Maria Lazar : Leben verboten!

Leben verboten!
Leben verboten! Manuskript: 1932 Englische Übersetzung von Gwenda Davis Wishart & Co, London 1934 Deutschsprachige Erstausgabe Hg. und Nachwort: Johann Sonnleitner DVB Verlag, Wien 2020 ISBN 978-3-903244-03-0, 383 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Der aufgrund der Weltwirtschaftskrise vor der Pleite stehende Berliner Bankier Ernst von Ufermann versäumt 1931 seinen Flug nach Frankfurt am Main. Die Maschine stürzt ab, und weil man ihn für tot hält, kann die Witwe mit dem Geld von der Lebensversicherung die Bank retten. Aber für den Totgeglaubten gilt: Leben verboten! Er taucht unter und gerät mit falscher Identität in rechtsradikale Kreise ...
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Kritik

Man kann "Leben verboten!" als Kriminal-, Zeit- oder Großstadtroman lesen. Maria Lazar porträtiert eine Gesellschaft, die nicht zuletzt aufgrund der Weltwirtschaftskrise jede Moral verloren hat. Trotz des düsteren Inhalts handelt es sich bei dem mit fast 90 Jahren Verspätung veröffentlichten Roman keineswegs um eine deprimierende Lektüre. Dafür sorgt Maria Lazar mit ihrer Erzählkunst.
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Verpasster Abflug in Berlin

Ernst von Ufermann, ein Berliner Bankier Mitte 30, will 1931 nach Frankfurt am Main fliegen, um sein 1863 gegründetes Geldinstitut E. Ufermann & Co aus der durch die Weltwirtschaftskrise verursachten Schieflage zu retten, auch wenn er das für aussichtslos hält. Seine Frau Irmgard schläft noch, als ihm Katinka – eines der beiden Dienstmädchen – sein Frühstück serviert und ihn dann sein Chauffeur Gierke abholt.

Im Flughafen Tempelhof rempelt ihn jemand an, und im nächsten Augenblick merkt Ernst von Ufermann, dass seine Brieftasche mit dem Pass und dem Flugschein gestohlen wurde. Er kann also nicht nach Frankfurt, und die unangenehme Verhandlung bleibt ihm erspart.

In einer Zeitung liest er von Alice und Albert Ebel, einem ihm persönlich bekannten Ehepaar. Der bankrotte Industrielle habe seine Frau und sich erschossen, heißt es.

Ernst von Ufermann hofft, seinen Teilhaber Paul Hennings noch zu Hause telefonisch zu erreichen, erfährt jedoch von dessen Haushälterin, Frau Köhler, dass er auf dem Weg ins Büro ist. Obwohl der Anrufer seinen Namen nicht nennt, glaubt Frau Köhler, ihn an der Stimme zu erkennen. Sie will sich vergewissern, aber er legt auf.

Was soll Ernst von Ufermann nun tun? Er könnte seine Geliebte Lilo besuchen. Sie ist nicht zu Hause, aber er hat einen Schlüssel zu ihrer Wohnung. Das Telefon klingelt. Es ist Lilo. Sie ist aufgeregt, hält ihn für einen Mann namens Harry und berichtet von dem Flugzeugabsturz der Maschine von Berlin nach Frankfurt, in der auch der Bankier von Ufermann gesessen sei. Von den acht Passagieren sollen nur noch verkohlte, nicht mehr identifizierbare Reste vorhanden sein.

Man hält ihn also für tot. Ernst von Ufermann nimmt vier 20-Mark-Scheine, die Lilo unter ein Tintenfläschchen gelegt hat und verlässt das Apartment.

Sein vermeintlicher Tod wird die Bank retten, denn seine Witwe hat aufgrund seiner mit einer US-amerikanischen Versicherung abgeschlossenen Police Anspruch auf die horrende Summe von einer Million Dollar. Allerdings muss Ernst von Ufermann untertauchen, damit Irmgard das Geld erhält.

Weil Ernst von Ufermann nicht weiß, was er unternehmen soll, geht er erst einmal ins Kino. Dort lernt er die Prostituierte Hede kennen, die ihn nach der Vorstellung mit in ihre Wohnung nimmt. Ihr Zuhälter, ein Boxer, schlägt dem ratlosen Besucher vor, anstelle eines ausgefallenen Boten namens Edwin von Schmitz ein Päckchen nach Wien zu bringen. Dafür bekommt er den Pass des anderen Herrn, dem er zufällig ähnlich sieht, eine Fahrkarte und 2000 Schilling auf die Hand. (Später wird er erfahren, dass der echte Edwin von Schmitz von Rechtsradikalen ermordet wurde und es sich bei den Banknoten um Fälschungen handelt.)

