John Griesemer : Rausch

Rausch
Originalausgabe: Signal & Noise Picador, New York 2003 Rausch Übersetzung: Ingo Herzke marebuchverlag, Hamburg ISBN 3-936384-86-X, 686 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Der amerikanische Ingenieur Chester Ludlow versucht 1857/58 dreimal vergeblich, quer durch den Nordatlantik ein funktionierendes Nachrichtenkabel zu legen. Auch den vierten gescheiterten Anlauf erlebt er 1865 mit, aber als das Vorhaben im Jahr darauf gelingt, ist er nicht mehr dabei. Stattdessen kehrt er endlich zu seiner Frau zurück, die noch schwerer als er über den Tod ihrer epilepsiekranken Tochter hinwegkam ...
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Kritik

Mit fiktiven Figuren in historischen Kulissen schuf John Griesemer einen Epos über den technischen Fortschritt und ein grandioses Sittengemälde, aber statt sich auf das Exemplarische zu konzentrieren, überfrachtete er den Wälzer, und die Störgeräusche erschweren es, das zentrale Anliegen herauszuhören.
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Im November 1857 finden sich Tausende von Schaulustigen auf der zu London gehörenden Isle of Dogs ein, um den Stapellauf des von Isambard Kingdom Brunel auf der Werft in Millwall gebauten größten Schiffs der Welt zu beobachten. Es soll viertausend Passagieren Platz bieten und wird von zwei Schaufelrädern mit 20 Metern Durchmesser und einer Schiffsschraube mit 8 Metern Durchmesser angetrieben. Die Motoren könnten alle Textilfabriken Manchesters zusammen antreiben. Weil das Schiff länger als die Themse breit ist, muss es seitwärts zu Wasser gelassen werden. Eigentlich soll es „Great Eastern“ heißen, aber die Tochter eines der Direktoren tauft es aus irgendeinem Grund auf den Namen „Leviathan“. Plötzlich rutscht der Bug ab. Der irische Arbeiter Thomas Donovan kommt ums Leben, als er von einer rotierenden Winde erfasst und durch die Luft geschleudert wird. Aber das Schiff dreht sich nur, weil das Heck nicht folgt: Der Stapellauf muss erst einmal aufgegeben werden.

Unter den Zuschauern war der amerikanische Ingenieur Chester Ludlow. Er hatte an der Glasgow University bei dem schottischen Professor William Thomson Metallurgie und Mathematik studiert und war im Juli bei dem Versuch gescheitert, ein aus sieben Kupfersträngen, einer Guttapercha-Isolierung und einer stabilisierenden Eisendraht-Umwicklung bestehendes Kabel für eine Nachrichtenverbindung zwischen Europa und Amerika durch den Nordatlantik zu legen. Dreihundert Seemeilen vor der irischen Küste war das Kabel gerissen.

Chester Ludlow lebt mit seiner Frau Franny, einer früheren Schauspielerin, die er vor zehn Jahren in Norwegen kennen gelernt hatte, in Willing Mind, Maine. Das Haus hatte Frannys Vater gebaut, der Bostoner Architekt Augustus Piermont. Ihre Haushälterin Edwina Tyler ist die Ehefrau des in der Nähe wohnenden Hummerfischers Gilbert Tyler, der nebenbei wie ein Hausmeister nach dem Anwesen der Ludlows schaut. Noch weniger als Chester Ludlow kommt dessen Frau über den Tod ihrer vierjährigen Tochter Betty hinweg, die vor drei Jahren bei einem Epilepsieanfall von den Klippen stürzte.

Im Dezember 1857, als Ludlow gerade wieder aus Europa zurückgekehrt ist und mit Franny eine Theateraufführung in New York City besucht, lässt J. Beaumol Spude ihn holen und führt ihm ein monströses Illusionsspektakel vor, bei dem die Geschichte des Kabelprojekts in einzelnen Szenen dargestellt wird, die auf einem 800 Meter langen Förderband über die Bühne gezogen werden. Mit diesem von dem Österreicher Joachim Lindt erdachten und gebauten „Phantasmagorium“ sollen Investoren für einen neuerlichen Versuch angeworben werden.

„Sie sehen vor sich die neuesten Entwicklungen der Bühnenunterhaltung, Ludlow. Panoramen hat es schon gegeben. Auch Tableaux vivants. Aber noch nie ein solches Phantasmagorium. Lindt arbeitet an einem beweglichen Panorama von, jetzt halten Sie sich fest, fast achthundert Meter Länge“, sagte Spude. „Musik. Requisiten, Klangeffekte. Und mit all diesen Mitteln werden wir die Geschichte des Atlantikkabels erzählen. Sie haben den Anfang gesehen. Liverpool, wo die Schiffe losfahren. Malakka, wo das Guttapercha gewonnen wird. Wir werden die Kabelfabrik in Greenwich zeigen. Das Knüpfen des magischen Bandes. Mr Morse, der die zweitausend Meilen Kabel prüft. Wir werden das Verladen vorführen, die Feiern bei der Abfahrt in Valentia in Irland. Die Kapellen, die Schaulustigen. Die Iren in ihren Lumpen. Wir werden sogar Sie zeigen, Ludlow“, und hier deutete er nachdrücklich auf das Bild. „Sie an der Heckreling, wie Sie in Richtung Küste zurückschauen, Wolkentürme über Ihnen, Gischt auf den Wagen. Alles da. Von Lindt gemalt, von Lindt entworfen, von Lindt gebaut. Kunst und Wissenschaft. Lindt breitet die Geschichte in all ihrer das Herz beflügelnden Pracht aus, während Sie vor den Investoren sprechen. Es wird kein Halten mehr geben, wenn die Leute nach ihren Scheckbüchern greifen.“ (Seite 64)

Zu den Bildern des Phantasmagoriums und der Musikbegleitung von Lindts Ehefrau Katerina soll Ludlow einen entsprechenden Vortrag halten.

Die Proben finden im Januar 1858 in einer Scheune von Willing Mind statt. Kurz bevor die Truppe sich von Portland nach London einschifft, um dort einige Wochen lang en suite aufzutreten, ertappt Franny ihren Mann und Katerina beinahe bei einem leidenschaftlichen Kuss und merkt, dass Chester sich in die attraktive Musikerin verliebt hat.

Obwohl Ludlow in London jeden Abend im Phantasmagorium auftritt und mit Katerina Lindt ein Verhältnis hat, vernachlässigt er nicht die Vorbereitungen für den nächsten Versuch, die Alte und die Neue Welt mit einem Nachrichtenkabel zu verbinden. Das erforderliche Geld kommt durch den Erfolg des Phantasmagoriums rasch zusammen.

Nach mehreren vergeblichen Versuchen ist die „Great Eastern“ – so heißt das Schiff am Ende doch – im Dezember 1857 endlich vom Stapel gelaufen. Der englische Zeichner Jack Trace war stets dabei und hat die Ereignisse für einige Londoner Zeitungen festgehalten. Auch an der Jungfernfahrt der „Great Eastern“ im Frühjahr 1858 nimmt er teil. Fast tausend Honoratioren sind an Bord, als das riesige Schiff die Themse hinunter in den Ärmelkanal fährt. Einer der Herren ist in Begleitung von Maddy, der Tochter des tödlich verunglückten Werftarbeiters Thomas Donovan, einer Prostituierten, mit der Jack Trace einmal Geschlechtsverkehr hatte, und zwar an der tiefsten Stelle des von Isambard Kingdom Brunels Vater Marc gebauten, 1843 eröffneten Themse-Tunnels zwischen Wapping und Rotherhithe, wo jede Nacht Mädchen auf Freier warten. – Weit kommt die „Great Eastern“ nicht: Im vorderen Schornstein verklemmt sich ein defektes Dampfventil, und durch den Überdruck kommt es zu einer verheerenden Explosion.

Isambard Kingdom Brunel, der die Jungfernreise seines Schiffs wegen eines Schlaganfalls nicht mitmachen konnte, stirbt, als er die Nachricht von dem Unglück erhält.

Zwei Tage nachdem Chester Ludlow aus Willing Mind abgereist war, traf sein älterer Bruder Otis unerwartet dort ein. Er hatte von heute auf morgen seinen Posten als Plantagenverwalter bei der Britannic East India Gutta-Percha-Manufactory auf Celebes verlassen und war nach Amerika zurückgereist.

Otis Ludlow sei das wahre Genie der Familie, behaupteten manche. Er war unter den Ludlows derjenige, dessen Geist am weitesten schweifte, der das umfangreichste Wissen besaß, das wahre Feuer der Überlegenheit. Aber man sagte auch, ihm fehle der Kompass. (Seite 164)

Otis Mutter Constance, die Tochter eines Rechtsanwalts in New Hampshire, kam bei einem Reitunfall ums Leben, als er acht Jahre alt war. Sein Vater Amos Bronson Ludlow zog mit ihm nach Antwerpen, weil er ein berühmter Landschaftsmaler werden wollte. Als Otis ihn einmal durch ein Astloch beim Koitus mit einer Fischhändlerin aus Ostende beobachtete und das Mädchen ihn bemerkte, packte der jähzornige Vater einen Pinsel und stieß mit dem Stiel durch das Loch. Otis verlor dabei ein Auge. Amos B. Ludlow heiratete in Antwerpen ein zweites Mal, und seine Frau bekam einen Sohn – Chester –, aber die Ehe scheiterte. Während Amos B. Ludlow daraufhin mit Otis in Crawford Notch lebte, zog seine geschiedene Frau mit Chester nach Conway. Als Vierzehnjähriger übernahm Otis die Leitung der Zwergschule von Crawford Notch. Später immatrikulierte er sich für ein Philosophiestudium in Harvard, aber nach zwei Semestern heuerte er auf einem Handelsschiff an und fuhr fünfzehn Jahre lang zur See, bis er in Ostasien die Führung eines Teakholzunternehmens übernahm. Auch das interessierte ihn nur vorübergehend. Otis heiratete die Ornithologin Margaret und wohnte mit ihr auf Celebes, bis sie nach fünf Jahren an Diphtherie starb. Zwei Wochen später erhielt er die Nachricht vom Tod seiner Mutter während einer Grippeepidemie. Daraufhin kehrte er für einige Zeit nach New Hampshire zurück. Nachdem der Vater bei einem Epilepsieanfall gestorben war, zog es Otis Ludlow wieder nach Asien.

Im Frühjahr 1858 trifft Chester Ludlow in London erstmals mit Dr. Edward Orange Wildman Whitehouse zusammen. Der Arzt aus Brighton ist aufgrund seiner zahlreichen Versuche mit Elektrizität überzeugt, dass es bei der transatlantischen Nachrichtenübertragung auf dünne Kabel und hohe Spannungen ankomme. Damit hat er sich gegen Professor William Thomson durchgesetzt, obwohl dieser dem Direktorium der Atlantic Telegraph Company angehört. Wildman Whitehouse wurde Planungsleiter Elektrik auf der englischen Seite des Projekts und damit der Partner von Chester Ludlow, der auf amerikanischer Seite dafür verantwortlich ist.

Für das Vorhaben erhält das Syndikat die Dampffregatte „Niagara“ von der amerikanischen und das Kriegsschiff „Agamemnon“ von der britischen Marine zur Verfügung gestellt. Jedes der beiden Schiffe nimmt in Birkenhead gegenüber von Liverpool an der Mündung des Mersey 1200 Tonnen Kabel auf; das reicht jeweils für 1200 Seemeilen.

Am 10. Juni 1858 stechen die „Niagara“ und die „Agamemnon“ von Plymouth aus in See. Jack Trace ist als offizieller Zeichner mit dabei, um die Expedition zu dokumentieren. Zur Überraschung auch von Chester Ludlow hat Katerina Lindt sich als blinde Passagierin an Bord geschlichen. – Begleitet von der „Gorgon“ und der „Valorous“ fahren die „Niagara“ und die „Agamemnon“ zunächst bis in die Mitte des Nordatlantiks. Dort werden die Enden der beiden Kabel verspleißt. Dann nimmt die „Agamemnon“ Kurs auf Irland, während die „Niagara“ weiter auf Neufundland zuhält. Als sie etwa achtzig Meilen voneinander entfernt sind, kommt kein Signal mehr durch das Kabel: die Leitung ist tot. Ludlow, der sich an Bord der „Niagara“ befindet, setzt durch, dass ein Teil des Kabels eingeholt und ein neuer Versuch unternommen wird, aber dabei reißt das Kabel und verschwindet endgültig in der Tiefe.

Währenddessen hat Otis, der glaubt, dass er durch Zeit und Raum reisen könne, seine Schwägerin davon überzeugt, dass es möglich sei, mit Betty Kontakt aufzunehmen. Als Franny eine spiritistische Vorführung besucht, holt Dr. Zephaniah Hermes sie auf die Bühne und demonstriert ihre angeblich übersinnlichen Fähigkeiten. Franny ahnt nicht, dass Hermes vor der Veranstaltung zufällig ihre Haushälterin Edwina Tyler traf und sie ausfragte.

Das Direktorium wird überredet, einen weiteren Versuch zu finanzieren, solange die Schiffe noch zur Verfügung stehen. Ausreichend Ersatzkabel ist vorhanden. Diesmal gelingt es: Im August 1858 kommt die „Niagara“ mit dem einen Kabelende in Neufundland an, während die „Agamemnon“ mit dem anderen in Irland einläuft. Aber im September stellt sich heraus, dass das Kabel nicht funktioniert: 2500 Tonnen Kabel liegen nutzlos auf dem Meeresboden.

Um als „künstlerischer Kriegskorrespondent“ Zeichnungen über den amerikanischen Bürgerkrieg zu liefern, reist Jack Trace im April 1861 auf der seit zwei Jahren als Passagierdampfer zwischen Europa und Amerika verkehrenden „Great Eastern“ nach New York. An Bord sind zufällig auch Dr. Edward Orange Wildman Whitehouse und seine Mätresse Maddy. Die will sich allerdings von ihrem Liebhaber trennen, sobald sie nach England zurückgekehrt sind.

Anfang September 1862 werden Franny Ludlow, die inzwischen bei einer Cousine wohnt, und Dr. Zephaniah Hermes von Mrs Lincoln zu einer Séance eingeladen. US-Präsident Abraham Lincoln begrüßt sie persönlich. Das Präsidenten-Ehepaar hat einen Sohn verloren und hofft, dessen Geist beschwören zu können.

Nach der Veranstaltung wird Franny von Hermes nach Hause gebracht – und von ihm geküsst. Er taucht auf ihren Veranstaltungen auf, zunächst im Publikum, dann mit auf der Bühne, und schließlich reisen sie zusammen und assistieren sich gegenseitig. Franny verwendet dabei ihren Mädchennamen Frances Piermont.

Chester Ludlow lebt seit dem erneuten Scheitern des Kabelprojekts allein in Willing Mind und trinkt, um zu vergessen. Wo Katerina ist, weiß er nicht. Im Frühherbst 1862 sucht Russell van der Wees ihn auf. Er ist Unterabteilungsleiter im Kriegsministerium und möchte, dass der bekannte Ingenieur eine gewaltige Kanone für die Army of the Potomac konstruiert. Mit Feuereifer macht Ludlow sich über die Aufgabe und lässt im Stahlwerk Monongahela in Pittsburgh eine Kanone anfertigen, die 500 Kilogramm schwere Geschosse 10 Meilen weit schießen kann.

Nachdem er mit Hilfe seines Auftraggebers Katerina wiedergesehen hat, die inzwischen Solokonzerte gibt, reisen Ludlow, van der Wees und Katerina im Oktober 1862 unter strengster Geheimhaltung in den Norden, wo die neue Kanone ausprobiert werden soll. Das Gebiet wird von den Huronen bewohnt. Van der Wees verachtet die Indianer und die Schwarzen gleichermaßen. Weil er glaubt, dass die Sklaverei zur Rassenmischung führt und die weiße Herrenrasse verdirbt, unterstützt er Lincolns Programm.

Als Ludlow Katerina und Russell van der Wees in flagranti ertappt, stürzt er sich zornig auf den Regierungsbeamten, aber der schlägt ihn zusammen, lässt ihn bewusstlos liegen und fährt mit Katerina los. Ludlow wird von Soldaten nach Washington gebracht und von Kriegsminister Edwin Stanton empfanden, der ihn darüber unterrichtet, dass der Zug mit der Kanone von einem Pioniertrupp der Rebellen samt der Holzbrücke über die Schlucht des Cannisteo Creek zerstört wurde. Weder Russell van der Wees noch sonst jemand von seinen Leuten habe überlebt. Unter den Toten sei auch eine Frau gewesen.

Joachim Lindt hat London inzwischen durch ein Kanalisationssystem vom Gestank der Abwässer befreit und wird deshalb gefeiert. Im Winter 1864/65 schlägt er der Telegraph Construction and Maintenance Company vor, die „Great Eastern“ zu kaufen und die Salons und Kabinen herauszureißen, um Platz für Kabelwannen und Apparate zu schaffen. Dann könne das riesige Schiff 7000 Tonnen Kabel aufnehmen und bei einem neuen Versuch zur Verlegung eines Transatlantikkabels eingesetzt werden. Das Direktorium folgt dem Rat und ernennt Lindt zum leitenden Ingenieur des Kabelprojekts.

Im Juli 1865 sticht die umgebaute „Great Eastern“ von Foilhommerum Bay aus in See. Lindt leitet die Expedition, aber auch Ludlow ist an Bord, obwohl die beiden Männer wegen Katerina verfeindet sind. 1298 Meilen Kabel sind bereits abgerollt, da muss ein schadhaftes Stück herausgeschnitten werden, und dabei geht das Kabelende verloren. Alle Versuche, es vom Grund des Meeres herauszuholen, scheitern.

Bei der nächsten Expedition bleibt Ludlow an Land, denn sein Bruder Otis ertränkte sich, und er wartet an der irischen Küste darauf, dass die Leiche angespült wird. Am 13. Juli 1866 läuft die „Great Eastern“ wieder aus. Vierzehn Tage später trifft sie in Neufundland ein, und das ausgelegte Kabel verbindet nun die beiden Kontinente. Als Nächstes gelingt es der Mannschaft der „Great Eastern“ in vierwöchiger Arbeit, das Ende des 1298 Meilen langen Kabels herauszuholen, das vor einem Jahr verloren ging. Es wird mit neuem Kabel verspleißt und ebenfalls mit dem Telegraphennetz in Neufundland verbunden. So bestehen gleich zwei Leitungen quer durch den Atlantik.

Mit der Leiche seines Bruders kehrt Ludlow nach Willing Mind zurück. Nachdem er und Franny jahrelang keinen Kontakt miteinander hatten, versöhnen sie sich.

Einige Jahre später bereitet Franny die Wiederaufnahme ihrer früheren Tätigkeit als Bühnenschauspielerin vor. Rechtzeitig zur Premiere will Chester Ludlow mit den beiden Söhnen Augustus und Otis zurück sein, aber ihnen vorher noch London zeigen. Augustus und Otis freuen sich darauf, die „Great Eastern“ zu sehen. Mit dem legendären Schiff wurden nach 1866 noch weitere fünf Transatlantik-Kabel erfolgreich verlegt, außerdem ein Kabel zwischen Suez und Bombay. Danach scheiterte der Versuch, die „Great Eastern“ erneut als Luxuspassagierschiff einzusetzen. Ein Kaufhausbesitzer aus Liverpool erwarb die „Great Eastern“ schließlich, ließ sie zur Isle of Dogs bringen und machte daraus den „größten schwimmenden Vergnügungspark der Welt“. Das dort ausgestellte Monumentalgemälde stammt von Jack Trace. Der Maler hatte Maddy, die inzwischen ein Edelbordell in London betrieb, im Winter 1865/66 einen Heiratsantrag gemacht, war aber dann ums Leben gekommen, bevor sie sich entschieden hatte: Um einen Ausschnitt des riesigen Gemäldes zu betrachten, war er einen Schritt zu weit zurückgetreten und aus zehn Metern Höhe von seinem Gerüst gestürzt.

