Gosford Park

Gosford Park

Gosford Park

Gosford Park – Originaltitel: Gosford Park – Regie: Robert Altman – Drehbuch: Julian Fellowes, nach einer Idee von Robert Altman und Bob Balaban – Kamera: Andrew Dunn – Schnitt: Tim Squyres – Musik: Patrick Doyle – Darsteller: Eileen Atkins, Alan Bates, Emily Watson, Richard E. Grant, Kristin Scott Thomas, Maggie Smith, Helen Mirren, Stephen Fry, Michael Gambon, Ryan Phillippe, Clive Owen u.a. – 2001; 135 Minuten

Inhaltsangabe

Sir William McCordle und seine Ehefrau Sylvia laden an einem Wochenende im November 1932 eine illustre Gesellschaft auf ihren Landsitz Gosford Park ein. Bis auf den Hollywood-Schauspieler Ivor Novello bringen alle einen Diener oder eine Dienerin mit, die mit den Bediensteten des Hauses zusammen für das Wohl der Herrschaften sorgen. Nach einem Eklat beim Abendessen am zweiten Tag wird Sir William mit einem Messer in der Brust tot aufgefunden. Wer hat ihn ermordet?
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Kritik

Bei "Gosford Park" handelt es sich weniger um einen Whodunit-Thriller als um eine bis ins Detail ausgeklügelte, meisterhaft inszenierte Komödie, mit der Robert Altman die englische Upper Class vor dem Zweiten Weltkrieg aufs Korn nimmt.
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An einem Regentag im November 1932 lässt sich die versnobte Lady Constance von Trentham (Maggie Smith) von ihrem Chauffeur nach Gosford Park fahren, dem Landsitz von Sir William McCordle (Michael Gambon) und seiner Ehefrau Sylvia (Kristin Scott Thomas), die für dieses Wochenende eine illustre Gesellschaft eingeladen haben. Begleitet wird Lady Constance von ihrer jungen Zofe Mary Maceachran (Kelly Macdonald). Außer einem Dutzend anderer englischer Aristokraten wie zum Beispiel Lord Raymond Stockbridge (Charles Dance) und seine Gemahlin Louisa (Geraldine Somerville) empfangen die McCordles den Hollywood-Schauspieler Ivor Novello (Jeremy Northam) und den amerikanischen Filmproduzenten Morris Weissman (Bob Balaban). An der Gesellschaft nimmt auch Isobel McCordle (Camilla Rutherford), die erwachsene Tochter der Gastgeber teil.

Lady Constance fragt Ivor Novello süffisant, wie er sich nach dem Flop seines Filmes „Der Mieter“ fühle. Sie meint das Tonfilm-Remake des Stummfilms „The Lodger“. Stoisch lässt Ivor Novello die Brüskierung über sich ergehen. Morris Weissmann führt mehrere Telefongespräche mit Hollywood über einen neuen Charlie-Chan-Thriller, der von einem Mord während einer Wochenend-Gesellschaft auf einem englischen Landsitz handeln soll. Sein Diener Henry Denton (Ryan Phillippe) kümmert sich auch um den Schauspieler.

Außer Ivor Novello haben alle Besucher eine Bedienstete oder einen Bediensteten mitgebracht, die von dem Butler Jennings (Alan Bates) und den anderen Hausangestellten statt mit ihren richtigen Namen mit denen ihrer Herrschaften angesprochen werden, damit es nicht zu Verwechslungen kommt. Außer Mr Jennings hat die Hausdame Mrs Wilson (Helen Mirren) hier das Sagen. Sie geht in ihren Aufgaben bis zur Selbstverleugnung auf. Während in der Beletage gegessen und getrunken wird, putzen die Diener im Untergeschoss die Schuhe, bügeln die Kleider und spülen das Geschirr.

Mary teilt sich ihr Zimmer mit der freundlichen Hausangestellten Elsie (Emily Watson).

Die Welten der vornehmen Gesellschaft und der Dienstboten sind allerdings nicht so strikt getrennt, wie es den Anschein hat. So gibt Sylvia McCordle dem gut aussehenden Diener Henry Denton zu verstehen, dass sie nicht schlafen könne und er nachts zu ihr kommen solle. Henry, der kurz zuvor versuchte, Mary zu vergewaltigen, geht gern darauf ein.

Am zweiten Tag reiten die Herrschaften zur Jagd aus. Dabei wird Sir William durch einen Streifschuss leicht am Ohr verletzt.

Als Sylvia ihren Mann beim Abendessen beschimpft, kommt es zu einem Eklat, denn die Dienerin Elsie weist sie entrüstet zurecht. Aufgrund der Szene begreifen auch die letzten der Gäste, dass Elsie eine der Geliebten des Hausherrn ist. Sie läuft aus dem Raum und weiß, dass sie Gosford Park am nächsten Tag verlassen muss. Verärgert zieht Sir William sich an seinen Schreibtisch in der Bibliothek zurück.

Einige Zeit später findet Louisa Stockbridge ihn dort tot vor. Man ruft die Polizei. Ein linkischer Inspektor, der sich mehrmals vergeblich vorzustellen versucht – er heißt Thompson (Stephen Fry) –, erscheint mit Constable Dexter (Ron Webster). In Sir Williams Brust steckt ein Messer, aber bei der weiteren Untersuchung stellt sich heraus, dass der Hausherr zuerst vergiftet wurde.

Constable Dexter bemerkt Abdrücke von schmutzigen Stiefeln und eine zerbrochene Kaffeetasse neben dem Schreibtisch, aber der Inspektor meint nur: „Die haben hier Leute, die das wegmachen.“ Statt auf Dexter zu hören, stellt er den Anwesenden törichte Fragen und muss immer wieder vom Constable davon abgehalten werden, Gegenstände anzufassen, die dieser noch nicht auf Fingerabdrücke untersuchen konnte.

Thompson besteht zwar darauf, dass keiner der Gäste bis auf weiteres das Haus verlässt, aber das Personal interessiert ihn überhaupt nicht. Die Idee, dass einer der Bediensteten Sir William ermordet haben könnte, wäre ihm abwegig vorgekommen, wenn er sie gehabt hätte.

Wer hat Sir William ermordet? Einige der Gäste stecken in finanziellen Schwierigkeiten und wollten Geld von ihm. Der Ermordete war offenbar ein Frauenheld, und Sylvia wusste, dass er sie fortwährend betrog. Außerdem wird aufgedeckt, dass Henry Denton gar kein Diener ist, sondern ein Filmschauspieler. Jeder hier hatte oder hat etwas zu verbergen.

Die Bediensteten erzählen sich, dass Sir William sich in seinen Fabriken immer wieder an hübschen weiblichen Arbeiterinnen vergriffen habe. Wurde eine von ihnen schwanger, zwang er sie zur Abtreibung oder gab das ungewollte Kind zur Adoption frei und entließ die Mutter.

Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Als Mary herausfindet, dass es sich bei Robert Parks (Clive Owen), dem Diener des Ehepaares Stockbridge, um einen unehelichen Sohn Sir Williams handelt, verdächtigt sie ihn als Mörder. Parks, der im Waisenhaus aufgewachsen war und erst durch einen Einbruch in das Büro des Direktors herausgefunden hatte, wer sein Vater war, leugnet nicht die Absicht, doch als er mit dem Messer zustach, war das Opfer bereits tot. Seine Mutter sei bei seiner Geburt gestorben, erzählt er Mary.

Die polizeilichen Ermittlungen verlaufen im Sand. Bis auf Lady Constance von Trentham, das Ehepaar Stockbridge und ihren Dienstboten reisen alle Gäste aus Gosford Park ab.

Durch Zufall erfährt Mary, dass Mrs Wilson eigentlich Parks heißt. Da kann sie sich denken, wer Sir William vergiftete. Geradeheraus fragt sie die Hausdame, warum sie es getan habe. Mrs Wilson vertraut ihr an, sie sei eine der Fabrikarbeiterinnen gewesen, die ein Kind von ihm bekamen. Sie glaubte ihm, als er ihr versicherte, Adoptiveltern für ihren Sohn gefunden zu haben. Als sie an diesem Wochenende herausfand, dass Robert Parks ihr Sohn ist und im Waisenhaus aufwuchs, ahnte sie, dass dieser sich an seinem Vater rächen wollte, aber sie kam ihm zuvor und vergiftete Sir William.

Die ebenfalls in Gosford Park angestellte Köchin Mrs Croft (Eileen Atkins) ist Mrs Wilsons Schwester. Auch sie wurde von Sir William geschwängert, aber sie behielt ihr Kind bei sich. Unglücklicherweise starb es bald nach der Geburt. Das entzweite die beiden leidgeprüften Frauen, aber nun versöhnen sie sich.

Weil Mr Wilson ihren Sohn nicht über ihre Identität aufklärt und Mary schweigt, reist Robert Parks mit den Stockbridges ab, ohne etwas Neues über seine Mutter erfahren zu haben.

Lady Constance von Trentham und Mary Maceachran, die als erste nach Gosford Park kamen, verlassen den Landsitz als letzte.

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In der Komödie „Gosford Park“ nehmen Julian Fellowes (Drehbuch) und Robert Altman (Regie) die englische Klassengesellschaft vor dem Zweiten Weltkrieg aufs Korn. Obwohl der Plot oberflächlich an Whodunit-Kriminalromane von Agatha Christie erinnert, interessiert die Aufklärung des Mordfalls in „Gosford Park“ kaum jemanden. Es handelt sich weniger um einen spannenden Thriller, als um das kluge Porträt einer Schmarotzergesellschaft und der dazugehörenden Dienerschaft. Mit Ausnahme Elsies wagt es niemand, offen seine Meinung zu sagen, aber Robert Altman leuchtet in die Kulissen und deckt auf, was die einzelnen Figuren dahinter zu verbergen versuchen: Falschheit und Heuchelei, finanzielle Probleme, Rivalitäten und Abhängigkeiten, Gemeinheit und Sittenlosigkeit. Nach dem Mord bröckeln die Fassaden. Während Herrschaften und Lakaien im Allgemeinen auf Distanz achten, werden bei amourösen Abenteuern die Klassenschranken heimlich durchbrochen. Bemerkenswert ist, dass die beiden Amerikaner zwar wie die englischen Aristokraten einen Diener mitbringen, allerdings keinen echten, sondern einen Schauspieler. Filmschauspieler werden von den vornehmen Engländern verachtet, und wenn der Hollywood-Star Ivor Novello seine selbst komponierten Lieder singt und sich dazu am Flügel begleitet, findet die illustre Gesellschaft das eher lästig, während einige der Bediensteten ebenso heimlich wie begeistert lauschen.

Statt sich auf einige wenige Figuren zu konzentrieren, jongliert Robert Altman bei seiner multiperspektivischen Darstellung mit weit mehr als einem Dutzend Figuren. Und das gelingt ihm meisterhaft. Er dirigiert dabei eine ganze Reihe von hervorragenden Charakterdarstellern, von denen einige auch allein einen Film tragen können (z. B.: Helen Mirren, „Elizabeth I.“, „The Queen“). Trotz ihrer Vielzahl haben sie alle Gelegenheit, ihr schauspielerisches Können unter Beweis zu stellen.

Spätestens seit „Nashville“ (1974) verfügt Altman über die Fähigkeit, eine fast beliebige Anzahl von Figuren gleichzeitig in Bewegung zu halten; damals waren es vierundzwanzig, in „Gosford Park“ sind es noch ein Dutzend mehr – in der Originalfassung erhalten sie durch unterschiedliche Dialekte Lebendigkeit. Die Gleichzeitigkeit verschiedener Ereignisse dominiert über jede epische Chronologie. Das lässt die Geschichte aussehen, als wäre sie das Ergebnis einer gigantischen Live-Übertragung, aufgenommen mit zahlreichen versteckten Kameras.
(H. G. Pflaum, Süddeutsche Zeitung, 12. Juni 2002)

Die Kamera scheint omnipräsent zu sein; sie zeigt beinahe simultan, was bei den Gästen und bei den Lakaien geschieht. In Anbetracht der Komplexität der Situation ist es unglaublich, wie elegant zwischen den Szenen hin- und hergeschnitten wird (Schnitt: Tim Squyres). Bei vielen Takes ließ Andrew Dunn zwei Kameras ohne Unterbrechung laufen und bewegte sie zugleich langsam.

Die Inszenierung von „Gosford Park“ wirkt so leichtfüßig wie die einer Boulevard-Komödie, doch in Wirklichkeit handelt es sich um eine bis ins Detail ausgeklügelte Komposition. Um so erstaunlicher ist es, dass dabei auch noch eine dichte Atmosphäre evoziert wird.

