Margriet de Moor : Bevorzugte Landschaft

Bevorzugte Landschaft
Originalausgabe: 1989 in "Dubbelportret" Bevorzugte Landschaft Deutsche Ausgabe in "Doppelporträt" Übersetzung: Rotraut Keller Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1998 ISBN 3-423-08433-2, 223 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Als die Sängerin Mira von einer Probe nach Hause kommt, sieht sie durchs Fenster ihren Mann und ihre siebenjährige Tochter am Tisch – und auf ihrem Platz sitzt eine fremde Frau ...
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Kritik

Margriet de Moor stellt in "Bevorzugte Landschaft" sehr eindringlich und nachvollziehbar eine Protagonistin dar, die hilflos mit ansieht, wie sich eine überaus hilfsbereite und stets freundliche Frau in ihr Leben drängt.
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Mira ist seit 14 Jahren mit Paul verheiratet. Vor sieben Jahren, nach der Geburt ihrer Tochter Jeanne, nahm sie ihre Karriere als Sängerin wieder auf.

Als sie von einer Probe nach Hause kommt, sieht sie durchs Fenster Paul und Jeanne am Tisch, und auf ihrem Platz sitzt eine fremde Frau, die sich offenbar prächtig mit den beiden unterhält. Verwirrt geht Mira noch eine Runde, dann rafft sie sich auf und betritt das Haus. Am Tisch ist auch für sie gedeckt, und man hat ihr einen Teller Spaghetti aufgehoben. Paul macht die beiden Frauen miteinander bekannt. Die Fremde heißt Karin. Paul war am Nachmittag geschäftlich eingespannt; und da hatte Karin nicht nur ihren zehnjährigen Sohn Christian, sondern auch Jeanne aus der Schule abgeholt, den Jungen zu Hause abgesetzt, Jeanne heimgebracht und Essen gekocht. Eigentlich hat Mira sich auf einen ruhigen Abend mit ihrem Mann gefreut, aber Karin bleibt bis in die Nacht.

In den nächsten Tagen wird Mira mehrmals von Karin zu Kaffee, Tee oder auf ein Glas Rotwein eingeladen. Sie lehnt dankend ab. Doch da passt Karin sie und die Kinder nach der Schule ab und besteht darauf, dass Mira gleich mit zu ihr kommt.

„Du und deine Mama,“ [sagt Karin zu Jeanne], „ihr kommt zu mir, Tee trinken und Sahnetörtchen essen.“

Kurz darauf feiert Paul seinen 40. Geburtstag. Eingeladen sind die Freunde Arthur und Emma, Herman und Betsy mit ihrer Tochter Valerie. Etwas später am Abend taucht auch Karin mit ihrem Mann Evert und ihrem Sohn Christian auf. Sie bringen einen großen Chrysanthemenstrauß und eine selbst gemachte Quiche Lorraine mit. Die Backform hat Karin sich eigens von Mira ausgeliehen. Jugenderinnerungen werden ausgetauscht. Als Mira aufgefordert wird, etwas von sich preiszugeben, beschränkt sie sich auf ein paar nichtssagende Worte, aber sie kann nicht verhindern, dass ihre Freunde die ihnen bereits bekannte Geschichte ausführlich erzählen, nämlich wie sie im Alter von zehn Monaten in einem Haus für ledige Mütter adoptiert wurde.

Überall trifft Mira von da an auf Karin, beim Einkaufen und sogar bei einer Probe mit Peter, der sie in den Konzerten am Flügel begleitet.

Als Mira bald darauf von einer mehrtägigen Konzertreise zurückkommt, stellt sie fest, dass eine Zimmerwand geweißt und ein Schrank aufgeräumt worden war. Im Poesiealbum ihrer Tochter entdeckt sie ein Gedicht, das Karin hineingeschrieben hat. Und Paul berichtet ihr, dass Jeanne in den letzten beiden Tagen mit Christian verbringen durfte. Karin kümmerte sich um die beiden.

„Sie ist ein hilfsbereiter Mensch“, sagte er. „Ihr Mann ist übrigens sehr nett. Sie waren so reizend, mich gestern Abend auch zum Essen einzuladen.“

Valerie verunglückt nach einem heftigen Streit mit ihrem Vater: Sie wird mit ihrem Moped von einem Auto erfasst. Karin überbringt Paul und Mira die Nachricht. Als Mira nach Herman und Betsy schaut, wundert sie sich nicht, dass ihr in der Diele Karin mit rot geweinten Augen entgegenkommt.

Dann will sie ihren Mann im Büro besuchen. Sie weiß, dass seine Sekretärin krank ist, aber sie ahnte nicht, dass Karin eingesprungen ist. Karin behandelt sie wie eine Fremde und weigert sich, Paul in einem Kundengespräch zu stören. Da dreht Mira durch, schreit und verteilt wütend den Inhalt des Karteikastens im Raum. Die Tür zu Pauls Büro wird geöffnet. Paul blickt sie zornig an. Sein Besucher stellt sich amüsiert grinsend und mit den Händen in den Hosentaschen hin. Mira rennt davon.

