Friedrich Schiller : Kabale und Liebe

Kabale und Liebe
Kabale und Liebe Manuskript: 1782/83 Erstausgabe in Buchform: Mannheim 1784 Uraufführung: Frankfurt/M, 13. April 1784 Studienausgabe Hg.: Alexander Košenina Reclam Verlag, Ditzingen 2018 ISBN 978-3-15-019461-4, 206 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Major Ferdinand von Walter und Luise, die 16-jährige Tochter des Stadtpfeifers Miller, lieben sich. Ein Skandal, zumal Ferdinand mit Lady Milford, der Mätresse des Herzogs, vermählt werden soll! Man lässt deshalb Luises Eltern festnehmen und erpresst das Mädchen, Hofmarschall von Kalb einen kompromittierenden Brief zu schreiben, der Ferdinand dann zugespielt wird ...
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Kritik

"Kabale und Liebe" ist sowohl ein soziales Drama, als auch ein politisches Tendenzstück und eine Liebestragödie. In dem "bürgerlichen Trauerspiel" geht es u. a. um den Gegensatz zwischen dem skrupellosen Despotentum an einem absolutistischen Fürstenhof und dem rechtschaffenen Bürgertum.
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Als von Walter, der am Hof eines (ungenannten) deutschen Fürsten den Titel eines Präsidenten trägt, von seinem Sekretär Wurm erfährt, dass sein Sohn Ferdinand ein Verhältnis mit Luise Miller hat, der sechzehnjährigen Tochter eines Stadtpfeifers, hält er das zunächst für ein unbedeutendes Abenteuer, denn er kann sich nicht vorstellen, dass Ferdinand echte Gefühle für eine Bürgerliche haben könnte und er argwöhnt, dass ihn Wurm – der selbst in Luise verliebt ist – durch eine Kabale gegen den Nebenbuhler aufhetzen möchte.

Dass er der Bürgerkanaille den Hof macht – Flatterien sagt – auch meinetwegen Empfindungen vorplaudert – Das sind lauter Sachen, die ich möglich finde – verzeihlich finde – aber – und noch gar die Tochter eines Musikus, sagt Er? (1. Akt, 5. Szene)

Der Präsident plant, seinen dreißigjährigen Sohn mit Lady Milford, der Mätresse des Herzogs, zu verheiraten und dadurch seinen Einfluss bei Hof zu vergrößern. Doch als er ihn mit diesem Vorhaben konfrontiert, sucht Ferdinand nach Ausflüchten. Der Vater redet ihm ins Gewissen: Ferdinand habe ihm und seinem Einfluss auf den Fürsten zu verdanken, dass er mit zwölf Jahren Fähnrich und acht Jahre später Major wurde.

Wem zulieb hab ich die gefährliche Bahn zum Herzen des Fürsten betreten? Wem zulieb bin ich auf ewig mit meinem Gewissen und dem Himmel zerfallen? […] Wem hab ich durch die Hinwegräumung meines Vorgängers Platz gemacht – eine Geschichte, die desto blutiger in mein Inwendiges schneidet, je sorgfältiger ich das Messer der Welt verberge.“ (1. Akt, 7. Szene)

Ferdinand will jedoch nichts mit den Kabalen und Schändlichkeiten zu tun haben; lieber verzichtet er auf die Erbschaft. Über den Herzog sagt er bei einer anderen Gelegenheit:

„Er selbst ist nicht über die Ehre erhaben, aber er kann ihren Mund mit seinem Golde verstopfen. Er kann den Hermelin über seine Schande herwerfen.“ (2. Akt, 3. Szene)

Währenddessen gesteht die aus England stammende Lady Milford ihrer Kammerjungfer Sophie, dass sie sich in dem deutschen Fürstentum nicht wohlfühlt und durch die Eheschließung mit Ferdinand von Walter, ihrer großen Liebe, ihre Rolle als Mätresse beenden möchte.

