William Faulkner : Licht im August

Licht im August
Originalausgabe: Light in August Harrison Smith & Robert Haas, New York 1932 Licht im August Übersetzung: Franz Fein Rowohlt Verlag, Berlin 1935 Neuübersetzung: Helmut Frielinghaus, Susanne Höbel Nachwort; Paul Ingendaay Rowohlt-Taschenbuch-Verlag, Reinbek 2010 ISBN 978-3-499-24996-9, 479 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Als Lena Grove mit 20 schwanger wird, macht sie sich auf die Suche nach dem Vater des Kindes. Angeblich arbeitet er in Jefferson, aber der Mann, auf den sie dort trifft, heißt nicht Lucas Burch, sondern Byron Bunch. Während Lena in Jefferson ihr Kind bekommt, wird ein 33-Jähriger namens Joe Christmas verhaftet. Weil seine Mutter unverheiratet war, hatte sein Großvater ihn kurz nach der Geburt vor die Tür eines Waisenhauses gelegt. Jetzt soll er eine Frau ermordet haben, und sein Großvater will, dass man ihn lyncht ...
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Kritik

Das Besondere an "Licht im August" sind die modernen Stilformen. Statt als allwissender Erzähler aufzutreten, versetzt William Faulkner sich abwechselnd in eine der Figuren und schildert nur, was diese weiß oder vermutet, beobachtet oder ihrerseits erzählt bekommt.
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Lena Grove ist zwölf Jahre alt, als ihre Eltern kurz nacheinander sterben und sie von der Familie eines älteren Bruders in Doane’s Mill, Alabama, aufgenommen wird. Als sich acht Jahre später ihr Bauch infolge einer Schwangerschaft rundet, behauptet sie, der Vater des Kindes sei auf der Suche nach Arbeit und werde sie nachkommen lassen. Lucas Burch hatte sich jedoch vor einem halben Jahr aus dem Staub gemacht.

Nach dem Streit mit ihrem Bruder bricht Lena auf, um Burch zu suchen. Innerhalb von vier Wochen fragt sie sich zu einem Hobelwerk in Jefferson durch. Dort, in der Hauptstadt des Yoknapatawpha County, Mississippi, soll er sein.

Im Hobelwerk schaufelten bis vor kurzem zwei grundverschiedene Kerle das Sägemehl. Joe Christmas, der drei Jahre lang hier arbeitete, und Joe Brown, der es nur ein paar Monate aushielt. Während Christmas sich abkapselte und kaum ein Wort redete, galt Brown als kontaktfreudiger, unglaubwürdiger Luftikus. Die beiden wohnten in einer Hütte auf dem Grundstück einer unverheirateten Frau Anfang vierzig. Joanna Burden wurde hier geboren; weil ihre Familie jedoch aus New Hampshire stammte, gilt sie in Jefferson als Yankee, und die Alteingesessenen grenzen sie aus. Joannas Großvater Calvin Burden und ihr Halbbruder Calvin Burden jr., die sich für die Abschaffung der Sklaverei aussprachen, wurden von Colonel Sartoris im Streit getötet.

Vor zwei Jahren zog Joe Christmas in die zu Joannas Haus gehörende Hütte und wurde ihr heimlicher Liebhaber.

Christmas weiß nichts über seine Herkunft, denn er wurde als Säugling vor die Tür eines Waisenhauses gelegt und kam fünf Jahre später – nachdem er die Wirtschafterin mit einem Assistenzarzt bei der Kopulation ertappt hatte – zu Pflegeeltern. Obwohl seine Hautfarbe weiß ist, vermutet er, dass unter seinen Vorfahren auch Afroamerikaner waren. Unter Weißen kommt er sich deshalb wie ein Schwarzer vor.

Sein Pflegevater Simon McEachern versuchte, ihm den Katechismus mit Schlägen einzubläuen. Als Christmas achtzehn war, schlich er sich zwei-, dreimal pro Woche zu der fast doppelt so alten Kellnerin Bobbie Allen, die bei ihren Wirtsleuten Mame und Max Confrey ein Zimmer hatte. Sie war die erste Frau, die er nackt sah. Obwohl es sich bei Bobbie um eine Gelegenheitshure handelte, verlangte sie von Christmas kein Geld. Aber seine Geschenke nahm sie an. Und um ihr etwas kaufen zu können, stahl er seiner Pflegemutter Geld. McEachern überließ ihm ein Kalb, damit er lernte, verantwortungsvoll mit Besitz umzugehen, aber Christmas verkaufte das Tier und ließ sich einen Anzug schneidern. Schließlich erwischte McEachern ihn und Bobby bei einer Tanzveranstaltung im Schulhaus. In heiligem Zorn stürmte er auf das Paar zu. Christmas schlug in mit einem Stuhl zu Boden.

Obwohl Christmas seiner Geliebten danach einen Heiratsantrag machte, wollte sie nichts mehr von ihm wissen, weil sie befürchtete, wegen der Schlägerei in Schwierigkeiten zu geraten.

„Er hat mir selbst gesagt, dass er ein Nigger ist! Der Hurensohn! Da ficke ich für nichts mit einem Hurensohn von einem Nigger, und er bringt mich in die Klemme mit der Bauerntrampelpolizei. Bei einem Bauerntraumpeltanz!“ (Seite 201)

Frustriert zog Christmas fort. Fünfzehn Jahre lang vagabundierte er durch die USA und schlug sich als Landarbeiter, Bergmann, Goldschürfer, Glückspielwerber durch. Vier Monate lang war er Soldat, dann desertierte er. Vor drei Jahren kam er nach Jefferson und fing im Hobelwerk an. Ein Jahr später zog er in die Hütte. So oft er Lust dazu hatte, schlich er sich zu Joanna Burden ins Haus. Manchmal erwartete sie ihn auch nackt in den Büschen, und ihre Sexualpraktiken wurden immer verruchter. Trotzdem wurde Christmas vor einiger Zeit bewusst, dass sie zu alt für ihn war, und er begann, Prostituierte in Memphis aufzusuchen.

Neben der Arbeit im Hobelwerk hatte Christmas an einige vertrauenswürdige Leute in Jefferson verbotenerweise Whiskey verkauft. Als Brown vor einigen Monaten nach Jefferson kam, stieg er in das Geschäft mit ein und begann es auszuweiten, indem er wahllos Kunden belieferte.

Als Christmas sich von Joanna zurückzog, behauptete sie, schwanger zu sein, warf ihm vor, sein Leben zu vergeuden und bot ihm an, eine der Schulen zu besuchen, für die sie sich einsetzte. Außerdem sollte er sich in der Kanzlei ihres Anwalts E. E. Peebles in Memphis ausbilden lassen. Danach wollte sie ihm die mit ihrem Engagement gegen die Rassendiskriminierung verbundenen geschäftlichen Vorgänge anvertrauen. Christmas war der Gedanke ein Gräuel, eine „Negerschule“ zu besuchen und bei einem „Negeranwalt“ zu arbeiten. Er weigerte sich auch, mit Joanna zu beten. Stattdessen schlug er sie in seinem Zorn.

Bei ihrer Ankunft in Jefferson sieht Lena Grove eine Rauchfahne. Der Landarbeiter Hamp Waller, der mit seiner Familie auf einem Fuhrwerk vorbeikommt, entdeckt das brennende Haus als Erster. Als er die Tür aufstößt, trifft er auf Joe Brown, der betrunken herumtorkelt und ihn davon abhalten will, nach oben zu gehen. Da sei niemand mehr, behauptet er. Waller geht trotzdem über die Treppe hinauf und findet die Leiche einer Frau mit durchschnittener Kehle. Er bringt die Tote ins Freie.

Der Sheriff telegrafiert an Nathaniel Burrington in New Hampshire, einen Neffen der toten Joanna Burden, der daraufhin 1000 Dollar Belohnung für die Ergreifung des Mörders aussetzt. Brown und Christmas sind verschwunden. Unerwartet taucht Brown wieder auf, beschuldigt Christmas als Mörder und verlangt das Kopfgeld. Stattdessen sperrt der Sheriff ihn erst einmal ein, weil Brown ebenfalls verdächtig ist.

Tatsächlich war Christmas noch einmal bei Joanna. Sie empfing ihn mit einer Pistole in der Hand. Er hatte ein Rasiermesser bei sich. Nach der Bluttat hielt er ein Auto an und ließ sich wegbringen. Über das Entsetzen des jungen Fahrers und seiner Freundin wunderte er sich, bis er bemerkte, dass er noch immer die Pistole in der Hand hielt. Daraufhin ließ er anhalten und stieg aus.

Im Hobelwerk trifft Lena auf Byron Bunch und stellt fest, dass er nicht der Gesuchte ist. Einen Lucas Burch gebe es hier nicht, erklärt er ihr. Sie kommen auf das Feuer zu sprechen. Bunch erwähnt die beiden Männer, die in einer Hütte neben dem brennenden Haus lebten, und bevor es ihm selbst klar wird, begreift Lena, dass es sich bei Joe Brown um den Vater ihres Kindes handelt. Bunch bestätigt, dass der Mann eine kleine weiße Narbe am Mund hat, verrät ihr allerdings nicht, dass Lucas Burch alias Joe Brown im Gefängnis sitzt, sondern behauptet, der Gesuchte sei geschäftlich unterwegs. Lena quartiert er fürs Erste bei seiner Vermieterin ein. Dann bringt er sie in die verlassene Hütte und schlägt in der Nähe ein Zelt für sich auf.

Um sich von dem ehemaligen Prediger Gail Hightower beraten zu lassen, berichtet Bunch ihm von Lena Grove und dem Vater ihres noch ungeborenen Kindes.

Hightower war vor fünfundzwanzig Jahren als presbyterianischer Reverend nach Jefferson gekommen. Seine Ehefrau fuhr häufig nach Memphis und blieb mitunter tagelang fort. Man tuschelte über die unmoralische Frau des Geistlichen. Zum Skandal kam es, als sie in Memphis aus dem Fenster eines Hotelzimmers fiel, sprang oder gestoßen wurde. Sie und der Betrunkene, der in dem Zimmer aufgegriffen wurde, hatten sich als Ehepaar eingetragen. Wegen der Schande musste Hightower sein Amt aufgeben. Dass die afroamerikanische Köchin weiterhin in seinem Haus wohnte, fanden die Bewohner von Jefferson anstößig. Maskierte drangen bei ihm ein und zwangen ihn, sie zu entlassen. Hightower wurde außerhalb der Stadt an einen Baum gefesselt und zusammengeschlagen. Man wollte ihn dazu bringen, die Stadt zu verlassen, aber er tat es nicht. Inzwischen wird er als Außenseiter geduldet.

Christmas taucht in der Kirche einer afroamerikanischen Gemeinde auf, würgt den Prediger und schlägt in dem dadurch ausgelösten Tumult den siebzigjährigen Pappy Thompson nieder. Dessen Enkel Roz stürzt sich auf den Fremden, aber dieser zertrümmert ihm mit einem Stück Holz den Schädel.

Von einem Autofahrer lässt Christmas sich nach Mottstown mitnehmen. Dort wird er festgenommen. Ein alter Mann namens Eupheus Hines regt sich darüber so auf, dass er die Besinnung verliert. Sobald er wieder zu sich kommt, versucht er die Leute dazu aufzuwiegeln, den Verhafteten zu lynchen.

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überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Eupheus Hines lebte früher mit seiner Frau in Arkansas, wo er in einer Sägemühle arbeitete. Sie hatten eine Tochter. Mit achtzehn wurde Milly von einem Mann – angeblich einem Mexikaner – aus einem Wanderzirkus geschwängert, und sie brannte mit ihm durch. Der Vater verfolgte die beiden, erschoss den Fremden und nahm Milly wieder mit nach Hause. Als die Wehen einsetzten, schickte die Mutter ihren Mann zum Arzt, aber Hines setzte sich hin und schaute zu, wie seine Tochter bei der Niederkunft starb. Dann verschwand er. Unbemerkt von seiner Frau holte er den Säugling und brachte ihn weg. Fünf Jahre später kehrte er zurück und zog mit seiner Frau nach Mottstown. Dort wohnen sie seit fünfundzwanzig Jahren in einem kleinen Haus. Christmas ist ihr Enkel. Eupheus Hines hatte ihn vor dreiunddreißig Jahren auf die Stufen eines Waisenhauses gelegt.

Der Häftling wird nach Jefferson gebracht. Mit dem Nachtzug fährt auch das Ehepaar Hines in die Stadt.

Als Lena ihr Kind zur Welt bringt, sind die Hines bei ihr in der Hütte. Eupheus schläft. Mrs Hines ist verwirrt und glaubt, bei Millys Niederkunft dabei zu sein.

Obwohl Bunch sich zu Lena hingezogen fühlt, überredet er den Sheriff, Burch bzw. Brown zu ihr zu bringen. Ein Hilfssheriff fährt mit dem Häftling, der noch nicht ahnt, dass Lena nach Jefferson gekommen ist und seinen Sohn geboren hat, zu der Hütte. Byron beobachtet aus einiger Entfernung, was geschieht.

