Isabel Allende : Das Geisterhaus

Das Geisterhaus
Originalausgabe: La casa de los espíritus Verlag Plaza & Janés, Barcelona 1982 Das Geisterhaus Übersetzung: Anneliese Botond Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M 1984 ISBN 3-518-04587-3, 443 Seiten Spiegel-Edition, Hamburg 2006/07 ISBN 978-3-87763-021-1, 504 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

In ihrem Roman "Das Geisterhaus" erzählt Isabel Allende die Geschichte einer großbürgerlichen chilenischen Familie über vier Generationen hinweg. Die Familiensaga veranschaulicht die gesellschaftlichen Verhältnisse in Chile und die politischen Ereignisse: Sieg der Volksfront 1969, Militärputsch 1973, Militärdiktatur. Es ist eine Chronik der persönlichen und politischen Gewalt sowie des Kampfes für mehr Gerechtigkeit und eine bessere Gesellschaft.
mehr erfahren

Kritik

Mit Ausnahme der Hauptfigur hat Isabel Allende keine Charaktere, sondern Schablonen geschaffen. Der Roman "Das Geisterhaus" weist weder formale oder sprachliche Qualitäten auf, aber das mit großer Fabulierlust entworfene pittoreske Tableau macht ihn lesenswert.
mehr erfahren

Der Rechtsanwalt, Atheist und Freimaurer Severo del Valle lebt mit seiner als Frauenrechtlerin engagierten Ehefrau Nívea in Santiago de Chile und kandidiert für den Senat.

Trotz der Essigwaschungen und der mit Galle getränkten Schwämme hatte sie [Nívea] fünfzehn Kinder zur Welt gebracht, von denen elf noch am Leben waren, und sie hatte Grund zu der Annahme, dass sie sich allmählich der Reife näherte, denn ihre Tochter Clara, die Jüngste, war zehn Jahre alt.

Clara nimmt sich des halb toten Hundes an, der in der Hinterlassenschaft ihres an der afrikanischen Pest verstorbenen Onkels Marco gefunden wird und nennt ihn Barrabas. Das Mädchen verfügt über seherische Fähigkeiten und sagt einen Todesfall in der Familie voraus.

Rosa, die älteste lebende Tochter von Severo und Nívea, ist mit Esteban Trueba verlobt, einem Mann Mitte zwanzig, der seit zwei Jahren in einer Mine im Norden nach Gold schürft, um zu Geld zu kommen und Rosa heiraten zu können. Gerade als Esteban auf eine Goldader gestoßen ist, erhält er die Nachricht vom Tod seiner Braut. Bei der nächtlichen Obduktion auf dem Küchentisch stellt sich heraus, dass sie an Rattengift starb. Das findet man in einer für ihren Vater abgegebenen Flasche Schnaps, aus der sie getrunken hatte. Nach dem Mordanschlag, der unaufgeklärt bleibt, will Severo del Valle nichts mehr von einer politischen Karriere wissen.

Die zehnjährige Clara, die heimlich aufgestanden war und durch einen Türspalt beobachtete, wie ihre Schwester von der Kehle bis zur Scham aufgeschnitten wurde, fühlt sich schuldig, weil sie befürchtet, mit ihren übersinnlichen Fähigkeiten den Tod ihrer Schwester herbeigeführt zu haben. Sie verstummt. Deshalb muss Severo sie aus der Nonnenschule nehmen, aber er stellt eine Erzieherin für sie ein. Clara spricht zwar nicht mehr, liest jedoch eifrig und schreibt Notizhefte mit tagebuchartigen Aufzeichnungen voll.

Zur Trauerfeier für Rosa kehrt Esteban nach Santiago zurück. In der chilenischen Hauptstadt wird seine auf den Rollstuhl angewiesene verwitwete Mutter Doña Ester Trueba von seiner fünf Jahre älteren unverheirateten Schwester Férula gepflegt.

Sie [Férula] fand Gefallen an Selbsterniedrigung und abstoßenden Arbeiten, und weil sie glaubte, sie würde sich durch das schreckliche Mittel, Ungerechtigkeit zu erdulden, den Himmel verdienen, säuberte sie ihrer Mutter hingebungsvoll die Geschwüre an den kranken Beinen, wusch sie, versenkte sich in ihre Gerüche und ihr Elend, beroch den Nachttopf. Und so wie sie sich selbst hasste wegen dieser perversen, heimlichen Lust, hasste sie ihre Mutter, weil sie ihr als Werkzeug diente […] Ohne dass es offen ausgesprochen wurde, stand zwischen beiden das Faktum, dass die Tochter ihr Leben geopfert hatte, um die Mutter zu pflegen, und nur aus diesem Grund ledig geblieben war.

Nach dem Tod seiner Braut kommt Esteban der Betrieb der Goldmine sinnlos vor. Er überlässt ihn einem Verwalter und zieht auf das elf Kilometer außerhalb des Dorfes San Luca liegende Gut der Familie, Drei Marien, dessen Hintersassen fünfzehn Jahre lang keinen Patron mehr gesehen haben. Mit dem für die Eheschließung gedachten Geld aus der Mine, mehr aber noch mit Tatkraft und Zielstrebigkeit macht Esteban aus dem verwahrlosten Gut einen Musterbetrieb. Rücksichtslos zwingt er die Bauern zum Arbeiten. Sein Jähzorn ist gefürchtet. Als er die junge Pancha García begehrt, reitet er kurzerhand neben sie, beugt sich hinunter, packt sie um die Taille und hebt sie aufs Pferd. Im nächsten Gebüsch vergewaltigt und defloriert er sie. Vom nächsten Tag an bedient sie im Herrenhaus, damit er sie in seiner Nähe hat, aber als sie schwanger wird, wirft er sie hinaus, und sie kehrt in die Hütte ihrer Eltern zurück.

Kein Mädchen schaffte den Übergang von der Pubertät ins Erwachsenenalter, ohne dass sie den Wald, das Flussufer oder das schmiedeiserne Bett zu schmecken bekam. Wenn in den Drei Marien keine Frauen verfügbar waren, verfolgte er die von anderen Hacienden, vergewaltigte sie im Handumdrehen irgendwo im Feld, meistens gegen Abend. Er kümmerte sich nicht einmal darum, dass es im Verborgenen geschah, da er niemanden zu fürchten hatte.

Im Lauf der Zeit zeugt Esteban eine ganze Reihe von unehelichen Kindern. Wenn eine der von ihm geschwängerten Frauen mit ihrem Säugling zu ihm kommt, drückt er ihr ein paar Geldscheine in die Hand und droht, er werde sie auspeitschen, wenn sie weiterhin behauptet, er sei der Vater des Kindes.

Im Bordell Farolito Rojo gibt er seiner Lieblingshure Tránsito Soto Geld, damit sie das Dorf verlassen und in einem Edelbordell der Hauptstadt ihr Glück versuchen kann.

Erst als seine Mutter im Sterben liegt, kehrt Esteban nach zehn Jahren erstmals wieder nach Santiago zurück. Während seiner Abwesenheit überlässt er die Verwaltung des Guts Drei Marien Pedro Segundo García, dem Bruder von Pancha García, der als einer der wenigen Bauernsöhne schreiben und lesen kann.

Clara spricht plötzlich wieder. Der erste Satz, den sie sagt, lautet: „Ich werde bald heiraten.“ Ihre Eltern Severo und Nívea wundern sich. Zwei Monate später taucht Esteban bei ihnen auf und fragt, ob sie noch eine Tochter im heiratsfähigen Alter hätten. Clara ist die einzige. Esteban hält um ihre Hand an, und nach der Trauerzeit verlobt er sich mit ihr. Während der Feier kommt Barrabas angekrochen. In seinem Rücken steckt ein Metzgermesser bis zum Griff. Er verendet in Claras Armen.

Nachdem Esteban in Santiago ein neues Haus gebaut hat, findet die Hochzeit statt. Für die Flitterwochen reist das Paar nach Italien. Férula, die schon befürchtete, keine Aufgabe mehr zu haben, führt ihrem Bruder und ihrer Schwägerin den Haushalt.

Clara, die von klein auf gewohnt war, bedient zu werden, bringt eine Tochter zur Welt, die auf den Namen Blanca getauft wird. Die Familie verbringt die Sommermonate auf dem Gut Drei Marien und den Rest des Jahres im Stadthaus in Santiago de Chile.

Auf dem Land freundet Blanca sich mit dem gleichaltrigen Pedro Tercero García an, dem Sohn des Verwalters.

Als Clara mit Zwillingen schwanger ist, widersetzt sie sich Esteban, der den beiden Jungen die in seiner Familie üblichen Namen geben will. Sie besteht auf den Namen Jaime und Nicolas. Aus Zorn betrinkt Esteban sich und geht ins Bordell Cristóbal Colón, wo er Tránsito Soto wiedersieht.

Kurz vor der Geburt der Zwillinge kommen deren Großeltern Severo und Nívea bei einem Autounfall ums Leben. Esteban will es Clara erst nach der Niederkunft wissen lassen, aber aufgrund ihrer seherischen Fähigkeiten bleibt ihr der Tod der Eltern nicht verborgen. Die Hochschwangere steht auf und führt ihre Angehörigen zu dem Ort, an dem der beim Unfall abgetrennte Kopf ihrer Mutter im Gebüsch liegt. Férula verstaut den Kopf in einer Hutschachtel. Den Behörden wird nichts gemeldet, denn das würde einen endlosen Papierkrieg auslösen.

Die Erziehung der Zwillinge Jaime und Nicolas überlässt Clara der Schwägerin und einem Kindermädchen.

Weil Pedro Segundo García sich bei einem Sturz mit dem Pferd verletzt, muss Esteban selbst nach Drei Marien sehen. Als er unangekündigt nach Santiago zurückkommt, ertappt er seine Schwester bei Clara im Bett. Noch in der Nacht wirft er Férula aus dem Haus. Über Pater Antonio lässt er ihr jeden Monat Geld zukommen, aber ansonsten will er nichts mehr von ihr wissen.

Ohne Férula bricht im Haushalt das Chaos aus, aber Estebans wirtschaftliche Unternehmen – die Mine, das Gut, der Obstexport und eine Baufirma – prosperieren.

Blanca hat weder den Jähzorn des Vaters noch die spirituellen Fähigkeiten der Mutter geerbt. Im Sommer, wenn die Familie auf dem Land lebt, trifft sie sich weiterhin heimlich mit Pedro Tercero García. Der Junge liest viel. Von einem kommunistischen Lehrer beeinflusst, tut er sich mit Gewerkschaftern zusammen und verteilt subversive Schriften. Als der Patron davon erfährt, mahnt er seinen Verwalter, den Jungen zur Räson zu bringen, denn er duldet auf dem Gut keine Aufwiegler.

Pancha García stirbt an Diarrhö. Sie hinterlässt den von Esteban gezeugten unehelichen Sohn.

Als Férula ihrer Schwägerin erscheint, weiß diese, dass sie tot ist. Pater Antonio bringt Clara und Esteban in die Armensiedlung, in der Férula wohnte, und sie finden ihre Leiche. Das Geld, das ihr der Bruder regelmäßig schickte, sammelte sie in einer Schachtel, statt es auszugeben. Esteban und Clara übergeben es dem Geistlichen für die Armen.

Im nächsten Sommer lässt Blanca sich von Pedro deflorieren.

Bei einem Erdbeben wird Esteban Trueba auf Drei Marien verschüttet. Stunden später kann er geborgen werden. Pedro García der Alte, der blinde Vater des Verwalters, richtet die gebrochenen Knochen des Patrons wieder ein. Und Esteban befiehlt, das Herrenhaus wieder aufzubauen. Clara übernimmt erstmals Verantwortung und unterstützt Pedro Segundo García bei der Arbeit. Eineinhalb Jahre nach dem Erdbeben ist Drei Marien wieder ein Mustergut.

Inzwischen leben Esteban, Clara, Blanca, Jaime und Nicolas das ganze Jahr über auf dem Land.

Ein Fremder, der sich Graf Jean de Satigny nennt, macht sich an den Patron heran. Er will ihn als Geschäftspartner für eine Chinchilla-Zucht gewinnen, das heißt, Esteban soll das erforderliche Kapital investieren, die Gehege errichten, die Arbeiter stellen, die Risiken übernehmen – und den Gewinn fünfzig zu fünfzig mit dem Franzosen teilen. Der angebliche Graf spekuliert darüber hinaus auf die Mitgift von Estebans Tochter und hält um ihre Hand an. Blanca weigert sich jedoch, den Antrag anzunehmen.

Es bleibt Jean de Satigny nicht verborgen, dass Blanca nachts heimlich aus dem Fenster klettert. Er schleicht ihr nach und beobachtet, wie sie und Pedro nach der Liebe nackt am Flussufer liegen. Daraufhin kehrt er zum Gut zurück, weckt Esteban und erzählt ihm, er habe nicht schlafen können und bei einer Nachtwanderung zufällig dessen Tochter mit einem jungen Mann gesehen. Der Patron reitet wutschnaubend los. Unterwegs kommt ihm Blanca entgegen. Er peitscht sie aus, bis sie nicht mehr gehen kann. Clara ist entsetzt, als ihr Mann mit der verletzten Tochter nach Hause kommt. Als sie protestiert, schlägt Esteban ihr mit der Faust die Zähne aus und schleudert sie gegen die Wand. Von da an spricht Clara kein Wort mehr mit ihm. Sie fährt mit Blanca nach Santiago und lässt sich dort eine Zahnprothese aus Porzellan anfertigen, die sie meistens an einem Kettchen um den Hals trägt.

Der Patron sucht nach Pedro Tercero García. Nach einiger Zeit meldet sich sein illegitimer Enkel Esteban García bei ihm und verrät ihm, dass Pedro sich im Sägewerk versteckt. Esteban trifft ihn schlafend an. Bevor er ihn erschießen kann, springt Pedro auf und schleudert ein Stück Holz nach ihm. Dadurch fällt ihm die Flinte aus der Hand. Aber der Rasende packt eine Axt und trennt Pedro drei Finger der rechten Hand ab.

Der Verletzte findet Zuflucht bei Pater José Dulce Maria. Als keine Gefahr mehr besteht, dass sich die Narben entzünden, zieht Pedro Tercero García in die Hauptstadt, wo ihn ein Sozialistenführer vorübergehend aufnimmt. Pedro singt in einer Künstlerkneipe und beginnt auf diese Weise eine erfolgreiche Karriere. Bald ist er auch im Radio zu hören.

Als Esteban erfährt, dass Blanca schwanger ist, packt er Jean de Satigny und zwingt ihn, mit ihm nach Santiago zu fahren, um Blanca zu heiraten und das Kind als seines anzuerkennen. Zwei Wochen später findet die Hochzeit statt. Esteban übergibt seinem Schwiegersohn einen Scheck, der es ihm ermöglichen soll, sich mit Blanca im Norden Chiles einzurichten, wo niemand sie kennt. In der Hochzeitsnacht stellt Blanca erleichtert fest, dass der Bräutigam nicht daran interessiert ist, die Ehe zu vollziehen. Mit dem Geld seines Schwiegervaters eröffnet er ein illegales Geschäft mit indianischen Tonkrügen und Hockermumien. Sein Hobby ist die Fotografie. Er schnupft Kokain und raucht Opium. Eines Tages entdeckt Blanca pornografische Fotos, die er von männlichen Hausangestellten gemacht hat. Da begreift sie, warum er sie nicht anfasst und kehrt nach Hause zurück.

Dort wird sie von einer Tochter entbunden, die den Namen Alba erhält. Ihr erzählt Blanca schließlich, der Vater sei gestorben.

Jaime studiert Medizin. Er liebt Amanda, die Freundin seines Bruders Nicolas. Als diese schwanger ist, lässt er sich von Nicolas überreden, eine Abtreibung durchzuführen, obwohl er nur aus Büchern über den Eingriff Bescheid weiß. Nicolas sucht in Indien nach seinem Weg und schreibt anschließend ein Buch über die neunundneunzig Namen Gottes. Er gründet eine Akademie für Erleuchtete, das Instituto de Union con la Nada, und zieht schließlich in die USA.

Weil die Sozialisten in Chile immer stärker werden, hält Esteban Trueba es für erforderlich, dass er sich für die konservative Partei engagiert. Nachdem er einen neuen Verwalter für Drei Marien eingestellt hat, lässt er sich endgültig in Santiago nieder und in den Senat wählen.

Sein illegitimer Enkel reist in die Hauptstadt und fragt nach ihm. Während Esteban García auf den Senator wartet, kommt Alba ins Zimmer. Der junge Mann hasst das kleine Mädchen ebenso wie den Großvater. Zuerst spielt er mit dem Gedanken, Alba zu erwürgen, aber dann erregt ihn das alles, und er lässt sie seinen erigierten Penis anfassen. Bevor er das Mädchen verletzt, trifft Esteban ein. Der Senator ist bereit, seinem Enkel ein Empfehlungsschreiben mitzugeben und ihm eine Anstellung bei der Polizei zu vermitteln.

An Albas siebten Geburtstag stirbt Clara. Esteban lässt seine Frau zusammen mit dem Kopf seiner Schwiegermutter Nívea in den Sarg legen und ein Mausoleum errichten, in das er heimlich auch Rosa umbettet.

Esteban ist einsam. Sein Haus verwahrlost, und der Garten verwildert.

Bei einem Besuch im Bordell Cristóbal Colón, das in eine Prostituierten- und Schwulenkooperative umgewandelt wurde, trifft er Tránsito Soto wieder.

Der Verwalter rät ihm, Drei Marien zu verkaufen, weil die Bauern aufmüpfig werden, aber Esteban, der Landbesitz für einen der wenigen dauerhaften Werte hält, denkt nicht daran, sein Gut aufzugeben.

Mit achtzehn beginnt Alba, Philosophie und Musik zu studieren. An der Universität lernt sie den Jura-Studenten Miguel kennen, den jüngeren Bruder von Amanda, der früheren Geliebten ihres Onkels Nicolas. Miguel ist überzeugt, dass sich die gesellschaftlichen Verhältnisse in Chile nur gewaltsam, also mit einer Revolution, verändern lassen. In seinem politischen Engagement wird er von Professor Sebastián Gómez bestärkt. Im Keller von Estebans Haus richten Alba und Miguel ein Liebesnest ein. Ein Jahr später promoviert er.

Alba und Miguel bringen eines Tages Jaime zu Amanda ins Künstlerviertel. Sie ist schwer krank. Arme und Beine sind mit Stichen von Heroin-Injektionen übersät. Nur eine Entziehungskur im Krankenhaus kann sie noch retten.

Das Linksbündnis gewinnt 1969 die Präsidentschaftswahlen. Die chilenische Gesellschaft spaltet sich in die siegreichen Linken und die Bourgeoisie, die besorgt die Konten bei den Banken leert und Wertsachen ins Ausland schickt. Der populäre linke Sänger Pedro Tercero García wird von der neuen Regierung aufgefordert, ein Amt zu übernehmen.

Alba beobachtet, dass ihr Großvater schwere Holzkisten liefern und in einem leeren Zimmer stapeln lässt. Von Miguel weiß sie, dass die Rechte aufrüstet. Damit die Waffen ihres Großvaters nicht in einem Bürgerkrieg verwendet werden können, schaffen Alba und ihr Onkel Jaime sie heimlich fort und vergraben sie im Gebirge. Die Kisten füllen sie mit Steinen und nageln sie wieder zu.

Esteban wird durch die Landreform enteignet. Als er erfährt, dass die Bauern auf Drei Marien eine Kooperative gegründet haben, nimmt er ein automatisches Gewehr und lässt sich von einem seiner Chauffeure hinfahren. Blind vor Zorn schießt er, aber gleich darauf wird er von hinten niedergeschlagen und gefesselt ins Herrenhaus gebracht.

Blanca geht mit ihrer Tochter ins Ministerium und drängt Pedro, sich für Esteban einzusetzen. Bei dieser Gelegenheit erfährt Alba, dass Pedro Tercero García ihr Vater ist. Obwohl der Regierungsangestellte zwölf Stunden am Tag zu arbeiten hat, fährt er nach Drei Marien und befreit seinen sowohl persönlichen als auch politischen Widersacher.

Vier Jahre nach dem Amtsantritt der sozialistischen Regierung löst die Marine einen Militärputsch aus. Der Präsident im belagerten Regierungspalast drängt seine Angehörigen und die meisten Mitarbeiter, sich in Sicherheit zu bringen. Ärzte, darunter auch Jaime, werden in den Palast gerufen. Gegen Mittag beginnt das Bombardement aus der Luft, und die Armee stürmt das Gebäude. Der Präsident fordert die Anwesenden auf, sich den Angreifern zu ergeben. Er wolle sich ihnen als Letzter anschließen, sagt er, aber sie sehen ihn nicht lebend wieder.

Jaime und die anderen Männer, die sich ergeben haben, müssen sich auf der Straße auf den Boden legen. Ein Panzer fährt nur wenige Zentimeter vor ihren Köpfen vorbei. Sie werden ins Verteidigungsministerium gebracht. Jaime soll im Fernsehen bestätigen, dass der Präsident betrunken gewesen sei und Selbstmord verübt habe. Weil der Arzt nicht bereit ist, falsches Zeugnis abzulegen, wird er zusammengeschlagen.

Zur selben Zeit feiert sein Vater Esteban, der davon nichts ahnt, den Sturz der verhassten Regierung mit Champagner.

Miguel verabschiedet sich von Alba. Er schließt sich der Guerillabewegung an.

Esteban geht davon aus, dass die neuen Machthaber ihn auffordern werden, ein Amt zu übernehmen. Nach drei Tagen vergeblichen Wartens lässt er sich zum Verteidigungsministerium fahren, aber dort nimmt man dem ehemaligen Senator nur den Chauffeur und den Dienstwagen ab.

Zwei Wochen später erfährt er, dass Jaime ermordet wurde.

Die philosophische Fakultät wird geschlossen. Alba bricht auch ihr Musikstudium ab. Professor Sebastián Gómez wird von seinen eigenen Studenten angezeigt und ermordet.

Als Esteban Drei Marien zurückbekommt, fährt er mit einem halben Dutzend Männern hin, vertreibt die Bauern und zündet ihre Häuser an.

Er erwartet, dass die Militärjunta die Macht einer Zivilregierung übergibt, sobald die Ordnung wiederhergestellt ist. Erst nach Monaten sieht er ein, dass er sich geirrt hat.

Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Sozialisten, die der Aufforderung der neuen Machthaber folgen und sich freiwillig melden, werden gefoltert und umgebracht. Pedro Tercero García macht diesen Fehler nicht. Blanca versteckt ihn in einem leeren Zimmer ihres Elternhauses. Hier wird ihn niemand suchen. Als die beiden begreifen, dass die Verfolgungen nicht nach kurzer Zeit enden, beichtet Blanca ihrem Großvater, was sie getan hat und bittet ihn, Pedro bei der Flucht ins Ausland zu helfen. Noch einmal kann Esteban seine Beziehungen spielen lassen. Ein Botschafter fährt mit seinem Diplomatenwagen vor. Pedro wird im Kofferraum unter Gemüse versteckt. Dann steigen der Botschafter, Esteban, Blanca und Alba ein und lassen sich vom Chauffeur zur Residenz des Nuntius bringen. Der wird Pedro und Blanca die Möglichkeit verschaffen, Chile zu verlassen. Zum Abschied umarmen sich die beiden grundverschiedenen Männer Esteban und Pedro Tercero.

Alba bleibt mit ihrem Großvater zurück und bietet auch weiterhin politisch Verfolgten Unterschlupf.

Ohne weiteres befolgt Esteban den Aufruf, alle Waffen abzugeben und bestellt einen Lastwagen. Erst jetzt merkt er, dass die meisten Kisten Steine enthalten.

Alba unternimmt mit einer Gruppe Kinder einen Ausflug. Unterwegs steigt Miguel zu. Sie fahren zu der Stelle im Gebirge, wo die Waffen versteckt sind. Miguel wird mit anderen Guerilleros zurückkommen und sie ausgraben.

Die Geheimpolizei beobachtet das Haus des ehemaligen Senators Esteban Trueba. Schließlich verwüstet ein Trupp Soldaten bei einer Durchsuchung die Einrichtung und holt Alba ab.

„Unterschreib das!“, befahl der Chef, während er Trueba ein Papier unter die Nase hielt. „Das ist eine Erklärung, dass wir uns vor dir ausgewiesen haben, dass alles vorschriftsmäßig verlaufen ist, dass wir rücksichtsvoll und höflich vorgegangen sind und dass du keine Klagen vorzubringen hast. Unterschreib!“
„Nie werde ich das unterschreiben“, rief Trueba wütend.
Der Mann drehte sich rasch um die eigene Achse und versetzte Alba einen Schlag ins Gesicht, der sie zu Boden schleuderte. Senator Trueba war wie gelähmt vor Staunen und Entsetzen und begriff, dass endlich, nachdem er fast neunzig Jahre lang nach seinem eigenen Gesetz gelebt hatte, die Stunde der Wahrheit gekommen war.
„Wusstest du, dass deine Enkelin die Hure eines Guerilleros ist?“, sagte der Mann.
Niedergeschlagen unterzeichnete Senator Trueba das Papier.

Mit verbundenen Augen wird Alba zu Oberst Esteban García gebracht, dem illegitimen Enkel ihres Großvaters. Der kann endlich seinen Hass auf den Vergewaltiger seiner Großmutter an dessen Enkelin ausleben. Die Männer reißen Alba die Kleider vom Leib, schlagen sie und foltern sie mit Stromstößen. Tag für Tag weidet Esteban García sich an Albas Qual und Erniedrigung. Er lässt ihr drei Finger der rechten Hand abschneiden und schickt sie ihrem Großvater.

Trotz des Risikos, dabei gefasst zu werden, sucht Miguel den Großvater seiner Geliebten auf und rät ihm, Tránsito Soto um Hilfe zu bitten. Der Guerilla-Führer weiß, wer im Land die Fäden zieht und zu den Stammgästen des inzwischen von Tránsito Soto geführten Bordells Cristóbal Colón gehört. Esteban folgt dem Rat. Ein paar Tage später wird Alba zu einer Müllhalde am Barrio de la Misericordia gefahren und dort freigelassen.

Esteban schlägt seiner Enkelin vor, das Land gemeinsam zu verlassen. Wegen Miguel will Alba jedoch bleiben.

Sie erfährt, dass Miguels Schwester Amanda unter der Folter starb.

Alba wartet auf Miguel und lernt, mit der linken Hand zu schreiben. Sie studiert die Aufzeichnungen ihrer Großmutter Clara, aufbewahrte Briefe und andere Dokumente. Esteban schildert ihr seine Erinnerungen. Das versetzt Alba in die Lage, die Geschichte der Familie vor dem Hintergrund der politischen Ereignisse zu rekonstruieren.

An dem Tag, an dem mein Großvater Esteban Garcías Großmutter Pancha in den Büschen am Fluss vergewaltigte, fügte er ein neues Glied an eine Kette von Ereignissen, die eintreffen mussten.

Sobald Alba damit fertig ist, stirbt Esteban Trueba friedlich in seinem Bett.

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

In ihrem Roman „Das Geisterhaus“ erzählt Isabel Allende die Geschichte einer großbürgerlichen chilenischen Familie über vier Generationen hinweg.

  • 1. Generation: Severo del Valle und seine Ehefrau Nívea / Witwe Ester Trueba
  • 2. Generation: Esteban Trueba und seine Ehefrau Clara, geborene del Valle
  • 3. Generation: Geschwister Blanca, Jaime und Nicolas
  • 4. Generation: Blancas Tochter Alba

Die Familiensaga veranschaulicht die gesellschaftlichen Verhältnisse in Chile und die politischen Ereignisse: Sieg der Volksfront 1969, Militärputsch gegen den sozialistischen Staatspräsidenten Salvador Allende 1973, Militärdiktatur. Es ist eine Chronik der persönlichen und politischen Gewalt sowie des Kampfes für mehr Gerechtigkeit und eine bessere Gesellschaft.

Im Zentrum der Handlung steht Esteban Trueba. Es ist der einzige Charakter in „Das Geisterhaus“, der von Isabel Allende farbig und lebendig dargestellt wird. Alle anderen Figuren bleiben Schablonen; allenfalls die Frauenfiguren Clara, Blanca und Alba weisen noch Konturen auf.

Die Namen der Frauen haben übrigens Bedeutungen: Nívea (die Schneeweiße), Clara (die Helle), Blanca (die Weiße), Alba (die Morgenröte)

Die aus der Perspektive einer Frau erzählte Familienchronik ist in eine Rahmenhandlung eingebettet: Alba rekonstruiert sie mit Hilfe ihres Großvaters Esteban Trueba. Trotzdem wird mit Ausnahme weniger Passagen nicht in der Ich-Form (von Alba bzw. Esteban), sondern in der dritten Person Singular erzählt.

Der Roman „Das Geisterhaus“ weist weder Tiefgang noch formale oder sprachliche Qualitäten auf, aber das von Isabel Allende mit großer Fabulierlust entworfene pittoreske Tableau macht ihn lesenswert. Sie vermischt dabei Reales mit Magischem, als ob dies selbstverständlich wäre. Die Einordnung der Autorin in das Genre „Magischer Realismus“ erscheint mir jedoch nicht angebracht, und Vergleiche von „Das Geisterhaus“ und „Hundert Jahre Einsamkeit“ halte ich für abwegig.

Beim Vater von Isabel Allende (* 1942) handelte es sich um einen Cousin des chilenischen Staatspräsidenten Salvador Allende. 1975, zwei Jahre nach dem Militärputsch, ging sie ins Exil nach Venezuela. Nachdem ihr Großvater 1981 im Alter von 99 Jahren gestorben war, schrieb sie in Caracas einen an ihn gerichteten langen Brief – aus dem sich das Manuskript ihres 1982 veröffentlichten Debütromans entwickelte: „Das Geisterhaus“ („La casa de los espiritus“). Es wurde ein Weltbestseller.

Den Roman „Das Geisterhaus“ von Isabel Allende gibt es auch als Hörspiel (Bearbeitung und Regie: Walter Adler; mit Ulrich Matthes, Angela Winkler, Manfred Zapatka u.a., Stuttgart 2010, 8 CDs, ISBN 978-3-86717-563-0).

Der Däne Bille August verfilmte den Roman mit Jeremy Irons, Meryl Streep, Winona Ryder, Glenn Close, und Antonio Banderas: „Das Geisterhaus“.

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2011
Textauszüge: © Suhrkamp Verlag

Salvador Allende (Kurzbiografie)
Militärputsch in Chile 1973
Bille August: Das Geisterhaus

Isabel Allende (Kurzbiografie)
Isabel Allende: Die Stadt der wilden Götter
Isabel Allende: Im Reich des Goldenen Drachen
Isabel Allende: Im Bann der Masken
Isabel Allende: Mayas Tagebuch

Konrad Lorenz - Die Rückseite des Spiegels
Es liegt in der Natur des Themas, dass "Die Rückseite des Spiegels" schwieriger zu verstehen ist, als die populärwissenschaftlichen Bücher, die Konrad Lorenz über die Verhaltensforschung schrieb, aber die Abhandlung ist auch für Laien ohne weiteres verständlich.
Die Rückseite des Spiegels

 

(Startseite)

 

Nobelpreis für Literatur

 

Literaturagenturen

 

Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.