Michael Ende : Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer
Inhaltsangabe
Kritik
Lummerland, eine kleine Insel im weiten, endlosen Ozean – „ungefähr doppelt so groß wie unsere Wohnung“ (Seite 3) –, wird von König Alfons dem Viertel-vor-Zwölften regiert. Bei seinen Untertanen handelt es sich um Herrn Ärmel und Frau Waas. Außerdem lebt noch der Lokomotivführer Lukas mit seiner Tender-Lokomotive Emma auf Lummerland.
Jetzt könnte natürlich leicht jemand fragen: wozu ist denn in einem so kleinen Land eine Lokomotive notwendig?
Nun, ein Lokomotivführer braucht eben eine Lokomotive, denn was sollte er sonst führen? Vielleicht einen Fahrstuhl? Aber dann wäre er ein Fahrstuhlführer. Und ein richtiger Lokomotivführer will Lokomotivführer sein und sonst gar nichts. Außerdem gab es auf Lummerland auch gar keinen Fahrstuhl. (Seite 4)
Eines Tages bringt der Briefträger, der mit dem Postschiff unterwegs ist, ein Paket, dessen Anschrift kaum zu entziffern ist. Empfänger ist wohl eine Frau Malzaan. Und weil es in Lummerland nur eine Frau gibt, fordert König Alfons der Viertel-vor-Zwölfte Frau Waas dazu auf, das Paket zu öffnen. Sie findet darin einen kleinen schwarzen Jungen. Dem gibt sie den Namen Jim.
Weil Jim sich immer wieder an derselben Stelle ein Loch in die Hose reißt, das Frau Waas dann jedes Mal flicken muss, näht sie schließlich einen Knopf an die Stelle.
Jetzt konnte man das Loch, statt es zu reißen, einfach aufknöpfen, dann war es da. Und statt es zu flicken, brauchte man es nur wieder zuzuknöpfen. (Seite 17f)
Von diesem Tag an wird der Junge Jim Knopf genannt.
In Lummerland gibt es keine Schule. Jim lernt also weder lesen noch schreiben. Während er heranwächst, macht der König sich Sorgen, weil der Platz auf der Insel nicht reichen wird, wenn aus Jim Knopf ein ganzer Untertan geworden ist. Er meint deshalb, man müsse auf die Lokomotive verzichten und redet darüber mit Lukas. Der will Emma auf keinen Fall fortgeben. Stattdessen beabsichtigt er, die Insel mit ihr zusammen zu verlassen. Jim Knopf, der inzwischen sein Freund geworden ist, schließt sich ihm an.
Die Tender-Lokomotive Emma wird also zum Segelschiff umgebaut.
„Kalfatern“, wiederholte Lukas. „Das bedeutet, man muss alle Ritzen gründlich mit Werg und Teer abdichten, damit kein Tropfen Wasser durchsickert. Das ist sehr wichtig, weil durch das wasserdichte Führerhäuschen, die hohlen Kessel und den leeren Tender Emma nicht untergehen kann. Außerdem haben wir dadurch eine hübsche kleine Kajüte, falls es mal regnen sollte.“ (Seite 29)
Unterwegs ernähren Lukas und Jim sich von Meerbirnen, Seegurken und anderen Meeresfrüchten. Nach einiger Zeit stoßen sie auf eine andere Insel. Sie gehen an Land und stellen fest, dass sie sich in Ping befinden, der dicht besiedelten Hauptstadt von Mandala. Hier sind die Bäume durchsichtig und die Brücken aus Porzellan.
Weil sie zwar Hunger aber kein mandalanisches Geld haben, bieten sie Rundfahrten mit Emma an, aber keiner der Mandalanier macht mit. Rettung naht in Gestalt eines 368 Tage alten, Eidechsenmilch trinkenden Kindes. Ping Pong, so heißt es, ist das 32. Kindeskind des kaiserlichen Oberhofkochs Schuh Fu Lu Pi Plu. Obwohl Ping Pong noch Windeln trägt, spricht er bereits genauso gewählt wie seine Mutter. Sein Verstand ist schon recht erwachsen. Das fällt in Mandala nicht weiter auf, denn es ist hier normal. Ping Pong lädt die Fremden zum Essen ein, und als Lukas fragt, was es denn gebe, antwortet er:
„Vielleicht hundertjährige Eier auf einem zarten Salat aus Eichhörnchenohren? Oder möchtet ihr lieber gezuckerte Regenwürmer in saurer Sahne? Sehr gut ist auch Baumrindenpüree mit geraspelten Pferdehufen überstreut. Oder hättet ihr gern gesottene Wespennester mit Schlangenhaut in Essig und Öl? Wie wäre es mit Ameisenklößchen auf köstlichem Schneckenschleim? Sehr empfehlenswert sind auch geröstete Libelleneier in Honig oder zarte Seidenraupen mit weich gekochten Igelstacheln. Vielleicht zieht ihr aber knusprige Heuschreckenbeine mit einem Salat aus pikanten Maikäferfühlern vor?“ (Seite 50)
Auch die panierten Pferdeäpfel mit Elefanten-Sahne oder Mäuseschwänze und Froschlaichpudding sind nicht nach dem Geschmack von Lukas und Jim Knopf. Zum Glück gibt es Reis.
Als Jim und Lukas hören, dass Li Si, die Tochter des Kaisers Pung Ging, vor einem Jahr entführt wurde und sich in der Gewalt von Drachen befindet, nehmen sie sich vor, die Prinzessin zu befreien, zumal der Kaiser dem Retter seiner Tochter deren Hand versprochen hat. Noch einmal gehen sie die neunundneunzig Stufen aus Silber hinauf zum Eingang des Palastes und drücken neben dem Türschild „Kaiser von Mandala“ auf den Klingelknopf, bei dem es sich um einen Diamanten handelt. Beim letzten Mal schickte der Türsteher sie fort, aber als sie jetzt erklären, sie seien bereit, die Tochter des Kaisers zu retten, lässt er sie warten. Statt zum Kaiser gelangt die Meldung über die beiden Fremden, die Prinzessin Li Si retten wollen, allerdings zum Oberbonzen Pi Pa Po. Der machtbessene Hofbeamte träumt davon, Schwiegersohn des Kaisers zu werden, wagt es allerdings nicht, sich mit Drachen anzulegen. Um die Konkurrenten auszuschalten, will er sie als Spione verhaften lassen. Lukas lässt sich das nicht gefallen: Er packt Pi Pa Po und steckt ihn mit dem Kopf zuunterst in einen Papierkorb. Aber da marschieren die dreißig Soldaten der Palastwache mit gezogenen Säbeln auf. Zum Glück bekommt Ping Pong das mit. Er rennt zum Kaiser, stört ihn bei einem Konzert und berichtet ihm von den Machenschaften des Oberbonzen. Gerade als Pi Pa Po befiehlt, die beiden Fremden zum Richtplatz zu führen, taucht der Kaiser auf, ordnet die sofortige Freilassung der Gefangenen an und lässt Pi Pa Po in Ketten legen.
Kaiser Pung Ging ist sehr davon angetan, dass Jim und Lukas seine Tochter retten wollen. Durch eine Flaschenpost von Li Si weiß er, dass sie von einer Frau Mahlzahn in der Drachenstadt Kummerland gefangen gehalten wird. Frau Mahlzahn? Den Namen hat Lukas der Lokomotivführer schon einmal gehört. Nun ist die Zeit gekommen, Jim Knopf darüber aufzuklären, dass Frau Waas nicht seine richtige Mutter ist. Und es gibt noch einen zusätzlichen Grund, in die Stadt der Drachen vorzudringen, denn vielleicht ist dort etwas darüber zu erfahren, wie Jim in das an Frau Mahlzahn in Kummerland adressierte Paket kam.
Leider weiß nicht einmal der kaiserliche Oberhofgeograf, wo Kummerland liegt. Drei Tage lang reisen Jim und Lukas mit Emma durch den Tausend-Wunder-Wald zwischen der Mandalanischen Mauer und dem rot-weiß gestreiften Gebirge Krone der Welt. Dann überqueren sie im Tal der Dämmerung die Krone der Welt. Dabei werden sie von schaurigen Echos heimgesucht, die das Schnaufen der Lokomotive so verstärken, dass die steilen Felswände einstürzen. Während hinter ihnen das Tal der Dämmerung verschüttet wird, gelangen die Reisenden gerade noch auf die andere Seite des Gebirges.
In der Wüste Das Ende der Welt stoßen sie auf einen Riesen, dessen Größe jedoch schrumpft, während er sich nähert, bis er sogar ein wenig kleiner als Lukas der Lokomotivführer ist. Es handelt sich nämlich um einen Scheinriesen. Tur Tur, so stellt er sich vor, vergleicht die Erscheinung mit einem Menschen, der scheinbar umso kleiner wird je weiter er sich vom Betrachter entfernt. In Wirklichkeit bleibt der Mensch immer gleich groß. Bei Tur Tur ist es ebenso, nur umgekehrt. Der Scheinriese stammt aus Laripur, lebt in einer Oase der Wüste Das Ende der Welt und ist Vegetarier. Vergeblich warnt er Jim und Lukas vor den Gefahren ihres Vorhabens. Als sie sich nicht davon abbringen lassen, führt er sie zur Region der Schwarzen Felsen und verabschiedet sich dort von ihnen.
Das Gestein ist hier so schwarz, dass Licht und Wärme restlos verschluckt werden. Durch den Mund des Todes erreichen Jim, Lukas und Emma das Land der tausend Vulkane, in dem Kummerland liegen soll. Aber sie kommen nicht weiter, weil die Kohlen im Tender der Lokomotive aufgebraucht sind. Zum Glück begegnen sie dem traurigen Halbdrachen Nepomuk, dem Sohn eines Nilpferds und eines Drachen, dessen Vulkan erloschen ist. Lukas repariert den kaputten Herd und erbittet sich dafür Kohlen. Die trägt Nepomuk selbst zum Tender. Und er zeigt seinen neuen Freunden den Weg zur Drachenstadt Kummerland, die sich in einem Krater befindet.
Weil das Betreten der Stadt nicht reinrassigen Drachen bei Todesstrafe verboten ist, verabschiedet Nepomuk sich am Eingang der Höhle. In der Feuer speienden Lokomotive Emma, die sie wie einen Drachen angemalt und verkleidet haben, gelingt es Jim und Lukas, an den Wachen vorbeizukommen.
Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.
In der Alten Straße 133 finden sie das Haus von Frau Mahlzahn. Es handelt sich um eine Schule, in der etwa zwanzig Kinder verschiedener Hautfarbe angekettet sind, während ein Drache sie schikaniert: Frau Mahlzahn. Weil Lukas Gewalt verabscheut, soll Jim die Lehrerin auffordern, die Kinder freiwilig herauszugeben, während der Lokomotivführer sich mit seiner Lokomotive erst einmal im Hintergrund hält. Frau Mahlzahn lacht Jim Knopf aus: Die Kinder habe sie alle von der Wilden Dreizehn gekauft, sie gehörten ihr, meint sie, und den schwarzen Jungen will sie auch gleich noch gefangen nehmen. Aber da braust die verkleidete Emma herein. Bei dem Kampf geht zwar die Drachenverkleidung zu Bruch, aber am Ende liegt Frau Mahlzahn erschöpft am Boden. Mit dem Schlüssel, den sie an einem Band um den Hals trägt, schließen Jim und Lukas die Ketten der Kinder auf. Dann fesseln sie den Drachen.
Da sie mit der enttarnten Lokomotive die Wachen nicht mehr täuschen können, müssen sie einen anderen Weg finden, um aus Kummerland herauszukommen. Prinzessin Li Si, die sich unter den befreiten Kindern befindet, zeigt Lukas, von wo aus sie die Flaschenpost ins Wasser warf. Es handelt sich um die Quelle des Gelben Flusses. Das ist die Lösung!
Bevor Frau Mahlzahn sich versieht, wird sie mit dem Zahn, der aus ihrem mit einer Kette umwickelten Maul ragt, an der Lokomotive festgebunden. Lukas, Jim, Li Si und die anderen Kinder klettern auf Emma, und die Wasserreise beginnt. Der Gelbe Fluss fließt unter der Krone der Welt hindurch nach Ping, wo der Kaiser inzwischen Ping Pong zum Nachfolger des abgesetzten Oberbonzen Pi Pa Po ernannt hat.
Erfreut nimmt Pung Ging seine Tochter in Empfang.
Sie erzählt, wie sie während der großen Ferien am Meeresstrand von Piraten entführt und gegen ein Fass Schnaps an Frau Mahlzahn verkauft wurde.
Der gefangene Drache wird vom Oberhoftierwärter in den Elefantenkäfig gebracht. Frau Mahlzahn bedankt sich bei Jim und Lukas. Wenn man nämlich einen Drachen besiegt ohne ihn umzubringen, verwandelt er sich während eines jahrelangen Schlafes in einen Goldenen Drachen der Weisheit, der alle Rätsel lösen kann. Bevor Frau Mahlzahn die Augen zufallen, beantwortet sie noch die Frage, wie in Lummerland mehr Platz geschaffen werden könne. Die Antwort lautet: Durch das Andocken einer schwimmenden Insel. Jim Knopf möchte rasch noch wissen, woher er stammt, aber die Frage hört Frau Mahlzahn schon nicht mehr.
Der Kaiser, der dem Retter seiner Tochter deren Hand versprach, hat ein Problem, weil es zwei Retter gibt, aber Lukas weiß Rat: Kaiserlicher Schwiegersohn soll werden, wen Li Si lieber mag. Und das ist Jim.
An Bord eines prachtvollen Schiffes bringt Kaiser Pung Ging persönlich Lukas, seine Tochter und seinen zukünftigen Schwiegersohn nach Lummerland. Nachdem eine schwimmende Insel festgemacht wurde, nennt Alfons der Viertel-vor-Zwölfte sich „König der Vereinigten Staaten von Lummerland und Neu-Lummerland“. Man feiert die Verlobung von Jim und Li Si. Und es gibt noch eine freudige Überraschung: Lukas zeigt seinem Freund in Emmas Tender eine Baby-Lokomotive. Die sei für ihn bestimmt, meint der Lokomotivenführer, und Jim gibt ihr den Namen Molly.
Fortsetzung: „Jim Knopf und die Wilde 13“
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)„Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ ist ein fantasie- und humorvolles Kinderbuch von Michael Ende aus dem Jahr 1960. Die Illustrationen der Originalausgabe stammen von Franz Josef Tripp (1915 – 1978). Reinhard Michl (* 1948) schuf 1983 neue Zeichnungen.
Michael Ende wurde durch das in mehr als dreißig Sprachen übersetzte und bis heute schätzungsweise vier Millionen mal verkaufte Buch berühmt. 1962 erschien die Fortsetzung „Jim Knopf und die Wilde 13“.
2009 wies Julia Voss darauf hin, dass Michael Ende mit dem Namen eines der beiden Protagonisten auf Jemmy Button (um 1815 – 1864) anspielt, ein Kind aus Feuerland, das Robert FitzRoy (1826 – 1830) angeblich den Eltern für einen Knopf abkaufte und auf dem Forschungsschiff „Beagle“ nach England verschleppte. Mit an Bord war Charles Darwin. (Angeblich gehörte Jemmy Button später zu den Mördern, die am 6. November 1859 in Wulaia auf der Insel Navarino acht Besucher eines anglikanischen Gottesdienstes erschlugen.) Julia Voss vermutet, dass Michael Ende mit „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ und „Jim Knopf und die Wilde 13“ den Darwinismus nach dem Missbrauch durch den Nationalsozialismus von Gewalt und Rassismus distanzieren wollte.
Die „Augsburger Puppenkiste“ verfilmte beide Bücher je einmal in Schwarz-Weiß (1961 / 1962) und in Farbe (1977 / 1978). Emil Moser und Jörg Schneider machten aus der literarischen Vorlage ein Musical in Schweizerdeutsch, das im November 1970 im Zürcher Opernhaus uraufgeführt wurde. Eine weitere Musical-Version stammt von Christian Berg (Libretto) und Konstantin Wecker (Musik). Das Musical“ wurde am 1. Juli 1999 im Schlossgarten in Cuxhaven uraufgeführt, „Jim Knopf und die Wilde 13. Das Musical“ am 29. Juni 2000 am selben Ort.
Dennis Gansel verfilmte das Kinderbuch „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ von Michael Ende:
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)Originaltitel: Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer – Regie: Dennis Gansel – Drehbuch: Dirk Ahner, Andrew Birkin, Sebastian Niemann nach dem Kinderbuch „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ von Michael Ende – Kamera: Torsten Breuer – Schnitt: Ueli Christen – Musik: Ralf Wengenmayr – Darsteller: Henning Baum, Solomon Gordon, Annette Frier, Uwe Ochsenknecht, Christoph Maria Herbst, Volker Michalowski, Milan Peschel, Rick Kavanian, Leighanne Esperanzate, Kao Chenmin, Eden Gough, Ozzie Yueu.a. – 2018; 110 Minuten
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2010
Textauszüge: © Thienemann Verlag
Michael Ende (Kurzbiografie / Bibliografie)
Michael Ende: Jim Knopf und die Wilde 13
Michael Ende: Momo
Michael Ende: Die unendliche Geschichte
Michael Ende: Der Spiegel im Spiegel
Michael Ende: Das Gefängnis der Freiheit