Soll ich meine Zimmer mit diesem Volk tapezieren? – Das sind schlechte, erbärmliche Menschen, die sich entsetzen, wenn mir ein warmes, herzliches Wort entwischt, Mund und Nasen aufreißen, als sähen sie einen Geist – Sklaven eines einzigen Marionettendrahts, den ich leichter als mein Filet [Stickerei] regiere. – Was fang ich mit Leuten an, deren Seelen so gleich als ihre Sackuhren [Taschenuhren] gehen? Kann ich eine Freude dran finden, sie was zu fragen, wenn ich voraus weiß, was sie mir antworten werden? Oder Worte mit ihnen wechseln, wenn sie das Herz nicht haben, andrer Meinung als ich zu sein? (2. Akt, 1. Szene)

Als der Herzog ihr einen wertvollen Brillanten schickt und sie erfährt, dass er Geld und Juwelen als Bezahlung für siebentausend Landsleute erhielt, die er als Söldner nach Amerika verkaufte, lässt sie den Brillanten unverzüglich verkaufen und den Erlös an vierhundert durch ein Feuer in ihrer Stadt verarmten Familien verteilen.

Ferdinand von Walter macht ihr seine Aufwartung, doch als er betont, nur auf Befehl seines Vaters gekommen zu sein, ist sie enttäuscht. Sie erzählt ihm von ihrer Herkunft: Ihr Vater, der oberste Kämmerer des englischen Königs, wurde enthauptet, weil man ihn beschuldigt hatte, mit den Franzosen konspiriert zu haben. Sein Besitz fiel der Krone zu. Seine Frau starb vor Gram noch am Tag der Hinrichtung. Seiner damals vierzehnjährigen Tochter gelang es, mit einer Bediensteten und ein wenig Familienschmuck nach Hamburg zu fliehen. Dort begegnete sie dem Herzog. Er schwor ihr Liebe, und sie wurde seine Mätresse. Durch ihren Einfluss auf ihn gelang es ihr, Menschen aus dem Kerker zu befreien, andere vor der Galeere zu bewahren und Todesurteile widerrufen zu lassen. – Ferdinand ist stark beeindruckt und völlig verunsichert, denn er hatte erwartet, sie verachten, beleidigen und ihren Hass auf sich lenken zu können, aber jetzt begreift er, dass sie aufrichtig ist. Um ihr sein Verhalten zu erklären, gesteht er ihr, dass er eine Bürgerliche liebt und sich dem Mädchen gegenüber verpflichtet fühlt, nicht zuletzt, weil er ihr die Unschuld nahm. Lady Milford sieht ein, dass sie miteinander nicht glücklich werden können, weil aber der Präsident die Nachricht von der bevorstehenden Vermählung bereits überall im Herzogtum verbreiten ließ, fürchtet sie die Blamage.

Verwirrt gesteht Ferdinand Luise, eine fremde Person habe sich zwischen sie gedrängt. Als Luise in einen Sessel sinkt und die Hände vors Gesicht schlägt, kommt er aus Mitleid zu dem Schluss, Lady Milford könne von ihm nicht verlangen, das unschuldige Mädchen ins Unglück zu stürzen.

Da taucht der Präsident mit seinem Gefolge im Haus des Stadtpfeifers auf. Vor Ferdinand und den Eltern beleidigt er Luise als Hure, die ihre Gunst hoffentlich nicht verschenkt habe, sondern von seinem Sohn gut bezahlt worden sei. In einer wütenden Auseinandersetzung sagt Ferdinand sich von seinem Vater los. Als der Präsident Luise festnehmen lässt, droht sein Sohn, zu verbreiten, „wie man Präsident wird“ (2. Akt, 7. Szene). Erschrocken befiehlt dieser daraufhin den Gerichtsdienern, Luise wieder freizulassen.

Zu Hause berichtet der Präsident seinem Sekretär, was vorgefallen ist. Wurm äußert sich über Ferdinand von Walter:

„Die Grundsätze, die er aus Akademien hieher brachte, wollten mir gleich nicht recht einleuchten. Was sollten auch die phantastischen Träumereien von Seelengröße und persönlichem Adel an einem Hof, wo die größte Weisheit diejenige ist, im rechten Tempo, auf eine geschickte Art, groß und klein zu sein. Er ist zu jung und zu feurig, um Geschmack am langsamen, krummen Gegang der Kabale zu finden, und nichts wird seine Ambition in Bewegung setzen, als was groß ist und abenteuerlich.“ (3. Akt, 1. Szene)

