Bernhard Schlink : Die Frau auf der Treppe
Inhaltsangabe
Kritik
Der Ich-Erzähler, ein Jurist, dessen Namen wir nicht erfahren, hatte mit 17 das Abitur, mit 21 das erste und mit 23 das zweite Staatsexamen abgehakt. Als er bereits in der Kanzlei Karchinger und Kunze in Frankfurt am Main beschäftigt war, promovierte er noch, und nach drei Jahren Firmenzugehörigkeit avancierte er zum Partner.
Im Sommer 1968 sucht ihn Karl Schwind auf, ein Maler Anfang 30. Eine zehn Jahre jüngere Frau begleitet ihn. Der Künstler hat dem Unternehmer Peter Gundlach ein Bild verkauft: „Die Frau auf der Treppe“. Es hängt in der Villa des Besitzers im Taunus. Weil die Fotos, die Karl Schwind von seinen Werken angefertigt hatte, bei einem Unfall verbrannten, möchte er für sein Portfolio neue Aufnahmen der Bilder, die ihm etwas bedeuten. Gundlach weigere sich jedoch, so Schwind, ihn ins Haus zu lassen. Der Anwalt schreibt ein paar Zeilen an Peter Gundlach. Der 40-jährige Geschäftsmann antwortet rasch, es müsse sich um ein Missverständnis handeln; selbstverständlich dürfe der Künstler sein Gemälde bei ihm fotografieren. Nachdem der Jurist seinen Mandanten über diese Stellungnahme in Kenntnis gesetzt hat, hält er den Fall für erledigt.
Eine Woche später kommt Karl Schwind erneut in die Kanzlei. Er ist außer sich:
„Das Bild ist beschädigt. Am rechten Bein – es sieht aus, als wäre er mit dem Feuerzeug drübergegangen.“
Ob er dem Besitzer angeboten habe, das kaputte Bild zu restaurieren, fragt der Jurist den Künstler. Das wolle er, aber Gundlach lasse ihn nicht, klagt Schwind.
Wieder antwortete Gundlach sofort. Er bedauere das erneute Missverständnis. Natürlich sei er mit der Restaurierung durch den Maler einverstanden. Was könne ihm Besseres passieren, als dass der Künstler selbst das beschädigte Kunstwerk restauriere. Außer Hause dürfe er das Bild nicht geben, er würde sonst den Schutz der Versicherung verlieren.
Zwei Tage lang arbeitet Schwind an seinem Gemälde. Als er die Ausbesserung am dritten Tag abschließen möchte, entdeckt er einen Säurefleck auf der linken Brust der abgebildeten Frau auf der Treppe. Durch Vermittlung des Rechtsanwalts erreicht Schwind, dass er auch diesen Schaden beheben darf, aber er ist noch nicht ganz fertig damit, da kippt das Ölgemälde um, schlägt gegen eine Tischkante, und die Leinwand reißt. Schwind ist überzeugt, dass Gundlach das Bild absichtlich umwarf:
„Denken Sie, ein Maler kann ein Bild nicht so an die Wand lehnen, dass es stehen bleibt? Nein, er hat es umgeworfen, und den Riss hat er mit dem Messer gemacht. Die Kanten des Tischs sind zu stumpf, sie können keinen so scharfen Riss ins Bild machen.“
Warum Gundlach das tun sollte, fragt der Anwalt. Aus Hass, meint Schwind. Das Bild, ein Akt, zeigt Gundlachs Ehefrau Irene. Sie verließ ihren Mann und lebt jetzt mit dem Maler zusammen. Irene Gundlach war Karl Schwinds Begleiterin beim ersten Termin in der Kanzlei. Wieder erreicht der Jurist durch Rücksprache mit dem Unternehmer, dass der Künstler sein Werk restaurieren darf.
Der Anwalt wäre nicht verwundert gewesen, wenn Schwind sich mit einer neuen Beschwerde bei ihm gemeldet hätte. Stattdessen kommt Irene Gundlach in die Kanzlei. Karl habe nicht nur das beschädigte Bild ausgebessert, sondern sogar ein neues angefangen, berichtet sie und fordert den Anwalt auf, ihr die Rechnung zu schicken. Der Künstler habe kein Geld, erklärt sie. Als sie fort ist, wird dem Juristen bewusst, dass er sich in die Frau verliebt hat.
Kurz nach der Fertigstellung der erneuten Renovierung des Gemäldes „Die Frau auf der Treppe“ wendet Karl Schwind sich erneut an den Rechtsbeistand:
Als ich kam, hing das Bild an der Wand. Ich zeigte Gundlach, was ich gemacht hatte, und er sah und lobte es. Dann holte er ein Taschenmesser hervor, klappte es auf, machte einen Schnitt in das Bild, klappte das Messer zu und steckte es in die Tasche.
Anschließend meinte Gundlach, Ruhe könne es erst geben, wenn sie beide das wiederhätten, was ihnen gehöre: er seine Frau, der Künstler das Bild. Der Geschäftsmann forderte den Künstler auf, von dem Rechtsanwalt einen entsprechenden Vertrag aufsetzen zu lassen.
In der Kanzlei fragt Schwind:
„Können Sie das? Einen Vertrag machen, dass ich das Bild wiederkriege und er Irene?“
Der Jurist setzt den Vertrag auf und lässt ihn von den beiden Kontrahenten unterschreiben. Die Übergabe ist für den kommenden Sonntag vorgesehen. Dem Anwalt bleibt deshalb Zeit, eine wie zufällig wirkende Begegnung mit Irene Gundlach herbeizuführen und sie zu warnen: Ihr Ehemann und ihr Liebhaber wollen sie gegen das Gemälde „Die Frau auf der Treppe“ eintauschen. Bei dieser Gelegenheit gesteht der Anwalt, dass er sich in Irene verliebt habe. Daraufhin entwickelt Irene einen Plan: Sie wird dafür sorgen, dass Schwind und sie mit dem VW-Bus zu Gundlach fahren. Während sie im Haus sind, soll der Anwalt einsteigen und sich hinter dem Lenkrad verstecken. Es ist damit zu rechnen, dass Karl das Gemälde zum Auto bringt und auf die Ladefläche legt. Sobald er das getan hat, soll Irenes Helfer losfahren.
„Ich bin sicher, Karl denkt, Gundlach habe ihn betrogen, kommt zurück ins Haus, beschuldigt Gundlach, und während die beiden streiten, kann ich davonrennen.“
Der Jurist weiß selbstverständlich, dass er sich auf ein Vergehen einlässt und seine Zulassung verlieren könnte. Aber das Risiko geht er ein, denn er träumt von einem gemeinsamen Leben mit Irene.
Am Sonntag versteckt er sich also im VW-Bus, und sobald das Gemälde auf der Ladefläche liegt, lässt er den Motor an und gibt Gas. Schwind reißt noch die Beifahrertüre auf, schafft es jedoch nicht mehr, auch noch in das Fahrzeug zu springen. Am vereinbarten Treffpunkt wartet der Dieb auf Irene. Sie drängt ihn, auszusteigen, sein in einiger Entfernung von der Villa geparktes Auto zu holen und wegzufahren, bevor Schwind oder Gundlach es entdecken.
Zu Hause wartet er die ganze Nacht vergeblich auf Irene.
Am Montag teilt Gundlach ihm telefonisch mit, dass seine Ehefrau mit dem Bild „Die Frau auf der Treppe“ verschwunden sei und Schwind vermutlich falsch gespielt habe.
40 Jahre vergehen. Der Anwalt ist inzwischen Vater von drei erwachsenen Kindern und Witwer. Seine Frau, die als Referendarin in die Kanzlei gekommen war und es zur Stadträtin gebracht hatte, fuhr an einem Nachmittag vor zehn Jahren mit 1,6 Promille Alkohol im Blut gegen einen Baum und war sofort tot. Zur Zeit hält er sich wegen Verhandlungen über einen Unternehmenszusammenschluss in Sydney auf. Vor dem Rückflug geht er in die Art Gallery of New South Wales – und entdeckt dort das seit Jahrzehnten verschollene Gemälde „Die Frau auf der Treppe“. Es handelt sich um eine Leihgabe. Der Kurator beruft sich auf seine Verschwiegenheitspflicht und weigert sich, ihm den Namen des Eigentümers bzw. der Eigentümerin zu nennen. Der Anwalt verschiebt daraufhin seinen Rückflug und beauftragt eine Detektei, nach Irene Gundlach zu suchen.
Einige Tage später erfährt er, dass sie seit 20 Jahren in Red Cove bei Rock Harbour lebt. Sie reiste als Touristin ein, nennt sich Irene Adler, verfügt weder über eine Aufenthalts- noch über eine Arbeitserlaubnis und bezahlt alles mit einer deutschen Kreditkarte. Der Anwalt mietet ein Auto und fährt los.