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Die ersten Versuche, Europa und Amerika mit einem Kabel für den Nachrichtenverkehr zu verbinden, fanden 1857/58 statt. Erst im zweiten Anlauf gelang es Cyrus W. Field, ein Transatlantikkabel von zwei Schiffen aus zwischen Irland und Neufundland zu verlegen, aber es war – vermutlich aufgrund mangelhafter Isolierung – nach wenigen Wochen nicht mehr zu gebrauchen. Erst 1866, beim vierten Versuch bzw. zweiten Einsatz der „Great Eastern“, glückte Cyrus W. Field das Vorhaben. Während die Nachricht von Abraham Lincolns Ermordung am 15. April 1865 mit den ersten Schiffsreisenden in Europa eintraf, konnten ab 1866 durch die Transatlantikkabel Informationen zwischen den Kontinenten innerhalb von Sekunden ausgetauscht werden. – Bis zum Ersten Weltkrieg befanden sich die meisten der bis dahin verlegten Transatlantikkabel in britischem Besitz. Das Deutsche Reich war ab 1900 durch ein Kabel mit Amerika verbunden; es verlief von Emden über die Azoreninsel Fayal nach Coney Island.

Das Projekt, die Alte und die Neue Welt mit einem Kabel quer durch den Nordatlantik zu verbinden, bildet den Ausgangspunkt des Romans „Rausch“, den der 1947 in New Jersey geborene Filmschauspieler und Schriftsteller John Griesemer 2003 veröffentlichte.

Mir war klar, dass der Spannungsbogen der Geschichte nicht vom Ausgang der Mission abhängen durfte. Jeder weiß, dass sie es schließlich geschafft haben. Deshalb habe ich mich auf die Charaktere und ihr Schicksal konzentriert. Das heißt, es geht um Liebe zum Abenteuer, zum Erfolg, Liebe zueinander oder zu einem verlorenen Kind. (John Griesemer)

In die historischen Kulissen – zu denen auch der amerikanische Bürgerkrieg und der Bau der Londoner Kanalisation gehören – stellt John Griesemer teils authentische, teils fiktive Figuren, zum Beispiel einen Ingenieur, der an den technischen Fortschritt glaubt, eine ehemalige Schauspielerin, die hofft, den Geist ihrer toten Tochter beschwören zu können sowie einen Geschäftsmann, der im amerikanischen Bürgerkrieg die Union mit Uniformen und die Konförderierten mit Schießpulver beliefert. Auf diese Weise versuchte John Griesemer, nicht nur einen Epos über den technischen Fortschritt, sondern zugleich ein grandioses Sittengemälde zu schaffen. „Rausch“ mutet ein wenig an wie das beschriebene „Phantasmagorium“, ein Spektakel, bei dem die einzelnen Szenen auf einem achthundert Meter langen Förderband über die Bühne gezogen wurden. Statt das Exemplarische herauszuarbeiten, überfrachtete John Griesemer den im Original „Signal & Noise“ betitelten Wälzer so mit Themen und Nebenhandlungen, dass die Störgeräusche es schwer machen, das zentrale Anliegen herauszuhören.

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2005
Textauszüge: © marebuchverlag

„Great Eastern“
Transatlantikkabel
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Sarah Hall - Die Töchter des Nordens
Sarah Hall tut so, als handele es sich beim Text der feministischen Dystopie "Die Töchter des Nordens" um Protokollakten aus einem Archiv in der Zukunft, um einen im Gefängnis geschriebenen Augenzeugenbericht. Stilistische Schnörkel hätten zu diesem Setting ebenso wenig gepasst wie eine farbige Inszenierung. Auslassungen aufgrund fehlender Aktenteile wirken wie literarische Ellipsen.
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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.