Ohne sich auszuziehen, stellt sie sich unter die Dusche und denkt darüber nach, was geschehen ist.

Was hatte sie getan! Im Büro ihres Mannes eine Szene gemacht. Ihn im Beisein eines Klienten beschimpft. Eine gute, hilfsbereite Freundin beleidigt.

Sie entschuldigt sich bei Karin, die großmütig erklärt: „Ich bin niemals lange böse.“

Nach einem mehrtägigen Besuch bei ihrem alten Adoptivvater, räumt Mira zu Hause auf und wirft die Sachen, die nicht in ihr Leben gehören, in den Müll: ein Papiertuch mit rosa Lippenstift, ein halb volles Fläschen Rosmarinöl, Wattebäuschchen, ein gebrauchtes Papiertaschentuch …

Um zwei Briefe einzuwerfen, läuft sie zu einem Briefkasten. Karin kommt gerade aus einem Geschäft, bemerkt sie sofort und winkt. Angewidert dreht Mira sich um und läuft weg. Karin folgt ihr und ruft etwas. Völlig außer Atem betritt Mira eine Kneipe. Karin kommt herein und schwenkt die beiden Briefe, die Mira auf dem Briefkasten liegen ließ.

Karin händigte ihr einen Brief nach dem anderen aus, aber nicht ohne vorher in aller Ruhe die Adressen gelesen zu haben.

Hektische Wochen folgen für Mira; sie tritt in Groningen, Enschede und Maastricht auf. Zum Konzert in Amsterdam will auch ihr Adoptivvater kommen. Paul verspricht, ihn hinzufahren, und als ihm ein Geschäftstermin dazwischenkommt, überredet er Herman, für ihn einzuspringen. Mira kommt am Haus von Herman und Betsy vorbei. Davor steht deren Auto.

Betsy, Herman und Valerie saßen bei Tisch. Alle drei sahen erstaunt, wie sie nach Luft schnappte.

Die Erklärung ist ganz einfach: Am Nachmittag war Karin da und hatte sich angeboten, den alten Herrn zu fahren.

Mira ahnt noch nicht, dass ihr Adoptivvater es ablehnte, sich von der ihm fremden Frau chauffieren zu lassen und stattdessen ein Taxi nahm.

Auf seinen Stock gestützt, ging ein Mann den Mittelgang einlang. Er war alt und hinkte, aber er sah so unerschütterlich aus, dass es niemandem einfallen würde, ihm irgendwelche Hilfe anzubieten. Er hielt seine Eintrittskarte in der Hand und zählte die Reihen. Reihe 16 … Reihe 14 … Reihe 12 … Da war sein Platz. Ein bequemer Sitzplatz am Rand. Bemüht, sich aufrecht zu halten, drückte er die Sitzfläche herunter, ließ sich darauf nieder und stellte seinen Stock beiseite, wohl wissend, dass der Platz zu seiner Rechten unbesetzt bleiben würde.

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„Bevorzugte Landschaft“ – eine der drei in dem Band „Doppelporträt“ von Margriet de Moor zusammengefassten Novellen („Doppelporträt“, „Auf den ersten Blick“, „Bevorzugte Landschaft“) – handelt von einer Konzertsängerin, die seit vierzehn Jahren verheiratet ist und eine siebenjährige Tochter hat. Unvermittelt drängt sich eine überaus hilfsbereite und stets freundliche Frau in ihr Leben, und sie muss hilflos mit ansehen, wie dankbar ihr durch seine Arbeit überlasteter Ehemann für die unerwartete Unterstützung ist. Margriet de Moor stellt sehr eindringlich und nachvollziehbar dar, wie sich die Protagonistin fühlt.

Margriet de Moor (*1941) stammt aus Noordwijk. Mit siebzehn fing sie an, in Den Haag Gesang und Klavier zu studieren. Nach einer Karriere als Konzertsängerin und Klavierlehrerin begann sie das Studium der Architektur und Kunstgeschichte. Im Alter von 45 Jahren wandte sie sich dem Schreiben zu. Ihr Debütroman „Erst grau dann weiß dann blau“ erschien 1991.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2003
Textauszüge: © dtv

Margriet de Moor (kurze Biografie / Bibliografie)

Margriet de Moor: Auf den ersten Blick / Schlaflose Nacht
Margriet de Moor: Erst grau dann weiß dann blau
Margriet de Moor: Der Virtuose
Margriet de Moor: Die Verabredung
Margriet de Moor: Kreutzersonate. Eine Liebesgeschichte
Margriet de Moor: Sturmflut
Margriet de Moor: Der Maler und das Mädchen
Margriet de Moor: Mélodie d’amour
Margriet de Moor: Von Vögeln und Menschen

Peter Prange - Die Rose der Welt
Peter Prange verknüpft in "Die Rose der Welt" historische Tatsachen und das Thema Freiheit der Wissen­schaf­ten mit einer fiktiven, farbigen und konfliktreichen Geschichte, die er im ständigen Wechsel zwischen den Handlungssträngen chronologisch entwickelt.
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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.