Rafik Schami : Die geheime Mission des Kardinals

Die geheime Mission des Kardinals
Die geheime Mission des Kardinals Originalausgabe Carl Hanser Verlag, München 2019 ISBN 978-3-446-26379-6, 451 Seiten ISBN 978-3-446-26493-9 (eBook)
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Wenige Wochen vor seiner Pensionierung versucht der katholische Kommissar Barudi in Damaskus noch einen Mordfall aufzuklären. Weil es sich bei dem Toten um einen Kardinal handelt, beteiligt sich ein Kollege Barudis aus Rom an den Ermittlungen in Syrien. Kardinal Cornaro war in geheimer Mission unterwegs, und die Kommissare versuchen als Erstes herauszufinden, um was es dabei gegangen sein könnte ...
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Kritik

Rafik Schami erzählt ausufernd, aber ohne den Esprit orientalischen Fabulierens. Wer einen Thriller erwartet, wird sich bei der Lektüre langweilen, denn wichtiger als die Aufklärung des Verbrechens ist Rafik Schami, wie Polizei, Geheimdienst und Justiz in Syrien damit umgehen. Aber als gesellschaftskritischem Ansatz fehlt es dem Roman "Die geheime Mission des Kardinals" an einer differenzierten Analyse.
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Barudi und Basma

Damaskus, November 2010. Kommissar Zakaria Barudi wird nach 40 Jahren bei der Polizei am 1. Februar 2011 in Pension gehen.

Barudi ist Katholik. Der Patriarch seiner Kirche residiert in Damaskus und erkennt keines der anderen Kirchenoberhäupter als höherstehend an. 1980, im Alter von 35 Jahren, heiratete Barudi eine zehn Jahre jüngere Frau namens Basma. Sie wünschte sich Kinder, aber es stellte sich heraus, dass Barudi durch eine Mumpserkrankung als Kind unfruchtbar geworden war. Als dann der mehrfache – auch von der Regierung gedungene – Mörder Hani Faruki 1990 die Eltern eines zehnjährigen Jungen erschoss, nahm Basma sich des Waisenkindes an. Scharif war Muslim. Weil seine Adoption durch Christen verboten war, beschloss Basma nach drei glücklichen Jahren mit dem Pflegesohn, zum Islam zu konvertieren, und um sie nicht zu verlieren, wollte Barudi das ebenfalls tun. Aber bevor sie ihr Vorhaben verwirklichen konnten, tauchte Ende 1993 ein Halbbruder von Scharifs Vater auf, ein erfolgreichr Bauunternehmer aus Saudi-Arabien, und der bestand darauf, den Dreizehnjährigen gegen dessen Willen mitzunehmen.

Im Jahr darauf starb Basma an Darmkrebs, und der Witwer blieb allein zurück.

Ein Kardinal in Olivenöl

Beim letzten Mordfall, den Kommissar Barudi vor seiner Pensionierung zu bearbeiten hat, geht es um Kardinal Angelo Cornaro aus Rom. Dessen Leiche entdeckte der Koch der italienischen Botschaft in einem angelieferten Fass mit Olivenöl.

Alle inneren Organe wurden entnommen. An der Stelle des Herzens hat man einen schwarzen Basaltstein befestigt, so groß wie eine Faust, ansonsten war der Bauch mit Watte gefüllt, die man in fünfzigprozentigem Arak und Formaldehyd getränkt hatte. In die Augenhöhlen haben sie dem toten Kardinal zwei Goldmünzen gelegt und die Augenlider darüber zugenäht.

Wussten die Mörder nicht, dass statt des italienischen Botschafters Francesco Longo der Nuntius Mario Saleri für den Kardinal zuständig gewesen wäre? Oder gehörte das zu ihrem Plan, den kirchlichen Würdenträger auch im Tod zu verhöhnen?

Zur Unterstützung Barudis trifft Commissario Marco Mancini aus Rom ein. Weil es für einen westlichen Polizisten in Syrien zu gefährlich wäre, gibt er sich als Journalist aus und nennt sich Roberto Mastroianni. Die beiden Kommissare werden rasch Freunde.

Die geheime Mission des Kardinals

Kardinal Angelo Cornaro war in geheimer Mission im Norden Syriens unterwegs. Von seinem Begleiter, dem Jesuitenpater José Camillieros, fehlt jede Spur. Zuletzt beschäftigte sich der Kardinal mit einem sogenannten Bergheiligen, der 2005 in der Stadt Derkas im Bezirk Idlib südwestlich von Aleppo aufgetaucht war. Obwohl es sich bei dem Bergheiligen um einen Muslim handelt, lebt er in einer Höhle hinter dem Altar einer christlichen Kirche.

Ein Kontakt mit dem Bergheiligen kann jedoch nicht der alleinige Grund für die Reise des Kardinals gewesen sein. Barudi und sein italienischer Kollege finden heraus, dass Angelo Cornaro mit Theophil Buri verfeindet war, einem Kardinal syrischer Herkunft, der Papst Benedikt XVI. drängte, endlich Wunderheiler aus Syrien wie Dumia Asmar-Sargi anzuerkennen und durch deren Aufwertung die katholische Kirche im Orient zu stärken. Benedikt misstraut Buri allerdings, seit dieser ihm die Rede geschrieben hatte, die er am 12. September 2006 in Regensburg hielt und für die er als „Hassprediger“ heftig kritisiert wurde, weil er den byzantinischen Kaiser Manuel II. Palaiologos zitiert hatte: „Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten.“

Theophil Buri wurde 1946 in Derkas als Sohn eines Syrers und einer Deutschen geboren. Marianne Förster, die vom Buri-Clan gehasst wurde, kehrte nach dem Tod ihres Mannes 1947 nach Deutschland zurück, durfte aber nur Theophil mitnehmen und musste ihre beiden anderen Kinder – Georg und Samia – in  Syrien lassen. In Hamburg nahm sie ihr abgebrochenes Medizinstudium wieder auf und wurde Ärztin. Theophil studierte in Münster Theologie und Philosophie. Dabei freundete er sich mit Josef Ratzinger an, mit dem er später nach Rom ging.

Während Theophil Buri in der römisch-katholischen Kirche aufstieg, entwickelte sich sein Bruder Georg Buri zu einem der mächtigsten Männer in Nordsyrien. Theophil Buri sagt man Beziehungen zur Mafia nach, und es heißt, dass der Reichtum seines Bruder Georg Buri vom Drogenhandel stamme.

Hoffte Kardinal Angelo Cornaro, in Derkas Beweise für kriminelle Verstrickungen des Buri-Clans sammeln und damit seinen Widersacher beseitigen zu können?

Islamisten

Barudi und Marco Mancini alias Roberto Mastroianni fahren mit dem Auto nach Norden. Kurz vor dem Zielort Derkas werden sie von mit Kalaschnikows bewaffneten Islamisten gestoppt und gefangen genommen. Man verdächtigt die beiden als Spione.

Durch einen glücklichen Zufall handelt es sich beim Emir, der über sie richten soll, um Barudis Pflegesohn Scharif. Der Terroristenanführer berichtet, wie es ihm nach der Abholung durch seinen Onkel vor 17 Jahren ergangen ist und bietet den beiden Christen nicht nur seine Gastfreundschaft, sondern auch seine Hilfe bei der Aufklärung des Mordfalls an.

In Saudi-Arabien, wo sein Onkel mit drei Frauen verheiratet war und 27 Kinder hatte, wurde Scharif von allen angefeindet. Als er sich im Alter von 19 Jahren in die Nachbarstochter Dalia verliebte, überredeten seine drei boshaften Stiefmütter seinen Adoptivvater, sich mit Dalia eine vierte Ehefrau zu nehmen. Für Scharif war das unerträglich. Er floh 2000 nach Afghanistan und schloss sich al-Qaida an. Später verbrachte er zwei Jahre in iranischer Gefangenschaft, bis man ihn nach Syrien schickte, wo er Kämpfer für den Irak ausbilden musste. Als die vom Iran beauftragten Ausbilder dann vom syrischen Regime bedroht wurden, begann Scharif einen Guerillakampf gegen die Armee. Inzwischen haben die Islamisten die Bergregionen im Norden Syriens mit Ausnahme der Stadt Derkas erobert.

Die Entführer und die Mörder

Es dauert nicht lang, bis Scharif seinen Gästen drei Gefangene präsentiert, die gestehen, den Kardinal und den Jesuitenpater entführt zu haben. In einer Hütte bei Saitunia erfolgte die Übergabe an die Auftraggeber. Danach versteckte sich einer der Entführer und beobachtete, wie die drei Auftraggeber die Leichen der beiden Entführten in einen Transporter luden und Feuer legten. Sobald die Männer weg waren, trat er die Flammen aus und verhinderte das Niederbrennen der Hütte – in der die Polizei nun eine Fülle von Spuren sicherstellt.

Auf Fotos identifizieren die Entführer unabhängig voneinander und übereinstimmend die Mörder: Bischof Tabbich, den Schönheitschirurgen Bulos Sargi und dessen Schwager Salim Asmar, den Ehemann der Wunderheilerin Dunia.

Man bringt die drei Entführer nach Damaskus, und zugleich werden die drei mutmaßlichen Mörder verhaftet.