Zwei running gags tragen zum Vergnügen bei: Zum einen versucht der vertrottelte Inspektor Thompson immer wieder, sich vorzustellen, kommt jedoch nie über „Thom…“ hinaus, und schließlich spricht ihn jemand mit „Inspektor Thomas“ an. Die allgemeine Abneigung gegenüber Sir William überträgt sich auf seinen kleinen, von ihm verhätschelten Hund, und während niemand es wagt, gegenüber dem Hausherrn unhöflich zu sein, wird sein unschuldiger Hund von allen verabscheut und herumgestoßen.

Für das Drehbuch von „Gosford Park“ gab es einen „Oscar“. Nominiert hatte man auch die Nebendarstellerinnen Helen Mirren und Maggie Smith, die Regie, die Kostüme, die Ausstattung und den Film als solchen.

Übrigens wird der Name des Landsitzes, der dem Film „Gosford Park“ den Titel gab, in der Handlung kein einziges Mal erwähnt.

Es ist vermutlich kein Zufall, dass sich der Dualismus zwischen Herrschaften und Bediensteten auch in der Besetzung spiegelt: Sowohl der Hausherr und eine der adeligen Besucherinnen als auch zwei Bedienstete werden von geadelten Schauspielern dargestellt: Dame Eileen Atkins (Mrs Croft) und Dame Maggie Smith (Lady Constance von Trentham) sowie Sir Michael Gambon (Sir William McCordle) und Sir Derek Jacobi (Probert).

Die Darsteller der Bediensteten sollen ungeschminkt gespielt haben.

Einen Schauspieler namens Ivor Novello gab es wirklich. Er stammte aus Wales, hieß mit bürgerlichem Namen David Ivor Davies (1893 – 1951) und schrieb sowohl Drehbücher als auch Musicals, für die er zugleich die Musik komponierte. In dem Stummfilm „The Lodger“ und im Tonfilm-Remake spielte Ivor Novello den Mieter Michel Angeloff.

Der Mieter. Eine Geschichte aus dem Londoner Nebel – Originaltitel: The Lodger. A Story of the London Fog – Regie: Alfred Hitchcock – Drehbuch: Eliot Stannard, nach dem Theaterstück „Who Is He?“ von Marie Belloc Lowndes – Kamera: Gaetano di Ventimiglia – Schnitt: Ivor Montagu – Musik: Ashley Irwin (1999) – Darsteller: Marie Ault, Arthur Chesney, Malcolm Keen, Ivor Novello u.a. – 1927; 75 Minuten

Originaltitel: The Lodger – Regie: Maurice Elvey – Drehbuch: Miles Mander, H. Fowler Mear, Paul Rotha, nach dem Theaterstück „Who Is He?“ von Marie Belloc Lowndes – Kamera: Sydney Blythe, Basil Emmott, William Luff – Schnitt: Jack Harris – Musik: W. L. Trytel – Darsteller: Ivor Novello, Elizabeth Allan, A. W. Baskcomb, Barbara Everest, Jack Hawkins, Shayle Gardner, Peter Gawthorne, Kynaston Reeves, Drusilla Wills, Anthony Holles, George Merritt, Mollie Fisher, Andreas Malandrinos, Iris Ashley u.a. – 1932; 85 Minuten

Die Jagdgesellschaft in „Gosford Park“ erinnert an den Film „Spielregel“ („La règle du jeu“) von Jean Renoir, der ebenfalls von einer Gesellschaft unmoralischer Aristokraten und ihrer Bediensteten in einem Landhaus handelt. Auch in Renoirs Film geschieht ein Mord.

Die Spielregel – Originaltitel: La règle du jeu – Regie: Jean Renoir – Drehbuch: Jean Renoir, Carl Koch – Kamera: Jean-Paul Alphen, Jean Bachelet, Jacques Lemare, Alain Renoir – Schnitt: Marthe Huguet, Marguerite Renoir – Darsteller: Nora Gregor, Paulette Dubost, Mila Parély, Odette Talazac, Claire Gérard, Anne Mayen, Lise Elina, Marcel Dalio, Julien Carette, Roland Toutain, Gaston Modot, Jean Renoir, Pierre Magnier, Eddy Debray, Pierre Nay, Richard Francoeur, Léon Larive u.a. – 1939, 110 Minuten

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2010

Robert Altman (Kurzbiografie)

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon einen Monat, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte. Aus familiären Gründen reduziere ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik.