Ernst Weiß : Der Augenzeuge

Der Augenzeuge
Manuskript: 1938 Titel der Erstausgabe: Ich - Der Augenzeuge Kreisselmeier Verlag, Icking / München 1963 Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M 2000 ISBN 978-3-518-39622-3, 296 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Ernst Weiß schildert das Heranreifen eines Jungen und die Entwicklung eines Arztes, der seine Bestimmung nach einem langen Irrweg außerhalb seines Berufes im Engagement für eine seiner Meinung nach gerechte Sache sucht.
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Kritik

Originell an dem ergreifenden, unsentimentalen Roman "Der Augenzeuge" ist vor allem, dass der Erzähler aus Hybris Adolf Hitler 1918 im Lazarett von seiner neurotischen Erblindung gerettet haben will. Nach der Machtergreifung versucht man im KZ aus ihm herauszuprügeln, wo er die Akten und Aufzeichnungen von damals versteckt hat.
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Der Erzähler ist der Sohn eines Königlich Bayrischen Oberingenieurs. Unweit seiner Schule ist das dritte schwere Reiterregiment kaserniert. Bisweilen wird der Schüler von einem Soldaten angesprochen, der ein Kommissbrot verkaufen oder gegen Tabak tauschen möchte, aber er hat weder Geld noch Tabak. Eines Tages bekommt er ein Stück Brot geschenkt. Statt es zu essen, verwendet er es für eine Mutprobe, schleicht sich in die Kaserne und hält einem von drei Gäulen einen Brocken hin. In seiner Aufregung lässt er zu früh los, das Brot fällt auf den Boden, und er bückt sich danach. Während er unter die Pferde kriecht, trifft ihn ein Huf auf den Schulranzen, und er verliert das Bewusstsein.

Ein Soldat bringt ihn mit gebrochenen Rippen nach Hause. Der Arzt – ein Dr. Kaiser – injiziert ihm Morphium gegen die Schmerzen. Da verspürt er ein seltsames Gefühl der Erleichterung. Aufgrund dieser „Wunderkur“ möchte er später auch Arzt werden.

Außer dem Hausarzt Kaiser gibt es am Ort noch einen zweiten Arzt mit dem gleichen Namen. Der Königlich Bayrische Geheimrat leitet das Nerven- und Irrensanatorium und bewohnt mit wechselnden Ehefrauen und drei Söhnen eine prächtige Villa. Hinter vorgehaltener Hand nennen die Leute den einen „Judenkaiser“ und den anderen „Narrenkaiser“. Bei dem jüdischen Landarzt handelt es sich übrigens um einen Witwer, der mit seiner bildschönen Tochter Viktoria allein lebt.

Während die streng katholische Mutter des Erzählers ihr Lungenleiden in einem Sanatorium auszukurieren versucht, ertappt er bei einem Spaziergang im Park seinen Vater mit der früheren Dienstmagd Vroni, die einen Kinderwagen mit Zwillingen schiebt. Als die Mutter durch andere von dem Verhältnis erfährt, verteidigt sich ihr Mann, der „Judenkaiser“ habe ihm geraten, eine gesunde Familie zu gründen, und nach einiger Zeit versöhnen sich die Eltern des Erzählers.

Aber sie verlieren ihren gesamten Besitz, weil sich nach dem Einsturz einer neu gebauten Brücke herausstellt, dass der verantwortliche Ingenieur – der Vater des Erzählers – Schmiergelder von Lieferfirmen annahm und minderwertiges Material verwendete.

Für das Medizinstudium erhält der Erzähler von einem Onkel jeden Monat 100 Mark. Davon tritt er 75 seinen Eltern ab und weitere 20 überlässt er Vroni für seine Halbgeschwister. Weil die verbleibenden 5 Mark nicht zum Leben reichen, arbeitet er an sechs Tagen in der Woche als Tellerwäscher in der Küche des Hotels „Prinzregent von Bayern“. Aber woher soll er die 110 Mark Studiengebühr nehmen? Durch seinen Freund Helmut hat er dessen Vater, den „Narrenkaiser“, kennen gelernt. In seiner Not bittet er den Geheimrat um das Geld. Der gibt ihm 120 Mark, verlangt aber, dass er seine Schuld durch die stenografische Aufnahme von Diktaten abarbeitet.