Bulos Sargi sagt bei der Vernehmung aus, der Bischof habe den Kardinal und dessen Begleiter mit Giftspritzen getötet. Es sei ein Racheakt gewesen. An dem von ihm angebenen Ort birgt die Polizei die Leiche des Jesuitenpaters José Camillieros.

Pater Gabriel, der die vermeintliche Wunderheilerin Dumia seit 1982 begleitete, ist über seine Verblendung so entsetzt, dass er sich vom Dach eines elfstöckigen Hotels stürzt.

Die Wende

Barudi nimmt an, der Doppelmord sei aufgeklärt. Aber dann erfährt er von seinem 25 Jahre jüngeren Chef Major Atif Suleiman, dass Bulos Sargi seine Aussage zurückgezogen und behauptet habe, er sei vom Kommissar erpresst worden. Inzwischen soll sich der von Barudi erhoffte Kronzeuge in seiner Zelle selbst erhängt haben. Der Richter und der Staatsanwalt, die Bischof Tabbich und Salim Asmar vernahmen, befanden die beiden für unschuldig und ließen sie frei. Der offiziellen Darstellung zufolge ist der „wahre“ Täter ein Islamist, der auch bereits ein Geständnis abgelegt hat. Die drei Entführer des Kardinals und des Jesuitenpaters wurden bei einem angeblichen Fluchtversuch erschossen.

Niedergeschlagen konstatiert Barudi, dass sich seit dem Beginn seiner Tätigkeit bei der Polizei in Damaskus vor 40 Jahren nichts verändert hat: Damals geriet er wegen seiner Ermittlungen in einen Konflikt mit dem Geheimdienst und wurde daraufhin für fünf Jahre zu korrupten Zöllnern an der jordanischen Grenze verbannt.

Major Atif Suleiman beurlaubt Kommissar Barudi nun bis zur Pensionierung am 1. Februar 2011.

Bei einem Festakt am 1. Februar soll Barudi nicht nur verabschiedet, sondern zugleich mit einem hohen Orden ausgezeichnet werden. Aber man wartet vergeblich auf den Ehrengast. Barudi ist weder in seiner Wohnung noch telefonisch erreichbar. Er liegt mit seiner kurz zuvor von ihrem gewalttätigen Ehemann geschiedenen Nachbarin Nariman im Bett. Die beiden haben sich bereits vor Barudis Reise in den Norden verliebt und während seiner Abwesenheit aus Damaskus jeden Tag miteinander telefoniert.

Kurz darauf beginnt der syrische Bürgerkrieg.

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Der Roman „Die geheime Mission des Kardinals“ von Rafik Schami spielt 2010/11, also unmittelbar vor dem Ausbruch des Bürgerkriegs, in Syrien. Die Handlung entwickelt sich in einer Gemengelage aus betrügerischen Wunderheilern, naiven Geistlichen und Abergläubischen, korrupten Beamten und ebenso mächtigen wie kriminellen Clans, Terroristen und Polizisten. Außerdem treffen Muslime und Christen verschiedener Richtungen aufeinander.

Rafik Schami erzählt in Trivialitäten viel zu ausführlich, aber ohne den Esprit orientalischen Fabulierens. Wenn man zum x-ten Mal von einem Mokka mit viel, viel Kardamom liest, versteht man das nicht unbedingt als running gag. Zwischen die Kapitel von „Die geheime Mission des Kardinals“ hat Rafik Schami auch noch fiktive Tagebuch-Eintragungen des Kommissars eingefügt, Puzzle-Teile mit Erinnerungen und Episoden, die ein Bild der Zustände in Syrien ergeben sollen.

Aber als gesellschaftskritischem Ansatz fehlt es „Die geheime Mission des Kardinals“ an einer differenzierten Analyse. Rafik Schami hat das Buch wie einen Kriminalroman angelegt. Dazu würde auch der Titel passen. Aber wer einen Thriller erwartet, wird sich bei der Lektüre langweilen. Erst auf Seite 105 trifft der Kommissar aus Rom in Damaskus ein, und bis zu dessen offiziellem Empfang dauert es noch einmal 30 Seiten. Die Lösung des Falls wirkt  nicht besonders raffiniert, aber darauf kommt es Rafrik Schami offenbar nicht an: Wichtiger als die Aufklärung des Verbrechens ist ihm, wie Polizei, Geheimdienst und Justiz in Syrien damit umgehen. Rafik Schami hat auch noch eine Liebesgeschichte in „Die geheime Mission des Kardinals“ eingebaut, aber damit ist er in den Bereich des Kitsches geschlittert.

Den Roman „Die geheime Mission des Kardinals“ von Rafik Schami gibt es auch als Hörbuch, gelesen von Udo Schenck und Jürgen Tarrach (Regie: Petra Feldhoff, ISBN 978-3-86974-387-5).

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2019
Textauszüge: © Carl Hanser Verlag

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.