Frederic Vester : Unsere Welt - ein vernetztes System

Unsere Welt – ein vernetztes System
Unsere Welt – ein vernetztes System Das Buch basiert auf der internationalen Wanderausstellung "Unsere Welt – ein vernetztes System" (Katalog: Verlag Ernst Klett, Stuttgart 1978) Unsere Welt – ein vernetztes System Verlag Ernst Klett, Stuttgart 1978 Taschenbuchausgabe: dtv 1983
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Mit anschaulichen Beispielen und vielen Illustrationen zeigt Frederic Vester auf ganz leicht nachvollziehbare Weise, wie kybernetische Systeme im Mikro- und Makrokosmos funktionieren. Sein Buch ist eine hervorragende Einführung in die Systemtheorie.
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Kritik

Einfaches Ursache-Wirkung-Denken entspricht nicht den komplexen Zusammenhängen und kybernetischen Wechselwirkungen in der Natur. Für die erforderliche neue Art des Denkens führte Frederic Vester den Begriff "vernetztes Denken" ein.

Durch die Spezialisierung ging der Blick für größere Zusammenhänge verloren. „Wir erfahren nichts mehr über die Wirklichkeit, nur noch über ihre Teile“, schreibt Frederic Vester in einem anderen Buch (Neuland des Denkens). Dazu kommt, dass wir seit Jahrhunderten gewohnt sind, die Komplexität der Wirklichkeit zu zerstückeln und einfache, lineare Ursache-Wirkung-Beziehungen in isolierten Teilbereichen zu studieren.

Vererbung, Stoffwechsel, Wachstum, Reizverarbeitung: Das Leben beruht auf biochemischen und biophysikalischen Prozessen. Um zu verstehen, was Leben ist, war der amerikanische Nobelpreisträger Albert Szent-Györgyi von Nagyrapolt (1893 – 1986) von der Histologie über die Molekularbiologie zur Mikrophysik vorgedrungen – und hatte dabei nach eigener Aussage „unterwegs das Leben verloren“.

Wie formatiert sich aus einer befruchteten Eizelle und schließlich zehn Milliarden Nervenzellen ein Gehirn? Fragen dieser Art lassen sich offenbar mit dem reduktionistischen Ansatz der klassischen Naturwissenschaften nicht beantworten.

Während in der einzelnen Körperzelle laufend neue Makromoleküle auf- und abgebaut werden, ist die Zelle als Ganzes beständiger. Im Organismus teilen sich ständig Zellen, andere sterben ab; der Körper selbst verändert sich dabei kaum merklich. Entsprechendes gilt für eine Population, die sich aus zahlreichen Lebewesen einer Art zusammensetzt. Wir neigen dazu, Teilsysteme für variabel und das jeweils umfassende System für konstant zu halten, obwohl lediglich die Geschwindigkeiten der Veränderungen verschieden sind. Der Unterschied zwischen Morphologie und Physiologie besteht nur scheinbar; „die Formen des Lebendigen sind nicht, sie geschehen“, meinte der aus Österreich stammende Biologe Ludwig von Bertalanffy.

In den 80er- und 90er-Jahren setzte sich die Erkenntnis durch, dass das mechanistische Weltbild der Aufklärung, der reduktionistische Forschungsansatz und die Spezialisierung der Wissenschaften den komplexen Zusammenhängen und kybernetischen Wechselwirkungen innerhalb von Systemen und zwischen Systemteilen nicht adäquat sind. Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile!

Als Biologe, genauer Biochemiker und Biophysiker, der zwanzig Jahre lang in der experimentellen Forschung tätig war, hatte ich einen sehr intensiven Umgang mit lebenden Zellen – Krebszellen und normalen Zellen –, mit der Informationsweitergabe, mit genetischen Experimenten und mit Techniken und Organisationsformen in Tieren und Pflanzen. Organisationsformen, die jedoch nicht nur innerhalb eines Lebewesens, sondern interessanterweise genauso außerhalb einzelner Organismen zu beobachten sind, und zwar im Wechselspiel mit ihrer Umwelt. Bei dem, was sich zwischen verschiedenen Lebewesen, zum Beispiel in einem Ökosystem oder in einem ganzen Lebensraum, abspielt, handelt es sich um ganz ähnliche Kommunikationsvorgänge, Mechanismen, Austausch- und Regulationsprozesse, wie sie zwischen den einzelnen Zellen oder den Organen eines Organismus stattfinden.

Mit anschaulichen Beispielen und vielen Illustrationen zeigt Frederic Vester auf ganz leicht nachvollziehbare Weise, wie kybernetische Systeme im Mikro- und Makrokosmos funktionieren. Sein Buch ist eine hervorragende Einführung in die Systemtheorie.

Systeme sind integrierte Ganzheiten, deren Eigenschaften sich nicht auf die kleinerer Einheiten reduzieren lassen. (Fritjof Capra)

Die Aufmerksamkeit gilt nicht mehr den einzelnen Elementen, sondern den Struktur- und Organisationsprinzipien komplexer Systeme, den in ihnen ablaufenden Steuerungs- und Regelungsvorgängen, den dynamischen Wechselbeziehungen.

In geschlossenen Systemen können die Ordnung und die nutzbare Energie nur abnehmen (Entropie).

Überlebensfähig sind nur offene Systeme, die sich durch negative Rückkopplungen selbst regulieren und stabilisieren. Der Gleichgewichtszustand eines solchen Systems ist kein statischer, sondern ein dynamischer; er verlangt Stoffwechsel und Informationsverarbeitung. Offene, sich selbst steuernde Systeme kommen keineswegs nur in der Welt der Lebewesen vor, sondern sie lassen sich auch im präbiotischen Bereich beobachten. Beispiel: Kerzenflamme.

Die Grundlagen einer fachübergreifenden wissenschaftlichen Disziplin, die sich mathematisch-modellhaft mit Regelungs- und Steuerungsvorgängen befasst, erarbeitete der amerikanische Mathematiker Norbert Wiener . Er prägte dafür 1948 die Bezeichnung „Kybernetik“. Der Kybernetiker interessiert sich nur am Rande dafür, ob die von ihm untersuchten Systeme physikalischer oder biologischer, psychologischer oder sozialer Natur sind; er abstrahiert von materiellen Eigenheiten und stellt funktionale Zusammenhänge in mathematischen Formeln bzw. in Flussdiagrammen dar.

Kapitelüberschriften in „Unsere Welt – ein vernetztes System“:

  1. Was ist ein System?
  2. Wie wirken die Dinge aufeinander?
  3. Wie wirken die Dinge auf sich selbst zurück?
  4. Wenn man Zusammenhänge missachtet
  5. Wie man Zusammenhänge verstehen lernt
  6. Wie man Systeme durch Eingriffe kaputtmacht
  7. Wie sich Systeme durch Selbststeuerung nutzen lassen
  8. Wir selbst als Teil des Ganzen

 

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Inhaltsangabe, Rezension und Kurzbiografie: © Dieter Wunderlich 2003
Textauszüge: © Deutscher Taschenbuch Verlag

Kybernetik, Systemtheorie

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.