Am Abend wendet sich Frau Köhler an den Teilhaber des vermeintlich beim Flugzeugabsturz umgekommenen Bankiers:

− Ich wollt Ihnen nur etwas sagen, Herr Hennings −
[…]
Sie sind zwar ein Atheist, weil das jetzt so Mode ist auf der Welt, aber nun werden auch Sie das Grauen bekommen.
[…]
− Herr Hennings (sie richtet sich auf, Busen nach vorn, Kopf in die Höhe, als wollte sie eben ein Kirchenlied anstimmen), ob Sie es mir nun glauben oder nicht: Herr von Ufermann hat angerufen. […] Heute Morgen um neun oder so was, Sie waren eben ab ins Kontor.
− Unsinn. Flugzeug stieg ja schon vor acht Uhr auf.
− Und Herr von Ufermann hat trotzdem nachher angerufen. […] Vielleicht ist er gerade in der Sekunde abgestürzt. Er war am Apparat, es war seine Stimme. Es gibt eben Dinge zwischen Himmel und Erde −
[…]
− Bleiben Sie mir vom Leibe mit dem Altweibergewäsch.
[…]
Da brüllt er einen an wie alle Tage und dabei hat man doch die Stimme aus dem Jenseits gehört.

Wien

In Wien wird Ernst von Ufermann alias Edwin von Schmitz von vier Studenten erwartet, die offenbar wie die Absender des Päckchens zu einer rechtsradikalen Organisation gehören: Rudi Rameseder, Ferdinand Kaiser und die beiden Söhne eines Professors: Dieter und Lothar Wehrzahl.

Vorgesehen war, dass der Bote am nächsten Morgen zurück nach Berlin fahren würde. Aber Edwin von Schmitz will erst einmal in Wien bleiben, und um zu vermeiden, dass er sich an einer Hotelrezeption einträgt, nimmt ihn Rudi Rameseder mit nach Hause. Der Sohn des Hofrats Rudolf Rameseder gibt ihn als Kommilitonen aus und sorgt dafür, dass seine Mutter dem Reichsdeutschen das freie Kabinett vermietet. Zur Familie gehört auch die 14 oder 15 Jahre Tochter Mutz, die ein Gymnasium besucht. Das Dienstmädchen Monika ist mit Javornik liiert, dem arbeitslosen Neffen der Hausmeisterin Sikora.

Helene Rameseders Schwester Stefanie, die einen Baron geheiratet hat, ist entsetzt über den neuen Untermieter der Verwandten:

− Und dass es noch dazu ein Preuß sein muss. Da hätt ich eher den bulgarischen Sänger genommen, der war doch einigermaßen rekommandiert. Aber da hat es nur geheißen: wir wollen keinen Balkanesen. Als ob ein Preuß nicht viel ärger wär.

Semmering

Nach der Genesung von einer Grippe verbringt Edwin von Schmitz einige Zeit im Kurort Semmering. Dort bestellt ihm Susi Frey, die sich dort mit ihrem Vater aufhält, Grüße ihrer Mitschülerin Mutz Rameseder. Auf diese Weise kommt der Deutsche mit Susis Vater, einem jüdischen Professor, ins Gespräch.

Als Professor Frey den Deutschen mit einem Detektivroman sieht, meint er:

Eine blutrünstige und falsche Welt der Kolportage, fern von jeder Wirklichkeit.

Edwin von Schmitz denkt darüber anders:

Was redet dieser Mann und was erzählt er ihm von einer Wirklichkeit, die es nicht gibt, nicht geben darf und kann. Es ist die Wirklichkeit, die einen Herrn von Ufermann und seine Firma vor einen Abgrund trieb, tief und gefährlich wie unter einem in seinen Flammen aufgehenden Aeroplan, die diesen Herrn von Ufermann in einen Menschen namens Schmitz verwandelt und einer Bande obskurer Burschen ausliefert, wie es sie nur in Detektivromanen gibt, in kitschigen Verbrecherfilmen.

Er stellt sich vor, wie er den Professor ins Vertrauen zieht und ihm erklärt, wieso er als vermeintlich Toter mehr wert ist als zuvor.

Wie hätte er damit beginnen sollen, er, der da wirklich einer kleinen Bande (und vielleicht ist sie nicht einmal so klein) in die Hände gefallen war. Was steckte denn in dem gewissen Päckchen, Herr von Ufermann? Ich weiß es nicht. Sie wissen es nicht? Und haben doch den Auftrag übernommen? Ich musste. Sie mussten? Und wenn es Dynamit gewesen wäre? Ich weiß es nicht. Es geht mich gar nichts an. Es geht Sie gar nichts an? Ich habe mich ja nur benützen lassen. Benützen lassen? Von wem? Ich weiß es nicht. Ich war in einer Zwangslage. In einer Zwangslage? Wie sind sie in eine solche Zwangslage gekommen? Gestehen Sie! Mein ganzes Leben lang habe ich mich immer nur benützen lassen, von meiner Frau, der Firma, der Versicherungsgesellschaft, bis sie mir alle miteinander das Leben verboten haben. Verboten? Sie haben sich das Leben verbieten lassen? Wie hunderttausend, wie Millionen andere. Sie haben zugesehen, wie hunderttausend, wie Millionen andere das Leben sich verbieten lassen? Mein Leben war verwirkt. Verwirkt? Es hatte keinen Wert mehr, nicht einmal einen Preis. Begreifen Sie doch, Herr Professor, mein Leben bedeutete ein Minus auf dem Konto der Existenz, eine ganz ungeheure Schuld in Dollar, in Valuta −

Flucht aus Wien

Als die Wiener Näherin Mary Kaiser in der Zeitung liest, dass in Berlin die Witwe eines bei einem Flugzeugabsturz umgekommenen Bankiers eine Million Dollar von einer Versicherung ausbezahlt bekam, klagt sie über die Ungerechtigkeit, denn ihr Vater, ein ehemaliger Hutmachermeister, hackte sich vor einiger Zeit aus Not einen Finger ab, aber die Unfallversicherung sträubt sich gegen eine Geldleistung.

Und dann wird auch noch ihr Bruder Ferdinand Kaiser verhaftet, und sie kann sich gar nicht vorstellen, was er verbrochen haben soll.

Edwin von Schmitz kehrt nach Wien zurück und bezieht wieder das Kabinett der Familie Rameseder, aber bald darauf packt er erneut seine Koffer, denn das Geld geht ihm aus. Rudi Rameseder hindert ihn allerdings daran, Wien zu verlassen, denn die Verschwörer befürchten, dass er sie verrät, sobald sie ihn nicht mehr unter Kontrolle haben.

Nachdem Edwin von Schmitz eine Nacht mit Monika verbracht hat, verhelfen ihm das Dienstmädchen und ihr Freund 1932 zur Flucht. Javornik tauscht die Kleidung mit ihm, damit Monika ihn unbemerkt zum Bahnhof bringen kann.

Zurück in Berlin

Ernst von Ufermann trägt noch immer die armselige Kleidung des Arbeitslosen, als er in Berlin ankommt und sich zu seiner Villa begibt.

Nichts rührt sich. Er klingelt noch einmal. Die Mädchen müssen jetzt in der Küche sein. Hören sie nicht? Er klingelt noch einmal. Nun aber Sturm.
Wer ist denn das, Katinka? Sieh doch nach. − Ach, ich war ja schon zweimal beim Fenster. Wieder so ein Stempelbruder. Heute der zweite.
− Der muss aber tüchtigen Hunger haben, wenn er so klingelt.

Die Dienstmädchen geben dem vermeintlichen Bettler eine Stulle, und ein Polizist sorgt dafür, dass er verschwindet.

Daraufhin versucht Ernst von Ufermann es bei Paul Hennings, der die konsolidierte Bank inzwischen allein leitet. Dass es dort einen Aufgang nur für Herrschaften gibt, fiel ihm früher nie auf. Vorsichtshalber nimmt er die Hintertreppe. Frau Köhler öffnet ihm, erkennt ihn, will ihn jedoch nicht hereinlassen. Er hört Irmgards Stimme. Die jetzt mit Paul Hennings verheiratete vermeintliche Witwe erschrickt, als sie herauskommt und den Totgeglaubten sieht. Paul Hennings tut so, als erkenne er ihn nicht und halte ihn für einen Hochstapler. In seinem Ärger wirft er Frau Köhler gleich mit hinaus, weil sie ihn mit ihrem Gerede von der Stimme aus dem Jenseits verrückt gemacht hat.

Das hätte er besser nicht getan, denn während er Zeitungsmeldungen über einen Betrüger lanciert, der sich als Ernst von Ufermann ausgibt, rächt sich Frau Krüger, indem sie in einer Zeitungsredaktion behauptet, Paul Hennings und Irmgard von Ufermann seien in einen Versicherungsbetrug verwickelt.

Als später auch Ernst von Ufermann den Chefredakteur der Zeitung aufsucht, die über den angeblichen Versicherungs­skandal berichtete, trifft er dort auch den Amerikaner Mr Bell von der entsprechenden Versicherungsgesellschaft, der hofft, die ausbezahlte Million zurückzubekommen. Herr Lembke, der Chefredakteur, bringt den Besucher, der sich als Ernst von Ufermann ausgibt, mit dem befreundeten Schriftsteller Detlev Herverder zusammen, den Autor des Romans „Triumph der Bestie“, der nun über den Fall ein Buch mit dem Titel „Kaspar Hauser 1932“ schreiben möchte und sich brüstet, die Filmrechte bereits verkauft zu haben. In der Erwartung, mehr von dem Mann zu erfahren, nimmt Detlev Herverder den Gestrandeten mit nach Hause.

Ernst von Ufermann liest in der Zeitung, dass Rudi Rameseder, Dieter und Lothar Wehrzahl nach kurzer Haft in Wien freigelassen wurden und wohl auch Ferdinand Kaiser keine lange Gefängnisstrafe antreten muss, weil die Studenten – so die allgemeine Meinung – von einem rechtsradikalen Reichsdeutschen namens Edwin von Schmitz verführt wurden, der ihnen Falschgeld aus Berlin mitgebracht hatte. Da verbrennt er vorsichtshalber den Pass, den er noch bei sich hat.

Als er erfährt, dass ihn ein von Detlev Herverder hinzugezogener Arzt für verrückt hält, denkt er:

Da erklärt man, was er in Wirklichkeit erlebt, zum Albdruck eines Geisteskranken.

Wien und Budapest

Mr Bell scheint der Einzige zu sein, der ihm glaubt – aber auch das nur in der Hoffnung, die Million für die Versicherung zurückzubekommen. Der Amerikaner fliegt mit ihm und einem deutschen Kommissar nach Wien, um zu überprüfen, ob ihn dort jemand an ihn erinnert.

Die Hausmeisterin Sikora erkennt Edwin von Schmitz. Von der Familie Rameseder ist niemand da. Helene Rameseder hat ihren Sohn Rudi vorsichtshalber nach Ungarn gebracht und befindet sich noch dort, Hofrat Rudolf Rameseder kuriert sich in einem Sanatorium auf dem Land aus, und Mutz nimmt an einem Skiausflug der Schule teil. Monika lebt nicht mehr; das Dienstmädchen starb nach einem Abtreibungsversuch mit Stricknadeln.

Also fährt die kleine Reisegesellschaft weiter nach Budapest.

Auf dem Rückweg wird ein Anschlag auf den Zug verübt. Bei der Sprengung einer Eisenbahnbrücke kommen Ernst von Ufermann und einige andere Fahrgäste ums Leben. Mr Bell und der deutsche Kommissar gehören zu den Verletzten.

Paul Hennings und seine Frau Irmgard atmen auf: Nach dem Attentat besteht kein Zweifel mehr daran, dass Ernst von Ufermann entweder bei dem Flugzeugabsturz oder bei dem Zugunglück gestorben und die Versicherungssumme fällig ist.

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Die von ihrem Mann geschiedene Wiener Schriftstellerin Maria Lazar (1895 – 1948) emigrierte Im Sommer 1933 mit ihrer Tochter nach Dänemark und wohnte zusammen mit Bertolt Brecht und Helene Weigel bei der Schriftstellerin Karin Michaëlis auf Thurø. 1935 zogen Maria und Judith Lazar nach Kopenhagen und vier Jahre später flohen sie vor den Nationalsozialisten nach Schweden. Weil Maria Lazar für ihren 1932 fertiggestellten Roman „Leben verboten!“ keinen deutschsprachigen Verlag fand, erschien 1934 im Londoner Verlag Wishart lediglich eine von Gwenda Davis ins Englische übersetzte, gekürzte und etwas modifizierte Version. Erst im Februar 2020 kamen der Verleger Albert C. Eibl und der Germanist Dr. Johann Sonnleitner über Judith Lazars Großneffen Markus Ch. Oezelt an das Typoskript des Romans „Leben verboten!“. Im Mai 2020 erschien „Leben verboten!“ erstmals in deutscher Sprache im Wiener Verlag Das vergessene Buch (dvb), von Johann Sonnleitner editiert und mit einem rund 60 Seiten langen Anhang.

Man kann „Leben verboten!“ als Kriminal-, Zeit- oder Großstadtroman lesen. Maria Lazar porträtiert eine Gesellschaft in Berlin und Wien, die nicht zuletzt aufgrund der Weltwirtschaftskrise jede Moral verloren hat. Während die Arbeitslosen kaum genug zu essen haben und im Fall einer Schwangerschaft zu Stricknadeln greifen, weil sie sich kein Kind leisten können, verharren die großbürgerlichen Familien in ihrem Standesdünkel. Zugleich nimmt Maria Lazar die Skrupellosigkeit nicht nur von Unternehmern, sondern auch von Journalisten und Literaten aufs Korn.

Die Handlung von „Leben verboten!“ spielt 1931/32 fast ausschließlich in Wien und Berlin. In dieser Zeit sind die Nationalsozialisten schon nicht mehr zu übersehen, aber die Gesellschaft tut die Gewalttaten rechtsradikaler Studenten gegen jüdische Kommilitonen noch als Lausbubenstreiche ab.

Nur wenige der Romanfiguren sind integer: Monika und Javornik, Mutz Rameseder, Professor Frey und seine Töchter.

Vieles in „Leben verboten!“ hat Maria Lazar nicht erfunden, sondern aus der Realität übernommen. So zum Beispiel die von ihr beschriebenen Autofallen und den kannibalistischen Massenmörder Fritz Haarmann. Auch die in „Leben verboten!“ erwähnte Ermordung eines jüdischen Schriftstellers ist nicht aus der Luft gegriffen: Am 10. März 1925 schoss der nationalsozialistische Zahntechniker Otto Rothstock den jüdischen Schriftsteller Hugo Bettauer (1872 – 1925) nieder, und der 52-Jährige erlag am 26. März in einem Wiener Krankenhaus seinen Verletzungen. Das Attentat, bei dem der Protagonist Ernst von Ufermann ums Leben kommt, erinnert an den Anschlag auf den Nachtzug Budapest – Wien am 13. September 1931. Der als Immobilienmakler in Wien tätige Ungar Sylvester Matuschka sprengte eine Eisenbahnbrücke bei Bia-Torbágy. 22 Fahrgäste starben, 14 wurden schwer verletzt.

Trotz des düsteren Inhalts handelt es sich bei „Leben verboten!“ keineswegs um eine deprimierende Lektüre. Dafür sorgen die mitreißende Erzählweise der Autorin und eine unterschwellige Tragikomik. Spannung erzeugt Maria Lazar durch Auslassungen bzw. Leerstellen, die sie erst nach und nach füllt.

Eine Besonderheit, die zum Lesevergnügen maßgeblich beiträgt, ist der rasche Wechsel der Perspektiven. Das wirkt bei Dialogen mitunter wie das filmische Stilelement Schnitt/Gegenschnitt. Maria Lazar springt dabei auch von wörtlicher Rede in innere Monologe, die sie in der dritten Person Singular wiedergibt.

Und wenn man das Fenster öffnet (nur für ein paar Minuten, Sie gestatten doch, oh bitte sehr), so ist es die scharfe geruchlose Luft des Nordens, die einem die Lungen säubert von Rauch und Ruß.

Bis er plötzlich vor einem Eingang stockt, einem strahlend hellen und empfangsbereiten Eingang, man braucht nur durch die Drehtür zu gehen, der Boy dort wartet ja darauf, nur ein paar Schritte, Klubfauteuils in wohliger Wärme […]
Vor dem Eingang des Hotels steht ein Mann. Die Schultern lässt er hängen wie eben einer, der müde ist. Der Boy wird aufmerksam. Was will der Kerl? Was rührt er sich nicht weg? Den darf man ja nicht aus den Augen lassen, heutzutage, man kann nie wissen. Was glotzt er so? Was hat er hier zu suchen?
Ufermann lächelt. Dummer Junge, mach dich doch nicht so wichtig. Ich brauche nur die Halle zu betreten und meine Brieftasche zu ziehen, so dienerst du vor mir und fragst nach meinen Wünschen, du kleine Lakaienseele in Uniform.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2020
Textauszüge: © DVB Verlag

Maria Lazar (kurze Biografie)

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Maria Lazar: Die Eingeborenen von Maria Blut

Leonid Luks - Geschichte Russlands und der Sowjetunion
Den Autor interessieren vor allem die Gründe für den Zusammenbruch des Zarenreichs zu Beginn und die Auflösung der Sowjetunion am Ende dieser Epoche (1991). Er setzt sich aber zum Beispiel auch kritisch mit dem Stalinismus auseinander. Befremdlich ist nur, dass Leonid Luks keine Quellen angibt, noch nicht einmal für Zitate.
Geschichte Russlands und der Sowjetunion