Ketil Bjørnstad : Oda

Oda
Originalausgabe: ODA! Gyldendal Norsk Forlag, Oslo 1983 Oda Übersetzung: Lothar Schneider Insel Verlag, Frankfurt/M / Leipzig 2008 ISBN 978-3-458-17385-4, 429 Seiten Suhrkamp Taschenbuch, Frankfurt/M 2009 ISBN 978-3-518-46077-1, 429 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Die aus einer gediegenen norwegischen Beamtenfamilie mit zehn Kindern stammende Malerin Oda Krohg (1860 – 1935) galt als "wahre Prinzessin der Boheme" in Oslo. Sie verließ ihren ersten Ehemann, einen Unternehmer, mit dem sie zwei Kinder hatte, nahm sich ein eigenes Zimmer und ließ sich zur Malerin ausbilden. Zwar heiratete sie nach der Scheidung ihren Lehrer Christian Krohg, aber sie brach auch aus dieser Ehe immer wieder aus und ließ sich auf mehrere Liebesaffären ein ...
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Kritik

In seiner Romanbiografie "Oda" stellt uns Ketil Bjørnstad nicht nur eine außergewöhnliche Frau vor, sondern auch die Künstler und Literaten, deren Wege sich mit ihrem kreuzten. Dabei verzichtet er auf jede Effekthascherei.
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Ottilia („Oda“) Lasson wurde am 11. Juni 1860 in Åsgårdstrand als Tochter des norwegischen Regierungsrats Christian Lasson und dessen Ehefrau Alexandra geboren. Der Vater vertrat konservative Anschauungen und warnte beispielsweise in einer Diskussion:

„Ein Stimmrecht für Frauen würde zu einer Katastrophe für die Demokratie führen.“ (Seite 23)

Die Mutter, eine geborene von Munthe av Morgenstierne, äußerte sich auch im kleinen Kreis nicht zu solchen Themen, denn einer Frau stand keine politische Meinung zu. Sie hatte ohnehin mit ihren zehn Kindern Nastinka, Oda, Alexandra, Marie, Mimi, Bokken, Soffi, Betsy, Per und Christian vollauf zu tun, auch wenn sie dabei vom Personal unterstützt wurde.

Oda, die zweitälteste Tochter, verlangte schon als Halbwüchsige die gleichen Rechte wie ihre Brüder. Als die Mutter im Frühjahr 1881 an einer Lungenentzündung erkrankte, organisierte sie mit Nastinka und Alexandra zusammen den Haushalt, während Mimi, Bokken und Soffi vorübergehend bei Freunden untergebracht wurden, um im Elternhaus für ein wenig Ruhe zu sorgen.

Einige Monate nach dem Tod der Mutter heiratete die Einundzwanzigjährige den acht Jahre älteren Holzhändler Jørgen Engelhart, mit dem sie seit einiger Zeit verlobt war.

Obwohl Oda Engelhart inzwischen Mutter einer wenige Monate alten Tochter namens Sacha war, begleitete sie im September 1882 ihren ein Jahr älteren Bruder Per auf einer Reise nach Deutschland. Dem Komponisten Per Lasson war wegen eines Sarkoms ein Teil des Oberkiefers wegoperiert worden. Nun sollte er sich bei dem berühmten Chirurgen Professor Richard von Volkmann in Halle einem weiteren Eingriff unterziehen. Dabei wurden ihm am 30. September unter einer leichten Chloroform-Narkose die Reste des Oberkiefers und ein Teil der Nase entfernt.

Sobald Per sich einigermaßen von der Operation erholt hatte, fuhr Oda mit ihm nach Dresden, denn sie wollten sich nicht die Gelegenheit entgehen lassen, dort Musik zu hören und Theateraufführungen zu besuchen. Weil Oda in Dresden durch einen Brief erfuhr, dass ihr Mann Konkurs angemeldet hatte, reiste sie allein nach Norwegen zurück.

Zwei Tage vor Weihnachten kam auch Per aus Deutschland.

Im Mai und Juni 1883 verbrachte Oda einige Wochen mit Per in Bad Kreuznach, aber die Kur half nicht mehr: Er starb kurz darauf.

Zur Verärgerung und Verzweiflung ihres Ehemanns kehrte Oda auch nach dem Tod ihres Bruders nicht zu ihm zurück, sondern blieb bei ihrem Vater und den noch unverheirateten Geschwistern in der Grønnegate in der norwegischen Hauptstadt Kristiana (seit 1924: Oslo). Dort bekam sie ihr zweites Kind, einen Sohn, dem sie den Namen Ba gab. – 1884 bat sie Jørgen Engelhart um die Scheidung, aber er ließ sich nicht darauf ein.

Lang hielt Oda es in der Grønnegate nicht aus: Gegen den Willen ihres Vaters nahm sie sich ein eigenes Zimmer und wurde Schülerin des acht Jahre älteren Malers Christian Krohg, den ihr Vater für einen Rebellen hielt, der zwar aus einer guten Familie stammte, aber keinen Wert auf die Anerkennung durch das Bürgertum legte.

Eines Tages ließen sich Oda und ihre Schwester Alexandra von Christian Krohg in ein Kaffeehaus einladen, obwohl sie damit gegen guten Sitten verstießen. Krohg stellte sie dem mit ihm befreundeten Maler Frits Thaulow vor, und sie setzten sich zu viert an einen Tisch. Sie fanden auch nichts dabei, dass Alexandra ihre Ansichten über Politik und Kunst erläuterte.

Damit nicht genug: Oda begleitete Krohg zum Atelier des Künstlers Kalle Løchen in dem verruchten Stadtteil Vika, wo Prostituierte auf der Straße nach Freiern Ausschau hielten. Bei Kalle Løchen lernte sie im Herbst 1884 Edvard Munch und Sigurd Bødtker kennen.

Im Lauf der Zeit wurde Oda zur „vraie princesse de la bohème“ in Kristiana, zur Prinzessin einer Gruppe von Künstlern und Literaten, die das Spießbürgertum verabscheuten.

Ihre Beziehung mit Christian Krohg blieb nicht auf den Unterricht beschränkt: Die beiden wurden ein Liebespaar.

Als Oda zum dritten Mal schwanger war, suchte sie Jørgen Engelhart auf, drängte ihn, in die Scheidung einzuwilligen und gab ihm zu bedenken:

„Findest du es sehr erstrebenswert, der Mann einer Frau zu sein, die von einem Anderen ein Kind bekommt?“ (Seite 103)

Engelhart war entrüstet, aber er gab sie nicht frei. Stattdessen verprügelte er sie kurze Zeit später.

Um das dritte Kind heimlich gebären und Pflegeeltern übergeben zu können, ließ Oda Ba und Sacha bei deren Vater und reiste mit Christian Krohg 1885 für einige Monate nach Antwerpen. Auf diese Weise wollten sie den drohenden Skandal vermeiden. Jørgen Engelhart erzählte jedoch in Kristiana herum, dass Oda schwanger sei, und Nastinka schrieb ihrer jüngeren Schwester daraufhin in einem Brief:

„Deshalb musst du, mit Rücksicht auf dich wie auf uns, darauf verzichten, jemals wieder einen Fuß nach Kristiana zu setzen.“ (Seite 121)

Unmittelbar nach der Geburt vertrauten Oda und Christian Krohg ihre Tochter belgischen Pflegeeltern an. Dann kehrten sie nach Kristiana zurück und taten so, als habe es sich um einen Studienaufenthalt des Lehrers mit seiner Schülerin gehandelt. Die Leute fragten sich, ob sie einem Gerücht aufgesessen waren, als sie geglaubt hatten, Oda erwarte trotz der ohnehin schon skandalösen Trennung von ihrem Ehemann ein drittes Kind.

Jørgen Engelhart willigte endlich in die Scheidung ein.

Alexandra Lasson hatte sich in Frits Thaulow verliebt und ein Verhältnis mit ihm angefangen. Heiraten konnten sie erst nach Thaulows Scheidung von seiner Frau Ingeborg Charlotte. Regierungsrat Christian Lasson fand sich mit der peinlichen Situation ab. Frits Thaulow gehörte zwar zu den antibürgerlichen Künstlern, aber er war immerhin mit dem angesehenen Nationaldichter Bjørnstjerne Bjørnson befreundet [Literatur-Nobelpreis 1903]. Oda durfte jedoch ihren Geliebten nicht mit zur Hochzeitsfeier bringen; da war ihr Vater zu keinem Kompromiss bereit.

Zu Christian Krohgs und Odas Freundeskreis gehörte der Parlamentsstenograf Hans Jæger, der an einem Roman schrieb und daraus vorlas:

In unserer Gesellschaft gibt es eine kleine Schar von Menschen – meistens Söhne von tüchtigen und anständigen Eltern –, für die das arme und von jedem Geist verlassene Leben in unserer modernen Gesellschaft nicht die Anziehungskraft hat, dass die Aussicht, so ein Leben zu führen, dazu ermahnt, die eigene Energie zu mobilisieren. Menschen, für die die moderne Gesellschaft eine öde, trostlose Sandwüste ist, wo sie nirgends ein Heim gründen, wo sie nur umherziehen und nach dem Leben schmachten. Diese kleine Schar, das sind die zu früh geborenen Kinder der Zukunft, die erste Aussaat, Männer mit einem großen Verlangen, einem Zukunftsverlangen, das erst in freieren, reicheren und schöneren Gesellschaftsformen verwirklicht werden kann, die zu schaffen der Zukunft vorbehalten ist – das ist der flüchtige, heimatlose Boheme. (Seite 130f)

Der Roman mit dem Titel „Kristiana-Boheme“ erschien am 11. Dezember 1885 – und wurde noch am selben Tag verboten. Hans Jæger verlor seine Stelle beim Storting, und ein Richter verurteilte ihn am 29. April 1886 zu achtzig Tagen Haft. Im Berufungsverfahren milderte das Oberste Gericht die Strafe zwar auf sechzig Tage Arrest, doch als das Buch in Schweden unter dem Titel „Hans Jægers Weihnachtserzählungen“ veröffentlicht wurde, erhielt er am 20. Juni 1887 noch einmal 150 Tage Arrest, und in einem weiteren Verfahren, das ausgerechnet Regierungsrat Christian Lasson gegen ihn führte, schloss man den inzwischen Dreiunddreißigjährigen im September 1887 vom Universitätsstudium aus.

Am 7. November 1886 erschien der erste Zeitungsartikel über die Künstlerin Oda Engelhart. Sechs Wochen später, am 20. Dezember, kam der von Christian Krohg verfasste Roman „Albertine“ heraus, den die Behörden wie das Buch seines Freundes Hans Jæger sofort beschlagnahmen ließen. Krohg wurde am 10. März 1887 zu einer Geldstrafe verurteilt. Der Grund des Missfallens war die Figur eines Polizisten, der sein Amt missbraucht, um die Studentin Albertine zu vergewaltigen und sie dann wie eine Hure vom Polizeiarzt vorladen lässt.

In der ersten Jahreshälfte 1887 hielt Oda sich mit Sacha und Ba in Paris auf. Dort verkehrte sie in einer Absinthkneipe. In Kristiana hätte nicht einmal sie so etwas gewagt. Als Jørgen Engelharts Schwestern davon erfuhren, nahmen sie ihr die Kinder weg. In Begleitung ihrer Schwester Mimi ging Oda zu den Tanten, aber diese gaben die Nichte und den Neffen nicht heraus. Da Oda nicht mit dem in seinem Atelier arbeitenden Christian Krohg rechnen konnte, ließ sie sich von Mimi überreden, ihren Vater um Hilfe zu bitten. Christian Lasson sorgte denn auch rasch dafür, dass die Kinder herausgegeben wurden.

Bei einem weiteren Paris-Aufenthalt im Frühjahr 1888 mit Christian Krohg und den Kindern traf Oda sich heimlich mit Hans Jæger. Obwohl der Dichter Syphilis hatte, begannen die beiden eine Affäre. Während Krohg den Sommer in Kopenhagen verbrachte, stahl Oda ihrer Schwester Nastinka Geld, damit Jæger ein Zimmer in Emmestad mieten konnte. Oda küsste ihn auf den Mund und ließ sich von ihm oral zum Orgasmus bringen. Bei dem Gedanken, dass sie damit riskierte, nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Kinder zu infizieren, hatte sie allerdings ein schlechtes Gewissen.

Krohg kam vorzeitig aus Dänemark zurück, und Oda gestand ihm sogleich, dass sie mit Hans Jæger zusammen war.

Als sie das Liebesverhältnis mit dem Dichter beendete, entschloss dieser sich zum Suizid. Er wollte Morphium nehmen und sich von Oda erschießen lassen. Christian Krohg bestand darauf, mitzukommen, damit Oda danach nicht allein war. Auf dem Weg zu der abgelegenen Stelle, an der Jæger sterben wollte, begegneten sie zwei Fuhrleuten. Deshalb wagte Krohg nicht mehr, dem Lebensmüden bei der Selbsttötung zu helfen und überredete ihn, das Vorhaben zu verschieben.

Hans Jæger musste noch einmal ins Gefängnis. Dort besuchten ihn Oda und Christian Krohg. Oda merkte, dass sie in eine immer stärkere Abhängigkeit von Krohg und Jæger geriet.

Am 28. September 1888 wurde ihre Ehe endlich geschieden. Am 4. Oktober heiratete sie Christian Krohg. Als Jæger am 8. Oktober aus der Haftanstalt kam, war das frisch getraute Ehepaar bereits in Skagen. Die Kinder hatte Oda Krohg bei ihrem Vater gelassen.

Ihr ganzes Leben hatte sich Oda abhängig gefühlt, zuerst von ihrer Mutter, dann von ihrem Vater und dem Bruder Per. Jetzt war es Krohg gelungen, die Fäden so zu verknüpfen, dass sie zu einer Fessel wurden. (Seite 266f)

Im Gespräch mit dem neun Jahre älteren dänischen Künstler Peter Severin Krøyer meinte Oda:

„Das eine will ich Ihnen sagen, Krøyer. Auch wenn ich mich für eine so genannte bürgerliche Ehe entschieden habe, bedeutet das noch nicht, dass ich beabsichtige, gefühlsmäßig abzustumpfen […] Ich habe Krohg geheiratet, weil es meine einzige Möglichkeit war, mein einziges reelles Angebot. Sie verstehen, eine Frau in meiner Situation muss nehmen, was sie kriegen kann. Ich will nicht, dass sich meine Kinder an mich erinnern als eine versoffene, bettlägerige Vettel, die nach etwas jammert, was wir mit einem armseligen Wort Liebe nennen. Zu viele Menschen haben Macht über mich gehabt, verstehen Sie, und haben gewusst, sie zu gebrauchen.“ (170f)

Oda litt unter Stimmungsschwankungen, und sie merkte, dass sie wieder schwanger war. Als sie einmal mit ihrem Mann und dem Ehepaar Krøyer am Strand spazieren ging, zog sie sich unvermittelt nackt aus und wollte in dem kalten Wasser schwimmen.

Am 18. Juni 1889 brachte Oda Krohg ihren Sohn Per zur Welt. In den Monaten danach plagten sie Schuldgefühle wegen ihrer in Belgien lebenden Tochter Nana.

Nana würde ihr Alptraum bleiben, egal wo in der Welt sie sich befand. Ihr gegenüber hatte sie als Mutter versagt, und zwar an dem Tag, an dem sie das Mädchen zur Welt brachte. (Seite 297)

Im Frühjahr 1890 holten Christian und Oda Krohg ihre sechsjährige Tochter von den Pflegeeltern und nahmen sie ungeachtet des Klatsches mit nach Norwegen. Oda versuchte, ihren vier Kindern eine gute Mutter zu sein, doch im Jahr darauf reiste sie Hans Jæger nach Paris hinterher. In der französischen Metropole lernte sie den zehn Jahre jüngeren Schriftsteller Jappe Nilssen kennen, ließ sich von ihm in ein Séparée im Café Américain mitnehmen und begann eine Affäre mit ihm.

