Carl Zuckmayer : Geschichte von einer Geburt

Geschichte von einer Geburt
Geschichte von einer Geburt Erstveröffentlichung: 1922 S. Fischer Verlag, Frankfurt/M Bibliothek des 20. Jahrhunderts Hg.: Walter Jens und Marcel Reich-Ranicki Deutscher Bücherbund, Stuttgart / München o. J.
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Während des Vormarsches im Ersten Weltkrieg werden drei deutsche Artilleristen für eine Nacht in einer Hütte einquartiert, die von zwei verwahrlosten Französinnen bewohnt wird: einer Alten und ihrer Tochter, die in den Wehen liegt und von den Männern festgehalten werden muss, als sie ihr Kind gebiert ...
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Kritik

"Geschichte von einer Geburt", das ist nicht das Werk eines Schriftstellers, der die Welt nur vom Schreibtisch aus beobachtet, sondern eine volkstümliche, deftige, expressionistische Erzählung aus dem prallen Leben.

Im Ersten Weltkrieg wird eine kleine Artillerieeinheit für eine Nacht in einem winzigen französischen Dorf dicht hinter der Front einquartiert. Weigel, einem älteren Bergmann aus dem Westerwald, Bopp, einem Bierkutscher aus Hanau und dem achtzehnjährigen Studenten Thomas wird eine Hütte am Dorfrand zugewiesen.

Die öffnet, ist ein altes Weib mit dem Gesicht einer verwesten Eidechse, Händen wie starre Hühnerklauen. Aus ihrem Mund kommt ein gleichförmig röchelnder, pfeifender Laut, den man zu riechen glaubt. (Seite 17)

In einer Ecke wälzt sich etwas unruhig unter einem Lumpenhaufen. Weigel zieht beherzt ein Stück der Decke zurück und leuchtet mit der Taschenlampe hinein:

Da liegt eine Schwangere in den Wehen. Es dauert nicht lang, da setzt die Geburt ein. Die Mutter der Gebärenden bleibt in ihrer Ecke sitzen, stößt Verwünschungen aus und ist nicht einmal bereit, Wasser zu holen, denn ihre Tochter wurde von einem deutschen Ulan geschwängert, und die Alte würde „ihre Tochter lieber krepieren sehen, als einen kleinen Boche gebären“.

Was in der Höhle vorging, glich einem verzweifelten Kampf. Das Weib hatte längst alle Decken und Fetzen mit den furchtbaren Stößen ihres massigen Körpers heruntergeschleudert. Das Hemd aus schlechtem, gelblichem Stoff war quer überm Bauch zerrissen, nackt lag sie da, die Hügel und Berge ihres Leibes bebten, die Schenkel zogen sich hoch und streckten sich wieder, die geballten Fäuste schlugen den Bettrand, das große bleiche Gesicht mit rollenden Augen war aufwärts gedreht, der Atem ging keuchend aus ihrer Brust. (Seite 23)

Und Bopp musste sich mit aller Kraft seines Brustkastens auf den Schenkel der Frau legen, so zuckte, zerrte und zog sie. Es war wie beim Pferdebeschlagen. (Seite 24)

Dann erschlafft sie.

Die Augen der Frau waren auf einmal geschlossen, das aufgewölbte Gesicht schien eingefallen, die Lippen blass und schmal, ein sonderbarer Glanz lag auf ihrer feuchten Stirn, und Thomas durchzuckte es, als sei dies der Tod, obwohl er den warmen lebendigen Druck der beiden Hände fühlte. Rasch blickte er auf und sah, wie Weigel […] etwas Lebendiges, Rötliches in die Höhe hob – und er sank fast vornüber auf die Brust der Frau, die jetzt ruhig atmete, und es schwankte, tanzte alles um ihn her […] und in diesem Augenblick schrie das Kind (Seite 25)

Nun steht die Alte doch auf, wäscht das Neugeborene und wickelt es behutsam in ein Tuch.

Die drei Artilleristen gehen ins Dorf und striegeln ihre Pferde.

Am Nachmittg kehrt Thomas allein in das Quartier zurück, um zu packen, denn für den Abend ist der Aufbruch befohlen.

Als er hereinkam, da stand das junge Weib mitten in der Stube – sie hatte eine Art Mantel umgehängt –, sie stand breitbeinig, ihr Gesicht war rot und frisch, die beiden Brüste groß und strotzend nackt, an der einen lag ihr Kind. Während Thomas sein Zeug packte, kam sie langsam heran und setzte sich dicht vor ihm auf den Tisch. Er hielt ein und betrachtete sie. Die Alte war nicht im Haus […] (Seite 25)

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2005
Textauszüge: © S. Fischer Verlag

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon einen Monat, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte. Aus familiären Gründen reduziere ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik.