Elisabeth Florin : Commissario Pavarotti probt die Liebe

Commissario Pavarotti probt die Liebe
Commissario Pavarotti probt die Liebe Originalausgabe Emons Verlag, Köln 2020 ISBN 978-3-7408-0781-8, 366 Seiten ISBN 978-3-96041-638-8 (eBook)
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Obwohl bei Commissario Luciano Pavarotti ein Magenkarzinom im Endstadium diagnostiziert wurde, will er 2019 der Schriftstellerin Lissie von Spiegel helfen, die mehr über ihren 1986 in Meran verschwundenen Vater herausfinden will. Offenbar schrecken sie damit eine länderübergreifende Geheimorganisation auf ...
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Kritik

Die Handlung des spannenden Kriminalromans "Commissario Pavarotti probt die Liebe" spielt 2019 in Südtirol und im Taunus. Sie hängt mit zeitgeschichtlichen Ereignissen zusammen, die Elisabeth Florin im Nachwort erläutert. Dabei geht es nicht zuletzt um die Geheim­organisation "Gladio", deren Existenz erst 1990 aufgedeckt wurde.
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Das Rätsel

Commissario Luciano Pavarotti, der Leiter der Mordkommission der Polizia di Stato in Meran, beginnt Ende 2018 einen längeren Urlaub in Deutschland und kommt zu Beginn des neuen Jahres auch in den Taunus, um zu versuchen, seine Beziehung mit der in Schmitten wohnenden Schriftstellerin Liselotte („Lissie“) von Spiegel zu kitten.

Lissie überredet ihn im Februar 2019, ihr dabei zu helfen, mehr über ihren 1986 in Meran verschwundenen Vater Arno von Spiegel herauszufinden.

Sie war damals 17 Jahre alt. Ihre Eltern hatten sich 1981 getrennt. Die Sommerferien 1986 verbrachte sie mit ihrem damals 42-jährigen Vater in Südtirol. Dabei verliebte sich Lissie in den italienischen Soldaten Ricardo Grisanelli und ließ sich von ihm deflorieren, aber am nächsten Morgen war er fort. (Erst im Zuge der Nachforschungen mehr als 30 Jahre später wird sie erfahren, dass er sie nicht sitzen ließ, sondern bei einem Terroranschlag in der Nacht vom 30./31. August 1986 ums Leben kam.) Am Tag vor der geplanten Abreise, am 31. August 1986, unternahmen Lissie und ihr Vater noch eine Wanderung. Bei der Rückfahrt überfuhr Arno von Spiegel einen Hund und erschlug dann das schwer verletzte Tier vor Lissies Augen mit einem Wagenheber. Am nächsten Morgen meldete sie ihren Vater als vermisst und fuhr anschließend mit dem Zug nach Würzburg zurück, wo sie in einem Internat wohnte.

Während Commissario Pavarottis Abwesenheit hält Ispettore Emmenegger in der Quästur in Meran die Stellung. Ihm steht eine neue, 31 Jahre alte Polizistin zur Seite, die von den Carabinieri zur Polizia di Stato wechselte: Eva Marthaler.

Emmenegger kann seinem Chef zunächst nur mitteilen, dass die Akte über den Vermisstenfall Arno von Spiegel fehlt.

Er besucht den seit langer Zeit pensionierten Carabiniere Vitus Hofer, der 1986 die Ermittlungen leitete. Der berichtet, dass er damals vom Servizio per le Informazioni e la Sicurezza Militare (SISMI) ausgebremst worden sei.

Ein paar Minuten nach dem Besuch des Ispettore klingelt es erneut bei Vitus Hofer – und er wird erschossen.

Sprengstoffanschlag auf Lissie von Spiegel

Commissario Pavarotti leidet unter Magenschmerzen und vertraut Lissie an, dass bei ihm ein Magenkarzinom im Endstadium diagnostiziert wurde. Trotz seiner gesundheitlichen Probleme will er ihr bei den Nachforschungen helfen.

Die beiden suchen den emeritierten Professor Dr. Reinhardt Marx in Königstein auf. Er hatte den Juristen Arno von Spiegel in seiner 1969 gegründeten Kanzlei beschäftigt. 1985 war die Kanzlei Marx Hösemann Wallnau von Offenbach nach Falkenstein gezogen. Im Jahr darauf übernahm Arno von Spiegel die Verteidigung der RAF-Terroristin Sylvia Hanse-Frohde.

Bei einem Sprengstoff-Anschlag auf Lissie von Spiegel bleibt sie zwar aufgrund ihrer schnellen Reaktion unverletzt, aber ihr Haus am Rand von Königstein wird zerstört. Reinhardt Marx bringt sie und Pavarotti daraufhin in seiner Stadtwohnung in Königstein unter.

Weil sich die beiden in Deutschland nicht mehr sicher fühlen, wollen sie nach Meran fahren. Nach der Überquerung des Reschenpasses legen sie auf einem Rastplatz im Vinschgau eine Pause ein. Lissie kommt nicht von der Toilette zurück. Während Pavarotti vergeblich nach ihr sucht, bricht er selbst neben dem Auto zusammen.

Ein Hubschrauber bringt ihn nach Bozen ins Krankenhaus, wo eine Notoperation durchgeführt wird. Als er zu sich kommt, erfährt er, dass er zwar einen lebensgefährlichen Magendurchbruch hatte, die Ärzte jedoch kein Krebsgeschwür bemerkten. Und es stellt sich heraus, dass die Krebsdiagnose auf eine Verwechslung zurückging.

Rocker

Ispettore Emmenegger fand inzwischen Vitus Hofers Leiche und wurde zur Mülldeponie in Lana gerufen, wo der Torso eines Toten lag, den er anhand einer Tätowierung als Addi Berisha identifizierte.

Addi war im Alter von 15 Jahren mit seinen Eltern aus Albanien nach Südtirol gekommen und war zu einem geschickten Taschendieb geworden. Emmenegger hatte für seine Aufnahme in den Meraner Motorradklub Flying Taifl gesorgt.

Vor einiger Zeit deutete Addi im Gespräch mit seinem Freund an, dass er aufgrund einer Parkinson-Erkrankung keine Touristen mehr bestehlen könne, aber eine andere Sache am Laufen habe.

Emmenegger geht davon aus, dass Addi von denselben Leuten ermordet wurde, die Lissie von Spiegel entführten. Obwohl er seit längerer Zeit nicht mehr aktiv bei den Flying Taifl mitmacht, bittet er den Präsidenten Luis Heiliger alias Santiago um Hilfe. Sowohl die Flying Taifl als auch die von Santiagos Konkurrenten Ricky Löwenherz in Bozen gegründete Motorradgang Lionhearts fahren mit ihren Maschinen durchs Vinschgau zum Martelltal, wo Eva Marthaler Lissie von Spiegels Handy geortet hat. Die Biker wollen Addi rächen und zugleich die verschleppte Schriftstellerin retten.

Paradiso

Lissie kennt ihren Entführer. Er fiel ihr bei der Beerdigung ihrer in Meran ermordeten Schriftsteller-Kollegin Anna Santer im August 2018 in Glashütten auf. Da nannte er sich Stephen Morland. Tatsächlich heißt er Gero Winterling und ist ein Onkel von Anna Santer. Er hat Lissie vom Rastplatz im Vinschgau in die Ruine des Hotels Paradiso am oberen Ende des Martelltals gebracht und dort angekettet.

Weil er annimmt, dass ihm Lissie von Spiegel nichts mehr anhaben kann, klärt er sie über die Vorgänge in den Sechziger- und Achtzigerjahren auf, die ihren Vater betrafen.

Die Autonomie für Südtirol war zwar bereits im Pariser Vertrag vom September 1946 verankert, aber die Regierung in Rom hintertrieb die Umsetzung, und in den Sechzigerjahren entstand deshalb eine Opposition mit Gruppierungen, die beispielsweise in der Nacht vom 11./12. Juni 1961 etwa vierzig Strommasten sprengten.

Als der Jurist Arno von Spiegel Ende 1966 für ein einjähriges Praktikum nach Südtirol kam, warb ihn der aus Innsbruck stammende Tiroler Gero Winterling für den „Servizio Informazioni Forze Armate“ (SIFAR) an, und Arno von Spiegel schleuste sich in die Süditroler Aktivistenszene bzw. die rechtsgerichtete Separatistenorganisation „Befreiungsausschuss Südtirol“ (BAS) ein.

Um die von der Bevölkerung unterstützte Bewegung zu diskreditieren, unterwanderten Agenten der ursprünglich im Kalten Krieg gegen eine Invasion des Warschauer Pakts von der CIA und anderen Geheimdiensten gegründeten Organisation „Gladio“ nicht nur den BAS, sondern führten auch False-Flag-Operations durch (strategia della tensione). Beispielsweise verübten Gero Winterling und Arno von Spiegel am 26. Juni 1967 einen Anschlag auf der Porzescharte, bei dem vier italienische Soldaten ums Leben kamen.

Arno von Spiegel wurde daraufhin in Meran verhaftet. Weil man ihm jedoch keine Straftaten nachweisen konnte, kam er bald wieder frei und kehrte schließlich nach Deutschland zurück.

Für den SIFAR war er damit verbrannt. Aber in Deutschland kümmerte sich ein „Gladio“-Agent mit Decknamen „Katze“ um Arno von Spiegel.

In den Achtzigerjahren erlebte Südtirol eine zweite Terrorwelle. Dabei zog „Gladio“ die Fäden und benutzte Gruppierungen wie „Ein Tirol“ als Marionetten. Gero Winterling gehörte zu den Organisatoren eines Bombenanschlags am 30. August 1986 am Hotel Paradiso mit 34 Toten.

Am Tag darauf verabredete er sich mit Arno von Spiegel, der ihn um Hilfe gebeten hatte. Der Deutsche fürchtete um sein Leben und hoffte, sich mit Hilfe seines Freundes beispielsweise nach Amerika absetzen zu können.

