Mario Vargas Llosa : Ein diskreter Held

Ein diskreter Held
Originalausgabe: El héroe discreto Alfaguara, Madrid 2013 Ein diskreter Held Übersetzung: Thomas Brovot Suhrkamp Verlag, Berlin 2013 ISBN: 978-3-518-42400-1, 381 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Zwei ältere Peruaner halten an ihren Werten und Prinzipien fest: Der Fuhrunternehmer Felícito Yanaqué soll Schutzgeld bezahlen und wird erpresst, aber er bleibt seinem Grundsatz treu, sich nicht herumschubsen zu lassen. Dass er damit nicht nur die Zerstörung seines Unternehmens riskiert, sondern auch sich und seine Angehörigen gefährdet, nimmt er in Kauf. Der pensionierte Generaldirektor Don Rigoberto weigert sich, einen Freund zu verraten, obwohl er dadurch in große Schwierigkeiten gerät ...
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Kritik

Aus den beiden Geschichten, die Mario Vargas Llosa in "Ein diskreter Held" erzählt, hätte er besser zwei Romane gemacht, zumal die Verknüpfung der Plots im letzten Viertel des Buches aufgesetzt wirkt. Ebenso wenig überzeugen die Experimente mit Parallelmontagen.
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Bei Felícito Yanaqué handelt es sich um den 55 Jahre alten Gründer und Inhaber des Fuhrunternehmens Transportes Narihualá in Piura in Peru. Mit seiner Frau Gertrudis ist er seit 25 Jahren verheiratet, aber er hat sie nie geliebt. Zum Zeitpunkt der Eheschließung arbeitete Felícito noch als LKW-Fahrer. In der Pension El Algarrobo war er zweimal mit Gertrudis, der Tochter der Wirtin Doña Luzmila, ins Bett gegangen, und dann hatte es geheißen, er sei der der Vater des von ihr erwarteten Kindes. Später begann Felícito an seiner Vaterschaft zu zweifeln, denn er und Gertrudis sind dunkelhäutig, Miguel ist jedoch weiß und blauäugig. Miguel und sein 21-jähriger Bruder bzw. Halbbruder Tiburcio arbeiten als Fahrer für das Transportunternehmen.

Seit acht Jahren hat Felícito eine Geliebte namens Mabel. Für sie hat er in Castilla ein Haus gemietet, und er bezahlt ihr nicht nur eine feste monatliche Geldsumme, sondern beschenkt sie auch immer wieder großzügig. Sie ist keine Prostituierte, aber als er sie kennenlernte, lebte sie davon, sich von wechselnden Männern aushalten zu lassen. Da sie etwa 30 Jahre jünger ist als er, kann er sich vorstellen, dass sie sich auch mit anderen Männern trifft, aber er will davon nichts wissen.

Erst jetzt erfährt Felícito, dass Gertrudis eine Schwester hat. Armida lebt in Lima und schreibt, dass sie bald heiraten werde.

Als Felícito einen Brief bekommt, in dem er zur Zahlung von Schutzgeld aufgefordert wird, beschließt er sofort, sich nicht darauf einzulassen. Dabei geht es ihm nicht ums Geld, sondern ums Prinzip. An seine Mutter kann er sich nicht erinnern, weil sie ihn und seinen Vater Aliño verlassen hatte, als er noch ein kleines Kind war. Aliño Yanaqué hatte als einfacher Arbeiter geschuftet, um ihm eine gute Schulausbildung zu ermöglichen. „Lass dich nie von jemandem herumschubsen!“, ermahnte er seinen Sohn, und der machte sich diesen Grundsatz zu eigen. Er wird kein Schutzgeld bezahlen, auch wenn die Mafia das von ihm aufgebaute Unternehmen zerstört oder ihn und seine Angehörigen terrorisiert.

