Ray Bradbury : Fahrenheit 451

Fahrenheit 451
Originalausgabe Fahrenheit 451 Ballantine Books, New York 1953 Fahrenheit 451 Übersetzung: Fritz Güttinger Arche Verlag, Zürich 1955 Neuübersetzung: Peter Torberg Diogenes Verlag, Zürich 2020 ISBN 978-3-257-07140-5, 272 Seiten ISBN 978-3-257-61137-3 (eBook)
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

In einem nordamerikanischen Staat, der seit 2022 zwei Atomkriege anzettelte, konsumieren die Menschen auf wandgroßen Bildschirmen Unterhaltungsprogramme, statt zu lesen oder Gespräche zu führen. Guy Montag, einer der Feuermänner, die Bücher zu verbrennen haben, sobald ein entsprechender Alarm eingeht, fängt nach zehn Jahren an, seinen Beruf in Frage zu stellen ...
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Kritik

"Fahrenheit 451" gehört zu den großen dystopischen Romanen des 20. Jahrhunderts. Ray Bradbury veranschaulicht eine Gesellschaft, in der die Menschen in der Freizeit nur noch Unterhaltungsprogramme konsumieren. Bücher verbrennt man, weil selbstständiges Denken als Ursache nonkonformen Verhaltens verpönt ist.
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Die Gesellschaft

Es soll eine Zeit gegeben haben, in der Feuerwachen dazu da waren, Feuer zu löschen. Inzwischen haben sie jedoch eine ganz andere Aufgabe: Sie werden alarmiert, wenn irgendwo ein Buch entdeckt wird und rücken dann aus, um es zu verbrennen, oft nicht nur das Buch oder die Bücher, sondern das ganze Haus.

In dem nordamerikanischen Staat, der seit 2022 zwei Atomkriege anzettelte und auch gerade wieder Krieg führt, sind Bücher verboten. Man baut auch schon lange keine Veranden mehr, denn die Menschen sollen nicht zusammen sitzen und Gespräche führen. Stattdessen haben sie das Unterhaltungsprogramm im Fernsehen, nicht nur auf kleinen Geräten, sondern wandgroß.

Mildred, die Ehefrau des 30 Jahre alten Feuermanns Guy Montag, wünscht sich eine vierte Videowand im Wohnzimmer, damit sie völlig von ihren Lieblingsschauspielern – der „Familie“ – umgeben ist.

Clarisse

Nach der Schicht begegnet der nach Kerosin riechende Feuermann der 16-jährigen Nachbartochter Clarisse McClellan, die mitten in der Nacht spazieren geht. Sie bedauert es, dass die Menschen mit Düsenautos durch die Gegend rasen oder sich durch Vergnügungsparks treiben lassen, wenn sie nicht gerade auf der „Wohnwand“ das Fernsehprogramm verfolgen.

„Haben Sie schon die zweihundert Fuß breiten Werbetafeln außerhalb der Stadt gesehen? Wussten Sie, dass die Tafeln früher nur zwanzig Fuß breit waren? Doch dann wurden die Autos so schnell, dass sie die Tafeln immer größer machen mussten, damit man überhaupt noch was erkennen kann.“

„Ich schaue selten ›Wohnwand‹, gehe kaum zu Rennen oder in Vergnügungsparks. Ich habe also jede Menge Zeit für verrückte Gedanken.“

Als sie am Nachbarhaus vorbeikommen, wundert sich Guy, weil überall Licht brennt und fragt Clarisse, was da los sei.

„Ach, nur meine Mutter, mein Vater und mein Onkel, die beisammen sitzen und sich unterhalten. Das ist noch seltener, als zu Fuß zu gehen. Mein Onkel – habe ich das schon erwähnt? – ist mal verhaftet worden, weil er spazieren ging. Wir sind schon höchst eigenartig.“
„Aber worüber redet ihr denn?“
Darüber musste sie lachen.

Suizid

Zu Hause stolpert Guy über ein leeres Tablettenröhrchen. Mildred liegt leblos auf dem Bett. Offenbar hat sie alle 30 Schlaftabletten geschluckt. Der Rettungsdienst schickt keinen Arzt, sondern zwei routinierte Sanitäter, die Maschinen mitbringen, um Mildred nicht nur den Magen auszupumpen, sondern auch das Blut zu waschen.

„Hat ja keinen Zweck, den Magen auszuräumen, wenn man das Blut nicht säubert.“

„Solche Fälle haben wir neun oder zehn die Nacht. Vor ein paar Jahren sind das so viele geworden, seitdem gibt’s diese Spezialmaschinen.“

Am nächsten Morgen fühlt Mildred sich verkatert und vermutet deshalb, sie und Guy hätten eine Party gefeiert. Aber sie kann sich an nichts erinnern.