Katinka, die Lebensgefährtin des „Narrenkaisers“, geht mit Oswald Schwarz fort, einem alternden Schauspieler, den Helmut Kaiser als homosexuellen Freund ins Haus brachte. Die Landarzt-Tochter Viktoria heiratet den sozialistischen Abgeordneten und Arbeiterführer Leon Lazarus. Angelika, die Hausdame des „Narrenkaisers“, wird die Geliebte des Erzählers – bis sie sich mit ihrem geschiedenen Mann versöhnt.

Am Ersten Weltkrieg nimmt der Erzähler als Feldarzt teil. Nach der Genesung von einem Lungenschuss wird er in ein Reservelazarett für psychisch gestörte Soldaten versetzt. Unter den Patienten ist A. H., ein Österreicher aus Braunau, der als Gefreiter im bayrischen Regiment List gedient hat und behauptet, während eines Patrouillengangs durch das Gas einer britischen Gelbkreuzgranate erblindet zu sein. H. bekommt weder Besuche noch Pakete. Er kann nachts nicht schlafen, versammelt andere Patienten um sein Feldbett und hält stundenlange Reden. „Dor Judt“ sei an allem Elend schuld, behauptet er penetrant. Der Erzähler wundert sich:

Ich habe nie begriffen, dass ein Mensch so von sich hypnotisiert sein kann, dass er nie lernt, nie zweifelt, nie zulernt. Aber H. war einer von diesen.

Was soll aus diesem Mann nach dem Krieg werden? Er hatte Künstler werden wollen, war aber von der Akademie in Wien abgewiesen worden.

Wer nahm ihn auf? Nicht die Blindenanstalt, nicht die Heimatgemeinde, nicht einmal eine Irrenanstalt. Er hatte keine Familie, seine Heimat war die Kaserne.

Vermutlich handelt es sich bei der Erblindung um eine neurotische Störung, zu erklären durch die Weigerung des Patienten, die Niederlage des Deutschen Reiches zu sehen. Der Erzähler hält ihn für einen gigantischen Lügner, „für den es keine absolute Wahrheit gab, sondern nur die Wahrheit seiner Fantasie, seines Strebens, seiner Triebe“, aber er überlegt, wie er ihm helfen kann.

Ich konnte versuchen, durch eine ingeniöse Verkuppelung seiner zwei Leiden [Blindheit, Schlaflosigkeit] mit seinem Geltungstrieb, seinem Gottähnlichkeitstrieb, seiner Überenergie einen Weg zu finden, ihn von seinen Symptomen zu befreien. Dass ich ihn damit nicht von seiner Grundkrankheit heilen konnte, gestand ich mir nicht ein. Da war ich blind. Ich wollte es nicht sehen, weil mich eine Art Leidenschaft ergriffen hatte. Auch ich wollte wirken, ich musste handeln. Ich wollte herrschen, und jede Tat ist mehr oder weniger ein Herrschen, ein Verändern, ein Sich-über-das-Schicksal-aktiv-Erheben.

Der Arzt lässt A. H. durch einen Unteroffizier mitteilen, er interessiere sich für seinen außergewöhnlichen Fall und traue sich zu, ihn innerhalb einer Stunde zu heilen. Er werde ihn rufen, sobald er Zeit dafür habe. Dann lässt er ihn warten, bis er von selbst kommt. Der Erzähler untersucht zunächst H.s Augen. Obwohl er keine Erkrankung feststellen kann, bestätigt er die Verätzung durch das Giftgas. Diese Blindheit, sagt er dann, sei verhängnisvoll, denn er könne Menschen durch Hypnose von ihrer Schlaflosigkeit heilen, aber die Hypnose funktioniere nur bei Patienten, die sich auf ein glänzendes Objekt konzentrieren können. Bei Blinden sei das Verfahren nicht anwendbar. Heimlich probiert er aus, wie er A. H. allein durch Willensanstrengung dazu bringen kann, die Hände zu falten oder am Eisernen Kreuz zu nesteln. Es funktioniert! Im geeigneten Augenblick behauptet er, es gebe für Durchschnittsmenschen keine Wunder – er selbst könne auch keine Wunder vollbringen –, aber alle tausend Jahre verfüge ein Mensch über die Kraft, Wunder zu wirken. Möglicherweise sei H. so ein Mensch, der durch eine außergewöhnliche Willensanspannung Mauern sprengen kann, in diesem Fall die dicke weiße Schicht auf der Hornhaut seiner Augen.