Allerdings erkundigt er sich bei Adelaida, ob sie eine Eingebung habe und ihm sagen könne, was ihn erwartet. Adelaida führt einen kleinen Laden für Kräuter und Krimskrams. Nachdem sie den LKW-Fahrer Felícito vor 25 Jahren während einer Rast vor der Weiterfahrt gewarnt hatte, schleuderte ein Omnibus in seinen Lastwagen und er wurde verletzt. Seither fragt Felícito Adelaida vor jeder wichtigen Entscheidung um Rat. Sie meint, es sei besser, das Schutzgeld zu bezahlen, aber Felícito hört nicht auf sie.

Stattdessen geht er mit dem Brief zur Polizei. Sergeant Lituma ist jedoch nicht bereit, etwas zu unternehmen, solange nicht feststeht, dass es sich um eine ernst gemeinte Erpressung und nicht nur um einen Streich handelt.

Den zweiten Brief findet Felícito an Mabels Haustüre. Die Erpresser wissen also von seiner Liebschaft. Wieder geht er zur Polizei. Diesmal ist außer Sergeant Lituma auch dessen Vorgesetzter, Hauptmann Silva, anwesend. Aber die beiden haben nicht vor, viel zu tun.

Das ändert sich erst, als das Bürogebäude von Transportes Narihualá niedergebrannt wird und der Unternehmer eine Anzeige in der Zeitung aufgibt, in der er klarstellt, dass er unter keinen Umständen Schutzgeld bezahlen werde. Daraufhin schaltet sich der Polizeichef Oberst Asundino Ríos Pardo ein und verlangt von Hauptmann Silva eine rasche Aufklärung des Falls, der in der Öffentlichkeit für Wirbel sorgt.

Felícito spricht mit einem Konkurrenten. Der bezahlt bereits Schutzgeld und vermutet, dass auch alle anderen Fuhrunternehmer es tun. Aber Felícito bleibt seinem Grundsatz treu. Aufgrund der Zeitungsberichte wird er in Piura als Held gefeiert. Das verhindert allerdings nicht, dass sein Umsatz einbricht, weil viele Kunden befürchten, sie könnten in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn sie einen seiner Busse benutzen oder Waren von ihm transportieren lassen.

Im vierten Brief behaupten die Erpresser, sie hätten Mabel in ihrer Gewalt. Hauptmann Silva überredet Felícito, zum Schein die verlangte Einwilligung zur Schutzgeldzahlung zu geben. Es gehe nur darum, die junge Frau zu retten, meint der Polizist. Felícito brauche sich selbstverständlich nicht an die erpresste Zusage zu halten.

Nach sieben Tagen taucht Mabel wieder auf. Man habe sie weder geschlagen noch vergewaltigt, sagt sie. Zuletzt sei sie mit einer Augenbinde in ein unbewohntes Gebiet gebracht worden. Nach einem gut einstündigen Fußmarsch habe sie auf die ersten Häuser von La Legua erreicht. Weil zu befürchten ist, dass die Verbrecher erneut zuschlagen, wenn sie herausfinden, dass Felícito nur zum Schein auf ihre Forderung einging, ordnet Hauptmann Silva an, dass Mabels Haus rund um die Uhr bewacht wird.

Als er nach Mabels Vernehmung mit Lituma allein ist, fragt er den Sergeant, ob ihm die Widersprüche in der Aussage der jungen Frau aufgefallen seien. Er hält sie für die Komplizin der Erpresser und ist überzeugt, dass die Entführung nur vorgetäuscht wurde.

Der 23-jährige Polizist Candelario Velando, der vor Mabels Haus Wache hält, beobachtet, wie ein junger Mann durch einen Nebeneingang hineingeht und nach einiger Zeit wieder herauskommt: Es ist Miguel Yanaqué, der ältere Sohn des erpressten Unternehmers.

Silva und Lituma besuchen Mabel erneut und konfrontieren sie mit ihrem Verdacht, dass Miguel seinen Vater zu erpressen versuche und sie ihm dabei helfe, unter anderem durch die Vortäuschung einer Entführung. Mabel gibt zu, Miguels Geliebte zu sein, beteuert aber zugleich, sie habe anfangs nicht geahnt, dass er Felícitos Sohn ist. Als sie die Affäre beenden wollte, drohte Miguel ihr, alles seinem Vater zu berichten. Damit hatte er sie in der Hand. Nach diesem Geständnis überredet der Hauptmann sie, gegen Miguel auszusagen und stellt ihr eine Haftverschonung in Aussicht. Das habe er bereits mit dem Staatsanwalt Dr. Hernando Símula abgesprochen, sagt er.

Kurz darauf erfährt Felícito von Silva und Lituma, dass er von seinem inzwischen inhaftierter Sohn Miguel und seiner Geliebten Mabel erpresst wurde.

Über seinen Verdacht, dass Miguel nicht sein leiblicher Sohn sei, hat er bisher noch nie mit jemandem gesprochen. Aber nun stellt er Gertrudis zur Rede. Sie gesteht, damals in der Pension El Algarrobo mit einer ganzen Reihe von Männern geschlafen zu haben. Ihre Mutter habe es von ihrer erwartet und von den Freiern Geld kassiert. Als Gertrudis merkte, dass sie schwanger war, wollte sie abtreiben, aber die Mutter verlangte von ihr, Felícito die Vaterschaft einzureden und ihn zur Eheschließung zu drängen. Gertrudis hielt es für möglich, dass er das Kind gezeugt hatte. Erst als sie dann das weiße und blauäugige Kind sah, begriff sie, dass Felícito nicht der Vater war. Gertrudis weiß längst, dass ihr Ehemann eine Geliebte hat. Aber sie beschwerte sich nicht darüber, denn sie ist überzeugt, für ihre früheren Taten büßen zu müssen.

– – –

Don Rigoberto, der Generaldirektor einer Versicherungsgesellschaft in Lima, geht im Alter von 62 Jahren in den Ruhestand. Eigentlich interessiert der Jurist sich schon immer mehr für Kunst als für Geschäfte, und nun will er sich endlich mehr Zeit dafür nehmen. Als Erstes bucht er für sich, seine Ehefrau Lucrecia und den 15-jährigen Sohn Alfonso („Foncho“, „Fonchito“) einen Flug nach Europa.

Lucrecia ist Fonchitos Stiefmutter; seine Mutter, Rigobertos erste Ehefrau Eloísa, starb vor längerer Zeit. Rigoberto und Lucrecia machen sich Sorgen, weil Fonchito immer wieder von Begegnungen mit einem älteren Mann namens Edilberto Torres erzählt. Zuerst befürchten sie, dass es sich um einen Päderasten handelt, aber als sich herausstellt, dass Stups Pezzuolo den Eindruck hat, sein Schulfreund Fonchito führe Selbstgespräche, vermuten die Eltern, der Fremde existiere nur in Fonchitos Einbildung – oder es handele sich um eine Erscheinung des Teufels. Obwohl Rigoberto Agnostiker ist, arrangiert er ein Gespräch des befreundeten Paters Pepín O’Donovan mit seinem Sohn. Außerdem ziehen Rigoberto und Lucrecia die Kinderpsychologin Dr. Augusta Delmira Céspedes zu Rate. Der Geistliche hält es für möglich, dass Fonchito überirdische Wesen wahrnimmt oder selbst eines ist; die Psychologin kommt zu dem Schluss, dass Fonchito psychisch gesund sei und sich die Begegnungen mit Edilberto Torres nicht eingebildet habe.

