Amos Oz : Plötzlich tief im Wald

Plötzlich tief im Wald
Manuskript: 2004 Originalausgabe: Pit'om be-omek ha-ja'ar. Aggada Keter Verlag, Jerusalem 2005 Plötzlich tief im Wald Ein Märchen Übersetzung: Mirjam Pressler Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M 2006 ISBN 3-518-41748-7, 112 Seiten Suhrkamp Taschenbuch: 2007
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Die Erwachsenen erinnern sich noch an die Zeiten, in denen ihr Dorf wie alle anderen Dörfer auch gewesen war. Seit einer Winternacht vor vielen Jahren sieht man in dem Dorf jedoch keine Tiere mehr, weder zahme noch wilde, auch keinen Vogel, und sobald es dunkel wird, schließen die Bewohner sich in ihren Häusern ein. Ungeachtet eines strengen Verbots wollen die Kinder Maja und Mati herausfinden, was damals geschah ...
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Kritik

"Plötzlich tief im Wald" ist ein Märchen für Kinder und Erwachsene. In poetischer Form plädiert Amos Oz dafür, Neid und Schadenfreude zu überwinden und Außenseiter in die Gemeinschaft zurückzuholen.
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Das Dorf war grau und traurig. Um es herum waren nur Berge und Wälder, Wolken und Wind. Es gab keine anderen Dörfer in der näheren Umgebung […] Ganz selten kam ein wandernder Handwerker oder ein Hausierer vorbei, und ab und an verirrte sich auch ein Bettler dorthin. Doch keiner blieb länger als zwei Nächte, denn das Dorf war verflucht. (Seite 13)

Nach Einbruch der Dunkelheit verlässt keiner der Dorfbewohner mehr sein Haus, denn alle fürchten sich vor Nehi, dem Bergteufel.

Die Kinder im Dorf wüssten nicht, was ein Tier ist, wenn ihnen nicht die Lehrerin Emanuela, die als „Keinmannela“ verhöhnt wird, weil sie keinen Mann gefunden hat, von Kühen und Pferden, Schafen, Ziegen, Hühnern und Gänsen, Hunden, Katzen, Hasen, Fischen, Bienen, Fliegen und Würmern erzählen würde, denn bevor die Kinder geboren wurden, hatten alle Tiere das Dorf verlassen. Seither gibt es im Dorf und in der Umgebung kein einziges Tier mehr, nicht mal eine Mücke oder einen Vogel, der darüber hinwegfliegen würde. Jäger und Fischer zogen längst fort. Nur der alte Fischer Almon blieb im Dorf, lebt aber jetzt von selbst angebauten Kartoffeln.

Aufgrund der Ausführungen der Lehrerin beginnt der kleine Nimi nachts von Tieren zu träumen. Als er seinen Schulkameraden davon erzählt, lachen sie ihn aus und verspotten ihn. Da läuft er eines Tages in den Wald. Vergeblich suchen seine Eltern nach ihm. Nach drei Wochen kehrt er abgemagert und verdreckt zurück. Er spricht kein Wort mehr, sondern wiehert stattdessen wie ein Fohlen. Deshalb wird er von den anderen Dorfbewohnern fortan gemieden.

Einmal ist den Kindern Maja und Mati so, als hätten sie an einer ruhigen Stelle des Flusses einen Fisch halb so groß wie ein Finger aufblitzen sehen, aber vielleicht war es auch nur ein Blatt. Um nicht ausgelacht zu werden, halten sie das Erlebnis geheim. Aber es lässt ihnen keine Ruhe: Da die Eltern keine Fragen über das Verschwinden der Tiere beantworten, wollen sie selbst herausfinden, was damals geschah. Eines Morgens gehen sie statt zur Schule in den Wald und folgen dem Fluss hinauf in die Berge, immer tiefer in den Wald.

In einer Höhle stoßen sie auf Nimi, der gerade Kartoffeln über einem Lagerfeuer brät und sie zum Essen einlädt. Er verrät Maja und Mati, dass er gar nicht an der Wieheritis leide, wie die Dorfbewohner glauben, sondern sich zur Einsamkeit entschlossen habe, um Hohn und Spott zu entgehen.

Gegen Abend verlieren Maja und Mati sich aus den Augen. Erst nach längerem Suchen findet Mati, der furchtbare Angst hat, seine Freundin wieder: Sie steht mit einem Kätzchen am Tor des Bergschlosses! Es handelt sich nicht um ein gezeichnetes Kätzchen, sondern um ein lebendes Tier mit einem seidigen Fell. In dem üppig bewachsenen Schlossgarten leben die verschiedensten Tiere friedlich nebeneinander: Maulwürfe, Ziegen, Bären, Tiger, Krokodile, Vögel und Kolibris. Nehi, der Bergteufel, erzählt Maja und Mati, dass er eigentlich Na’aman heißt, auch aus dem Dorf stammt und dort als Kind von seinen Schulkameraden gehänselt wurde.

Und dabei wollte ich unbedingt einer von ihnen sein. Ich habe mir die ganze Zeit solche Mühe gegeben, genauso zu sein wie alle anderen. Mehr als alle anderen wollte ich sein wie alle anderen. Aber je mehr ich mich bemühte, umso mehr wurde ich verachtet. (Seite 81)

Im Alter von zehn Jahren verliebte er sich in die gleichaltrige Mitschülerin Emanuela, wagte jedoch nicht, ihr seine Gefühle zu offenbaren, weil er befürchtete, ausgelacht zu werden. Schließlich verzichtete er auf die Gesellschaft anderer, freundete sich stattdessen mit Hunden und Katzen an und lernte deren Sprachen. Daraufhin hielt man ihn erst recht für einen Außenseiter, und seine Eltern schämten sich seinetwegen. Sie hatten nichts dagegen, dass er sich tagelang allein im Wald herumtrieb. In einer Winternacht verließ er das Dorf, und alle Tiere folgten ihm. In dem Bergschloss, dass er im Lauf der Zeit errichtete, frisst kein Tier ein anderes, sondern sie ernähren sich alle von Tolinen, Früchten, die an Bäumen wachsen.

Im letzten Abendlicht führt Nehi die Kinder zum Dorf zurück und lädt sie ein, wiederzukommen. Er fordert sie auf, mit den Kindern, die andere quälen und verspotten, zu reden und sie davon abzubringen.

Versucht es, bis sich ihre Herzen eines Tages vielleicht wandeln und wir vom Berg herunterkommen können. (Seite 111)

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„Plötzlich tief im Wald“ ist ein Märchen für Kinder und Erwachsene. Amos Oz erzählt von einer unglücklichen menschlichen Gemeinschaft, die im Bann eines Ereignisses lebt, das sich vor vielen Jahren zutrug. Die Erwachsenen, die es noch erlebten, wollen nicht darüber sprechen, aber zwei mutigen Kindern gelingt es, das Geheimnis aufzudecken: Ursache des Unglücks ist die Neigung vieler Kinder und Erwachsener, andere zu verspotten und zu verhöhnen. Um den Bann zu brechen, müssen Neid und Schadenfreude überwunden und Außenseiter in die Gemeinschaft zurückgeholt werden.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2006
Textauszüge: © Suhrkamp Verlag

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.