„Ihnen ist alles möglich! Gott hilft Ihnen, wenn Sie sich selbst helfen!“

Alles geschah, wie ich es wollte. Ich hatte das Schicksal, den Gott gespielt und einem Blinden das Augenlicht und den Schlaf wiedergegeben.

Nach dem Krieg nimmt sich der Erzähler ein Zimmer in dem Hotel, in dem er als Tellerwäscher gearbeitet hatte, und er mietet eine Wohnung auf dem Land, wo er sich als Hausarzt niederlässt. Sein Vater hat ein Verhältnis mit Heidi, einer blonden evangelischen Lehrerin aus Pommern, die er nach dem Tod seiner Frau heiratet. Vroni, die sich immer noch Hoffnungen machte, ist darüber aufgebracht und wird bald darauf die Ehefrau eines kleinen Zigarettenfabrikanten vorgerückten Alters.

Helmut Kaisers neuer Freund R., „ein abgrundhässlicher, der Männerliebe ergebener, noch junger und ungebrochener, skrupelloser, brutaler Mann von gewaltiger Willensstärke und ungewöhnlich klarer Einsicht in die Dinge“, verhehlt nicht seinen Hass auf die Weimarer Republik. Der Erzähler macht R. und Helmut eines Tages auf A. H. aufmerksam, der offenbar über unheimliche Kräfte verfügt, und berichtet über seine Beobachtungen 1918 im Lazarett.

A. H. wurde nach dem Krieg von der Reichswehr in Bayern zum Agitator ausgebildet und sollte dem sozialistischen und republikanischen Gift durch Reden entgegenwirken. Eines Tages ergriff er in einer Diskussion das Wort und redete sich in kompromisslose Wut.

Auf dem Grunde seiner Hassgesänge und seiner Tugendgewitter lag oft etwas wie Verzweiflung. Sein Hassen war eine Quelle ungeheurer Kraft. Keine Rücksicht, keine Milde und Vernunft, keine Liebe hat ihn gehemmt.

Der Erzähler besucht eine H.-Rede.

Er sprach, ich unterlag. Er redete uns nieder, Kluge und Törichte, Mann und Frau, alt und jung. Er ließ es nicht enden, viertelstundenlang, halbe Stunden lang, drei, vier Stunden lang das gleiche, nie etwas anderes, ewig im Kreise, er bohrte, bis er ins Tiefste gedrungen war. Nicht siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal wiederholte er es, und doch war es ihm nie genug!

Bei der nächsten Massenversammlung sitzt der Erzähler in der ersten Reihe, unterliegt nicht mehr der Faszination H.s, stellt aber zugleich fest, dass er ihn nicht mehr durch seinen Willen hypnotisch beeinflussen kann.

Nun hatte ich keine Macht mehr über den Mann auf der Tribüne. Ich musste mich glücklich schätzen, wenn er keine hatte über mich.

Weil Oswald Schwarz immer wieder seiner homosexuellen Neigung nachgibt, trennt sich Katinka von ihm und kehrt zum „Narrenkaiser“ zurück. Aber sie ist nicht mehr unbeschwert und lebenslustig, sondern abgestumpft und illusionslos. Kaiser zieht mit ihr nach Italien.

1924 erkrankt der „Judenkaiser“ und stirbt. Viktorias Mann ist im Krieg gefallen. Der Erzähler, der sich inzwischen zum zweiten Mal von Angelika getrennt hat, kommt ihr jetzt näher. Sie werden ein Paar. Bald gehören der Sohn Robert („Bobby“) und die Tochter Lise zur Familie.

Eines Tages sucht Helmut Kaiser seinen früheren Freund auf. Er solle die Akten und Aufzeichnungen über H. herausgeben, man müsse sie vernichten. Der Erzähler weigert sich und versteckt die aus dem Lazarett mitgebrachten Unterlagen. Viktoria beschwört ihn, den Familienpass zu erneuern und einen Teil der Ersparnisse in die Schweiz zu transferieren. Als Jüdin fühlt sie sich bedroht, und ihr Mann ist wegen seiner Mitgliedschaft in der Demokratischen Partei und der Deutschen Friedensgesellschaft gefährdet.

Im Sommer 1933 warnt ihn sein Vater vor einer bevorstehenden Hausdurchsuchung. Dass er bisher nicht behelligt wurde, verdanke er vor allem Helmut. Der Vater rät ihm, sich in die Schweiz abzusetzen. Zur Tarnung fährt der Erzähler angeblich zur Erholung in die Schweiz. Veronica soll ein paar Tage später nachkommen.

Auf dem Weg holt er die Dokumente über A. H., schmuggelt sie über die Grenze und deponiert sie in einem Safe der Eidgenössischen Zentralbank in Basel.

Ein Telegramm ruft ihn nach Deutschland zurück.

deine frau steuerhinterziehung provisorisch in haft stop steuerbelege nirgends aufzufinden – stop kehre zurück, keinerlei gefahr. kinder gesund stop gruss heil H. vater

Er ahnt sofort, dass es sich um eine Falle handelt, denn sein Vater hätte statt „deine Frau“ den Namen genannt. Und was soll das mit der Steuerhinterziehung? Aber er sorgt sich um Viktoria und nimmt sich ein Taxi zum Bahnhof. Während der Fahrt ist ihm, als sähe er sie in einem entgegenkommenden Taxi, aber er lässt den skeptischen Psychiater in sich sprechen, hält es für einen Wunschtraum, ruft zwar vom Bahnhof aus sicherheitshalber im Hotel an, aber als man ihm versichert, niemand habe nach ihm gefragt, reist er zurück. (Dabei war es wirklich seine Frau. Sie hatte noch Blumen besorgt und traf deshalb erst etwas später im Hotel ein.)

Seine Wohnungstür findet er versiegelt vor. Bei seinem Vater wird er von SS verhaftet. Tagelange Verhöre folgen. Im Konzentrationslager peitschen sie ihn mit Ochsenziemern. Schon beim ersten Hieb schreit er tierisch auf.

Es [seine Peiniger] waren Menschen, wie man sie täglich sieht, wie ich deren eine große Zahl als Arzt in S. behandelt hatte. Ich hatte sie nie in ihrem Wesen, ihrer Natur gekannt, mir war das Fürchterliche in ihnen verborgen geblieben. Wäre ihr Führer, ihr Idol, ihr Abgott, der süßlich brutale Götze, eines Tages nicht erschienen, sie wären kleine Beamte, Dreher in einer Fabrik, Fischer, Forstbeamte, Torfstecher, Unteroffiziere geblieben. Ein leibhaftiger Satan hatte sie verwandelt, und vielleicht begriffen sie sich selbst nicht mehr, wenn sie nach all dem zu Frau und Kind und zum Bier zurückkehrten. Bestialisch darf man sie ebensowenig nennen wie einen Geisteskranken.

Einmal sieht er Helmut, der inzwischen ein hoher SS-Offizier geworden ist. Kurz darauf flüstert ihm ein SS-Mann zu, aus Dankbarkeit, weil der Arzt einmal sein Kind gerettet habe, vertraue er ihm an, wann der Strom wegen einer Wartung fünf Minuten lang abgeschaltet wird. Der Erzähler erinnert sich nicht an den Mann. Handelt es sich um eine Finte? Wollen sie ihn dazu verleiten, in den elektrisch geladenen Zaun zu laufen? Er riskiert es. Sobald das Licht ausgeht, arbeitet er sich durch den Stacheldraht der Einzäunung.

Über Österreich gelangt er in die Schweiz. Er wundert sich, woher seine Frau den gemeinsamen Pass und den Safeschlüssel hat. Als erstes will er nach Basel, aber Viktoria behauptet, da sei es wegen der vielen Geheimagenten zu unsicher und bringt ihn nach Bern. Später nimmt er heimlich den Safeschlüssel und fährt nach Basel. Das Bankschließfach ist leer! Viktoria gesteht, dass Helmut sich mit ihr in Verbindung gesetzt hatte und sie ihm die Dokumente für die Gestapo übergab. Der Strom im KZ wurde eigens abgeschaltet, um ihm die Flucht zu ermöglichen. Das war der Deal.

Der Erzähler ist niedergeschlagen: Er ertrug die Folter nur, weil er wusste, dass er etwas gegen H. in der Hand hatte.

Im Frühjahr 1934 siedeln sie nach Paris über. Im Frühsommer werden R. und viele seiner Anhänger umgebracht. Als Vertrauter R.s ist auch Helmut Kaiser gefährdet, aber es gelingt ihm, sich nach Paris in Sicherheit zu bringen.

