meter tief ab.
Anne hatte uns ein kostbares Geschenk gemacht. Sie hatte uns die ungeheure Chance gelassen, an ein Unglück zu glauben.
Raymond und Cécile fahren zur Beerdigung nach Paris. Cyril bedeutet Cécile nichts mehr:
„Ich hatte die Lust geliebt, die er mir gab; aber ich brauchte ihn nicht.“
Sie und ihr Vater nehmen ihr unbeschwertes Leben wieder auf. Auch Céciles Liebesgeschichten sind jetzt nicht mehr platonisch. Die beiden glauben glücklich zu sein. Nur wenn Cécile an Anne denkt, wird sie traurig.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)Im Alter von achtzehn Jahren verfasste Françoise Sagan innerhalb weniger Wochen ihren ersten Roman: „Bonjour tristesse“. Die Startauflage betrug 4200. Rasch musste nachgedruckt werden, denn „Bonjour tristesse“ erwies sich als Bestseller, von dem innerhalb von fünf Jahren vier Millionen Exemplare in Dutzenden von Sprachen verkauft wurden. Otto Preminger verfilmte den Erfolgsroman 1958.
Bonjour tristesse: Regie: Otto Preminger – Drehbuch: Arthur Laurents – Kamera: Georges Pérnial – Schnitt: Helga Cranston – Darsteller: Jean Seberg, David Niven, Deborah Kerr, Mylène Demongeot u.a. – 94 Minuten
Die mit leichter Hand geschriebene Geschichte vermittelt eine ganz besondere Atmosphäre, in der sich das Lebensgefühl einer dem Existenzialismus nahe stehenden Jugend ausdrückt.
Wie in anderen Romanen von Françoise Sagan auch, geht es in „Bonjour tristesse“ um reiche Franzosen, die ihre Langeweile durch Liebesaffären bekämpfen – wobei sie darauf achten, dass niemand ihnen wirklich nahekommt. Aber sie können der Einsamkeit und Sinnlosigkeit des Daseins nicht entfliehen.
„Bonjour tristesse“ gibt es auch als Hörbuch, gelesen von Iris Berben (3 CDs, Brigitte Hörbuch-Edition).
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2002
Textauszüge: © Ullstein Verlag
Françoise Sagan (Kurzbiografie)
Bonjour Sagan (Kinofilm über Françoise Sagan)
Françoise Sagan: In einem Monat, in einem Jahr
Françoise Sagan: Lieben Sie Brahms? (Verfilmung)
Françoise Sagan: Ein Schloss in Schweden (Verfilmung)
Françoise Sagan: Ein verlorenes Profil