Ursprünglich hatte sie die Sache kontrollieren wollen; Jappe sollte dazu benutzt werden, über Jæger hinwegzukommen. Jetzt war er an die Stelle von Jæger getreten. (Seite 310)

Als Christian Krohg schrieb, Per sei krank, kehrte Oda zu ihrer Familie zurück. Jappe Nilssen folgte ihr eifersüchtig. Edvard Munch wunderte sich:

„Es ist übrigens komisch mit Oda. Sie schwimmt überall obenauf, frisch und lächelnd, und alle Männer liegen im Morast und verkommen.“ (Seite 319)

Oda geriet völlig durcheinander. Einmal lief sie nackt in den Garten und rief nach Jappe Nilssen. Krohg holte sie behutsam ins Haus, aber einer Konfrontation mit dem Rivalen ging er aus dem Weg. Schließlich beendete Oda von sich aus das Verhältnis mit Jappe Nilssen. Sie brachte Ba und Sacha zu deren Tanten, redete viel über die freie Liebe und begann im Frühjahr 1892 eine Affäre mit dem psychisch labilen, aus Amerika zurückgekehrten Dichter Sigbjørn Obstfelder, der sechs Jahre jünger war als sie.

Mit ihrem Mann reiste sie nach Berlin, wo Edvard Munch seit kurzem lebte. Dessen Muse Dagny Juell vermutete im Gespräch mit Oda:

„Sie wehren sich ganz einfach dagegen, dass andere Sie definieren wollen.“ (Seite 344)

August Strindberg, der damals ebenfalls in Berlin lebte und zu den Stammgästen des Künstlerlokals „Zum Schwarzen Ferkel“ zählte, hielt Oda für unmoralisch und warf ihr vor, Christian Krohg zu ihrem Sklaven gemacht zu haben:

„Sie können nicht lieben, Frau Krohg. Sie können einfach nicht lieben. Sie können nur betrügen, im Stich lassen.“ (Seite 356)

Der norwegische Dramatiker Gunnar Heiberg, der sich von seiner Ehefrau Didi getrennt hatte, machte der drei Jahre jüngeren Oda in Berlin den Hof. Während Krohg auf direktem Weg von Berlin nach Paris fuhr, nahmen Oda und ihr neuer Lebensgefährte einen Umweg über den Schwarzwald.

Didi Heiberg beschimpfte Oda:

„Ihre unglaubliche … Nymphomanie macht Sie zu einer Bedrohung für jede Ehe. Sie verfolgen mit einer Schamlosigkeit berühmte Männer, dass man in der Geschichte weit zurückgehen muss, um etwas Ähnliches zu finden, und dann auch nur bei Männern.“ (Seite 386)

Im Frühjahr 1893 begleitete Oda ihren todkranken Vater zur Kur in Vichy. In der Nacht, in der er starb, schrieb sie Gunnar Heiberg:

„Ich war immer abhängig von ihm, krankhaft abhängig. Deshalb war es wunderbar, sich von ihm befreit zu haben, während er noch lebte.“ (Seite 373)

Nach dem Tod ihres Vaters zog Oda in dessen Haus in der Grønnegate in Kristiana und holte ihre vier Kinder wieder zu sich.

1894 verbrachte sie einige Zeit mit Krohg und Heiberg in Kopenhagen. Verzweifelt versuchte sie, von ihrem Ehemann loszukommen. Deshalb reiste sie im Frühjahr 1895 allein nach Paris. Die Männer, die sie dort traf – darunter die Schriftsteller Johan Bojer, Vilhelm Krag, Just Bing und Knut Hamsun – fanden nichts dabei, dass sie mit ihnen trank und diskutierte. 1896 lebte Oda wieder in Norwegen, aber schon im Jahr darauf zog es sie wieder nach Paris.

Gunnar Heiberg folgte ihr. Das war der Anfang eines bis 1901 dauernden Liebesverhältnisses. Krohg kam zwar auch noch nach Paris, musste jedoch ohne seine Frau nach Norwegen zurückkehren. Damit begannen für ihn die einsamsten Jahre seines Lebens.

1935 blickte Oda Krohg auf ihr Leben zurück und reflektierte darüber in einem langen Brief. Darin heißt es:

Ich glaube, dass alle Männer, die mir begegnet sind, auf die eine oder andere Weise vor der Realität geflohen sind. Sie erwarteten immer etwas anderes, erwarteten mehr, als es gab. Sie hatten eine Vision, aber einen Menschen unter einem Schleier kann man nicht sehen. Alle meine Männer waren sehr einsam. (Seite 381)

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In seinem Roman „Oda“ stellt uns Ketil Bjørnstad eine außergewöhnliche Frau vor, die ihren eigenen Weg suchte und mutig genug war, aus ihren beiden Ehen auszubrechen: die norwegische Malerin Oda Krohg (1860 – 1935). Ketil Bjørnstad porträtiert nicht nur sie, sondern auch die Künstler und Literaten, die mit ihr zusammen die Boheme von Kristiana (Oslo) bildeten; er beschreibt darüber hinaus das Beziehungsgeflecht, das sich um Oda Krohg entwickelte und ihre verschiedenen Liebesverhältnisse. Dabei verzichtet Ketil Bjørnstad auf jede Effekthascherei. Stattdessen schreitet er in einer gediegenen Sprache mit ruhigem Ton chronologisch voran, bis er im mit „Flieder im Oktober“ überschriebenen Schlusskapitel in das Jahr 1935 springt und die über ihr Leben reflektierende Protagonistin in einem langen Brief selbst zu Wort kommen lässt. Ketil Bjørnstad schwadroniert zwar nicht, und er schweift auch nicht ab, aber die knappe chronologische Darstellung der wechselnden Liebesbeziehungen ermüdet den Leser im dritten Viertel des Romans ein wenig.

Bei „Oda“ handelt es sich zwar um einen Roman, aber Ketil Bjørnstad hielt sich an die Fakten, sprach beispielsweise mit Oda Krohgs Enkel Guy Krohg und ihrer Nichte Baja Diederichsen, studierte erhaltene Briefe und las, was Hans Jæger („Kranke Liebe“), Sigbjørn Obstfelder („Das Kreuz“), Jappa Nilssen („Nemesis“) und Gunnar Heiberg („Der Balkon“, „Tragödie der Liebe“) über sie und ihre Verhältnisse geschrieben hatten. Oda Krohg hatte zwar ebenfalls schriftliche Erinnerungen hinterlassen, aber das Manuskript war von ihrem Sohn Per Krohg aus Sorge um ihren bzw. seinen Ruf verbrannt worden.

Der Norweger Ketil Bjørnstad (* 1952), der in Oslo, London und Paris Klavier studiert hatte, lebt als Pianist, Komponist und Schriftsteller in Oslo. Im Insel Verlag erschienen auch seine Romane „Erlings Fall“ (2001), „Der Tanz des Lebens“ (2002), „Villa Europa“ (2004), „Vindings Spiel“ (2006) „Der Fluss“ (2009) und „Die Frau im Tal“.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2008 / 2010
Textauszüge: © Insel Verlag

Oda Krohg (Kurzbiografie)

Ketil Bjørnstad (kurze Biografie)
Ketil Bjørnstad: Villa Europa
Ketil Bjørnstad: Vindings Spiel
Ketil Bjørnstad: Der Fluss
Ketil Bjørnstad: Die Frau im Tal
Ketil Bjørnstad: Die Unsterblichen

Adriana Altaras - Doitscha
In ihrem Roman "Doitscha" entwickelt Adriana Altaras keine Handlung im engeren Sinn, sondern reiht Episoden locker aneinander. Den wechselnden Ich-Erzählern gemeinsam ist der lockere Plauderton.
Doitscha