Als Arzt vermag der Erzähler nicht wieder zu arbeiten, weil er kein Blut mehr sehen kann. Heimlich verdient er ein paar Francs, indem er mittags und abends in einer Emigrantenküche den Abwasch macht. Lise und Robert wollen sich von ihrer jüdischen Mutter nichts sagen lassen. Nach einer heftigen Auseinandersetzung zerrt der Erzähler seinen Sohn ins Nebenzimmer, sperrt ab und zieht sich aus, damit der Junge die noch immer nicht verheilten Striemen sieht. Von da an unterlassen die beiden Kinder den „deutschen Gruß“ und spotten auch nicht mehr über die Franzosen.

Helmut Kaiser, der auch in Frankreich über gute Verbindungen verfügt, verschafft Viktoria eine Stelle: Sie soll in einer schlossartigen Villa bei Versailles den Haushalt führen und darf auch die Kinder mitbringen.

Der Erzähler erinnert sich an seine Begegnung mit A. H. 1918 im Lazarett:

Ich hatte in meiner vermessenen Gottähnlichkeit einen Blinden sehend gemacht, ohne ihm regelmäßig Schlaf, das heißt Frieden der Seele, zu geben. Er schlief nicht, und ebenso wie im Reservelazarett in P. ließ er keinen schlafen. Nur dass er damals ein Mannschaftszimmer in Erregung versetzt hatte, heute hingegen einen ganzen Erdteil.

Nachdem er das Foto eines vier- oder fünfjährigen von einer Fliegerbombe zerfetzten Kindes gesehen hat, beschließt er, sich für den Einsatz bei den internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg zu melden. Er weiß, dass Helmut auf der Seite General Francos kämpft.

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Ernst Weiß (1882 – 1940), der Sohn eines böhmisch-jüdischen Tuchhändlers, studierte ab 1902 Medizin, promovierte 1908 in Wien, arbeitete danach lange Zeit in seinem Beruf und veröffentlichte 1913 seinen ersten Roman („Die Galeere“).

In dem ergreifenden, unsentimentalen Roman „Der Augenzeuge“ schildert Ernst Weiß das Heranreifen eines Jungen und die Entwicklung eines Arztes, der seine Bestimmung nach einem langen Irrweg außerhalb seines Berufes im Engagement für eine seiner Meinung nach gerechte Sache sucht. Einige der Episoden sind außergewöhnlich einprägsam in Szene gesetzt. Originell ist vor allem, dass der Erzähler aus Hybris Adolf Hitler 1918 im Lazarett von seiner neurotischen Erblindung gerettet haben will. Wegen seiner jüdischen Ehefrau, seiner politischen Einstellung, vor allem aber, um das Versteck seiner damaligen Aufzeichnungen über Hitler aus ihm herauszuprügeln, wird er von den Nationalsozialisten im Konzentrationslager gefoltert – bis seine Frau der Gestapo ohne sein Wissen die in einem Schweizer Banksafe liegenden Dokumente übergibt.

In ihrem 1944 veröffentlichten Roman „Transit“ schildert Anna Seghers, wie ein deutscher Flüchtling 1940 in Paris nach dem Schriftsteller Weidel sucht, der sich jedoch beim Einmarsch der deutschen Truppen das Leben genommen hatte. Aus Langeweile liest der Mann in einem von dem Toten hinterlassenen Manuskript. Mit Weidel und dem Manuskript könnte Anna Seghers Ernst Weiß und „Der Augenzeuge“ gemeint haben.

Tatsächlich vergiftete sich Ernst Weiß beim Einmarsch der Deutschen und starb in der folgenden Nacht, am 15. Juni 1940. Sein Roman „Der Augenzeuge“ erschien erst 23 Jahre später, und weil der Titel bereits vergeben war, musste er im letzten Augenblick in „Ich. Der Augenzeuge“ abgeändert werden.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2002/2007
Textauszüge: © Kreisselmeier Verlag

Frederic Vester - Neuland des Denkens
Einfaches Ursache-Wirkung-Denken entspricht nicht den komplexen Zusammenhängen und kybernetischen Wechselwirkungen in der Natur. Für die erforderliche neue Art des Denkens führte Frederic Vester den Begriff "vernetztes Denken" ein.
Neuland des Denkens

 

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.