William Boyd : Trio

Trio
Trio Verlag Viking, London 2020 Trio Übersetzung: Patricia Klobusiczky und Ulrike Tiesmeyer. Kampa Verlag, Zürich 2021 ISBN 978-3-311-10072-0, 429 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

In Brighton wird ein Film gedreht. Im Mittelpunkt des Romans stehen der Produzent Talbot Kydd, die Hauptdarstellerin Anny Viklund und die mit dem Regisseur verheiratete Schriftstellerin Elfrida Wing. Talbot verheimlicht seine Homosexualität ebenso wie Elfrida ihre mit einer seit zehn Jahren anhaltenden Schreibblockade zusammenhängende Alkoholkrankheit. Anny wiederum erträgt den Stress nur in den Armen von Männern und indem sie abwechselnd Aufputsch- und Betäubungsmittel schluckt.
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Kritik

In "Trio" geht es William Boyd um Masken bzw. Kulissen im Gegensatz zum Leben dahinter, um den Unterschied zwischen der Selbstwahrnehmung und dem Bild, das andere sich machen, um Betrug, Lebenslügen und Selbsterkenntnis, um Realität im Verhältnis zur Kunst und um deren Erschaffung. Die Romanfiguren werden treffsicher dargestellt, und die Komposition ist sorgfältig durchdacht. William Boyd bietet mit "Trio" nicht nur eine inhaltlich und formal überzeugende, sondern auch eine fein-unterhaltsame Lektüre.
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Talbot Kydd

Talbot Kydd hat beim Tod seines Vaters Peverell 1948 dessen englische Filmgesellschaft geerbt. Yorgos Samsa, den Peverell Kydd als Buchhalter eingestellt hatte, ist inzwischen Talbots Partner bei YSK Films Ltd in London. Talbot ist seit 1941 verheiratet und hat mit Naomi zwei Kinder: den 1942 geborenen Sohn Humphrey, der als Paukist in Manchester tätig ist und die ein Jahr jüngere Tochter Zoë, die in Neuseeland lebt.

Seine Homosexualität verheimlicht Talbot. Niemand aus seinem Umfeld weiß, dass der Filmproduzent unter dem Namen Eastman eine Wohnung gemietet hat und durch Annoncen im „Photographers‘ Journal“ sowohl männliche als auch weibliche Modelle für Porträts oder klassische Aktfotos anwirbt. Pornografische Posen wären ihm zuwider. Bei einer ordinären Prostituierten, die sich auf eine Anzeige bei ihm meldet, behauptet er, seine Kamera sei kaputt und zahlt ihr das vereinbarte Honorar ohne Gegenleitung, um sie rasch wieder loszuwerden.

Seit dem Krieg ist der ehemalige Major mit Colonel Ivo Stuart-Hay befreundet, der noch immer mit seinem schwulen ehemaligen Offiziersburschen Corporal George Trelawny zusammenlebt.

1968 produziert Talbot den Film „Emily Bracegirdles außerordentlich hilfreiche Leiter zum Mond“. Regie führt Reggie („Rodrigo“) Tipton nach einem Drehbuch von Andrew Marvell. Für die Hauptrollen wurden die 28 Jahre alte amerikanische Filmschauspielerin Anny Viklund und der englische Popsänger Troy Blaze engagiert. Die Dreharbeiten finden in Brighton statt.

Als Anny erfährt, dass Sylvia Slye und Ferdie Meares die Eltern von Emily Bracegirdle spielen sollen, weigert sie sich, mit den abgetakelten Schauspielern gemeinsam vor der Kamera zu agieren. Reggie Tipton sucht Hilfe bei der Drehbuchautorin Janet Headstone, die auch prompt einen Ausweg vorschlägt: Das geplante Gespräch von Emily mit ihren Eltern soll am Telefon geführt und getrennt gefilmt werden.

Reggie ist zwar mit der Schriftstellerin Elfrida Wing verheiratet, nutzt aber jede Gelegenheit zu einem Seitensprung bzw. einer Affäre, auch mit Janet Headstone.

Troys Agenten Jimmy und Bob Appleby verlangen von Talbot Kydd, dass in den Film ein Song des Popsängers eingebaut wird, obwohl das nicht im Vertrag vorgesehen ist. Der Produzent lässt sich dazu überreden, den Abspann mit einem Troy-Blaze-Song zu unterlegen.

Dorian Villiers lädt Talbot und viele andere Prominente zu einer glamourösen Party ein. Talbot wundert sich, dass die italienische Schauspielerin Bruna Casanero, die dritte Ehefrau des mehr als 30 Jahre älteren Shakespeare-Darstellers, augenscheinlich hochschwanger ist. Noch mehr verblüfft es ihn, als Dorian Villiers darum bittet, einen Cameo-Auftritt für 5000 Pfund in „Emily Bracegirdles außerordentlich hilfreiche Leiter zum Mond“ zu bekommen. Als der Produzent fragt, wie sich finanzielle Schwierigkeiten mit der kostspieligen Party vertragen, meint Dorian Villiers, die Summe benötige er bis spätestens nächste Woche, während er sich mit der Bezahlung der Rechnungen Zeit lassen könne.

Der Buchhalter Geoff Braintree weist Talbot darauf hin, dass auffallend viel Filmmaterial eingekauft worden sei. Daraufhin beauftragt der Produzent den Privatdetektiv Kenneth („Ken“) Kincade mit Nachforschungen, und der findet rasch heraus, zu welcher Adresse das gestohlene Filmmaterial gebracht wurde. Dort trifft Talbot auf Tony During, den Kameramann von „Emily Bracegirdles außerordentlich hilfreiche Leiter zum Mond“, und der dreht gerade einen Pornofilm − mit Ferdie Meares als Produzenten.

Anny Viklund

Anny Makjen Viklunds Familie stammt aus Schweden, aber sie wurde 1940 in Minnesota geboren, als Tochter des Apothekers Kurt Viklund und dessen Frau Hilma, die mit einem Melker nach Schweden zurückkehrte und zwei Jahre später bei einem Verkehrsunfall starb. Anny und ihr derzeit in Vietnam kämpfender Bruder Lars wuchsen bei ihrer Tante Sigrid auf.

Im Alter von 23 Jahren heiratete Anny den linksradikalen Amerikaner Cornell Weckes, aber nach ein paar Monaten ließ sie sich von ihm scheiden. Der Aktivist der militanten Untergrundorganisation „The Warning Call“ legte Bomben bei der Rekrutierungsstelle der US-Army in San Diego, im Parteibüro der Republikaner in Pasadena und am Tor von Fort Mitchell in Nevada. Glücklicherweise zündeten die ersten beiden Sprengsätze nicht, aber bei dem dritten Anschlag wurden einem Soldaten beide Beine zerfetzt. Während der Dreharbeiten in Brighton erfährt Anny, dass Cornell eine Bewährungsanhörung zur Flucht aus der Haft nutzte. Der FBI Agent Radetski und Detective Inspector Desmondson vom Special Branch befragen Anny, weil sie den Verbrecher in England vermuten.

Den Stress erträgt Anny nur mit abwechselnd eingenommenen Aufputsch-, Beruhigungs- und Diätpillen: Seronal, Equanil, Obetrol.

Während der Dreharbeiten hat sich Anny in ihren Filmpartner Troy Blaze verliebt, der bürgerlich Nigel Farthingly heißt. Davon darf ihr in Paris lebender Geliebter nichts erfahren, der aus Guadeloupe stammende Philosoph Jacques Soldat.

Als Nigel sie seinen Eltern vorstellt, fasst Anny die Handlung des Films kurz zusammen: Die berühmte Filmschauspielerin Emily Bracegirdle verliebt sich bei Dreharbeiten in Brighton in ihren von Nigel bzw. Troy Blaze verkörperten Chauffeur. Dessen Mutter wundert sich über die Parallelität von Wirklichkeit und filmischer Fiktion, aber Anny meint:

„Ich glaube, es geht darum, wie die Kunst das Leben nachahmt. Und umgekehrt das Leben die Kunst. Das ist der Punkt.“

Cornell nimmt tatsächlich Kontakt mit seiner Ex-Frau auf, denn er benötigt Geld, um seine Flucht nach Mosambik fortsetzen zu können, wo er Kontakte zur Frelimo hat. Um ihn loszuwerden, bittet Anny den Produzenten um 2000 Pfund und gibt sie Cornell.

Der wird kurz darauf im Hafen von Southampton festgenommen und behauptet, das bei ihm sichergestellte Bargeld habe er von Annie Viklund erhalten. Desmondson und Radetski wollen deshalb noch einmal mit der Filmschauspielerin reden.

Elfrida Wing

Elfrida Wing, die Ehefrau des Filmregisseurs Reggie („Rodrigo“) Tipton, debütierte nach ihrem Studium am Girton College der University of Cambridge im Alter von 25 Jahren als Schriftstellerin. „Das große Spektakel“, ihr 1958 veröffentlichter dritter Roman, wurde von Reggie Tipton verfilmt. Der verließ ihretwegen seine Ehefrau Marion und die damals acht bzw. sechs Jahre alten Töchter Butterfly und Evergreen. Die Verfilmung erwies sich zwar als Flop, aber Elfrida Wing wurde von den Literaturkritikern mit Virginia Woolf verglichen. Das verstörte sie so, dass sie seit zehn Jahren kein Buch mehr geschrieben hat. Über die Schreibblockade hilft sie sich mit Alkohol hinweg. Dabei bevorzugt sie geruchsfreien Wodka, den sie in Flaschen von Sarson’s Weißweinessig hortet.

Sie weiß, dass ihr Ehemann sie notorisch betrügt, und ihr entgeht auch dessen Affäre mit der Drehbuchautorin Janet Headstone nicht. Während er in Brighton dreht, kommt sie auf eine Idee, wie sie sich von Virgina Woolf befreien könnte: Elfrida beschließt, einen Roman über den letzten Tag im Leben der Schriftstellerin zu schreiben, die sich am 28. März 1941 im Alter von 59 Jahren nahe ihres Landhauses („Monk’s House“) bei Rodmell in Sussex im Fluss Ouse ertränkte.

In einer Buchhandlung stößt sie auf die im Selbstverlag von Maitland Bole veröffentlichte Broschüre „East Sussex mit den Augen von Virginia Woolf“. Sie nimmt Kontakt mit ihm auf und befragt ihn nach Einzelheiten über Virginia Woolfs letzten Tag. Als sie sich bei Monk’s House umsieht, sitzt der 87-jährige Witwer Leonard Woolf im Garten, und sie wechselt ein paar Worte mit ihm.

Voller Tatendrang fordert Elfrida ihren Literaturagenten Calder McPhail auf, für sie einen Verlagsvertrag für zwei Romane auszuhandeln und auch ihre Lektorin Ginevra Russell von dem Buchprojekt „Der letzte Tag der Virginia Woolf“ zu überzeugen.

Immer wieder neue Versionen des Romananfangs schreibt Elfrida nieder, aber über die ersten Zeilen kommt sie nicht hinaus, und ihren exzessiven Alkoholkonsum setzt sie fort. Lonnie, ein Gelegenheitsarbeiter, der den Rasen des Ehepaars in London mäht, findet die Schriftstellerin eines Tages bewusstlos auf dem Küchenboden liegend vor. Sie kommt im Royal Free Hospital wieder zu sich und besteht gegen den dringenden Rat des Arztes darauf, entlassen zu werden.

Bei dem Sturz in der Küche zog sie sich einen Kratzer am Unterarm zu. Als sie an der verletzten Stelle Maden wimmeln sieht, ruft sie Joe Swire an, den Aufnahmeleiter bei den Dreharbeiten in Brighton, und der vermittelt ihr einen Termin bei einer Ärztin. Dr. Sarah Ingham versichert der Patientin, dass der Kratzer harmlos und nicht infiziert sei, aber das glaubt Elfrida nicht.

Mitten im Hochsommer steht sie mit einem im Kirchenbasar erworbenen Pelzmantel am Ufer des Ouse und hebt einen Stein auf. Als Virginia Woolf das tat, war es März und deutlich kühler. Gerade als Elfrida überlegt, ob Virginia Woolf sich ins Wasser gleiten ließ oder hineinsprang, nähert sich eine Gruppe von Frauen, angeführt von Maitland Bole.

„Wir kommen gerade von Charleston“, erklärte er. „Diesen Wanderweg nennen wir ‚Von Vanessa [Bell] zu Virginia‘. Jetzt geht es noch an der Kirche vorbei zum Monk’s House, und dann sind wir durch.“

Nach dieser Begegnung ist es Elfrida nicht mehr möglich, Virgina Woolfs Beispiel zu folgen. Sie kehrt nach London zurück und sucht Hilfe bei Dr. Sarah Ingham, die ihr daraufhin rät, sich vom Kloster Sankt Simon und Judas bei Taunton in Somerset als Gast aufnehmen zu lassen. Die Schwester der Ärztin lebt dort als Nonne.

Elfrida folgt dem Rat und findet Erlösung in der Arbeit. Wenn es in der Nähstube des Klosters nichts zu tun gibt, bittet sie um Aufträge für Gartenpflege. Alkohol hat sie dort keinen mehr greifbar, und obwohl sie das Gelände jederzeit verlassen darf, versucht sie auch nicht, Nachschub zu besorgen.

Außer der Ärztin und Elfridas langjähriger Freundin, der Rechtsanwältin Jessica Fairfield, weiß niemand, wohin sie sich zurückgezogen hat. Jessica bereitet die Scheidung Elfridas von Reggie Tipton vor und wickelt den Verkauf des Hauses ihrer Freundin ab. Der Erlös wird Elfrida einen langen Aufenthalt im Kloster ermöglichen.

Talbot Kydd

Anny Viklund befürchtet, dass man sie wegen Unterstützung eines aus der Haft geflohenen Schwerverbrechers vor Gericht zerren wolle. Sie flieht deshalb zu ihrem Liebhaber Jacques Soldat nach Paris. Weil die Medien von der Liaison des Philosophen und der Filmschauspielerin wissen, versteckt Jacques sie bei seinem ebenfalls in Paris wohnenden älteren Halbbruder.

Um seine Hauptdarstellerin zurückzubekommen, fliegt der Produzent Talbot Kydd mit dem Privatdetektiv Ken Kincade nach Paris. Talbot vermutet, dass sich Anny bei Jacques Soldier aufhält, weiß aber auch, dass es sich bei dem Namen um ein Pseudonym handelt und kennt dessen bürgerlichen Namen nicht. Am Telefon droht er Annys Agentin Bernadette Shaw mit einer Vertragsstrafe, aber sie scheint auch nicht mehr zu wissen.

Ken wendet sich an den Verlag des Philosophen (Jadis & Naguère), gibt sich als Cheflektor Harold J. Hopkins von der University of South Tennessee Press aus und behauptet, eine Gesamtausgabe der Werke von Jacques Soldier zu planen. Auf diese Weise erhält er einen Termin für ein Gespräch im Verlag mit Jacques Soldier, hat aber gar nicht vor, ihn einzuhalten. Stattdessen observiert er zur vereinbarten Zeit mit Talbot den Eingang des Verlags. Sie warten, bis der Philosoph nach dem geplatzten Termin wieder herauskommt und folgen ihm zu seiner Wohnung. Dort steht der bürgerliche Name Mehdi Duhameldeb an der Tür.

Mehdi Duhameldeb alias Jacques Soldier behauptet, nichts von Anny gehört zu haben. Aber Ken beschattet ihn und folgt ihm zu einer anderen Privatwohnung, wo er sich am nächsten Tag erneut mit seinem Auftraggeber auf die Lauer legt. Als Anny aus der Wohnung von Alphonse Duhameldeb kommt und sich in ein Straßencafé setzt, tritt Talbot zu ihr an den Tisch. Er versucht, sie zur Rückkehr zu überreden, aber da taucht ihr Liebhaber auf und setzt Talbot ohne Vorwarnung mit einem Kinnhaken außer Gefecht.

Wie sollen sie den Film „Emily Bracegirdles außerordentlich hilfreiche Leiter zum Mond“ ohne die Hauptdarstellerin zu Ende drehen? Janet Headstone schreibt das Ende um. Emily, die von Annys Double dargestellt wird, stirbt bei einem Autounfall, und ihr verzweifelter Geliebter rast mit der Leiche im Auto über die Klippen.

Anny flieht währenddessen mit Alphonse Duhameldebs Auto weiter nach Süden. Sie will nach Spanien. Nach Angoulême merkt sie, dass sie abwechselnd von zwei Autos verfolgt wird. Deshalb biegt sie zum Flughafen Bordeaux ab und mietet einen Leihwagen. Damit fährt sie weiter nach Cap Ferrat. Ohne auszusteigen, sucht sie alle Seronal-, Equanil- und Obetrol-Tabletten zusammen, die sie bei sich hat und spült sie mit Wasser hinunter.

John Saxonwood, Talbots langjähriger Rechtsanwalt, macht seinen Mandanten darauf aufmerksam, dass dessen Partner Yorgos Samsa dabei ist, die Rechte für eine Verfilmung des Romans „Der Geruch brennenden Laubs“ von Fleur Schwartz der Firma Fumodor S. A. in Luxemburg zu übertragen. Die Rechte erwarb Talbot für wenig Geld von der Mutter der Autorin, die sich im Alter von 38 Jahren das Leben genommen hatte. Seit Buck Lowry das Stück am Broadway inszenierte, wäre für die Filmrechte ein Vielfaches zu bezahlen.

Talbot will zunächst nicht glauben, dass ihn der von seinem Vater protegierte und mit ihm selbst befreundete Partner, der Patenonkel seiner Tochter Zoë, zu übervorteilen versucht, aber schließlich gibt es keinen Zweifel mehr daran: Yorgos hat sich heimlich mit den Brüdern Appleby zusammengetan, um ihn auszutricksen. Sie wollen mit der Verfilmung von „Der Geruch brennenden Laubs“ viel Geld verdienen, und er soll dabei leer ausgehen.

Talbot lässt sich nichts anmerken und unterschreibt die Verträge, die ihm sein betrügerischer Partner vorlegt. Damit überträgt YSK Films die Filmrechte für „Der Geruch brennenden Laubs“ der Fumodor Gesellschaft. Aber dann meint Talbot, es sei an der Zeit, dass Yorgos ihm seine Anteile an YSK Films für 200 000 Pfund abkaufe. Er weiß, dass dem betrügerischen Partner nichts anderes übrig bleibt, denn niemand wäre bereit, das Filmprojekt „Der Geruch brennenden Laubs“ zu finanzieren, wenn öffentlichkeitswirksame Rechtsstreitigkeit drohen würden.

Nachdem Talbot sich zurückgezogen hat, hört er, dass Janet Headstone das Drehbuch für die Verfilmung des Romans „Der Geruch brennenden Laubs“ schreibt.

Die Medien melden, dass bei Cap Ferrat die Leiche der 28-jährigen amerikanischen Schauspielerin Anny Viklund aus einem Leihwagen geborgen wurde. Ihr Tod war drei Wochen lang unentdeckt geblieben.

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Die Handlung des Romans „Trio“ von William Boyd spielt im Sommer 1968, kurz nachdem Martin Luther King ermordet wurde, nach der Studentenrevolte in Paris, während gegen den Vietnam-Krieg protestiert wird und die sexuelle Revolution stattfindet. Die Zeit ist gewiss mit Bedacht gewählt, aber ebenso bewusst zeigt William Boyd, dass Weltereignisse wie diese für die Personen im Roman kaum eine Rolle spielen. Sie sind mit persönlichen Dramen beschäftigt.

In Brighton wird ein Film gedreht. Im Mittelpunkt des Romans stehen drei Figuren (daher der Titel „Trio“): der Produzent Talbot Kydd, die Hauptdarstellerin Anny Viklund und die mit dem Regisseur verheiratete Schriftstellerin Elfrida Wing. Alle drei sind privilegiert, und jemand wirft Talbot einmal vor, er kenne vor lauter Privilegien die Realität nicht. Er verheimlicht seine Homosexualität ebenso wie Elfrida ihre mit einer seit zehn Jahren anhaltenden Schreibblockade zusammenhängende Alkoholkrankheit. Anny wiederum erträgt den Stress nur in den Armen von Männern und indem sie abwechselnd Aufputsch- und Betäubungsmittel schluckt.

In „Trio“ geht es William Boyd um Masken bzw. Kulissen im Gegensatz zum Leben dahinter, um den Unterschied zwischen der Selbstwahrnehmung und dem Bild, das andere sich machen, um Betrug, Lebenslügen und Selbsterkenntnis, um Realität im Verhältnis zur Kunst und um deren Erschaffung.

Elfrida sagt einmal einen Satz, der wohl zeigt, auf was William Boyd abzielt:

„Wenn man erfahren möchte, wie Menschen sind, wie sie wirklich sind, wenn man wissen möchte, was in ihren Köpfen vor sich geht, hinter den Masken, die wir alle tragen − dann sollte man einen Roman lesen.“

Als auktorialer Erzähler leuchtet William Boyd die Charaktere aus, und beim Lesen erfahren wir mehr über die handelnden Personen, als sie selbst über sich wissen. Nicht nur die drei Hauptpersonen wirken lebendig und wirklichkeitsnah, sondern auch die zahlreichen anderen Figuren in „Trio“, die William Boyd mit wenigen Pinselstrichen treffsicher darstellt.

„Trio“ beginnt mit einer Sequenz von drei Szenen, die zur gleichen Zeit stattfinden: Elfrida, Talbot und Anny wachen auf. Elfrida ist verkatert und benötigt dringend einen nächsten Drink, Talbot sah gerade im Traum einen schönen nackten Mann aus der Brandung kommen, und die 28-jährige Schauspielerin Anny befürchtet, dass dies ihr letzter Tag auf Erden sein könnte, bevor sie den schlafenden Mann neben sich im Bett bemerkt.

Bald darauf nimmt Elfrida sich vor, nach zehn Jahren endlich wieder einen Roman zu schreiben, kommt jedoch nicht über den Anfang hinaus, in dem sie sich vorstellt, wie Virginia Woolf am Morgen vor ihrem Suizid erwacht, also am letzten Tag ihres Lebens. William Boyds Romananfang spiegelt sich da ebenso wie Annys Befürchtung.

Im weiteren Verlauf wechselt William Boyd zwischen den drei Hauptfiguren hin und her. Dabei entwickelt sich eine sorgfältig durchdachte Komposition, in der beispielsweise eine Figur Erlösung findet, während eine andere zugrunde geht.

Das Lebensgestolper der drei Figuren ordnet sich in der Vogelschau des Roman-Organisators zum kunstvollen Puzzle aus Motiven und Verweisen, Spiegelfiguren, Doppelungen, Symbolen und „mises en abymes“. […] So entdecken aufmerksame Leser eine Konstruktionsraffinesse nach der anderen. (Martin Ebel, Süddeutsche Zeitung , 14. Mai 2021)

William Boyd bietet mit „Trio“ aber nicht nur eine inhaltlich und formal überzeugende, sondern auch eine fein-unterhaltsame Lektüre. Dafür sorgt er mit Ironie und Tragikomik, etwa wenn die lebensmüde Schriftstellerin Elfrida in einem Pelzmantel aus dem Kirchenbasar mitten im Sommer 1968 bei Rodmell in Sussex zum Fluss Ouse hinuntergeht, wie Virginia Woolf am 28. März 1941 einen schweren Stein aufhebt, der gerade noch in die Manteltasche passt − und sich dann eine auf literarischen Spuren geführte Gruppe nähert.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2021
Textauszüge: © Kampa Verlag

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.