Wurm rät dem Präsidenten, Luise Miller verdächtig aussehen zu lassen. Sein Plan sieht vor, ihr ein Billet doux an einen anderen Mann zu diktieren und dieses dem Major zuzuspielen. Um sie unter Druck zu setzen, schlägt er vor, ihre Eltern verhaften zu lassen. Der Präsident willigt in die Kabale ein und bringt kurz darauf Hofmarschall von Kalb dazu, sich als Empfänger des Liebesbriefchens zur Verfügung zu stellen, indem er ihm ausmalt, was geschähe, wenn durch Ferdinand herauskäme, durch welche Intrigen und Verbrechen sie ihre Positionen erschlichen. Um Ferdinand davon abzuhalten, müsse ihm seine Liebe zu Luise Miller verdorben werden. Dann gebe es keinen Grund mehr für ihn, etwas zu verraten. – Wurm sucht Luise auf, teilt ihr mit, dass der Vater im Turm und die Mutter im Spinnhaus eingesperrt sind und Miller mit einer Anklage wegen Beleidigung des Präsidenten rechnen müsse. Sie könne es allerdings verhindern, wenn sie der skandalösen Liebe zu Ferdinand entsage. Weil der sich jedoch nicht freiwillig von ihr trennen würde, müsse sie einen Liebesbrief an Hofmarschall von Kalb schreiben und später beteuern, ihn freiwillig verfasst zu haben.

Ferdinand ist entsetzt, als er den inkriminierenden Brief findet. Er kann es kaum glauben, dass Luise ihn betrügt, aber er argwöhnt, die Bindung an einen anderen Mann sei der Grund dafür gewesen, dass sie nicht mit ihm fliehen wollte. Zornig begibt er sich zu von Kalb, nimmt dort zwei Pistolen von der Wand und fordert seinen vermeintlichen Rivalen zum Duell. Aber der feige Hofmarschall fasst die Pistole nicht an. Da setzt der Major ihm die andere auf die Brust.

Ferdinand: Wie weit kamst du mit ihr? Ich drücke ab, oder bekenne!
Hofmarschall: Es ist nichts – ist ja alles nichts. Haben Sie mir nur eine Minute Geduld. Sie sind ja betrogen.
Ferdinand: Und daran mahnst du mich, Bösewicht? – Wie weit kamst du mit ihr? Du bist des Todes, oder bekenne!
Hofmarschall: Mon Dieu! Mein Gott! Ich spreche ja – So hören Sie doch nur – Ihr Vater – Ihr eigener, leiblicher Vater –
Ferdinand: Hat seine Tochter an dich verkuppelt? Und wie weit kamst du mit ihr? Ich ermorde dich, oder bekenne!
Hofmarschall: Sie rasen. Sie hören nicht. Ich sah sie nie. Ich kenne sie nicht. Ich weiß gar nichts von ihr.
Ferdinand: Da sahst sie nie? Kennst sie nicht? Weißt gar nichts von ihr? – Die Millerin ist verloren um deinetwillen, du leugnest sie dreimal in einem Atem hinweg? – Fort, schlechter Kerl. Für deinesgleichen ist kein Pulver erfunden! (4. Akt, 3. Szene)

Lady Milford lässt Luise rufen. Weil Sophie demnächst heiraten wird, bietet sie dem Mädchen deren Position als Kammerjungfer an, aber Luise lehnt das Angebot ab. Lady Milford durchschaut, dass Eifersucht auf Ferdinand der Grund ist und schreit erbost:

Aber wag es, Unglückliche – wag es, ihn jetzt noch zu lieben, oder von ihm geliebt zu werden – Was sage ich? – Wag es, an ihn zu denken, oder einer von seinen Gedanken zu sein – Ich bin mächtig, Unglückliche – fürchterlich – So wahr Gott lebt! Du bist verloren! (4. Akt, 7. Szene)

Gleich darauf bereut sie es, sich ereifert zu haben und versucht, Luise zu besänftigen. In einem Brief sagt sie sich vom Herzog los, nimmt wieder ihren einfachen Namen Johanna Norfolk an, hinterlässt ihren Besitz der Dienerschaft und reist zurück nach England.

Miller ertappt seine Tochter, die ins Wasser gehen will und hält sie von dem Selbstmord ab. Da taucht Ferdinand auf und wirft Luise das Billet doux hin. Noch hofft er, dass es eine Fälschung ist, aber das Mädchen gesteht ehrlich, ihn geschrieben zu haben. Luise fühlt sich an den Eid gebunden, den Wurm ihr abverlangt hatte, und verrät nichts von der Erpressung. Unter einem Vorwand schickt Ferdinand ihren Vater fort, bittet um ein Glas Limonade, träufelt Gift hinein, trinkt und fordert Luise auf, ebenfalls davon zu probieren. Dann drängt er sie, die Wahrheit zu beichten, denn sie werde gleich sterben. Verzweifelt versichert Luise, sie sei unschuldig und das Opfer einer Erpressung. Nachdem sie tot umgesunken ist, schleppt Ferdinand sich zum Fürstenhof und klagt seinen Vater und dessen Sekretär vor den Umstehenden des Mordes an. Während er stirbt, werden sie abgeführt.

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„Kabale und Liebe“ ist sowohl ein soziales Drama, als auch ein politisches Tendenzstück und eine Liebestragödie. Es handelt sich um ein „bürgerliches Trauerspiel“, wie es im Untertitel heißt, weil in den Hauptrollen neben Aristokraten auch Bürgerliche auftreten und der Gegensatz zwischen dem skrupellosen Despotentum der Höflinge und dem rechtschaffenen Bürgertum im Mittelpunkt des Bühnenstücks steht. „Kabale und Liebe“ ist nicht in Reimen, sondern in Prosa formuliert.

Friedrich Schiller schrieb sich damit wohl auch den Zorn auf seine Freiheitsberaubung durch den absolutistischen Herzog Karl Eugen von Württemberg (1745 – 1793) von der Seele. Allerdings nennt er den Fürsten nicht beim Namen und bringt nur dessen Kreaturen auf die Bühne. Zweitausend Menschen lebten an Karl Eugens Hof, darunter auch seine Mätressen: die Venezianierin Katharina Bonafini, mit der er einen Sohn zeugte und die deshalb mit Rittmeister von Poeltzig vermählt wurde, und ab 1780 Franziska von Leutrum, Reichsgräfin von Hohenheim, die Schiller vermutlich als Vorbild für die Bühnenfigur Lady Milford wählte. Um die enormen Kosten der Hofhaltung zu decken, versuchte Herzog Karl Eugen zum Beispiel 1776, den Engländern dreitausend junge Männer als Söldner zu verkaufen. Weil er allerdings die erforderliche Ausrüstung nicht aufbringen konnte, scheiterte das Vorhaben.

Friedrich Schiller konzipierte das Stück, das zunächst „Luise Millerin“ heißen sollte, vermutlich im Sommer 1782, während er den zweiwöchigen Arrest verbüßte, mit dem er wegen seiner verbotswidrigen Reise zu einer Aufführung der „Räuber“ nach Mannheim belegt worden war. Nach seiner Flucht aus Stuttgart, während er sich von September bis November 1982 in Oggersheim aufhielt, arbeitete Schiller an dem Theaterstück, das er dann in Bauerbach fertigstellte. Im August 1783 las er daraus in Mannheim erstmals vor. Dort erschien im Frühjahr 1784 auch die erste Buchausgabe, aber die Uraufführung des „bürgerlichen Trauerspiels“, das jetzt den Titel „Kabale und Liebe“ trug, fand am 13. April 1784 in Frankfurt am Main statt.

Giuseppe Verdi machte aus „Kabale und Liebe“ die Oper „Luisa Miller“ (Libretto: Salvatore Cammarano), die am 8. Dezember 1849 im Teatro San Carlo in Neapel uraufgeführt wurde.

Es gibt mehrere Verfilmungen des Theaterstücks, so zum Beispiel den Kinofilm „Kabale und Liebe“ von Martin Hellberg aus dem Jahr 1959.

Kabale und Liebe – Regie: Martin Hellberg – Drehbuch: Martin Hellberg, nach dem Bühnenstück „Kabale und Liebe“ von Friedrich Schiller – Kamera: Karl Plintzner (Günter Haubold) – Schnitt: Ursula Rudzki – Musik: Wilhelm Neef – Darsteller: Karola Ebeling, Otto Mellies, Wolf Kaiser, Marion Van de Kamp, Willi Schwabe, Martin Hellberg, Marianne Wünscher, Uwe-Jens Pape, Hans Finohr, Christine Schwarze u.a. – 1959; 110 Minuten

Leander Haußmann verfilmte das Theaterstück von Friedrich Schiller 2005 fürs Fernsehen: „Kabale und Liebe“.

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2004

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