In Rock Harbour sagt man ihm, dass die Bucht, in der Irene wohnt, nur übers Wasser zu erreichen sei. Ein Junge namens Mark bringt den Deutschen hin. In der Bucht stehen zwei Häuser. Niemand ist da. Mark fährt wieder los.
Schließlich kommt Irene mit ihrem Boot. Sie hat einen Eimer voll Fische geangelt. Als Mark den Besucher am Abend wie vereinbart abholen will, bietet Irene ihrem Gast an, in einem der sechs freien Zimmer zu übernachten. Mark soll also am nächsten Tag wiederkommen und das Gepäck des Anwalts aus dem Leihwagen mitbringen.
Irene äußert sich verächtlich sowohl über Peter Gundlach und Karl Schwind als auch ihren Besucher:
„Für Gundlach war ich die junge, blonde, schöne Trophäe, bei der nur die Verpackung zählte. Für Schwind war ich Inspiration, auch dafür langte die Verpackung. Dann kamst du. Die dritte blöde Frauenrolle; nach dem Weibchen und der Muse die bedrohte Prinzessin, die vom Prinzen gerettet wird.“
Sie erzählt, was Karl Schwind mit dem Bild beabsichtigte, für das sie Modell stand:
„Es sollte Marcel Duchamps widerlegen. Kennst du den ‚Akt, eine Treppe herabsteigend‘? Eine kubistische Gestalt, in die Momente des Herabsteigens aufgelöst, ein Wirbel von Beinen, Gesäßen, Armen und Köpfen?“
Dann entschuldigt sie sich bei ihrem Gast:
„Es tut mir leid, dass ich dich damals verletzt habe. Ich fühlte mich so eingesperrt, dass ich nur ausbrechen wollte und mir alles andere egal war.“
Als er sein Bedauern über die entgangene Möglichkeit eines gemeinsamen Lebens äußert, erwidert Irene:
„Du meinst, ob ich dein Frankfurter Leben mit Kanzlei und guter Gesellschaft und Tennis und Golf und Opernabonnement hätte teilen können? Ich kann “
„Wir hätten nach Amerika ziehen können, USA oder Brasilien oder Argentinien, und ich hätte mit Schwung neu angefangen und die Sprache und das Recht gelernt und dort “
„ auch bald eine gutgehende Kanzlei gehabt und zur guten Gesellschaft gehört.“
Offenbar schloss Irene sich in den Siebzigerjahren dem terroristischen Untergrund in der Bundesrepublik an, tauchte dann in der DDR unter, war dort mit einem Mann namens Helmut verheiratet und bekam eine Tochter, der sie den Namen Julia gab. Als die Berliner Mauer geöffnet wurde, setzte sie sich aus Deutschland ab. In Australien kümmerte sie sich um verlassene, streunende, drogen- oder alkoholabhängige Kinder. Dazu ist sie jetzt nicht mehr in der Lage. Sie leidet unter Bauchspeicheldrüsenkrebs und wird nicht mehr lang leben. Mit Kokain hält sie sich noch auf den Beinen.
Unvermittelt taucht ein Hubschrauber auf und kreist über der Bucht, bevor er landet. Außer dem Piloten klettert Peter Gundlach aus dem Flugzeug. Als er den Anwalt erkennt, fragt er:
„Hat Schwind Sie geschickt? Vertreten Sie ihn wieder? Er will das Bild haben, nicht wahr?“
„Sie hier “ Er schüttelte den Kopf. „Ich hatte Sie immer im Verdacht, aber mochte nicht glauben, dass Sie sich als Anwalt trauen würden.“
Das Bild sei inzwischen 20 Millionen wert, meint Gundlach, und er will es wiederhaben. Argwöhnisch fragt der Anwalt Irene, ob sie Schwind ebenfalls erwarte. Er ahnt, dass sie das jahrzehntelang verschollene Gemälde absichtlich der Art Gallery gab, um die Männer anzulocken. Darauf angesprochen, meint Irene:
„Wollte ich auch dich hierherlocken? Ich wollte Peter und Karl noch mal sehen. An dich habe ich nicht gedacht.“
Dann fährt sie fort:
„War ich wirklich nur Trophäe und Muse für sie? Was waren sie für mich? Ich denke, ich muss das Unbedingte in ihnen geliebt haben, die Rückhaltlosigkeit, mit der Peter immer reicher und immer mächtiger werden und Karl das perfekte Bild malen wollte. Sie waren beide Besessene, und ich suchte nach etwas, das auch von mir Besitz ergreift.“
Gundlach erzählt von seiner zweiten Ehe mit einer sehr viel jüngeren erfolgreichen Maklerin.
Karl Schwind wird von Mark mit dem Boot gebracht. Er ignoriert erst einmal die beiden anderen Männer und wendet sich an Irene:
„Was wollen wir hier noch? Lass uns fahren, das Boot wartet. Wir können in Rock Harbour frühstücken und in Sydney den Nachtflug nach New York nehmen. Ich habe mit der Art Gallery gesprochen; ein Wort von dir, und sie bringen das Bild auf den Weg nach New York, rechtzeitig zur Werkschau.“
Da weist Gundlach darauf hin, dass der vor 40 Jahren unterschriebene Vertrag sittenwidrig gewesen sei.
„Lasst uns vernünftig miteinander reden. Der letzte beurkundete Eigentümer des Bildes bin ich.“
Schwind entgegnet:
„Wenn Sie meinten, das Bild gehörte noch Ihnen – warum haben Sie den Verlust nicht gemeldet? Warum steht das Bild nicht im Art-Loss-Register?“
Gundlach erklärt, er habe von Anfang an vermutet, dass das Bild von Irene mit Hilfe des Anwalts gestohlen worden sei und ihr nicht schaden wollen. Schließlich meint Gundlach, Irene solle entscheiden, wer von ihnen das Bild bekommt. Doch die kranke Frau klärt die Männer darüber auf, dass sie das Bild der Art Gallery geschenkt habe.
„Ich kann es euch nicht mehr geben, keinem von euch. Ich wollte euch nur noch mal sehen.“
Am anderen Morgen reisen Gundlach und Schwind mit dem Hubschrauber ab. Der Anwalt, der das Angebot des Piloten, ihn mitzunehmen, abgelehnt hat, findet Irene eingenässt und eingekotet in ihrem Bett vor. Er hilft ihr zur Dusche und wäscht sie. Dann zieht er das Bett ab, reinigt die Matratze und stellt sie zum Trocknen in die Sonne. Für Irenes Bett holt er eine Matratze aus einem der anderen Zimmer. Als er Irene am Abend ins Bett bringt, fordert sie ihn auf, sich zu ihr zu setzen. Sie bittet den Anwalt, nach ihrem Tod dafür zu sorgen, dass ihre Tochter Julia bekommt, was vom Erbe der Großmutter noch übrig ist.
Die nächsten Tage verbringen Irene und ihr Pfleger damit, sich auszumalen, was geschehen wäre, wenn sie damals ein gemeinsames Leben begonnen hätten oder sich bereits als Studenten bzw. in der Schule begegnet wären.
Unvermittelt kommt Irene nackt die Treppe herunter – wie auf dem Gemälde. Nach diesem Selbstzitat schlafen sie miteinander, bis Irene ihr letztes Kokain geschnupft hat und nicht mehr dazu in der Lage ist.
Es riecht nach Rauch. Kari, ein dunkelhäutiger Junge, der nach Irene schaut, wenn Gefahr droht, führt den Deutschen auf einen Hügel und zeigt ihm das Buschfeuer. Irene will auf keinen Fall in einem Krankenhaus sterben und nimmt ihrem Betreuer deshalb das Versprechen ab, sie nicht wegzubringen.
„Wenn das Haus verbrennt, ist es so weit. Ich verbrenne nicht, ich ersticke im Rauch.“
Sobald das Feuer die Bucht erreicht, trägt er Irene ins Boot und fährt ein Stück weit aufs Meer hinaus. Schließlich schläft er ein. Als er aufwacht, ist Irene nicht mehr da. Hat sie sich ertränkt? Er zieht es vor, sich einzubilden, dass sie sich übergeben musste und dabei unabsichtlich ins Wasser kippte.
Nachdem das verheerende Feuer erloschen ist, entdeckt er Spuren von Grün: Die kleinsten Pflanzen sind nicht verbrannt.
Ein Boot nähert sich. Es ist Marks Vater. Der Deutsche teilt ihm mit, dass Irene tot ist, und der Australier, der ihn mit nach Rock Harbour nimmt, rät ihm, das dem Sheriff zu melden. Der Sheriff wusste, dass Irene illegal in der Bucht lebte, unternahm jedoch nichts dagegen.
Im Handschuhfach des Leihwagens liegt das Handy des Anwalts mit Dutzenden von Nachrichten auf der Mailbox. Weil seine Brieftasche in der Bucht verbrannt ist, bekommt er vom deutschen Konsul provisorische Ausweispapiere und kann zurück nach Deutschland fliegen.
Dort wird er sich nicht nur darum bemühen, Irenes letzten Wunsch zu erfüllen, sondern auch seinen drei in England lebenden Kindern Abbitte leisten. Die Tochter und der ältere Sohn sind Anwälte, der Jüngste betreibt ein eigenes Software-Unternehmen. Der Vater wird mehr Interesse für sie zeigen und ihnen erzählen, was geschehen ist.
In seinem Roman „Die Frau auf der Treppe“ lässt Bernhard Schlink einen Ich-Erzähler zu Wort kommen. Es handelt sich um einen erfolgreichen Rechtsanwalt um die 70 aus Frankfurt am Main, dessen Namen wir nicht erfahren. Er ist nach Australien gereist, entdeckt in der Art Gallery of New South Wales zufällig das Gemälde „Die Frau auf der Treppe“, erinnert sich an den Streit, den der Maler vor 40 Jahren mit seiner juristischen Unterstützung gegen den Besitzer führte und vor allem an die Frau, die Modell für das Bild gestanden hatte. Diese Rückblenden füllen viele Seiten in der Mitte des Buches, aber in diesem Fall enthält der Rahmen den Kern der Handlung: Der Anwalt findet die vor Jahrzehnten verschwundene Frau an einer abgelegenen Bucht in Australien, und auch die beiden anderen Männer reisen aus Deutschland an. Der Besitzer beansprucht das Bild, der Maler will die Frau zurückhaben. Nur der Ich-Erzähler verändert sich durch die erneute Begegnung mit der inzwischen todkranken Frau.
Die Auseinandersetzung um das Ölgemälde „Die Frau auf der Treppe“ im Jahr 1968 in Frankfurt hat Bernhard Schlink flott und lustig inszeniert. Besonders viel Mühe, die Wandlung des hochintelligenten, erfolgreichen Anwalts zum törichten Dieb nachvollziehbar auszugestalten, hat er sich allerdings nicht gegeben. Kaum weniger oberflächlich bleibt die entscheidende Begegnung 40 Jahre später in Australien: Eine Frau stirbt, und der Mann an ihrer Seite verliert zwar die Geliebte, findet aber endlich zu sich selbst. Das ist traurig und romantisch. Der Künstler und der Unternehmer, die in diesem Zusammenhang noch einmal kurz auftreten, dienen lediglich als Kontraste. Das ist schade, denn aus dem Konflikt der beiden hätten sich Funken schlagen lassen.
Nebulös bleibt auch die Vergangenheit der Frau. Bernhard Schlink deutet an, dass sie in den Siebzigerjahren zur Terrorszene in der Bundesrepublik gehörte und dann in der DDR untertauchte. Näher geht er darauf nicht ein.
Die Sprache trägt wenig zur Charakterisierung des Ich-Erzählers bei, denn sie ist nüchtern wie die eines Rechtsanwalts und zugleich einfacher, als man sie von einem Juristen erwarten würde, der mit 23 sein zweites Staatsexamen ablegte.
Das 1966 von Gerhard Richter geschaffene Gemälde „Ema. Akt auf einer Treppe“ (Öl auf Leinwand, 200 x 130 cm, Museum Ludwig, Köln) inspirierte Bernhard Schlink zu dem Roman „Die Frau auf der Treppe“.
Den Namen Irene Adler könnte Bernhard Schlink aus der 1891 von Arthur Conan Doyle veröffentlichten Kurzgeschichte „A Scandal in Bohemia“ („Ein Skandal in Böhmen“) übernommen haben.
Den Roman „Die Frau auf der Treppe“ von Bernhard Schlink gibt es auch als Hörbuch, gelesen von Charles Brauer (ISBN 978-3-257-80353-2).
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2014
Textauszüge: © Diogenes Verlag
Bernhard Schlink: Der Vorleser
Bernhard Schlink: Liebesfluchten
Bernhard Schlink: Das Wochenende (Verfilmung)
Bernhard Schlink: Sommerlügen
Bernhard Schlink: Olga
Bernhard Schlink: Die Enkelin
Bernhard Schlink: Das späte Leben