Antonia Langsdorf : Lilith
Inhaltsangabe
Kritik
Antonia Langsdorf beginnt ihr Buch mit der Vorstellung Liliths in der Mythologie.
Die mythische Figur der Lilith stammt wohl aus dem Vorderen Orient. Sie taucht erstmals in einem sumerischen Mythos aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. auf, in „Inanna und der Huluppu-Baum“: Als Inanna am Ufer des Euphrats den Weltenbaum, den Huluppu-Baum, findet, verpflanzt sie ihn in ihren Garten. Sobald er groß genug ist, will sie aus seinem Holz einen Thron und ein Bett anfertigen. Im Lauf der Jahre nistet der Vogel Anzu in dem Huluppu-Baum, zwischen den Wurzeln siedelt sich eine Schlange an, und im Geäst richtet sich die zu den Luftgöttern zählende Lilith ein. Weil die drei Bewohner den Huluppu-Baum nicht freiwillig verlassen, als Inanna ihn fällen will, ruft sie ihren Bruder, den Sonnengott Utu, zu Hilfe. Der erschlägt die Schlange mit einer Axt. Daraufhin fliegt Anzu mit seinen Jungen auf, und Lilith zieht in die Wüste. Schließlich fällt Utu den Huluppu-Baum und fertigt daraus für seine Schwester einen Thron und ein Bett.
Im Talmud taucht Lilith nur einmal kurz auf, aber jüdisch-feministischer Theologie zufolge wird sie mit Adam zusammen von Gott erschaffen. Die beiden ersten Menschen leben im Paradies. (Johann Wolfgang von Goethe greift diesen Mythos in der Szene „Walpurgisnacht“ im „Faust“ auf.) Lilith fühlt sich Adam gleichberechtigt und weigert sich beispielsweise, beim Geschlechtsverkehr unter ihm zu liegen. Dass Adam das Patriarchat beansprucht, verstärkt nur ihren Freiheitsdrang. Adam ruft Gott zu Hilfe, der daraufhin drei Engel mit einer Warnung zu Lilith schickt. Die stolze Frau lässt sich jedoch nicht einschüchtern. Zum Zeichen ihrer furchtlosen Rebellion spricht sie die geheimen Namen Gottes aus. Dann verlässt sie von sich aus das Paradies, begibt sich an die Küste des Roten Meeres und zeugt mit einem Djinn unzählige dämonische Kinder, von denen Gott jeden Tag 100 tötet.
In einer Variante dieser biblischen Geschichte verführt Lilith in Gestalt einer raffinierten Schlange Adams zweite Frau, die unterwürfige Eva, trotz des göttlichen Verbots in einen Apfel vom Baum der Erkenntnis zu beißen. Daraufhin verjagt der erboste Gott Adam und Eva aus dem Paradies.
Im Mittelalter beschrieb der spanische Kabbalist Rabbi Isaak ben Jakob ha-Cohen sieben böse göttliche Mächte, darunter das Paar Samael und Lilith, die gegen die guten Emanationen um die Weltherrschaft kämpfen.
In der Psychologie stehen die Archetypen Eva und Lilith für Gehorsam, Bescheidenheit und Mütterlichkeit (Eva) bzw. Leidenschaft, Sexualität und Freiheit (Lilith). Lilith entspricht den inneren Dämonen unserer Psyche. Sie wird aber auch mit einer Amazone oder einem Racheengel assoziiert.
Antonia Langsdorf sieht in Lilith eine Ikone der weiblichen Selbstbestimmung, die furchtlos Tabus bricht und gegen Regeln verstößt, die sie in ihrer Entfaltung einengen würden.
Lilith ist das Rauschen des Blutes durch deine Adern, das dich erfasst, wenn du wirklich verliebt bist. Sie ist in der Ekstase mitreißender Orgasmen. Sie ist die heiße Glut der Eifersucht, wenn die Liebe ihren Weg nicht findet. Sie ist das Fauchen deiner Rache. Sie ist in den geheimnisvollen Kräften, die während Schwangerschaft und Geburt zutage treten.
Lilith ist nicht für ein wohlgeordnetes, kultiviertes Leben zuständig. Und auch nicht für ein Leben als Karrierefrau, bei dem die Gefühle auf der Strecke bleiben. Sie regiert die ungebändigten Kräfte der Natur, namentlich Sexualität, Geburt, Leben und Tod und die Weisheit, die sich in den tiefsten Geheimnissen des Lebens verbirgt.
Wir können in Lilith sicher eine Ikone der Gleichberechtigung sehen. Doch sie ist deshalb keine Galionsfigur für ein „neues Matriarchat“. Ambivalent sehe ich ihr Verhältnis zum Begriff der „Karrierefrau“ und der Annahme einer neuen Dominanz der Frauen in Wirtschaft und Politik. Lilith ist nicht unbedingt die Schutzpatronin der Karrierefrauen, weil sie nicht bereit ist, sich anzupassen und nach den Regeln des Männerspiels zu spielen.
Wenn möglichst viele Frauen Lilith in sich entdecken bzw. Lilith als Vorbild wählen, werde das die Welt zum Positiven verändern, meint Antonia Langsdorf.
Die technischen Hochkulturen von heute sind durchweg männlich dominiert, und die Bilanz dieser Entwicklung ist zwiespältig. Da sind einerseits unbestreitbare Errungenschaften an Lebensstandard, Lebenserwartung, Gesundheit, Technik und Mobilität. Doch demgegenüber stehen gigantische Umweltprobleme, Wirtschaftskrisen und der Verlust des Zugangs zu unseren Seelenkräften.
Die Autorin schildert, wie sie im Alter von 34 Jahren während eines Griechenlandurlaubs eine Fehlgeburt erlitt und zwei Jahre später eine Tochter gebar – und zwar nicht im Krankenhaus, sondern zu Hause, auf dem Schoß ihres Mannes hockend und von einer Hebamme betreut. Sie plädiert nicht nur für natürliche Geburten, sondern auch für Hausgeburten.
Natürlich kann eine moderne Frau auch sagen: Ich brauche diesen ganzen Schmerz nicht, ich brauche keine Initiation, ich will lieber den Kaiserschnitt, dann kann ich auch gleich wieder mit meinem Partner Sex haben, und ich leg es mir so, dass es in meinen Terminkalender passt. Das sind alles gangbare Wege. Nur, der Weg der Lilith ist es nicht!
Im zweiten Teil des Buches „Lilith. Die Weisheit der ungezähmten Frau“ berichtet Antonia Langsdorf von sechs lebenden Frauen, die sich ihrer Meinung nach bewusst oder unbewusst von Lilith leiten lassen, darunter Uschi Obermaier und Annette Meisl, die Autorin des Buches „Fünf Männer für mich“, die in einem „SEXperiment“ Erfahrungen mit einem „Loverteam“ gesammelt hat. Während es viele Männer und Frauen gibt, die heimlich mehrere Beziehungen zugleich haben, macht Annette Meisl kein Geheimnis daraus.
Leider handelt es sich bei den sechs „Lilith-Geschichten“ nur um sehr knappe, zum Teil nur gut zwei Seiten lange Beschreibungen. In dieser Kürze ist es nicht möglich, die Frauen zu porträtieren, sie farbig und lebendig darzustellen.
In der Astrologie wird Lilith mit dem „schwarzen Mond“ in Zusammenhang gebracht. Das ist einer der beiden Brennpunkte der elliptischen Mondumlaufbahn (im anderen befindet sich die Erde). Der „schwarze Mond“ wurde erstmals von dem englischen Astrologen Sepharial (bürgerlich: Walter Richard Old, 1864 – 1929) beschrieben und als „Lilith“ bezeichnet. 1887 sei das gewesen, schreibt Antonia Langsdorf. Sie weist darauf hin, dass Lilith in knapp neun Jahren durch den Tierkreis und in 268 bis 269 Tagen durch ein Sternzeichen wandert. 268 bzw. 269 Tage, das entspricht exakt der Dauer der menschlichen Schwangerschaft (263 bis 273 Tage). Das hält die Astrologin für bedeutsam.
Im Hauptteil des Buches (Seite 139 bis Seite 283) beschäftigt sie sich mit „Lilith in den Sternzeichen“. In einer die Jahre 1920 bis 2020 abdeckenden Liste im Anhang kann man nachsehen, in welchem Sternzeichen Lilith bei der eigenen Geburt oder bei der Geburt anderer Menschen stand und dann in einem der zwölf Kapitel das entsprechende Horoskop lesen.
Es folgen Übungen und Anregungen, die dabei helfen sollen, Lilith näher zu kommen, zum Beispiel: Singen und Tanzen, Musizieren bzw. Musik hören, Malen und Schreiben. Um ein persönliches Vorbild zu finden, empfiehlt Antonia Langsdorf die Lektüre von Biografien außergewöhnlicher Frauen und eine Reihe von Kinofilmen wie zum Beispiel „Chocolat“ und „Das wilde Leben“.
Zum Abschluss werden die Leserinnen aufgefordert, 18 Testfragen zu beantworten, um sich anhand des Ergebnisses in Bezug auf Lilith einstufen zu können. Das Frage- und Antwortspiel ist allerdings kein ernst zu nehmender psychologischer Test.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)In ihrem Buch „Lilith. Die Weisheit der ungezähmten Frau“ schreibt die Astrologin und Fernsehmoderatorin Antonia Langsdorf (* 1962) im Plauderton über eine in der Astrologie bedeutsame mythische Figur. Auch Leserinnen und Leser, die der Astrologie und der Estoterik skeptisch gegenüberstehen, können sich von dem leicht lesbaren Buch dazu inspirieren lassen, Lilith als Vorbild zu wählen. „Lilith. Die Weisheit der ungezähmten Frau“ ist ein ermutigendes, lebensbejahendes Plädoyer für Authentizität, Eigenständigkeit und Entfaltung, Selbstvertrauen und Körperbewusstsein.
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2013
Textauszüge: © Trinity Verlag