Als Rigoberto von Ismael Carrera, dem 81-jährigen Inhaber der Versicherungsgesellschaft, gebeten wird, als Trauzeuge bei dessen geplanter Eheschließung zu fungieren, fällt er aus allen Wolken, zumal sich herausstellt, dass der Witwer seine 38 jüngere dunkelhäutige Haushälterin Armida zu heiraten beabsichtigt. Rigoberto befürchtet nicht nur ein Skandal, sondern rechnet auch damit, dass die etwa 40 Jahre alten Zwillinge Miki und Schlaks, die Söhne Ismaels und der verstorbenen Clotilde, die Ehe anfechten werden. Ismael ist sich dessen bewusst, erklärt jedoch seinem langjährigen Freund und Mitarbeiter, er habe mitbekommen, dass die Zwillinge sich seinen Tod wünschten, als er vor einigen Monaten nach einem Herzinfarkt im Krankenhaus lag. Daraufhin habe er beschlossen, Armida einen Heiratsantrag zu machen, zum einen, um seine letzten Tage noch zu genießen, aber auch, um die Erbschaft der missratenen Zwillinge zu minimieren.

Miki und Schlaks hatten schon als Jugendliche für Ärger gesorgt. Sie konsumierten Drogen, fielen durch Betrügereien auf und nahmen im Namen ihres Vaters Schulden auf. Don Rigoberto brachte die Eltern des von den Zwillingen in Pueusana vergewaltigten Mädchens Floralisa Roca im Auftrag seines Freundes mit 50 000 Dollar dazu, dass sie keine gerichtlichen Schritte unternahmen.

Nach einem Gespräch mit ihrer Haushälterin Justiniana, die mit Armida befreundet ist, glaubt Lucrecia, dass Ismael Carrera von der jungen Frau aus Berechnung verführt wurde. Äußerungen Justinianas lassen auf lesbische Neigungen Armidas und Justinianas schließen.

Ismael und Armida heiraten wie geplant. Rigoberto und Narciso, der afroamerikanische Chauffeur des Unternehmers, unterzeichnen die Urkunde als Trauzeugen. Nach der staatlichen und der kirchlichen Zeremonie fliegt das frisch getraute Paar sofort nach Europa in die Flitterwochen.

Als die Zwillinge von der Eheschließung ihres Vaters erfahren, suchen sie Don Rigoberto auf. Zunächst bemühen sie sich, höflich zu sein. Sie wollen die Ehe gerichtlich annullieren lassen und erwarten von Rigoberto, dass er aussagt, sein geistig verwirrter Chef habe ihn gezwungen, als Trauzeuge aufzutreten. Als Miki und Schlaks begreifen, dass Rigoberto treu zu seinem Freund hält, drohen sie ihm unter anderem mit einer Blockierung der Rentenzahlung.

Narciso erhält zunächst für eine entsprechende Aussage gegen seinen Chef Geld angeboten. Aber als er sich nicht darauf einlässt, zeigen die Zwillinge ihn wegen der angeblichen Entführung ihres Vaters an, und der eingeschüchterte Chauffeur versteckt sich bei Verwandten in Chincha.

Die Zwillinge sorgen dafür, dass Rigoberto keine Rente ausbezahlt bekommt, sich wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten in der Firma verantworten muss und wegen der von ihnen behaupteten Entführung ihres Vaters mehrmals von der Polizei vernommen und vor einen Untersuchungsrichter zitiert wird. Ismaels Rechtsanwalt Dr. Claudio Arnillas versichert ihm, sein Mandant werde sich nach der Rückkehr aus Europa unverzüglich medizinisch und psychologisch untersuchen lassen und auf diese Weise die Behauptung entkräften, er sei nicht mehr im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte. Dann würden auch die Schwierigkeiten für Don Rigoberto und Narciso aufhören.

Als Ismael nach über einem Monat aus Europa zurückkehrt, lädt er seinen Freund sofort in seine Villa in San Isidro ein. Rigoberto ist überrascht, als er Armida wiedersieht, denn die unscheinbare Haushälterin hat sich zur eleganten Dame mit tadellosen Manieren entwickelt. Ismael vertraut Rigoberto an, dass er das von seinem Vater Alejandro Carrera gegründete Versicherungsunternehmen in Italien an die Assicurazioni Generali verkauft habe, damit es nicht in die Hände der Zwillinge fällt. Gleich am nächsten Tag werde er alles regeln und die Winkelzüge seiner Söhne beenden, verspricht er.