Bei einem Einsatz seines Trupps an diesem Tag stößt Guy Montag auf eine alte Frau, über die eine Anzeige ihrer Nachbarin Mrs. Blake eingegangen ist. Wie vermutet, hat sie Bücher auf dem Dachboden versteckt. Die Männer beginnen, Kerosin zu versprühen, und Guy fordert die Frau auf, das Haus zu verlassen, das niedergebrannt werden muss. Sie weigert sich und reißt am Ende selbst ein Zündholz an. Zum ersten Mal sieht Guy, dass jemand in den Flammen stirbt, statt sich dem System zu beugen.

Krise

Mildreds Verhalten und der Suizid der unbeugsamen Greisin machen Guy Montag krank.

Weil er nicht zur Schicht kommt, schaut Kommandant Beatty nach ihm. Dabei erfährt Guy auch, dass Clarisse tot und ihre Familie fortgezogen ist.

„Als die McClellans noch in Chicago lebten, gab es ein paar Fehlalarme. Wir haben nie auch nur ein Buch gefunden. Der Onkel hatte ein ziemlich durchwachsenes Vorleben; antisozial. Das Mädchen? Das war eine tickende Bombe. Die Familie hatte ihr Unterbewusstsein gefüttert, da bin ich mir aufgrund ihrer Schulakte sicher. Sie wollte nicht wissen, wie man etwas machte, sondern warum. So etwas kann ganz schön unangenehm sein. Wenn man anfängt, nach dem Warum zu fragen, und nicht damit aufhört, dann wird man am Ende ziemlich unglücklich. Das ist bei vielen Dingen so. Es ist besser, dass das Mädchen tot ist.“

„Wenn man nicht will, dass ein Mensch politisch unglücklich wird, dann lässt man ihn nicht zwei Seiten einer Angelegenheit in Betracht ziehen, sondern nur eine. Oder noch besser, gar keine.“

Sobald Kommandant Beatty gegangen ist, öffnet Guy Montag ein Lüftungsgitter der Klimaanlage und zeigt seiner Frau, was er dort versteckt hat: fast zwei Dutzend Bücher. Er hat noch nie eines gelesen, möchte aber mehr darüber herausfinden. Zu diesem Zweck besucht er einen alten Mann, den er vor einem Jahr zufällig im Stadtpark kennenlernte, einen ehemaligen Englisch-Professor namens Faber.

Als Faber merkt, dass sein Besucher dabei ist, sich Gedanken über die Bedeutung von Büchern zu machen und seinen Beruf in Frage zu stellen, zeigt er ihm, was er gebastelt hat: etwas wie die üblichen Radiomuscheln, die man sich in die Ohren steckt, aber in diesem Fall hört man keine Musik, sondern es handelt sich um ein kleines Funksprechgerät. Guy soll es im Ohr tragen, damit Faber hören kann, was in der Feuerwache gesprochen wird und ihm kurze Ratschläge zuflüstern kann.

Kontrollverlust

Mildred begrüßt an diesem Abend zwei Freundinnen, die mit ihr eine Unterhaltungssendung anschauen wollen. Der Ehemann einer der beiden Frauen wurde am Vortag zum Militärdienst einberufen, aber sie macht sich keine Sorgen, denn es heißt, man werde den Krieg innerhalb von 48 Stunden gewinnen.

Statt sich unauffällig zu verhalten, wie Faber ihm über Funk rät, schaltet Guy den Strom für die Videowände ab und liest den verärgerten Frauen das Gedicht „Dover Beach“ von Matthew Arnold vor.

Kurz nachdem er sich zum Dienst zurückgemeldet hat, gibt das Alarmtelefon eine Adresse aus, und Kommandant Beatty macht sich mit der Truppe auf den Weg. Entsetzt stellt Guy Montag fest, dass sie vor seinem eigenen Haus halten. Mildred kommt aus der Tür, steigt in ein Taxi und fährt damit weg, ohne auf ihren Mann zu achten. Guy muss sein eigenes Haus mit dem Flammenwerfer in Brand setzen.

„Wenn Sie damit fertig sind“, sagte Beatty hinter ihm, „sind Sie verhaftet.“

„Hat meine Frau den Alarm ausgelöst?“
Beatty nickte. „Ihre Freundinnen sind ihr zuvorgekommen, aber das habe ich noch durchgehen lassen. So oder so wären Sie fällig gewesen. Wie überaus dumm von Ihnen, einfach so ein Gedicht vorzutragen.“

Beatty schlägt Guy Montag gegen den Kopf. Dabei fällt die Audiokapsel heraus,. Der Kommandant hebt sie auf.

Beatty schaltete die grüne Kugel aus und steckte sie in die Tasche. „Schau an – an der Sache ist mehr, als ich dachte. Ich habe gesehen, wie Sie den Kopf zur Seite legten und lauschten. Erst dachte ich, Sie hätten eine Muschel. Doch als Sie später klüger wurden, da habe ich mich schon gewundert. Wir werden dem nachgehen und Ihrem Freund einen Besuch abstatten.“

Um Faber zu schützen, tötet Guy Montag seinen Vorgesetzten mit dem Flammenwerfer. Gleich darauf fällt ihn der mechanische Spürhund der Feuerwache an, aber auch diesen Tötungsroboter schaltet ein Feuerstoß aus.

Flucht

Guy rennt erst einmal zu Faber. Dann flieht er weiter zum Fluss. Er wirft seine Kleidung ins Wasser und zieht alte Sachen Fabers an, die er mitgenommen hat. Dann lässt er sich in der Strömung treiben.

In den Wäldern weit außerhalb der Stadt trifft er auf ein halbes Dutzend Dissidenten, denen es darauf ankommt, den Inhalt früher gelesener und inzwischen nicht mehr verfügbarer Bücher im Gedächtnis zu bewahren.

Auf einem tragbaren Fernsehgerät sehen sie, wie die Polizei einen nächtlichen Spaziergänger als Sündenbock wählt, ihn für Guy Montag ausgibt und vor laufenden Kameras tötet.

„Die Fahndung ist abgeschlossen, Montag ist tot; ein Staatsverbrechen ist gesühnt.“

Das Ende

Nachdem die Rebellen kurz darauf gesehen haben, wie die Stadt bei einem Luftangriff in Schutt und Asche gelegt wurde, kehren sie um.

„Sie werden uns dort brauchen.“

„Und wenn sie uns fragen, was wir tun, dann könnt ihr antworten: ›Wir erinnern uns.‹“

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„Fahrenheit 451“ ist ein dystopischer Roman von Ray Bradbury (1920 – 2012). Der US-amerikanische Schriftsteller veranschaulicht damit eine Gesellschaft, in der selbstständiges Denken als Ursache asozialen Verhaltens verpönt ist und durch ein pausenloses Unterhaltungs-Angebot verhindert wird. Diese Entwicklung wurde aber nicht durch einen repressiven Staatsapparat durchgesetzt, sondern ergab sich aus der Abkehr der Menschen von Literatur und Theater, die mit einer Zunahme des Konsums von Massenmedien wie dem Fernsehen einherging.

Die Dystopie ist eine Hommage an Literatur und Theater, ein Plädoyer für Freiheit und Selbstbestimmung. Während das Fernsehen zur Konformität beiträgt, assoziiert Ray Bradbury Bücher mit Individualität, Emotionen, kritischem Denken und dem Bewahren von Wissen.

Ebenso wie „Schöne neue Welt“ von Aldous Huxley und „1984“ von George Orwell gilt „Fahrenheit 451“ von Ray Bradbury als eine der großen Dystopien des 20. Jahrhunderts.

Der Titel bezieht sich auf die Temperatur, bei der sich Papier entzündet. Dass Ray Bradbury den Protagonisten Montag nach einem amerikanischen Papierproduzenten und den pensionierten Englisch-Professor Faber nach einem deutschen Bleistifthersteller benannte, ist wohl Zufall.

Ray Bradbury hat den packenden Roman in drei Teile gegliedert: (1) Der heimische Herd und der Salamander, (2) Das Sieb und der Sand; (3) Das helle Feuer.

„Fahrenheit 451“ basiert auf der Novelle „The Fire Man“, die Ray Bradbury 1950 auf einer Münzschreibmaschine in der Bibliothek der University of California in Los Angeles schrieb und im Jahr darauf im Science-Fiction-Magazin „Galaxy“ veröffentlichte. Die Originalausgabe von „Fahrenheit 451“ erschien 1953 im Verlag Ballantine Books in New York. Eine erste Übersetzung ins Deutsche stammt von Fritz Güttinger (1955). Anlässlich des 100. Geburtstags von Ray Bradbury brachte der Diogenes Verlag in Zürich 2020 eine Neuübersetzung von Peter Torberg heraus.

1966 verfilmte François Truffaut den Roman „Fahrenheit 451“ von Ray Bradbury mit Oskar Werner und Julie Christie: „Fahrenheit 451“. Ramin Bahrani drehte 2018 eine Fernsehfassung. Von der literarischen Vorlage inspiriert sind auch die Filme „Equilibrium“ (2002) und „The Book of Eli“ (2010). Außerdem gibt es zwei Hörspiel-Fassungen von „Fahrenheit 451“. Regie führten dabei Günther Sauer (1970) bzw. Holger Rink (1994).

Michael Moore knüpfte mit dem Titel seines Films „Fahrenheit 9/11“ an den Roman an und erklärte dazu: „The temperature where freedom burns“.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2020
Textauszüge: © Diogenes Verlag

François Truffaut: Fahrenheit 451

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon einen Monat, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte. Aus familiären Gründen reduziere ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik.