Schwarzer Engel

Schwarzer Engel

Schwarzer Engel

Schwarzer Engel – Originaltitel: Obsession – Regie: Brian De Palma – Drehbuch: Paul Schrader – Kamera: Vilmos Zsigmond – Schnitt: Paul Hirsch – Musik: Bernard Herrmann – Darsteller: Cliff Robertson, Geneviève Bujold, John Lithgow, Tom Felleghy u.a. – 1976; 95 Minuten

Inhaltsangabe

1959 werden Michael Courtlands Ehefrau Elizabeth und die neunjährige Tochter Amy entführt. Die Täter verlangen Lösegeld. Bei der Verfolgung durch die Polizei verlieren sie die Kontrolle über ihren Wagen. Er explodiert. Michael fühlt sich mitschuldig am Tod der Angehörigen, weil er den Geldkoffer auf Anraten der Polizei mit Papier statt Banknoten füllte. 1975 ent­deckt er eine junge Frau, die wie Elizabeth aussieht. Sie kommen sich näher. Kurz vor der Hochzeit wird auch sie entführt. Dies­mal will Michael alles richtig machen ...
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Kritik

Der Psychothriller "Schwarzer Engel" dreht sich um Gier und Obsession, Verrrat und Täuschung, Traumata und Schuldgefühle. Charakteristisch ist die Duplizität von Figuren und Ereignissen. Hervorzuheben ist die elegante, durchdachte Kamera­führung.
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1959 feiern Michael und Elizabeth Courtland (Cliff Robertson, Geneviève Bujold) ihren zehnten Hochzeitstag. Sie hatten sich in Florenz kennengelernt. Mit ihrer neunjährigen Tochter Amy (Wanda Blackman) leben sie in New Orleans, wo Michael mit seinem Freund Robert („Bob“) Lasalle (John Lithgow) gemeinsam ein großes Immobiliengeschäft leitet.

Nachdem die letzten Gäste gegangen sind, werden Amy und Elizabeth aus dem Haus entführt. Am Kinderbett hängt ein Zettel mit einer Lösegeldforderung: 500 000 Dollar. Michael will Robert seine Anteile am Unternehmen verkaufen, um das Geld aufzubringen, aber Inspektor August Brie (Stanley J. Reyes) rät ihm, den Geldkoffer, den er von einem Raddampfer aus auf einen Kai werfen soll, mit Papier zu füllen. Außerdem legt die Polizei einen Peilsender hinein.

Die Ortung des Koffers ermöglicht es einem Sondereinsatzkommando, das Haus der Verbrecher zu identifizieren und zu umstellen. Aber die Entführer flüchten zu ihrem Auto, und weil sie Amy und Elizabeth als Geiseln bei sich haben, wäre es zu riskant, auf sie zu schießen. Die Polizei kann ihnen nur nachfahren. Nach kurzer Verfolgungsjagd verlieren die Gangster auf einer Brücke über den Mississippi die Kontrolle über ihren Wagen. Er explodiert und stürzt ins Wasser.

Michael Courtland, der mit im Fahrzeug der Polizei saß und das alles mit ansah, wirft sich vor, durch die Täuschung der Entführer am Tod von Frau und Tochter mitschuldig zu sein. Auf einem Parkgelände, das Robert Lasalle gern kommerziell genutzt hätte, errichtet der Witwer ein riesiges Memorial mit einer Kopie der Fassade der Kirche San Miniato al Monte in Florenz, wo er seine spätere Frau erstmals gesehen hatte, für „Elizabeth 1931 – 1959“ und „Amy 1950 – 1959“. Im Unternehmen überlässt er die Geschäftsleitung weitgehend seinem Partner.

Der überredet ihn 1975 zu einer Geschäftsreise nach Italien. Das werde ihn ein wenig von seiner Trauer und seinen Schuldgefühlen ablenken, meint Robert Lasalle. Sie fliegen zusammen nach Rom und fahren mit dem Zug weiter nach Florenz, wo sie mit dem Italiener D’Annunzio (Andrea Esterhazy) über eine Zusammenarbeit im großen Stil verhandeln.

Als Michael in die Kirche San Miniato geht, arbeitet dort eine junge Restauratorin, die wie Elizabeth aussieht. An einem der nächsten Tage nimmt er Robert mit, und der Freund äußert sich verblüfft über die Ähnlichkeit der Italienerin mit Elizabeth. Während Robert in die USA zurückfliegt, bleibt Michael in Florenz und spricht die Restauratorin an. Sandra Portinari (Geneviève Bujold) ist Kunsthistorikerin und nur als Hilfskraft mit der Restauration in der Kirche San Miniato beschäftigt. Sie erklärt Michael, dass unter dem von ihr bearbeiteten Renaissance-Gemälde ein älteres, aber weniger kunstvolles Fresko entdeckt wurde. Und sie fragt, welches der beiden Bilder er restaurieren würde. Michael entscheidet sich für die Übermalung.

Sandra und er kommen sich rasch näher.

Kurz nach ihrer ersten Begegnung stirbt Sandras Mutter (Nella Simoncini Barbieri), die ihre Tochter allein aufgezogen hatte, in einem Krankenhaus.

Michael nimmt Sandra mit nach New Orleans, und sie beabsichtigen, am 2. Mai 1975 zu heiraten. Robert und die Assistentin Jane (Loraine Despres) halten das für übereilt, aber auch der Psychotherapeut Dr. Ellman (Stocker Fontelieu) kann Michael nicht von seinem Plan abbringen. Im Gegenteil: Er will bereits am nächsten Tag mit Sandra einen Friedensrichter aufsuchen und die eigentliche Eheschließung vorziehen. Feiern können sie dann immer noch am 2. Mai.

In der Nacht träumt Michael von Sandra, die ihm erklärt, sie sei Elizabeth und gebe ihm eine zweite Chance. Als er erwacht, ist Sandra weg. Wie 16 Jahre zuvor hängt am Bett ein Zettel mit einer Lösegeldforderung.

Diesmal will Michael alles richtig machen. Deshalb klingelt er noch in der Nacht seinen Partner heraus und überschreibt ihm seine Geschäftsanteile. Am nächsten Morgen gehen sie gemeinsam zur Bank und heben eine halbe Million Dollar ab, die Michael in einen Koffer packt. Während er mit dem Rücken zum Koffer steht und ein Papier unterschreibt, vertauscht jemand den Koffer gegen einen anderen.


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Wie 1959 wirft Michael einen Koffer vom Raddampfer auf einen Kai. Diesmal ist es Sandra, die den Koffer öffnet – und wieder nur wertloses Papier darin findet. Robert, augenscheinlich ihr Komplize, kommt hinzu und behauptet, ihr liebloser Vater habe wie bei der ersten Entführung kein Geld für sie ausgeben wollen und deshalb erneut unbedrucktes Papier in den Koffer gepackt.

Anders als ihre Mutter Elizabeth und die beiden Verbrecher im Auto hatte Amy den Unfall 1959 überlebt und war von Robert Lasalle, dem Freund der Familie, den sie mit „Onkel“ ansprach, der jedoch die Entführung organisiert hatte, zum Flughafen gebracht worden. Dort bezahlte er einen Komplizen, der Amy nach Italien brachte. In der Annahme, der Vater habe die Mutter durch seinen Geiz getötet und auch sie nie geliebt, sann Amy auf Rache, bis Robert Lasalle ihr die Gelegenheit dazu verschaffte. Inzwischen hat sie jedoch erkannt, dass Michael alles andere als kaltherzig und geldgierig ist. Sie wird zwischen Hass und Liebe hin- und hergerissen.

Robert Lasalle speist Amy alias Sandra mit 50 000 Dollar ab und bringt sie gewaltsam zum Flughafen. Die traumatisierte junge Frau erlebt das wie beim ersten Mal und als wäre sie wieder das Kind von damals. Man setzt sie in eine Maschine nach Rom. Aber nach dem Start schließt sie sich in der Toilette ein und öffnet sich mit einer Nagelschere die Pulsadern.

Nachdem Michael von Bord des Raddampfers gegangen ist, kehrt er zum Kai zurück und sieht das Papier herumflattern. Da begreift er, dass sein Partner den Geldkoffer austauschte und ihn betrog.

Robert Lasalle gibt zu, auch bei der ersten Entführung die Fäden gezogen zu haben. Er behauptet, beim zweiten Coup sei Sandra von Anfang an eingeweiht gewesen. Sie habe von sich aus mitgemacht und sei nun mit 50 000 Dollar Honorar unterwegs nach Italien. Er kettet Michael mit einer Handschelle an den Koffer mit der halben Million. Der Schreibtischschublade entnimmt er eine Pistole. Aber die fällt zu Boden, als Michael sich zornig auf ihn stürzt. Im Kampf ersticht Michael seinen Gegner mit einer Schere.

Mit Robert Lasalles Pistole eilt er zum Flughafen, um Sandra zu erschießen. Dort erfährt er, dass die Maschine nach Rom bereits abgehoben habe. jedoch wegen eines angeblichen technischen Defekts zurückkomme. Tatsächlich wurde Amy gerade noch rechtzeitig von einer Flugbegleiterin in der Toilette entdeckt. Um die verhinderte Selbstmörderin in ein Krankenhaus bringen zu können, kehrt der Kapitän nach New Orleans zurück.

Im Handgemenge mit einem Sicherheitsbeamten, der Michael aufhalten will, öffnet sich der noch immer mit dessen Handgelenk verkettete Geldkoffer. Die Banknoten flattern heraus. Das sieht Amy, die in einem Rollstuhl sitzt und geschoben wird. „Daddy! Du hast das Geld gebracht!“, ruft sie, erhebt sich aus dem Rollstuhl und läuft wie ein Kind auf ihren Vater zu. Mit der Pistole in der Hand umarmt Michael seine Tochter.

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Der Psychothriller „Obsession“ / „Schwarzer Engel“ von Paul Schrader (Drehbuch) und Brian De Palma (Regie) dreht sich um Gier und Verrrat, Betrug und Täuschung, Traumatisierung und Schuldgefühle. Während Michael Courtland obsessiv glaubt, mit Elizabeths Doppelgängerin eine zweite Chance zu bekommen und seine Schuld abtragen zu können, gerät diese in ein Gefühlschaos. Eine romanische Kirche mit einer Protorenaissance-Fassade in Florenz ist der Ort, an dem Michael Courtland sowohl Elizabeth als auch Sandra begegnet. Moderne Bürogebäude symbolisieren dagegen die Geschäftswelt, in der sich Robert Lasalle obsessiv bewegt.

Ursprünglich sollte Paul Schrader ein Drehbuch für eine Verfilmung des Romans „Der Spieler“ von Fjodor Dostojewski schreiben. Aber nachdem er sich mit Brian De Palma zusammen den Film „Vertigo“ angeschaut hatte, beschlossen die beiden eine Hommage an Alfred Hitchcock zu schaffen. Wie in „Vertigo“ ist auch für „Schwarzer Engel“ die Duplizität von Figuren und Ereignissen charakteristisch. Paul Schrader konzipierte den Plot mit einer dritten, 15 Jahre nach dem Mittelteil spielenden Drehung, in der die beiden traumatisierten Hauptfiguren die schrecklichen Ereignisse in den Jahren 1959 und 1975 noch einmal durchleben, um sich endlich von der Vergangenheit zu befreien. In jedem der drei Teile sollte ein und derselbe Schauspieler eine von drei Rollen spielen: Entführer, Rivale, Psychiater. Es missfiel Paul Schrader, dass Brian De Palma das letzte Drittel in „Schwarzer Engel“ wegließ und auch die Idee mit dem drei Rollen verkörpernden Darsteller nicht aufgriff.

Vilmos Zsigmond trägt mit der ebenso eleganten wie durchdachten Kameraführung maßgeblich dazu bei, dass „Schwarzer Engel“ sehenswert ist. Um Bereiche in unterschiedlicher Entfernung von der Kamera gleich scharf aufnehmen zu können, verwendete er Spezialobjektive. An mehreren Stellen umrundet die Kamera – wie oft auch bei Michael Ballhaus – die Aufnahmeobjekte. Das steigert die Emotionalität und sorgt in der letzten Einstellung auch dafür, dass wir die Veränderungen in der Mimik beider Hauptdarsteller sehen können. Bei der Regression Sandras zum Kind bringt Vilmos Zsigmond die Kamera in eine höhere Position und betont dadurch den psychischen Vorgang.

Die mit John Lithgow besetzte Rolle des Robert Lasalle wirkt wie ein Klischee und lässt dadurch von Anfang an die Auflösung erahnen.

Bernard Herrmann war bereits schwer krank, als er die Filmmusik für „Schwarzer Engel“ schrieb. Der Komponist, von dem auch der Score des Thrillers „Psycho“ stammt, starb am 24. Dezember 1975 im Alter von 64 Jahren. Er wurde posthum für einen „Oscar“ nominiert. Heute, wo wir leisere Töne gewöhnt sind, wirkt die pathetische Musikuntermalung viel zu aufdringlich.

Übrigens heißt Sandra mit Nachnamen Portinari – wie Bice, eine Tochter des Florentiner Bankiers Folco Portinari, das wahrscheinliche Vorbild für Dantes Figur Beatrice.

„Schwarzer Engel“ soll gerade einmal eine Million Dollar gekostet und das Vierfache eingespielt haben.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2017

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