Am Abend ruft Armida an: Ismael ist tot zusammengebrochen.

Zur Trauerfeier erscheint die Alleinerbin Armida mit vier Leibwächtern.

In einer Pause während der Testamentseröffnung beim Notar verschwindet sie. Rechtsanwalt Arnillas glaubt nicht, dass Armida von den Zwillingen entführt wurde, denn es zeichnete sich eine Übereinkunft zwischen den Parteien ab, und ohne ihre Stiefmutter hätten Miki und Schlaks keine Chance, an Geld zu kommen, denn Ismael hat alles offshore angelegt.

Narciso gesteht Rigoberto schließlich, er habe Armida auf ihren Wunsch hin heimlich zum Busbahnhof gefahren.

Justiniana vermutet, dass Armida zu ihrer Schwester nach Piura gereist sein könnte.

– – –

Tatsächlich sucht Armida Zuflucht bei Gertrudis.

Die beiden Schwestern kennen ihren Vater bzw. ihre Väter nicht, aber Doña Luzmila war jedenfalls ihre Mutter. Während Armida im Alter von 15 Jahren weglief und sich von da an in Lima durchschlug, blieb Gertrudis bei der Mutter und half in der Pension, bis Felícito Yanaqué sie heiratete.

Don Rigoberto kommt mit Lucrecia und Fonchito ebenfalls nach Piuru. Felícito lässt ein Hotelzimmer für die Familie reservieren. In seinem Haus sehen sie Armida wieder.

Tiburcio Yanaqué fährt Armida nach acht Tagen zurück nach Lima. Nachdem sie dort ihre Erbschaftsangelegenheit geregelt hat, zieht sie als reiche Witwe nach Rom.

Felícito lässt sich von Sergeant Lituma ins Gefängnis begleiten. Dort erklärt er Miguel, dass er definitiv nicht sein Vater sei und nicht einmal seine Mutter wisse, wer ihn gezeugt habe. Er wirft dem Häftling eine Mappe mit Dokumenten hin, die sein Rechtsanwalt Dr. Hildebrando Castro Pozo ausfertigte. Durch die Unterzeichnung würde sich Miguel verpflichten, den Nachnamen Yanaqué abzulegen und sich nach einer Freilassung aus Piura fernzuhalten. Der Anwalt werde die Mappe am nächsten Tag abholen, erklärt Felícito. Falls Miguel unterschrieben habe, werde er die Anzeigen gegen ihn zurückziehen.

Danach sucht Felícito Mabel auf und stellt klar, dass er die Miete für das Haus nicht länger bezahlen und für ihr Bankkonto nicht mehr bürgen werde.

Nachdem die polizeilichen Ermittlungen gegen ihn eingestellt wurden, kann Don Rigoberto endlich mit Lucrecia und Fonchito nach Europa reisen. Sie werden auch Armida in Rom besuchen. Im Flughafen treffen sie Felícito und Gertrudis, die ebenfalls nach Madrid unterwegs sind und stolz erzählen, dass Armida sie nach Rom eingeladen und die Reisekosten übernommen habe.

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Der Roman „Ein diskreter Held“ von Mario Vargas Llosa dreht sich um zwei ältere Männer, die an ihren Werten und Prinzipien festhalten, obwohl sie dadurch in große Schwierigkeiten geraten. Indem sie der Erpressung und Racheakten trotzen, bewahren sie ihre Würde und Integrität.

Eigentlich erzählt Mario Vargas Llosa in „Ein diskreter Held“ zwei Geschichten: eine handelt von dem Fuhrunternehmer Felícito Yanaqué, die andere von Don Rigoberto. Eine Verbindung zwischen beiden Plots wird zwar bereits auf Seite 50 kurz angedeutet (Gertrudis hat eine Schwester in Lima), aber zusammengeführt werden sie erst im letzten Viertel des Buches. Bis dahin entwickelt Mario Vargas Llosa die beiden Handlungsstränge parallel und wechselt gleichmäßig hin und her: ein Kapitel über Felícito Yanaqué, das nächste über Don Rigoberto und so weiter.