Und da, während Byron hinsieht, erscheint wie durch Magie ein Mann an der Rückseite der Hütte, ist schon dabei zu rennen, rennt hinten von der Hütte weg, während der nichtsahnende Hilfssheriff ruhig und reglos vorn auf der Stufe sitzt.
[…]
„Mach schon“, sagte der Hilfssheriff. „Wenn dir die Belohnung nicht gefällt – ich warte hier und bringe dich, wann immer du willst, ins Gefängnis zurück. Wann immer du willst.“ Er schob Brown vor sich her, öffnete die Tür zur Hütte, stieß ihn hinein und schloss hinter ihm die Tür, dann setzte er sich auf die Stufe.
Brown hörte, wie sich die Tür hinter ihm schloss. Er war noch im Hineingehen. Dann, mitten in einem dieser schnellen, ruckartigen, alles umfassenden Blicke, als könnten seine Augen den Raum gar nicht schnell genug in sich aufnehmen, blieb er wie angewurzelt stehen. Lena beobachtete von dem Feldbett aus, wie die weiße Narbe an seinem Mund völlig verschwand, als hätte das weichende Blut dahinter sie im Vorbeifließen mitgerissen, wie einen Fetzen von einer Wäscheleine. Sie sagte nichts, kein Wort. (Seite 394 / Seite 397)

Obwohl Bunch keine Chance gegen den viel kräftigeren Brown hat, fängt er eine Prügelei mit ihm an und wird zusammengeschlagen. Danach springt Brown auf einen langsam vorbeifahrenden Zug und macht sich erneut aus dem Staub.

Als ein Deputy Christmas zum Gerichtsgebäude führt, flieht dieser auf dem Hauptplatz mit gefesselten Händen. Das kommt einem Selbstmord gleich. Percy Grimm, ein ordnungsfanatischer Captain der Nationalgarde, läuft ihm nach. Christmas sucht Zuflucht in Gail Hightowers Haus. Grimm folgt ihm, erschießt ihn und schneidet dem Sterbenden die Genitalien ab.

Einige Monate später begleitet Byron Bunch Lena Grove, die sich mit ihrem Kind erneut auf den Weg gemacht hat, um Lucas Burch zu suchen.

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Die Hauptfiguren in dem anspruchsvollen Roman „Licht im August“ leiden allesamt unter den Konsequenzen vergangener Ereignisse. Mit dem Buch prangert William Faulkner sowohl Rassenhass als auch Bigotterie an. Die in den Südstaaten der USA spielende Handlung wirkt inzwischen etwas angestaubt, und nicht zuletzt aufgrund der bewusst emotionslosen Darstellung fällt es dem Leser schwer, sich mit einem der Protagonisten zu identifizieren. Umso faszinierender ist die Form, zumal wenn man bedenkt, dass das Buch bereits 1932 veröffentlicht wurde, denn William Faulkner verwendet in „Licht im August“ eine Reihe auch heute noch moderner Stilmittel: flow of consciousness, Polyphonie, Perspektivenwechsel, Rückblenden und Zeitsprünge, „Schnitte“ wie im Film. Aus Andeutungen und Bruchstücken setzt sich erst allmählich ein Bild zusammen. In „Licht im August“ tritt kein allwissender Erzähler auf, sondern William Faulkner versetzt sich abwechselnd in eine der Figuren und schildert nur, was diese weiß oder vermutet, beobachtet oder ihrerseits erzählt bekommt. Mitunter wird eine bestimmte Szene nacheinander aus verschiedenen Blickwinkeln dargestellt. Dabei kommt es zu Überblenden und/oder Wiederholungen [Beispiel]. Das gegenwärtige Geschehen, das sich in wenigen August-Tagen abspielt, wird im Präsens geschildert, die Rückblenden stehen im Imperfekt.

Manche Literaturkritiker wollen Übereinstimmungen von „Licht im August“ mit der Bibel erkannt haben. Sie assoziieren Joe Christmas mit Jesus, Lena Grove mit Maria, Byron Bunch mit Josef, Lucas Burch mit Judas und sehen in Gail Hightower eine Parodie Gottes.

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2009
Textauszüge: © Rowohlt Verlag

William Faulkner (Kurzbiografie)

William Faulkner: Als ich im Sterben lag (Verfilmung)
William Faulkner: Die Freistatt
William Faulkner: Wilde Palmen
Howard Hawks: Haben und Nichthaben (Drehbuch: William Faulkner)
Howard Hawks: Tote schlafen fest (Drehbuch: William Faulkner u. a.)

Uwe Timm - Halbschatten
Der Roman "Halbschatten" ist polyphon, multiperspektivisch und fragmentarisch. Uwe Timm webt einen Klangteppich aus Stimmen. Mit den Stimmen historischer und fiktiver Personen wechseln fortwährend Orte, Zeiten und Perspektiven.
Halbschatten