Emmeninger steigt mit ein paar Rockern zum 2160 Meter hoch gelegenen Hotel Paradiso hinauf. Dort schießt einer von ihnen Gero Winterling in den Arm, sodass dem Verbrecher die Pistole aus der Hand fällt.


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Die Katze (Spoiler)

Lissie von Spiegel wird befreit. Weil sie inzwischen ahnt, wer das „Gladio“-Mitglied mit Decknamen „Katze“ ist, kehrt sie zurück nach Königstein. Die Haustür des Gesuchten steht einen Spalt offen. Im letzten Augenblick erinnert sich Lissie an die Explosion ihres eigenen Hauses und springt zurück. Reinhardt Marx‘ Villa zerbirst.

Reinhardt Marx alias „Katze“ stellte Arno von Spiegel nach dessen Praktikum in Südtirol in seiner Kanzlei als Rechtsanwalt ein, obwohl der junge Jurist keinen Studienabschluss hatte. Zwei Jahrzehnte lang hielt Arno ihn für einen Wohltäter. Erst 1986 erfuhr er, dass es sich bei seinem Chef um einen Zivilfahnder des Bundesamtes für Verfassungsschutz handelte, denn Marx forderte ihn auf, sich an die inhaftierte RAF-Terroristin Sylvia Hanse-Frohde heranzumachen, ihre Verteidigung zu übernehmen und sie über andere Terroristen auszuhorchen. Arno verliebte sich jedoch in Sylvia Hanse-Frohde und weigerte sich, ihr Vertrauen zu missbrauchen, obwohl Marx ihn an die fehlenden Staatsexamen erinnerte und mit der Aufdeckung drohte.

Weil Arno um sein Leben fürchtete, nutzte er 1986 den Südtirol-Urlaub mit seiner Tochter, um Kontakt mit seinem früheren Führungsoffizier Gero Winterling aufzunehmen. Er ahnte nicht, dass dieser in der Geheimorganisation „Gladio“ der „Katze“ unterstellt war und den Befehl erhielt, ihn zu töten.

Gero Winterling begrub den auf einem Parkplatz erschossenen früheren Freund neben dem Hotel Paradiso im Martelltal.

Epilog

Lissie von Spiegel und Luciano Pavarotti verloben sich. Der Commissario scheidet bei der Polizia di Stato in Meran aus und sorgt dafür, dass Emmeninger sein Nachfolger wird. Er beabsichtigt, in Zukunft als Privatdetektiv ungelöste alte Fälle aufzuklären.

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Der spannende Kriminalroman „Commissario Pavarotti probt die Liebe“ von Elisabeth Florin weist zwei parallele Handlungsstränge auf, die sich in Südtirol und im Taunus entwickeln. Was in der Gegenwart (2018/19) geschieht, wurzelt in der Südtiroler Autonomie-Bewegung in den Sechziger- und der Terrorwelle in den Achtzigerjahren.

Elisabeth Florin hat zwar den Plot um Ispettore Emmenegger, Lissie von Spiegel und Commissario Pavarotti frei erfunden, aber die zeitgeschichtlichen Zusammenhänge sind real. In einem Nachwort erläutert sie diese Bezüge.

Im Mittelpunkt der geheimdienstlichen Aktivitäten steht „Gladio“, eine zu Beginn des Kalten Kriegs vom „Servizio Informazioni Forze Armate“ (SIFAR) und „Servizio per le Informazioni e la Sicurezza Militare“ (SISMI) mit Unterstützung vor allem der CIA und des MI6 gegründeten Stay-Behind-Organisation, deren Agenten dafür ausgebildet wurden, im Fall einer Invasion von Streitkräften des Warschauer Pakts Sabotageakte und Guerilla-Operationen durchzuführen. „Gladio“ soll ab 1964 von einem geheimen NATO-Ausschuss gelenkt worden sein.

Der italienische Untersuchungsrichter Felice Casson deckte die Existenz der Organisation „Gladio“ im Juli 1990 auf, nachdem er bei Ermittlungen über das Bombenattentat 1972 in Peteano im SISMI-Archiv auf entsprechende Hinweise gestoßen war. Am 3. August 1990 bestätigte der damalige Premierminister Giulio Andreotti die „Operation Gladio“ des SISMI und behauptete, es habe 622 Mitglieder und 139 Waffenlager gegeben.

Auch das Hotel Paradiso am oberen Ende des Martelltals ist real. Nach Plänen des Mailänder Architekten Giovanni („Gio“) Ponti wurde es ab 1933 errichtet und 1936 eröffnet. Im Zweiten Weltkrieg blieben die Gäste aus, und nach der italienischen Kapitulation im Jahr 1943 nutzte die SS die Anlage. 1945 wurde das Hotel zwar wiedereröffnet, ging jedoch bereits im Jahr darauf bankrott. Der venezianische Reeder Arnoldo Bennati erwarb das Areal 1952, ohne daraus etwas zu machen. 1966 kaufte die Familie Fuchs – die Eigner der Brauerei Forst – die 2160 Meter hoch gelegene Ruine.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2020

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