Formal interessant sind die abrupten Wechsel zwischen zwei Ebenen innerhalb der Kapitel, die wie harte Schnitte im Kino wirken. Beispielsweise ordnet Mario Vargas Llosa ein Gespräch Fonchitos mit seinem Vater und eines zwischen Fonchito und Edilberto Torres wie in einer Parallelmontage in einem Film an:

Fonchito nahm seine Schultasche vom Boden auf und ging auf die Tür zu. Doch bevor er sie öffnete, drehte er sich, als wäre ihm noch etwas eingefallen, zu seinem Vater um.
„Du hast eine so schlechte Meinung von ihm, Papa, und der Herr Torres hat eine so gute von dir.“
„Warum sagst du das, Fonchito?“
„Weil ich zu wissen glaube, dass dein Vater Probleme mit der Polizei hat, mit der Justiz, nun ja, du weißt, was ich meine“, sagte Edilberto Torres zum Abschied, als er dem Fahrer schon angezeigt hatte, beim nächsten Halt auszusteigen. „Für mich steht fest, dass Rigoberto ein untadeliger Mensch ist, und ich bin sicher, dass das alles sehr ungerecht ist. Wenn ich etwas für ihn tun kann, helfe ich ihm liebend gerne. Richte ihm das bitte aus, Fonchito.“
Rigoberto wusste nicht, was er antworten sollte. Er betrachtete stumm den Jungen, der dastand, ihn ruhig anschaute, auf seine Reaktion wartete.

Wirklich überzeugend sind diese Parallelmontagen nicht.

Eine Kräuter verkaufende Ladenbesitzerin, die mitunter ahnt, was in der Zukunft geschehen wird und ein 15-jähriger Schüler, dem ein Geistlicher übersinnliche Fähigkeiten unterstellt, weil er immer wieder einem Herrn begegnet, den außer ihm niemand wahrnimmt: Mario Vargas Llosa hat „Ein diskreter Held“ unnötigerweise mit esoterischen Elementen angereichert.

Der peruanische Nobelpreisträger erzählt elegant und humorvoll. Aber „Ein diskreter Held“ ist zu lang geraten. Es wäre besser gewesen, aus den beiden Plots zwei Bücher zu machen, zumal die Verknüpfung der beiden Handlungsstränge aufgesetzt wirkt.

Don Rigoberto, Lucrecia und Fonchito sind wir bereits in den Romanen „Lob der Stiefmutter“ (1988) und „Die geheimen Aufzeichnungen des Don Rigoberto“ (1997) von Mario Vargas Llosa begegnet.

Den Roman „Ein diskreter Held“ von Mario Vargas Llosa gibt es auch in einer gekürzten Version als Hörbuch, gelesen von Gert Heidenreich (Lesefassung: Anke Albrecht, Regie: Alexander May, Hamburg 2013, 10 Std, ISBN 978-3-8445-1303-5).

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2013
Textauszüge: © Suhrkamp Verlag

Mario Vargas Llosa (Kurzbiografie)

Mario Vargas Llosa: Tante Julia und der Schreibkünstler
Mario Vargas Llosa: Wer hat Palomino Molero umgebracht?
Mario Vargas Llosa: Lob der Stiefmutter
Mario Vargas Llosa: Die geheimen Aufzeichnungen des Don Rigoberto
Mario Vargas Llosa: Das Fest des Ziegenbocks
Mario Vargas Llosa: Das Paradies ist anderswo
Mario Vargas Llosa: Das böse Mädchen
Mario Vargas Llosa: Die Enthüllung
Mario Vargas Llosa: Harte Jahre

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